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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 11.09.2001
Aktenzeichen: 20 W 70/2000
Rechtsgebiete: BGB, ZPO, FGG, EheG


Vorschriften:

BGB § 1318
BGB § 1318 V
BGB § 1931
BGB § 1371
BGB § 13 a I
ZPO § 549
FGG § 27
EheG § 26
EheG § 26 I
Zu den Voraussetzungen des ordre publik wegen der erbrechtlichen Folgen der Nichtigkeit einer Ehe nach ausländischen Recht (Philippinen).
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN BESCHLUSS

20 W 70/2000

Verkündet am 11.09.2001

In dem Erbscheinsverfahren

...

hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2) und 3) gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts vom 14.12.1999 am 11.09.2001 beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben. Die Erstbeschwerde der Beteiligten zu 1) wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

Der am 13.12.1996 in T. verstorbene Erblasser war deutscher Staatsangehöriger. Die Beteiligten zu 2) und 3) sind die beiden aus der ersten Ehe des Erblassers hervorgegangenen Töchter. Diese am 11.06.1965 geschlossene Ehe ist durch rechtskräftiges Urteil vom 14.06.1994 geschieden worden. Während dieser Ehe, nämlich am 04.05.1981, heiratete der Erblasser auf den Philippinen die philippinische. Staatsangehörige E. B. T. Aus dieser Verbindung ist der am 04.05.1982 geborene Beteiligte zu 4) hervorgegangen. Nach der Scheidung der ersten Ehe heiratete der Erblasser in Deutschland am 23.08.1994 die Beteiligte zu 1), die ebenfalls philippinische Staatsangehörige ist. Die Beteiligte zu 1) hat eidesstattlich versichert, erst im September 1996 von der zweiten Ehe erfahren zu haben.

Die Beteiligte zu 1) hat u. a. beantragt, ihr einen Erbschein zu erteilen, der sie als Miterbin zur Hälfte und die Beteiligten zu 2) - 3) zu einem Viertel ausweist. Hilfsweise hat sie einen Erbschein beantragt, der sie zur Hälfte und die Beteiligten zu 2) - 4) zu einem Sechstel als Erben ausweist.

Das Amtsgericht hat über das philippinische Recht ein Rechtsgutachten eingeholt (Bl. 60 - 84 d.A.). Die Sachverständige hat dabei ausgeführt, die zweite im Jahr 1981 geschlossene Ehe des Erblassers sei von Anfang an nichtig (null and void). Nach philippinischem Sachrecht sei der Beteiligte zu 4) ein nichteheliches Kind. Eine void marriage verleihe den Partnern dieser Verbindung nicht automatisch die Wiederverheiratungsfähigkeit. Diese sei erst gegeben, wenn die Nichtigkeit gerichtlich festgestellt sei. Diese 1988 eingeführte Regelung wirke sich aus philippinischer Sicht auch auf die 1994 geschlossene Ehe des Erblassers mit der Beteiligten zu 1) aus. Diese sei aus philippinischer Sicht ebenfalls absolut nichtig.

Das Amtsgericht hat die Erbscheinsanträge der Beteiligten zu 1) durch Beschluss vom 05.03.1999 zurückgewiesen. Es hat dabei die Ansicht vertreten, dass der Beteiligte zu 4) auch Miterbe geworden sei. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1), der das Amtsgericht nicht abgeholfen hat, hat das Landgericht ein Ergänzungsgutachten zum philippinischen Recht eingeholt. Die Sachverständige hat wiederum ausgeführt, dass die dritte Ehe des Erblassers ebenfalls eine void marriage sei und sich auch hier das ärgere" Recht durchsetze. Sie hat darauf hingewiesen, dass es der Wertung des Gerichts obliege, ob im Hin- blick auf § 1318 BGB der deutsche ordre public eine Nachlassbeteiligung erfordere. Das Landgericht hat das Eingreifen des ordre public bejaht, den amtsgerichtlichen Beschluss aufgehoben und das Amtsgericht angewiesen, der Beteiligten zu 1) einen Erbschein zu erteilen, wonach die Beteiligte zu 1) den Erblasser zur Hälfte und die Beteiligten zu 2) - 4) je zu einem Sechstel beerbt haben.

Dagegen richtet sich die zulässige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2) und 3). Sie führt zur Aufhebung der landgerichtlichen Entscheidung und zur Abweisung der Beschwerde der Beteiligten zu 1).

Die Rechtsnachfolge von Todes wegen unterliegt dem Recht des Staates, dem der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes angehört hat (Art. 25 EGBGB), mithin also deutschem Recht. Eine letztwillige Verfügung hat der Erblasser nicht hinterlassen, so dass gesetzliche Erbfolge eingetreten ist. Danach wäre die Beteiligte zu 1) gem. §§ 1931, 1371 BGB Miterbin zur Hälfte geworden, wenn sie mit dem Erblasser in einer gültigen Ehe gelebt hätte. Dies haben die Vorinstanzen unter Berufung auf die Ausführungen der Sachverständigen mit Recht verneint.

Ob eine gültige Eheschließung vorliegt, ist im Internationalen Erbrecht als selbständige Vorfrage zu prüfen (von Bar, Internationales Privatrecht, Bd. 2, 1999, § 3 Rn 383). Dabei ist zunächst auf die zweite Eheschließung des Erblassers mit der Mutter des Beteiligten zu 4) am 04.05.1981 und deren Auswirkungen zurückzugreifen. Da der Erblasser damals noch rechtsgültig mit der Mutter der Beteiligten zu 2) und 3) verheiratet war, war diese zweite Ehe des Erblassers jedenfalls bigamistisch. Wie auch die Sachverständige zutreffend ausgeführt hat, ist diese Eheschließung ein vor dem Inkrafttreten des IPRG am 01.09.1986 abgeschlossener Vorgang, so dass das EGBGB in alter Fassung Anwendung findet (Art. 220 EGBGB, Palandt-Bassenge, Bürgerliches Gesetzbuch, 60. Aufl. 2001, Art. 220 EGBGB Rn 2).

Nach Art. 13 I EGBGB a. F. wird die Eingehung einer Ehe, sofern auch nur einer der Verlobten ein Deutscher ist, nach den Gesetzen der jeweiligen Heimatrechte der beiden Verlobten beurteilt. Auf Seiten des Erblassers gilt danach deutsches Sachrecht, hinsichtlich der Ehefrau grundsätzlich philippinisches Recht. Da dieses die Verweisung annimmt und nicht auf deutsches Recht zurückverweist, bleibt es insoweit bei der Anwendung philippinischen Rechts (vgl. Art. 27 EGBGB a.F.).

Das philippinische Eherecht ist nach der Eheschließung des Erblassers mit der Mutter des Beteiligten zu 4) mit Wirkung zum 04.08.1988 geändert worden. Diese Änderung wirkt sich vorliegend jedoch nicht aus. Der Civil Code von 1950 kannte als wichtigste Gründe, die einer Wirksamkeit der Ehe entgegenstanden, fehlende Ehemündigkeit, Bigamie, Blutsverwandtschaft, fehlende Heiratslizenz und Trauung durch dazu nicht autorisierte Personen. Diese Gründe hat das neue philippinische Familienrecht im Family Code (FamC) übernommen. Sie bedeuten auch nach neuem Recht, dass bei ihrem Vorliegen eine Ehe von Anbeginn an als nicht existent im Sinne einer Nichtehe anzusehen ist (Art. 4 I und Art. 35, 45 I FamC; void ab initio" so Burmester-Beer, Neues Familienrecht auf den Philippinen, StAZ 1989, 249 ff, 250).

Die Sachverständige hat hierzu ausgeführt, dass das philippinische Eherecht zwischen void marriages und voidable mariages unterscheide. Eine void marriage sei eine von Anfang an absolut nichtige Ehe, die zwar vom Gericht für void erklärt werden könne, auf deren Nichtigkeit sich aber jeder auch ohne ein solches Urteil berüfen könne. Eine voidable marriage werde hingegen erst durch den richterlichen Ausspruch (annulment) nichtig. Absolut nichtige Ehen würden nach Art.35/40 FamC/80 CC bezüglich ihrer Wirkungen ähnlich behandelt wie Nichtehen nach deutschem Recht. Es bedürfe keiner gerichtlichen Entscheidung, die die Nichtigkeit feststelle. Die Feststellung der Nichtigkeit habe durch den neuen Family Code jedoch insoweit eine Einschränkung erfahren, als vor einer Wiederverheiratung der Ehegatte diese Ehe gerichtlich für nichtig erklären lassen müsse (Art. 40, 52, 53 FamC). Dieses Erfordernis einer gerichtlichen Feststellung gelte jedoch nur für den Fall der Wiederverheiratung, wenn nämlich die Gültigkeit der späteren Ehe auf die Nichtigkeit der früheren Ehe gestützt werden solle. Für alle anderen Fragen sei die Ehe von Anfang an als nichtig (void) anzusehen. Diese Ausführungen decken sich mit dem Wortlaut der genannten Vorschriften des FamC (Übersetzung bei Ferid/Bergmann, Inter- nationales Ehe und Kindschaftsrecht 1995) und einer neueren unter Berufung auf eine Auskunft der deutschen Botschaft in Manila erfolgten Veröffentlichung (Krömer, Wirksamkeit der in Deutschland geschlossenen Doppelehe einer philippinischen Staatsangehörigen, StAZ 1999, 341/ 34). Der Senat schließt sich den Ausführungen der Gutachterin ebenso wie die Vorinstanzen an.

Nach dem deutschen Eheschließungsrecht war die 1981 geschlossene Ehe des Erblassers eine Doppelehe und damit nach dem bis zum 01.07.1998 gültigen Ehegesetz zwar unheilbar nichtig (Art. 14, 15 EheschlRG, Art. 20 EheG; Palandt-Diederischsen, Bürgerliches Gesetzbuch, 45. Aufl. 1986, § 20 EheG Anm. 1), es konnte sich jedoch nach deutschem Recht niemand auf die Nichtigkeit berufen, solange nicht die Ehe durch ein gerichtliches Urteil für nichtig erklärt wurde (§ 23 EGBGB). Das Eheschließungsgesetz vom 4. Mai 1998 hat diesen Abstand zum philippinischen Recht noch insofern vergrößert, als der Verstoß gegen das Verbot der Doppelehe nicht mehr zur Nichtigkeit führt, sondern nur noch einen Eheaufhebungsgrund darstellt (§§ 1306, 1314 BGB).

Den Ausschlag gibt vorliegend nach dem Grundsatz des Vorrangs des ärgeren" Rechts (Henrich, Internationales Familienrecht (1989), § 1, S. 17) das philippinische Recht, da es gegenüber dem deutschen Recht die strengeren Konsequenzen enthält. Ein Verstoß gegen den deutschen ordre public ist darin nicht zu sehen. Der Bundesgerichthof ist der teilweise vertretenen Auffassung, es stelle einen Verstoß gegen den deutschen ordre public (Art. 30 EGBGB a.F., Art. 6 EGBGB) dar, eine im Ausland geschlossene Ehe in Anwendung ausländischen Rechts wegen Bigamie ohne gerichtliche Feststellung schlechthin als inexistent zu betrachten, nicht gefolgt (BGH, FamRZ 1991, 300 ff, 303; Krömer, a. a. O., m. w. N.). Danach ist die Ehe zwischen dem Erblasser und der Mutter des Beteiligten zu 4) in Deutschland wie eine Nichtehe zu behandeln.

Ob der Erblasser mit der Beteiligten zu 1) wirksam verheiratet war, beurteilt sich ebenfalls nach deutschem und nach philippinischen Rechts. Hieran hat die Neuregelung des IPRG nichts geändert. Auch hier verweist das deutsche Recht auf das philippinische Recht. Art. 13 I EGBGB n. F. bestimmt, dass die Voraussetzungen einer Eheschließung für jeden Verlobten dem Recht unterliegen, dem er angehört. Da- von sind die Vorinstanzen auch ausgegangen. Daran ändert nichts, dass die Ehe der Beteiligten zu 1) mit dem Erblasser vor dem Standesbeamten in Deutschland geschlossen worden ist. Art 26 FamC bestimmt zwar, dass alle außerhalb der Philippinen entsprechend den Gesetzen des Eheschließungsortes geschlossenen und dort gültigen Ehen auch in den Philippinen gültig sind. Von dieser Regelung sind aber u. a. bigamistische Ehen (Art. 35 Ziff. 4 FamC) ausdrücklich ausgenommen, so dass insoweit auch nicht auf das Recht des Ortes der Eheschließung zurückverwiesen wird, wie auch die Sachverständige ausgeführt hat.

Die Vorinstanzen haben das philippinische Recht aufgrund des eingeholten Ergänzungsgutachtens dahingehend ausgelegt, dass eine void marriage gem. Art. 40 FamC - wie oben schon erwähnt - auch ein Ehehindernis für die Wiederverheiratung darstellt und die Nichtigkeit der vorhergehenden Eheschließung mit der Mutter des Beteiligten zu 4) vor der Eheschließung des Erblassers mit der Beteiligten zu 1) gerichtlich hätte festgestellt werden müssen. Demgegenüber hat die Beteiligte zu 1) geltend gemacht, es handele sich bei dem von Art. 40 FamC aufgestellten Erfordernis der gerichtlichen Feststellung lediglich um ein nachträglich behebbares Hindernis, das nicht zur absoluten Nichtigkeit der nachfolgenden Ehe führe. Dementsprechend habe sie auch am 12. März 1999 in Manila einen Antrag auf gerichtliche Nichtigerklärung der Ehe mit der Mutter des Beteiligten zu 4) gestellt.

Die Sachverständige hat in ihrem daraufhin vom Landgericht eingeholten Ergänzungsgutachten unter Heranziehung der ratio legis, der Historie dieser Vorschrift und der Gesetzessystematik ausgeführt, dass sich für eine Nachholbarkeit weder im Gesetzeswortlaut noch in den Kommentarstellen Hinweise finden. Deswegen sei die Ehe der Beteiligten zu 1) mit dem Erblasser wegen der fehlenden gerichtlichen Feststellung der Nichtigkeit der vorangegangenen Eheschließung nach dem Recht der Philippinen ebenfalls null and void. Das Landgericht hat sich diesen Ausführungen angeschlossen.

Die so getroffene Auslegung des philippinischen Rechts kann vom Senat nachgeprüft werden. Zwar ist die weitere Beschwerde nur eine Rechtsbeschwerde (§ 27 FGG). Im Zivilprozess ist das vom deutschen Richter angewandte ausländische Recht wegen § 549 ZPO auch grundsätzlich nicht revisibel. Der Tatrichter hat das ausländische Recht von Amts wegen zu ermitteln. Dabei liegt es im pflichtgemäßen Ermessen des Tatrichters, auf welche Weise er sich Kenntnis von dem maßgeblichen ausländischen Recht verschafft. Vom Revisionsgericht darf lediglich geprüft werden, ob der Tatrichter die Grenzen dieses Ermessens überschritten hat (BGH, NJW 1992, 2026 ff, 2029; Palandt-Heldrich, Bürgerliches Gesetzbuch, 60. Aufl. 2001, Einl v. Art 3 EGBGB Rn 34 und 37 m. w. N.). Diese Einschränkung gilt indessen nicht für die weitere Beschwerde, denn § 27 FGG verweist nicht auf 549 ZPO (Keidel - Kuntze - Winkler, FGG, 14. Aufl. 1999, § 27 Rn 13).

Eine Verletzung ausländischen Rechts wird in dieser Instanz nicht gerügt. Eine solche ist auch nicht feststellbar. Das Sachverständigengutachten hat sich nicht auf die bloße Auslegung einzelner Vorschriften beschränkt, sondern unter Heranziehung der Rechtslehre zur Auslegung des Rechts als Ganzes Stellung genommen. Mangels Zugriffsmöglichkeiten auf neuere philippinische Rechtsprechung hat die Sachverständige dem Landgericht darüber hinaus angeraten, die auf den Philippinen praktizierte Auslegung von Art. 40 FamC - ggf. auch über die Anwälte der Beteiligten - in Erfahrung zu bringen. Eine dem Sachverständigengutachten zuwiderlaufende Rechtsprechung ist daraufhin nicht vorgetragen worden. Sie ergibt sich auch nicht aus der von der Beteiligten zu 1) vorgelegten, an das philippinische Gericht gerichteten Antragsschrift auf Nichtigerklärung der Ehe mit der Mutter des Beteiligten zu 4). Das Landgericht durfte daraufhin davon ausgehen, dass es weitere Ermittlungsmöglichkeiten, die zu für die Beteiligte zu 1) günstigeren Auslegungsmöglichkeiten führen, nicht gibt. Bis heute ist auch das Ergebnis des von der Beteiligten zu 1) auf den Philippinen gestellten Antrags auf Feststellung der Nichtigkeit der zweiten Ehe nicht bekannt gegeben worden. Mithin ist mit den Vorinstanzen davon auszugehen, dass die Beteiligte zu 1) mit dem Erblasser nach philippinischem Recht keine wirksame Ehe eingehen konnte (so im Ergebnis auch StA Heidelberg, IPRax 1995, 44).

Das Landgericht hat jedoch die Auffassung vertreten, dieses Ergebnis sei mit den wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts unvereinbar (Art. 6 EGBGB). Nach § 1318 V BGB bleibe das gesetzliche Erbrecht vor der gerichtlichen Aufhebung der bigamistischen Ehe erhalten. Hinsichtlich der Doppelehe des Erblassers sei die Beteiligte zu 1) gutgläubig gewesen, wie sie mit ihrer eidesstattlichen Versicherung glaubhaft gemacht habe. Die Beteiligte zu 1) sei, nachdem sie den Erblasser auf den Philippinen kennen gelernt habe, zu ihm nach Deutschland gezogen und habe hier mit ihm einen gemeinsamen Wohnsitz begründet. Auch nach dem Tod ihres Mannes habe sie ihren Wohnsitz in Deutschland nicht aufgegeben, so dass sie ihr Leben auch weiterhin im wesentlichen innerhalb des deutschen Rechtskreises bestreite. Deswegen müsse der deutsche ordre public zu ihren Gunsten Anwendung finden.

Diese Ausführungen sind nicht frei von Rechtsfehlern. Mit ordre public wird derjenige Teil der inländischen Rechtsordnung umschrieben, dessen Beachtung auch im internationalen Rechtsverkehr unverzichtbar ist (Hoffmann, Internationales Privatrecht, 6. Aufl. 2000, § 6 Rn 136). Bei der Prüfung, ob der ordre public verletzt ist; ist darauf abzustellen, ob das Ergebnis im gerade gegebenen Fall gegen die guten Sitten oder den Zweck eines deutschen Gesetzes verstößt. Dieses ist nur dann der Fall, wenn das Ergebnis der Anwendung des ausländischen Rechtssatzes zu den Grundgedanken der deutschen Regelung und den in ihnen liegenden Gerechtigkeitsvorstellungen in einem so schwerwiegenden Widerspruch steht, dass die Anwendung unerträglich ist. Das Landgericht hat solche Wertungswidersprüche nicht aufgezeigt, sie sind auch nicht vorhanden. Der Sachverhalt ist insoweit geklärt, weswegen die Sache nicht zurückzuverweisen ist, sondern vom Senat entschieden werden kann.

Wie oben schon erwähnt, stellt die bloße Nichtigkeit einer Ehe nach dem ausländischen Recht allein keinen Verstoß gegen den ordre public dar (BGH, FamRZ 1991, 300 ff, 303). Betrachtet man das deutsche Recht und seine Entwicklung weiter, so zeigt sich, dass es dem deutschen Recht bis in die Zeit nach dem Erbfall keinesfalls fremd war, wenn ein in einer Doppelehe lebender Ehegatte erbrechtlich leer ausgegangen ist. Der Erblasser ist am 13.12.1996 gestorben. Im Zeitpunkt des Erbfalls hat noch das EheG und nicht die erst durch das Eheschließungsrechtsgesetz vom 5. Mai 1998 eingeführte Regelung des § 1318 BGB gegolten. Nach dem bis zum 01.07.1998 geltenden EheG war es möglich, dass die Staatsanwaltschaft bei einer Doppelehe auch noch nach dem Tode eines Ehegatten eine Ehenichtigkeitsklage erheben konnte (Art. 24 EheG, vgl. Palandt-Diederichsen, Bürgerliches Gesetzbuch, 57. Aufl. 1998, § 24 EheG Rn 3). Mit Rechtskraft des Nichtigkeitsurteils wurde die Ehe mit rückwirkender Kraft vernichtet. Das bedeutet, die Beteiligte zu 1) wäre in diesem Fall auch nach deutschem Recht nicht Miterbin geworden (vgl. auch Bosch Anm. zu OLG Hamm, FamRZ 1986, 1205 ff, 1206 m. w. N.). Die weiteren vermögensrechtlichen Folgen des Nichtigkeitsurteils regelte § 26 EheG. § 26 I EheG bestimmte, dass sich die vermögensrechtlichen Folgen der Nichtigkeit einer Ehe nach den Vorschriften über die Folgen der Scheidung richten. Im Ergebnis bedeutete Ehenichtigkeit danach vermögensrechtlich das Gleiche wie die Scheidung (Palandt-Diederichsen, Bürgerliches Gesetzbuch, 57. Aufl., § 26 EheG Rn 2). Zwar hat ­ wie oben schon erwähnt, das EheSchlG das Ehegesetz abgelöst (Art. 14 EheSchlG). Das alte Recht gilt jedoch noch in der Bundesrepublik, sofern eine Ehenichtigkeitsklage vor dem 01.07.1998 erhoben worden ist (Art. 226 II EGBGB). Die Abschaffung der Nichtigkeitsklage mit rückwirkender Wirkung war auch keinesfalls unumstritten (vgl. Bosch, Neuordnung oder nur Teilreform des Eheschließungsrechts, NJW 1998, 2004 ff, 2006 m. w. N.)

Schließlich führt auch die Würdigung des Einzelfalls nicht zu einem zu einem schwerwiegenden Verstoß gegen die Gerechtigkeitsvorstellungen unserer Rechtsordnung. Die Beteiligte zu 1) war mit dem Erblasser bis zu dessen Tod erst gut zwei Jahre verheiratet. Kinder sind aus der Ehe nicht hervorgegangen. Die Beteiligte zu 1) hat selbst angegeben, dass sie sich jährlich nur etwa vier bis fünf Monate in Deutschland aufgehalten hätten. Angesichts der Dauer der Ehe kann von einer Verfestigung der ehelichen Lebensverhältnisse zu Lasten der Beteiligten zu 1) nicht ausgegangen werden. Die deutsche Rechtsordnung fordert auch nicht in jedem Fall die vermögensmäßige Vollabsicherung von Ehefrauen von Anfang an. Betrachtet man die Ehedauer unter dem Blickwinkel der Absicherung einer Ehefrau im Scheidungsfall, so ist die Ehe der Beteiligten zu 1) noch nicht dem Bereich entwachsen, in dem sie keinesfalls mehr als kurz angesehen werden könnte (vgl. hierzu Palandt-Edenhofer, Bürgerliches Gesetzbuch, 60. Aufl. 2001, § 1579 BGB Rn 7 ff). Letzteres braucht indessen nicht vertieft zu werden. Das deutsche Erbrecht fordert nämlich auch nicht, dass ein Ehegatte gesetzlicher Erbe zur Hälfte sein muss. Die Testierfreiheit des vorversterbenden Ehegatten findet gegenüber dem Ehegattenerbrecht ihre Grenzen vielmehr erst im Pflichtteilsrecht (§§ 1371 II, 1931 BGB). Daneben bleibt es dem Ehegatten unbenommen, einen etwaigen Zugewinnausgleich zu verlangen. Wenn aber die Rechtsordnung hier anderweitige Verfügungen des Erblassers zulässt, ist es in einem Fall wie hier kein Wertungswiderspruch, wenn die Nichtigkeit der Ehe von Anfang keine gesetzliche Erbenstellung, also keinen Platz in der Miterbengemeinschaft nach sich zieht.

Ob und in welcher Weise der deutsche ordre public gebietet, die Beteiligte zu 1) schuldrechtlich am Nachlass zu beteiligen, ob ihr also z. B. über den Gesichtspunkt des ordre public ein Zugewinnausgleichs- bzw. ein Pflichtteilsanspruch zuzugestehen ist, kann hier dahinstehen. Selbst wenn solche Ansprüche bejaht werden sollten, kann es sich hier nur um Zahlungsansprüche gegen den Nachlass handeln, nicht aber um eine gesetzliche Erbenstellung, um die es bei der Erbscheinserteilung allein geht.

Soweit beide Vorinstanzen übereinstimmend davon ausgegangen sind, dass der Beteiligte zu 4) eheliches Kind des Erblassers ist, ist die Entscheidung dem Senat nicht angefallen. Das Amtsgericht hat nur über den Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1) befunden. Über den Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 2) und 3) hat es bisher nicht entschieden. Die Beteiligten zu 2) und 3) haben demzufolge sich auch mit der Zurückstellung ihres Erbscheinsantrags einverstanden erklärt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 13 a I BGB. Gesichtspunkte die eine Kostenüberbürdung auf einen oder mehrere Beteiligte angezeigt erscheinen ließen, haben sich nicht ergeben.

Ende der Entscheidung

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