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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 13.08.2003
Aktenzeichen: 20 W 71/01
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 13
Das Maß des Gebrauchs des gemeinschaftlichen Eigentums kann nicht immer für alle Wohnungseigentümer einheitlich und gleich bestimmt werden.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN BESCHLUSS

20 W 71/01

Entscheidung vom 13.08.2003

In der Wohnungseigentumssache

betreffend die Liegenschaft W... 2...-3..., 6... E...,

hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss der 9. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 17.1.2001 am 13.8.2003 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Gerichtskosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde zu tragen.

Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Wert des Verfahrens der weiteren Beschwerde: 2.556,46 (= 5.000,00 DM).

Gründe:

Die gemäß § 45 Abs. 1 WEG statthafte sofortige weitere Beschwerde ist zulässig, so insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Die Entscheidung des Landgerichts beruht nicht auf einer Verletzung des Rechts, auf die hin der angefochtene Beschluss lediglich zu überprüfen ist, §§ 43 Abs. 1 WEG, 27 FGG, 546 ZPO.

Es ist im Ergebnis aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanzen dem Antrag des Antragstellers, den Antragsgegnern aufzugeben, es jedem Miteigentümer zu untersagen, Türen im Bereich der Gemeinschaftsflure geschlossen zu halten, die Gemeinschaftsflure als Abstellflure zu benutzen und dies bei Verstößen mit allen erforderlichen außergerichtlichen und ggf. auch gerichtlichen Maßnahmen durchzusetzen, nicht stattgegeben haben.

Dabei kann zunächst dahinstehen, ob überhaupt ein Rechtsschutzinteresse des Antragstellers an der umfassenden Geltendmachung der gegenständlichen Ansprüche besteht, was das Landgericht im angefochtenen Beschluss zuletzt ­ anders als noch im Beschluss vom 30.8.1999 - bejaht hat. Allerdings ist in diesem Zusammenhang immerhin festzuhalten, dass sich der Antragsteller letztlich gegen den nach seiner Meinung unzulässigen und mithin störenden Gebrauch des Gemeinschaftseigentums durch Miteigentümer wendet; entsprechende Unterlassungsansprüche kann aber grundsätzlich jeder einzelne Wohnungseigentümer gerichtlich gegen die Störer geltend machen. Ein Anspruch des einzelnen Wohnungseigentümers gegen sämtliche übrigen Wohnungseigentümer, dem einzelnen Miteigentümer als Störer die Unterlassung aufzugeben, wird deshalb auch zumindest für den Regelfall nicht bestehen. Jedenfalls wird hierfür in der Regel ein Rechtsschutzbedürfnis fehlen (vgl. BayObLG OLGReport 1997, 42), weil die direkte Geltendmachung des Anspruchs gegen den Störer selbst möglich ist und durch die auf eine allgemeine Regelung gerichtete Vorgehensweise des Antragstellers ggf. weitere und zusätzliche Verfahren - nämlich der Antragsgegner, die das Verhalten der Miteigentümer sogar grundsätzlich hinnehmen wollen, gegen jene einzelne Wohnungseigentümer - notwendig werden würden.

Wie der Senat bereits im Beschluss vom 28.8.2000 (20 W 463/99) in diesem Verfahren ausgeführt hat, verlangt der Antragsteller vorliegend nämlich eine allgemein gültige Regelung der Wohnungseigentümergemeinschaft. Es geht ihm nicht lediglich um konkrete Einzelfälle, die auch gar nicht im einzelnen, sondern lediglich beispielhaft aufgeführt und benannt werden. In diesem Zusammenhang kann dann mit dem Landgericht tatsächlich offen bleiben, ob als Anspruchsgrundlage § 15 Abs. 3 WEG oder auch § 21 Abs. 4 WEG in Betracht käme. Ebenfalls kann letztlich offen bleiben, ob diese allgemeine Regelung nach dem Begehren des Antragstellers Inhalt der Hausordnung sein soll, wovon das Landgericht ­ und auch der Senat noch im Beschluss vom 28.8.2000 (20 W 463/99) - ausgegangen ist und was die weitere Beschwerde rügt. Allerdings befinden sich Gebrauchsregelungen über die Nutzung und das Verhalten in Räumen, die sich im gemeinschaftlichen Eigentum befinden, oft in einer Hausordnung im Sinne des § 21 Abs. 5 Nr. 1 WEG.

Der Senat hat bereits im Beschluss vom 28.8.2000 (20 W 463/99) ausgeführt ­ was von der weiteren Beschwerde im Grundsatz auch nicht in Abrede gestellt wird -, dass die Wohnungseigentümer bei der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums ebenso wie bei der Regelung seines Gebrauchs ein aus ihrer Verwaltungsautonomie entspringendes Ermessen haben, was die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit einer Regelung angeht. Dieses Ermessen ist einer gerichtlichen Regelung weitgehend entzogen (vgl. BayObLG, Beschluss vom 25.3.1999, WuM 1999, 536, mit weiteren Nachweisen). Ein richterlicher Eingriff in Regelungen der Wohnungseigentümer, insbesondere auch deren Abänderung und Ersetzung durch eine andere Regelung kommt grundsätzlich nur in Betracht, wenn außergewöhnliche Umstände ein Festhalten an einem Beschluss oder einer Vereinbarung als grob unbillig und damit als gegen Treu und Glauben verstoßend erscheinen lassen. Weniger streng mögen die Voraussetzungen für ein gerichtliches Eingreifen dann sein, wenn es nicht um die Abänderung oder Ersetzung bestehender Regelungen, sondern um deren Ergänzung durch zusätzliche Gebrauchs- oder Verwaltungsregelungen geht. Auch bei der Entscheidung darüber ist die Verwaltungsautonomie der Wohnungseigentümer zu beachten; eine ergänzende richterliche Regelung wird nur dann in Betracht kommen, wenn sie als für das Zusammenleben der Wohnungseigentümer unverzichtbar oder dringend geboten erscheint, wenn also gewichtige Gründe für sie sprechen und im Rahmen des dem Gericht gemäß § 43 Abs. 2 WEG eingeräumten Entscheidungsermessens nur eine Entscheidung als richtig erscheint (BayObLG WuM 1999, 536). Denn anderenfalls wäre es bei der Vielzahl der denkbaren sinnvollen oder zweckmäßigen Verhaltensregeln einem einzelnen Wohnungseigentümer möglich, die Gemeinschaft ständig mit der Forderung nach weiteren Regelungen zu überziehen und der Mehrheit seinen Willen aufzuzwingen (vgl. BayObLG WuM 1999, 536).

Liegen diese Voraussetzungen allerdings vor, so ist das Gericht grundsätzlich nicht auf die Ersetzung der Willenserklärungen der anderen Wohnungseigentümer betreffend deren Beschlussfassung beschränkt, sondern kann eine als ordnungsgemäß erkannte abgelehnte Maßnahme auch unmittelbar anordnen bzw. die Wohnungseigentümer auch zur Mitwirkung bei der Ausführung der begehrten Maßnahme verpflichten (vgl. im einzelnen Bärmann/Pick/Merle, WEG, 9. Aufl., § 21 Rz. 93). Davon ist auch das Landgericht zutreffend ausgegangen (vgl. Seite 6 des angefochtenen Beschlusses), so dass es auf die zuvor (Seiten 5/6 des angefochtenen Beschlusses) vorgenommene anderweitige Antragsauslegung im Ergebnis nicht ankommt.

Insoweit haben die Vorinstanzen allerdings zutreffend festgestellt, dass die Grenzen des Ermessens der Wohnungseigentümer hier durch die Ablehnung der vom Antragsteller begehrten allgemeinen Regelungen noch nicht überschritten sind. Hinsichtlich des Begehrens, den Antragsgegnern aufzugeben, es jedem Miteigentümer zu untersagen, die Gemeinschaftsflure als Abstellfläche zu benutzen, ist zum einen auszuführen, dass sich insoweit bereits in der Hausordnung, Ziffer II. 5, eine Regelung findet, worauf das Landgericht zutreffend verwiesen hat. Einer weitergehenden ergänzenden Gebrauchsregelung bedarf es nicht; jedenfalls verstieße deren Ablehnung durch die Wohnungseigentümer nicht gegen das den Wohnungseigentümern zustehende Ermessen. Das gilt auch für die vom Antragsteller grundsätzlich und allgemein verlangte Sanktionierung des Abstellens von Gegenständen bzw. der Nutzung der Flure als Abstellfläche. Eine solche Regelung würde nicht ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen. Grundsätzlich kann zwar das Abstellen von Gegenständen ­ wie hier bereits in der Hausordnung - als Gebrauchsregelung getroffen werden und es kann auch beschlossen werden, dass keine Gegenstände etwa im Treppenhaus oder dem Hausflur abgestellt werden. Bei der Regelung der Benutzung des Hausflurs als Teil des gemeinschaftlichen Eigentums sind sein Zweck als gemeinschaftliche Einrichtung, die Pflicht der Wohnungseigentümer zur gegenseitigen Rücksichtnahme, öffentlich-rechtliche Bestimmungen, die Erfordernisse der Verkehrssicherungspflicht und besondere Bedürfnisse einzelner Wohnungseigentümer zu beachten. Grundsätzlich können in diesem Zusammenhang auch Ausnahmen erforderlich sein, etwa auch von dem allgemeinen Prinzip gleichmäßiger Gestattung des Gebrauchs, so beispielsweise für behinderte Wohnungseigentümer (vgl. die Rechtsprechungsnachweise bei Sauren, WEG, 4. Aufl., § 21 Rz. 11 Stichwort "Benutzung des GE durch WEer oder Dritte"; Niedenführ/Schulze, WEG, 6. Aufl., § 21 Rz. 48; Staudinger/Bub, BGB, Stand Juni 1997, § 21 Rz. 135; Bärmann/Pick/Merle, WEG, 9. Aufl., § 21 Rz. 112 zu Regelungen in der Hausordnung). Wenn die Gemeinschaft es vor diesem Hintergrund ablehnt, es unterschiedslos jedem Miteigentümer zu untersagen, die Gemeinschaftsflure als Abstellflure zu benutzen und dies bei Verstößen generell mit allen erforderlichen außergerichtlichen und ggf. auch gerichtlichen Maßnahmen durchzusetzen, ist dies nach den obigen Maßgaben in keiner Weise zu beanstanden. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der vom Antragsteller mehrfach zitierten Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 19.2.1998 (= WuM 1998, 307), worauf bereits das Landgericht unter Bezugnahme auf die gänzlich anderen dortigen örtlichen Verhältnisse hingewiesen hat. Dort ging es auch nicht um eine allgemeine Gebrauchsregelung, sondern um die Beseitigung einer Garderobe im Einzelfall, die dort als bauliche Veränderung angesehen wurde, worin in jenem Einzelfall ein Nachteil im Sinne des § 14 Nr. 1 WEG gesehen wurde.

Im Ergebnis gilt das gleiche, soweit der Antragsteller von der Wohnungseigentümergemeinschaft insgesamt verlangt, es jedem Miteigentümer zu untersagen, Türen im Bereich der Gemeinschaftsflure geschlossen zu halten und dies bei Verstößen mit allen erforderlichen außergerichtlichen und ggf. auch gerichtlichen Maßnahmen durchzusetzen. Auch insoweit ist die landgerichtliche Entscheidung nicht zu beanstanden. Zwar folgt grundsätzlich für jeden Wohnungseigentümer aus seinem Miteigentum am Gemeinschaftseigentum ein Recht zum Mitgebrauch, wie aus § 13 Abs. 2 WEG hervorgeht. Dieses Recht kann in der Regel auch dauerhaft nur durch eine Vereinbarung ausgeschlossen werden (vgl. Niedenführ/Schulze, a.a.O., § 13 Rz. 7; Staudinger/Kreuzer, a.a.O., § 13 Rz. 43; OLG Hamm OLGZ 1985, 12, 14). Ein Gebrauch des gemeinschaftlichen Eigentums, der Wohnungseigentümern oder einem Wohnungseigentümer/Teileigentümer einen vermeidbaren Nachteil im Sinne des § 14 Nr. 1 WEG zufügt, könnte grundsätzlich nicht als ordnungsgemäß im Sinne des § 15 Abs. 2 WEG angesehen werden. Zu Recht hat das Landgericht ausgeführt, dass es aber auch vom Bestimmungszweck der Einrichtung abhängt, ob und in welchem Umfang der einzelne Wohnungseigentümer von gemeinschaftlichen Einrichtungen Gebrauch machen kann (vgl. BayObLG ZMR 1985, 239, 240). Ein solcher Bestimmungszweck kann sich auch aus den Umständen ergeben (BayObLG ZMR 1985, 239, 240; vgl. auch Senat FGPrax 1997, 215). Es begründet keinen Rechtsfehler, dass das Landgericht angesichts der baulichen Besonderheiten der vorliegenden Wohnungseigentumsanlage, in der die hier lediglich in Rede stehenden Flure jeweils einer Wohnung vorgelagert sind, eine solche naturgemäße Bestimmung angenommen hat, die jedenfalls nicht zwingend dem Mitgebrauch eines jeden Wohnungseigentümers freistehen muss bzw. zu dessen ständigem Mitgebrauch bestimmt sind. Insoweit ist die hier in Rede stehende örtliche Situation gerade nicht mit einem normalen Hausflur zu vergleichen. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass das Maß des Gebrauchs des gemeinschaftlichen Eigentums nicht immer für alle Wohnungseigentümer einheitlich und gleich bestimmt werden kann (vgl. OLG Düsseldorf ZMR 1984, 161; Senat FGPrax 1997, 215; Rpfl 1982, 64; Weitnauer/Lüke, WEG, 8. Aufl., § 13 Rz. 7). Aus diesem Grund steht auch grundsätzlich die Geltendmachung des Anspruchs auf Mitgebrauch unter den Schranken von Treu und Glauben, § 242 BGB, und kann dadurch eingeschränkt sein (OLG Hamm OLGZ 1985, 12, 15; vgl. auch Senat FGPrax 1997, 215). Angesichts dessen ist es aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, dass das Landgericht unter Berücksichtigung der Verwaltungsautonomie der Wohnungseigentümer die begehrte richterliche Regelung nicht vorgenommen hat, weil sie nicht als für das Zusammenleben der Wohnungseigentümer unverzichtbar oder dringend geboten erscheint. Im Rahmen des dem Gericht gemäß § 43 Abs. 2 WEG eingeräumten Entscheidungsermessens, das durch das Rechtsbeschwerdegericht ohnehin lediglich eingeschränkt überprüfbar wäre (vgl. Bärmann/Pick/Merle, a.a.O., § 45 Rz. 92) erscheint hier keinesfalls nur die begehrte allgemeine, generelle und unterschiedslose Unterlassungs- und Sanktionsregelung als erforderlich und ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechend, wie auch bereits das Amtsgericht im Beschluss vom 10.6.1999 ausgeführt hat. Ein bewusstes Billigen von Verstößen gegen die Hausordnung oder gegen gesetzliche Regeln durch die Wohnungseigentümergemeinschaft könnte hierin auch nicht ohne weiteres gesehen werden.

Die Gerichtskosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde hat der Antragsteller zu tragen, § 47 Satz 1 WEG. Es entspricht billigem Ermessen, dass der Antragsteller die Kosten seines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels zu tragen hat.

Der Senat hat keine Veranlassung gesehen, dem Antragsteller die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens bzw. des Verfahrens der weiteren Beschwerde aufzuerlegen. Die Voraussetzungen des § 47 Satz 2 WEG für eine ausnahmsweise Anordnung der Erstattungspflichtigkeit liegen zur Überzeugung des Senats nicht vor, wofür der bloße Umstand, dass der Antragsteller unterlegen ist, nicht auszureichen vermag.

Die Wertfestsetzung beruht auf § 48 Abs. 3 WEG; insoweit hat der Senat die Wertfestsetzung durch das Landgericht zugrundegelegt.

Ende der Entscheidung

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