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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 12.07.2004
Aktenzeichen: 20 W 96/03
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 21
Es widerspricht im Regelfall nicht den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung, wenn die Gemeinschaft einzelnen Wohnungseigentümern eine Aufwandsentschädigung für die Führung von Prozessen in Prozessstandschaft für die Wohnungseigentümer bewilligt.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN BESCHLUSS

20 W 96/03

In der Wohnungseigentumssache

...

hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die sofortige weitere Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss der 7. Zivilkammer des Landgerichts Gießen vom 06.01.2003 am 12.07.2004 beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Das Verfahren wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Gießen zurückverwiesen, das auch über die Kosten des Verfahrens der sofortigen weiteren Beschwerde zu befinden haben wird.

Wert des Verfahrens der weiteren Beschwerde: 12.025,59 EUR.

Gründe:

Die Wohnungseigentümer haben in der Versammlung vom 18.08.1995 unter Tagesordnungspunkt 6 beschlossen, dass aufgrund festgestellter Mängel und nicht fertiggestellter Arbeiten Rechtsanwälte mit der Führung eines Rechtsstreites gegen die Eheleute A beauftragt werden; das Führen des Rechtsstreites wurde dem Antragsgegner zu 2) B in Prozessstandschaft übertragen. Nach diesem Eigentümerbeschluss sollte die Gemeinschaft die Kosten des Rechtsstreites tragen. Unter Tagesordnungspunkt 6 einer weiteren Eigentümerversammlung vom 25.05.1999 beschloss die Wohnungseigentümergemeinschaft, dass die Prozessstandschaft für die Eigentümergemeinschaft für den Fall, dass die am Bau beteiligten Handwerker und Firmen zur Mängelbeseitigung nicht tätig werden, auf gerichtliche Inanspruchnahme und Kostenvorschuss an die Antragsgegner zu 1) und 2), die Herren C und B, übertragen werden.

In der Wohnungseigentümerversammlung vom 01.08.2001 beschlossen die Wohnungseigentümer sodann unter Tagesordnungspunkt 12, dass den Antragsgegnern zu 1) und 2), den Herren C und B, für Auslagen, Zeitaufwand und Kosten für die bisherigen Gerichtsverfahren eine Aufwandsentschädigung von jeweils insgesamt 11.760,-- DM zugesprochen werden.

Den letzteren Beschluss haben die Antragsteller im vorliegenden Verfahren unter anderem gerichtlich angefochten. Ein weiterer Anfechtungsantrag ist nicht mehr verfahrensgegenständlich. Das Amtsgericht hat durch Beschluss vom 09.04.2002 den Anfechtungsantrag zurückgewiesen. Hiergegen haben die Antragsteller sofortige Beschwerde eingelegt. Durch den angefochtenen Beschluss, auf den gleichfalls verwiesen wird, hat das Landgericht die sofortige Beschwerde zurückgewiesen. Hiergegen haben die Antragsteller sofortige weitere Beschwerde eingelegt.

Die sofortige weitere Beschwerde ist gemäß § 45 Abs. 1 WEG statthaft und auch ansonsten zulässig, so insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden. Sie hat auch - vorerst - in der Sache Erfolg.

Der angefochtene Beschluss beruht auf einer Verletzung des Rechts, §§ 43 Abs. 1 WEG, 27 Abs. 1 FGG, 546 ZPO.

Es ist zwar grundsätzlich aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanzen übereinstimmend davon ausgegangen sind, dass der angefochtene Wohnungseigentümerbeschluss nicht bereits deshalb ordnungsgemäßer Verwaltung im Sinne des § 21 Abs. 3 WEG widerspricht, weil er den Antragsgegnern zu 1) und 2), den Herren C und B, für ihre Tätigkeit dem Grunde nach eine Aufwandsentschädigung zugesprochen hat. Die Gemeinschaft hat zulässigerweise die Antragsgegner zu 1) und 2) im Wege der Prozessstandschaft mit der Führung von Prozessen beauftragt, die im Gemeinschaftsinteresse standen. Im Eigentümerbeschluss vom 18.08.1995 haben sie dementsprechend auch geregelt, dass die Kosten des Rechtsstreites die Gemeinschaft tragen sollte. Auch wenn Rechtsanwälte mit der Prozessvertretung beauftragt wurden, vermag der Senat keine Rechtsfehler darin zu sehen, dass die Vorinstanzen übereinstimmend die Beschlüsse dahingehend ausgelegt haben, dass die Antragsgegner zu 1) und 2) diese Tätigkeit nicht ohne jegliche Aufwandsentschädigung durchführen sollten. Zwar handelt es sich bei den entsprechenden Tätigkeiten offensichtlich um Angelegenheiten der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums, die in der Regel ohnehin den Eigentümern und insbesondere auch dem Verwalter obliegt; dies macht es grundsätzlich erforderlich, etwa einen Anspruch auf eine Vergütung von vornherein deutlich zu machen (vgl. BayObLG WuM 1998, 676). Andererseits spricht bereits die Mehrzahl der zu führenden Prozesse, wie sie aus den Eigentümerbeschlüssen deutlich wird, deren offensichtliche Dauer - zwischen beiden Beschlussfassungen liegen immerhin annähernd vier Jahre -, die fachliche Qualifikation der Miteigentümer, die offensichtlich bei der Übertragung der Prozessstandschaft eine Rolle spielte und auch die zu erwartenden erheblichen Einsparungen der Wohnungseigentümergemeinschaft dagegen, dass diese Übertragung in den Jahren 1995 und 1999 ohne entsprechende Entschädigung des Aufwands erfolgen sollte. Darüber hinaus würde es auch grundsätzlich nicht ordnungsgemäßer Verwaltung widersprechen, wenn die Wohnungseigentümergemeinschaft im Nachhinein angesichts von Art und Ausmaß erfolgter Tätigkeiten den tätigen Wohnungseigentümern hierfür eine angemessene Aufwandsentschädigung zubilligen würde. Anders als etwa beim Hausverwalter (vgl. hierzu Bärmann/Pick/Merle, WEG, 9. Aufl., § 26 Rz. 126) gehörte die zu entfaltende Tätigkeit nämlich nicht grundsätzlich zum Aufgabenbereich von Wohnungseigentümern. Die sofortige weitere Beschwerde erhebt gegen diesen rechtlichen Ansatzpunkt auch keine konkreten und durchgreifenden Einwendungen.

Die durch den angefochtenen Wohnungseigentümerbeschluss bewilligten Aufwandsentschädigungen müssten allerdings auch der Höhe nach angemessen sein, da ansonsten ein Verstoß gegen die Grundsätze ordnungsgemäßer Verwaltung vorliegen würde, auf die jeder einzelne Wohnungseigentümer einen Anspruch hat, § 21 Abs. 4 WEG. Eine Maßnahme erfolgt dabei im Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer, wenn sie bei objektiv vernünftiger Betrachtungsweise unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls, auch der finanziellen Leistungsfähigkeit der Gemeinschaft, nützlich ist (vgl. Bärmann/Pick/Merle, a.a.O., § 21 Rz. 64 ff). Wenn auch der Wohnungseigentümergemeinschaft bei dieser Entscheidung grundsätzlich ein Beurteilungsermessen zusteht, kann es danach nicht allein entscheidend sein, dass lediglich eine Mehrheit der Wohnungseigentümer sie als angemessen erachtet.

Es fehlen hinreichende Feststellungen der Tatsacheninstanzen dazu, ob die durch die Wohnungseigentümer bewilligten Aufwandsentschädigungen angemessen sind, mithin aus diesem Gesichtspunkt heraus ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen. Zwar findet eine Nachprüfung tatsächlicher Verhältnisse in der Rechtsbeschwerdeinstanz grundsätzlich nicht statt. Die Tatsachenwürdigung ist nur dahin nachprüfbar, ob der Tatrichter den maßgebenden Sachverhalt ausreichend erforscht (vgl. §§ 43 Abs. 1 WEG, 12 FGG), bei der Erörterung des Beweisstoffes alle wesentlichen Umstände berücksichtigt (§§ 43 Abs. 1 WEG, 25 FGG) und hierbei nicht gegen gesetzliche Beweisregeln und Verfahrensvorschriften sowie gegen die Denkgesetze und feststehende Erfahrungssätze und den allgemeinen Sprachgebrauch verstoßen hat, §§ 43 Abs. 1 WEG, 27 Abs. 1 S. 1 FGG, 559 Abs. 2 ZPO (vgl. hierzu Keidel/Kuntze/Meyer-Holz, FGG, 15. Aufl., § 27 Rz. 42). Ersteres ist vorliegend nicht der Fall, was die weitere Beschwerde zu Recht rügt.

Tatsächlich haben die Vorinstanzen diesbezüglich den maßgeblichen Sachverhalt nicht ausreichend erforscht, §§ 43 Abs. 1 WEG, 12 FGG. Das Amtsgericht hat ausweislich des Sitzungsprotokolls den Antragsgegnern im Termin zur mündlichen Verhandlung nachgelassen, weiter über den Aufwand der Antragsgegner zu 1) und 2) vorzutragen und die Aktenzeichen der Prozesse vor dem Landgericht Gießen dem Gericht mitzuteilen. Auf diese Auflage hin ist - zumindest ausweislich des Akteninhalts - offensichtlich nichts geschehen, jedenfalls findet sich dazu in der Akte nichts. Trotz Nichterfüllung der Auflage hat das Amtsgericht zwei Monate später den Anfechtungsantrag der Antragsteller insoweit zurückgewiesen.

Das Landgericht hat zwar ausweislich des Sitzungsprotokolls vom 09.12.2002 die Beteiligten, insbesondere die Antragsgegner zu 1) und 2), angehört. Aus den diesbezüglichen Darlegungen der Beteiligten ergibt sich zwar, dass mehrere Prozesse - offensichtlich insgesamt fünf - gegen unterschiedliche Beteiligte geführt wurden. Daraus ergibt sich des Weiteren, welche Ergebnisse im Wesentlichen in diesen Prozessen erreicht wurden. Letzteres ist jedoch für die Frage des Aufwandsanspruches der Antragsgegner zu 1) und 2) zunächst zweitrangig, da es hierfür auf den Erfolg der Tätigkeit nicht ankommt. Konkrete Feststellungen dazu, welche Tätigkeiten von den Antragsgegnern zu 1) und 2) überhaupt ausgeführt wurden - über die die Beteiligten streiten -, fehlen allerdings. Jedenfalls findet sich dazu im angefochtenen Beschluss des Landgerichts nichts. Dies gilt auch für den Umstand, wie lange diese Prozesse gedauert haben und in welchem zeitlichen Umfang während des Prozessablaufs die Antragsgegner zu 1) und 2) tätig wurden. Die reine Prozessführung oblag sicherlich den Rechtsanwälten. Auch aus den Schriftsätzen der Beteiligten - insbesondere des Antragsgegners zu 2) und der ehemaligen Verwalterin - ergibt sich nicht konkret, welche Tätigkeiten im einzelnen ausgeübt wurden. Die Aufdeckung und Auflistung der Mängel, auf die die ehemalige Verwalterin in ihrer Stellungnahme schwerpunktmäßig abstellt, war sicherlich nicht dem gesamten Prozessablauf über erforderlich, sondern ging diesem voraus. Das Landgericht hat im angefochtenen Beschluss lediglich auf den Zeitablauf seit der Beschlussfassung vom 25.05.1999 abgestellt und im Hinblick darauf eine monatliche Monatspauschale von 470,-- DM - das Amtsgericht hatte noch 120,-- DM pro Monat angenommen - errechnet, die ihm angemessen erscheine. Dies kann schon deshalb nicht hinreichend sein, weil es - wie ausgeführt - an konkreten Feststellungen fehlt, ob und inwieweit die Prozesse überhaupt diesen ganzen Zeitraum einnahmen und die Antragsgegner zu 1) und 2) die gesamte Prozessdauer tätig wurden. Dies wäre aber erforderlich, wollte man die Vergütung anhand einer Monatspauschale errechnen. Immerhin ist der Antragsgegner zu 1) erst annähernd vier Jahre nach dem Antragsgegner zu 2) als Prozessstandschafter bestellt worden; er soll jedoch die gleiche Aufwandsentschädigung erhalten. Ohnehin bleibt unklar, wie die Wohnungseigentümer die ungeraden Beträge errechnet haben; hierzu enthält der Akteninhalt keine hinreichenden Anhaltspunkte. Auch zu Art und Umfang der Tätigkeiten der Antragsgegner zu 1) und 2), fehlt es an jeglichen Feststellungen im angefochtenen Beschluss des Landgerichts. Anhand der Angaben des Akteninhalts lassen sich diese allenfalls vermuten, nicht jedoch derart nachvollziehen, dass sie in ein wiederum nachzuvollziehendes Verhältnis zu den in Ansatz gebrachten Geldbeträgen zu bringen wären. Soweit das Landgericht sich auf den "letztlich offenbar gewordenen Schadensumfang" stützt, bleibt letztlich unklar, auf welchen Schaden das Landgericht damit abstellt; offensichtlich sind damit lediglich die sich aus den Akten teilweise ergebenden Schadensbeträge bzw. Klagebeträge gemeint.

Gleiches gilt für konkrete Angaben für Kosten und Auslagen der Antragsgegner zu 1) und 2) in den bisherigen Gerichtsverfahren, die das Landgericht ebenfalls nicht näher aufgeklärt hat, obwohl ausweislich des angefochtenen Eigentümerbeschlusses auch hierauf die Bewilligung der Aufwandsentschädigung beruhen sollte. Diese könnten wohl ohnehin nur berücksichtigt werden, soweit nicht bereits eine Erstattung im Rahmen der Kostenentscheidungen der Prozesse - was bei konkreten Parteiauslagen immerhin möglich wäre - erfolgt ist. Allerdings schließen diese gerichtlichen Kostenentscheidungen eine Erstattung durch die Wohnungseigentümergemeinschaft im Rahmen einer Aufwandsentschädigung auch nicht aus bzw. begrenzen diese. Zwar finden sich in den Schriftsätzen des Antragsgegners zu 2) - auch im Verfahren der weiteren Beschwerde - vereinzelte Anhaltspunkte für das Entstehen von Kosten und Auslagen, ein stimmiges und nachvollziehbares Bild ergeben diese Einzelheiten jedoch nicht.

Mit den sich aus den Beschlüssen der Vorinstanzen ergebenden Feststellungen lassen sich die bewilligten Beträge jedenfalls nicht rechtfertigen; außer der Angabe des Zeitablaufs zeigt der angefochtene Beschluss nicht konkret auf, auf welchen Feststellungen die Entscheidung beruht. Wenn es natürlich auch angesichts des Zeitablaufs nicht möglich und erforderlich sein wird, die Tätigkeiten stundengenau aufzulisten, es mithin - wie das Landgericht zu Recht ausführt - eines Tätigkeitsnachweises im Einzelnen nicht bedarf, zumal die Wohnungseigentümer offensichtlich auch eine Pauschalierung vornehmen wollten, so sind doch zumindest nachvollziehbare Angaben und diesbezügliche Feststellungen dazu, in welchen Prozessen welche Tätigkeiten in welchem Umfang von den Antragsgegnern ausgeführt wurden, erforderlich, um zumindest einen ungefähren Rückschluss auf die Höhe der bewilligten Beträge ziehen zu können.

Da der Senat als Rechtsbeschwerdegericht diese tatsächliche Feststellungen nicht selber treffen kann, ist der angefochtene Beschluss aufzuheben und das Verfahren zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen.

Ergänzend ist auszuführen, dass das Ausscheiden einer der Antragsteller - der Antragstellerin zu 1) - aus der Wohnungseigentümergemeinschaft durch Verlust des Wohnungseigentums während des laufenden Verfahrens, also nach Eintritt der Rechtshängigkeit, auf deren formale Beteiligtenstellung keinen Einfluss hat (vgl. Bärmann/Pick/Merle, a.a.O., § 43 Rz. 117).

Bei seiner erneuten Sachentscheidung wird das Landgericht auch über die Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde zu befinden haben, § 47 WEG. Bei der Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde - wie auch im Erstbeschwerdeverfahren - wird es allerdings entgegen dem angefochtenen Beschluss zu berücksichtigen haben, dass gemäß § 47 S. 2 WEG die außergerichtlichen Kosten grundsätzlich jeder Beteiligte selbst zu tragen hat und nur in Ausnahmefällen unter Billigkeitserwägungen eine Erstattung in Betracht kommt. Allein die Tatsache des Unterliegens - das Landgericht spricht von dem Rechtsgedanken der §§ 13 a Abs. 1 FGG und § 97 Abs. 1 ZPO - führt nicht zu einer Erstattungspflicht (vgl. Bärmann/Pick/Merle, a.a.O., § 47 Rz. 31).

Die Geschäftswertfestsetzung für das Verfahren der weiteren Beschwerde, der sich an dem Interesse aller Beteiligten zu orientieren hat, § 48 Abs. 3 WEG, hat der Senat an den bewilligten Beträgen orientiert.

Ende der Entscheidung

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