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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 22.01.2003
Aktenzeichen: 21 U 7/02
Rechtsgebiete: InsO, AGBG


Vorschriften:

InsO § 94
InsO § 96 I
AGBG § 3
AGBG § 9
1. Eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen vereinbarte Konzernverrechnungsklausel ist jedenfalls im kaufmännischen Verkehr weder überraschend (§ 3 AGBG) noch benachteiligt sie den Vertragspartner des Verwenders unangemessen, wenn das einzige in Bezug genommene Unternehmen in die Vertragsbeziehungen der Parteien mit eingebunden ist (§ 9 AGBG).

2. Die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erklärte Aufrechnung auf der Grundlage der in einer sogenannten Konzernverrechnungsklausel vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erteilten Aufrechnungsermächtigung ist nicht in entsprechender Anwendung des § 96 Abs. 1 Nrn. 2, 3 InsO unwirksam. Aufgrund der Neuregelung in § 94 Abs. 2 InsO sind Konzernverrechnungsklauseln insolvenzrechtlich beständig.


21 U 7/02

Verkündet am 22. Januar 2003

OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

In dem Rechtsstreit

hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main - 21 Zivilsenat -durch die Richter........ aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 4. Dezember 2002 für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt a.M. - 22. Zivilkammer - vom 17.1.2002, Az. 2/22 O 337/01, teilweise abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger gegenüber Auskunft und Abrechnung zu erteilen über sämtliche Verkaufsprovisionen der Beklagten zugunsten der M. GmbH, Osnabrück, bezüglich der Marken Ft., A.R. und L. für die Zeit vom 1.1. bis 1.8.2000 sowie über die Erstattung von Gutschriften der Beklagten für Gewährleistungsarbeiten und -leistungen der M. GmbH, Osnabrück, aus der Zeit vom 1.1. bis 1.8.2000.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Insolvenzschuldnerin war Ft.-Vertragshändler und bezog bei der Beklagten aufgrund mehrerer Händlerverträge für sich sowie weitere Händler Fahrzeuge der Marken Ft., L. und A.R.. Über die Fahrzeuge schloß sie Leasing- oder Finanzierungsverträge über die F. B. GmbH, Heilbronn ab. Die Schuldnerin und die Beklagte hatten Allgemeine Verkaufs- und Lieferbedingungen vereinbart, in deren Ziffer V. 3. jeweils bestimmt war, daß FT. berechtigt sei, gegen Forderungen des Händlers auch mit Forderungen aufzurechnen, die der F. B. GmbH gegen den Händler zustünden (Anlagen 6 zum Ft. Pkw-Händlervertrag, zum Ft. Transporter-Händlervertrag, zum A.R.-Händlervertrag und zum L.-Händlervertrag, Blatt 42 ff. der Akte).

Auf den am 29.6.2000 bei Gericht eingegangenen Insolvenzantrag des Geschäftsführers der Schuldnerin hin ordnete das Amtsgericht Osnabrück - Insolvenzgericht -durch Beschluß vom 30.6.2000 (Blatt 9 f. der Akte) die vorläufige Verwaltung des Vermögens der Schuldnerin an und bestellte den Kläger zum vorläufigen Insolvenzverwalter.

Die von der Schuldnerin erklärte fristlose Kündigung der Händlerverträge wies die Beklagte mit Schreiben vom 29.6.2000 (Blatt 50 f. der Akte) zurück und erklärte ihrerseits infolge des gestellten Insolvenzantrags die fristlose Kündigung der Verträge.

Der Ft. Bank AG standen gegen die Insolvenzschuldnerin Forderungen in Höhe von über 6 Mio. DM zu. Am 7.7.2000 ging bei der F. B. GmbH eine Scheckzahlung der Beklagten über 114.474,52 DM ein eine Forderung der Schuldnerin gegen die Beklagte betreffend. Mit Schreiben vom 14.7.2000 (Blatt 11 ff. der Akte) bat der Kläger die Beklagte unter Bezugnahme auf ein Gespräch vom 7.7.2000 unter anderem um Angabe, welche Ansprüche die Insolvenzschuldnerin aus welchem Rechtsgrund ihr gegenüber hat. Die Beklagte teilte mit Schreiben vom 20.7.2000 (Blatt 14 f. der Akte) mit, die Insolvenzschuldnerin verfüge über ein Guthaben in Höhe von knapp 5.000,-DM. Unter Ziffer 4. des Schreibens nahm sie zu der Konzernverrechnungsklausel der Händlerverträge Stellung. Durch Beschluß des Amtsgerichts Osnabrück vom 1.8.2000 (Blatt 6 f. der Akte) wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet.

Im Zuge der Auseinandersetzung mit der F. B. GmbH erhielt der Kläger deren Forderungsaufstellung vom 16.10.2000, aus der die genannte Scheckzahlung der Beklagten ersichtlich ist (Blatt 16 ff., 24 der Akte). Mit Schreiben vom 23.8.2001 (Blatt 52 f. der Akte) teilte der Kläger dies der Beklagten mit, erklärte vorsorglich die Insolvenzanfechtung gemäß § 131 Abs. 1 InsO und forderte sie unter Fristsetzung zum 10.9.2001 zur Erstattung des genannten Betrages auf. Die Beklagte erklärte mit Schreiben vom 7.9.2001 (Blatt 54 der Akte), die Verrechnung mit Forderungen der F. B. GmbH sei im Rahmen von Ziffer V. 3. der Allgemeinen Verkaufs- und Lieferbedingungen erfolgt; die Voraussetzungen einer Insolvenzanfechtung lägen nicht vor.

Der Kläger hat erstinstanzlich ohne nähere Spezifizierung behauptet, daß es sich bei dem Guthaben um Erstattungen von Garantieleistungen und um restliche Provisionszahlungen usw. gehandelt habe. In dem Schreiben der Beklagten vom 7.9.2001 sei ein Anerkenntnis des Anspruchs zu sehen. Er hält die Konzernverrechnungsklausel für unwirksam und die Verrechnung jedenfalls für anfechtbar. Mit dem Schreiben vom 20.7.2000 habe die Beklagte auf die Geltendmachung von Konzernverrechnungsmöglichkeiten verzichtet. Die zunächst erhobene Zahlungsklage hat er erstinstanzlich um einen Auskunftsantrag erweitert, mit dem er Erläuterung des Gutschriftbetrages verlangt.

Er hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, ihm darüber Auskunft und Abrechnung zu erteilen, aus welchen Einzelpositionen und Ansprüchen sich die gegenüber der F. B. GmbH, Heilbronn, vorgenommene Gutschrift und Überweisung vom 7.7.2000 über 114.474,50 DM (= 58.529,89 €) zusammensetzt.

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 114.474,52 DM (= 58.529,89 €) nebst 5 % über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskont- und Überleitungsgesetzes seit dem 10.9.2001 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat erstinstanzlich die Ansicht vertreten, der Kläger müsse darlegen, wie sich das von ihm behauptete Guthaben zusammensetze. Ein Guthaben der Schuldnerin ihr gegenüber, das sich aus der Erstattung von Garantieleistungen, rechtlichen Provisionszahlungen usw. zusammensetzen solle, bestehe nicht. Sie hält die vorgenommene Verrechnung für zulässig. Die Voraussetzungen einer Insolvenzanfechtung lägen nicht vor, da sämtliche Forderungen, die Gegenstand der Zahlung über 114.474,52 DM gewesen seien, vor Stellen des Insolvenzantrags begründet worden seien.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es angeführt, ein Auskunftsanspruch des Klägers bestehe nicht, da er selbst in der Lage sei, die Geschäftsunterlagen der Insolvenzschuldnerin zu sichten und ggfs. bestehende Ansprüche darzulegen. Ein Zahlungsanspruch sei nicht substantiiert vorgetragen. Weder die konkreten Verträge noch die konkreten Forderungen seien dargelegt. In dem Schreiben der Beklagten vom 7.9.2001 liege auch kein Anerkenntnis einer Forderung der Insolvenzschuldnerin.

In seiner Berufung hat der Kläger erneut die Klage erweitert und verlangt nun zusätzlich Auskunft und Abrechnung über die von der Beklagte für die Zeit vom 1.1. bis zum 1.8.2000 an die Schuldnerin zu leistenden Verkaufsprovisionen sowie Erstattungen von Gutschriften für Gewährleistungsarbeiten und -leistungen. Er ist der Ansicht, sein rechtliches Gehör sei verletzt, da das Landgericht ihn nicht darauf hingewiesen habe, daß er das geltend gemachte Guthaben selbst habe ermitteln können und müssen. Hierzu sei er im übrigen nicht in der Lage, da die Betriebs- und Geschäftsunterlagen der Schuldnerin eingelagert seien und ein Herumsuchen in ihnen nicht zumutbar sei. Hingegen stehe ihm ein Anspruch gegen die Beklagte auf Auskunft- nd Rechnungserteilung aus der vertraglichen Sonderrechtsbeziehung sowie entsprechend § 87 c HGB zu. Die Beklagte habe die erforderliche in der Klageerweiterung geforderte Abrechnung für den genannten Zeitraum bisher nicht erteilt. In diesem Zusammenhang beantragt er, der Beklagten aufzugeben, sämtliche Sachkonten der Buchhaltung betreffend die Schuldnerin, sämtliche Zahlungsbelege und Kontoauszüge für die Zeit vom 1.1. bis zum 1.8.2000 vorzulegen. Die Beklagte müsse ferner darlegen, auf welche der geltend gemachten Forderungen der Insolvenzschuldnerin sich ihre Zahlung beziehe. Im übrigen wiederholt der Kläger sein erstinstanzliches Vorbringen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 25.4.2002 (Blatt 135 ff. der Akte) Bezug genommen.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Abänderung des am 17.1.2002 verkündeten Urteils des Landgerichts Frankfurt a.M., Az. 2/22 O 337/01, zu verurteilen,

1. ihm gegenüber Auskunft und Abrechnung zu erteilen, aus welchen Einzelpositionen und Ansprüchen sich die von der Beklagten gegenüber der F. B. GmbH, Heilbronn, wegen Geschäften mit der M. GmbH, Osnabrück, vorgenommene Gutschrift und Überweisung vom 7.7.2000 über 58.529,89 € zusammensetzt;

2. ihm gegenüber Auskunft und Abrechnung zu erteilen über sämtliche Verkaufsprovisionen der Beklagten zugunsten der M. GmbH, Osnabrück, bezüglich der Marken Ft., A.R. und L. für die Zeit vom 1.1. bis 1.8.2000 sowie ihm gegenüber Auskunft und Abrechnung zu erteilen über die Erstattung von Gutschriften der Beklagten für Gewährleistungsarbeiten und -leistungen der M. GmbH, Osnabrück, aus der Zeit vom 1.1. bis 1.8.2000;

3. an ihn 58.529,89 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskont- und Überleitungsgesetzes daraus seit dem 10.9.2001 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie behauptet, sie habe der Schuldnerin ordnungsgemäß Abrechnung erteilt und sie über die Verrechnung informiert. Sie wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und verteidigt das Urteil des Landgerichts. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 9.10.2002 (Blatt 168 ff. der Akte) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung hat in der Sache im Ergebnis nur teilweise Erfolg, nämlich hinsichtlich des Auskunftsanspruchs zu 2.

Die Klageerweiterung (Antrag zu 2) in der Berufungsinstanz ist zulässig (§ 533 ZPO). Die relevanten Tatsachen sind der Entscheidung ohnehin zugrunde zu legen. Die Klageerweiterung erscheint auch als sachdienlich, da die geforderte Auskunft und Abrechnung der Gesamtabrechnung zwischen den Parteien und der Begründung des Zahlungsantrages dienen soll.

Ein Anspruch des Klägers bzw. der Insolvenzschuldnerin gegen die Beklagte auf Auskunft und Abrechnung hinsichtlich des Gutschriftbetrages besteht nicht, da eine Anspruchsgrundlage hierfür nicht ersichtlich ist. Es besteht kein allgemeiner Auskunftsanspruch im Rahmen von Sonderrechtsbeziehungen. Vielmehr kann Auskunft grundsätzlich nur dann verlangt werden, wenn ein Leistungsanspruch dem Grunde nach feststeht, aber der Anspruchsinhalt offen ist (vgl. BGH, NJW 1979, 1832 m.w.N.). Der Anspruchsinhalt ist aber nicht offen, da der Kläger ihn anhand der ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen selbst ermitteln kann. Zu einer Information über den Anspruchsinhalt kann der Schuldner unter diesen Umständen allenfalls in ganz besonderen Ausnahmefällen aus Treu und Glauben verpflichtet sein. Das Vorliegen eines solchen Ausnahmefalls ergibt sich aus dem Vorbringen des Klägers nicht. Die Geschäftsunterlagen der Insolvenzschuldnerin stehen ihm zur Verfügung. Seine -auch erhebliche - Arbeitserleichterung reicht als Grund nicht aus. Auch soweit der Kläger ermitteln will, auf welche der Ansprüche der Insolvenzschuldnerin die Beklagte geleistet hat, steht ihm ein Auskunftsanspruch nicht zu. Gemäß § 366 BGB ist es grundsätzlich Sache des Schuldners, bei der Zahlung auf mehrere Forderungen eine Tilgungsbestimmung zu treffen. Der Gläubiger ist aber hierauf nicht angewiesen, sondern kann jedenfalls eine Verrechnung gemäß den §§ 366 und 367 BGB vornehmen.

Hingegen steht der Insolvenzschuldnerin und damit auch dem Kläger ein Anspruch gegen die Beklagte auf Auskunft und Abrechnung über verdiente Verkaufsprovisionen und über die Erstattung von Gutschriften für Gewährleistungsarbeiten und -leistungen aus dem beendeten Vertragsverhältnis zu. Zwar sind die vertraglichen Beziehungen zwischen der Schuldnerin und der Beklagten nur ungenau beschrieben. Ausweislich des Vertrags in der Klageschrift und des Inhalts der AGB ist davon auszugehen, daß die Schuldnerin die Fahrzeuge nicht nur an Kunden vermittelt, sondern sie selbst gekauft und sodann weiterveräußert hat. Insofern würden Provisionen grundsätzlich nicht anfallen. Auch stünden der Schuldnerin alle erforderlichen Daten und Preise insoweit selbst zur Verfügung. Etwas anderes gilt für die Erstattung von Gutschriften der Beklagten für Gewährleistungsarbeiten und -leistungen. Hier ist es denkbar, daß die Entscheidung hierüber und damit auch die Berechnung bei der Beklagten erfolgt und sodann der Schuldnerin mitgeteilt werden muß. Allerdings geht auch die Beklagte insgesamt davon aus, eine Abrechnung sei zu erteilen gewesen, da sie in ihrem Schriftsatz vom 9.10.2002 selbst vorträgt, "ordnungsgemäß Abrechnung erteilt" zu haben. Dieser Vortrag der Beklagten ist jedoch unsubstantiiert, da nicht ersichtlich ist, wann und wodurch die Abrechnung erteilt wurde. Dem Kläger geht es um den Zeitraum 1.1. bis 1.8.2000, also bis zur Einstellung des Geschäftsbetriebes mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Die geforderte Abrechnung müßte also danach erteilt worden sein. Insofern liegt aber nur das Schreiben der Beklagten vom 20.7.2000 vor. Der nach Schluß der mündlichen Verhandlung im Schriftsatz vom 23.12.2002 erfolgte Vortrag der Beklagten, sie habe dem Kläger zwischenzeitlich durch Übersendung sämtlicher Rechnungs- und Gutschriftsbelege zu dem Guthabensbetrag über 114.474,52 DM umfassend Auskunft erteilt, ist grundsätzlich unbeachtlich und veranlaßt auch nicht zu einer Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung, da er mangels konkreten Vorbringens, insbesondere Benennens der Unterlagen nicht hinreichend substantiiert ist.

Der Zahlungsantrag des Klägers ist nicht begründet. Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung der geforderten 58.529,89 € nicht zu, da diese Forderung bereits infolge der von der Beklagten erklärten Aufrechnung erloschen ist (§ 389 BGB).

Zwar stand dem Kläger ein solcher Anspruch gegen die Beklagte zu. Die Klage ist hinsichtlich der Darlegung der Forderung auch ohne Erteilung der Auskunft gemäß dem Antrag zu 2) schlüssig. Grundsätzlich muß der Kläger die Geschäftsunterlagen der Insolvenzschuldnerin selbst auswerten und im einzelnen zu etwaigen Ansprüchen vortragen, was er nicht getan hat, obwohl er es wie dargelegt hätte tun können. Der Umstand, daß die Beklagte auf die Forderung bereits gezahlt und sie diese damit tatsächlich anerkannt hat, führt aber zu einer Verminderung der Darlegungslast des Klägers.

In der Zahlung liegt allerdings ebenso wenig wie in dem Schreiben vom 7.9.2000 ein Schuldanerkenntnis im Sinne des § 781 BGB. Ein Schuldanerkenntnis in diesem Sinne erfordert eine rechtsgeschäftliche Willenserklärung, die auf de Bestätigung einer bestehenden Verpflichtung gerichtet ist. Für eine solche Erklärung bestand aber bei der Zahlung schon kein Anlaß. Eine Zahlung ohne besondere Erklärung stellt lediglich ein rein tatsächliches Verhalten dar, aus dem sich zwar grundsätzlich das Bewußtsein vom Bestehen des Anspruchs ergibt, nicht aber eine darüberhinausgehende Verpflichtung. Entsprechendes gilt für das Schreiben der Beklagten vom 7.9.2000. Nach erfolgter Zahlung bestand für eine die Vergangenheit betreffende Verpflichtungserklärung keine Veranlassung. Vielmehr ist auch in diesem Schreiben lediglich eine tatsächliche Bestätigung der vormals bestehenden Schuld zu sehen. Die Folge ist also nicht ein selbständiger Rechtsgrund, sondern lediglich ein tatsächliches Zugeständnis.

Ebenso wie ein Bestreiten die Darlegungslast erhöhen kann, führt ein solches Zugeständnis aber zu einer Verminderung der Darlegungslast. Die Substantiierungslast ist nicht Selbstzweck, sondern soll die für die Entscheidung notwendige Tatsachengrundlage schaffen, also die Überprüfung der Schlüssigkeit der Klage als Voraussetzung einer Sachentscheidung ermöglichen oder die Voraussetzungen für eine Beweisaufnahme schaffen. Sofern zwischen den Parteien gar kein Streit über das Bestehen eines Anspruchs besteht, ist eine besondere Substantiierung grundsätzlich nicht mehr erforderlich. Allerdings ist ein entsprechender Anspruch nicht schon "unstreitig", da der Kläger schon für die Zulässigkeit der Klage jedenfalls ein Mindestmaß an Substantiierung leisten muß. Das Maß der gebotenen Substantiierung bemißt sich demzufolge nach dem Erfordernis, daß der Streitgegenstand der Klage bestimmt sein muß (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO), damit der Umfang der Rechtskraft des Urteils feststeht (§ 322 Abs. 1 ZPO).

Der geltend gemachte Anspruch muß einem bestimmten Lebenssachverhalt zuordenbar sein. Hierbei ist der Klagegrund konkretisiert darzulegen. Dazu gehört grundsätzlich die Angabe, welche Leistung aufgrund welchen Vertrages und aus welchen weiteren Umständen verlangt wird. Der Klageanspruch muß eindeutig individualisierbar sein. Der Kläger hat die vier Händlerverträge sowie allgemein die Gegenstände der Ansprüche und den Zeitraum des Entstehens der behaupteten Ansprüche bezeichnet. Daß die Angaben zu den Gegenständen der Ansprüche und dem Zeitraum vermutlich auf einer Spekulation beruhen, ist unschädlich. Über diese Angaben hinaus hat er die Ansprüche nicht individualisiert, also nicht angegeben, welcher konkrete Vertragsschluß oder welcher sonstige Geschäftsvorfall einen Anspruch in welcher Höhe zur Folge gehabt haben soll. Er geht aber davon aus, daß es sich um sämtliche in dem genannten Zeitraum entstandenen Ansprüche - mit Ausnahme der von der Beklagten in dem Schreiben vom 20.7.2000 genannten ca. 5.000,- DM - handelt.

Dies reicht aus.

Dem Kläger steht gegen die Beklagte der Anspruch auf Zahlung von 58.529,89 € nicht mehr zu, da die Aufrechnung mit - unstreitigen - Forderungen der F. B. GmbH durch die Beklagte wirksam erfolgt ist (§ 389 BGB). Die Allgemeinen Verkaufs- und Lieferbedingungen der Beklagten lassen unter Ziffer V. 3. eine derartige Aufrechnung zu.

Die Aufrechnungsklausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten ist wirksam. Sie ist nicht überraschend (§ 3 AGBG). Die Forderungen, welche für eine Aufrechnung gegen Forderungen der Insolvenzschuldnerin herangezogen werden können, sind klar umgrenzt. Die Aufrechnungsklausel bezieht nur Forderungen der F. B. GmbH ein. Dieses Unternehmen ist ersichtlich in die Vertragsbeziehungen der Parteien miteinbezogen, da die Insolvenzschuldnerin ihre Käufe nach ihrem oben genannten Vortrag über diese Bank finanziert. Die Beklagte und die F. B. GmbH sind hierbei entweder im Rahmen eines Konzerns oder jedenfalls durch ihre geschäftlichen Beziehungen eng verbunden. Eine solche Klausel ist unter Kaufleuten nicht unüblich (vgl. hierzu Joussen, ZIP 1982, 279, 280 f.; Lindacher, in: Wolf/Horn/Lindacher, AGBG, 4. Aufl. 1999, § 3, Rdnr. 76 jeweils m.w.N.).

Die Klausel verstößt jedenfalls im kaufmännischen Verkehr auch nicht gegen § 9 AGBG. Eine unangemessene Benachteiligung der Vertragspartner tritt nicht ein. Zwar können sich infolge einer derartigen Klausel für den Vertragspartner Finanzierungsschwierigkeiten ergeben, wenn er nicht mit hinreichender Sicherheit mit einer Zahlung oder Überweisung auf eine Forderung gegen die Beklagte rechnen kann, sondern eine derartige Aufrechnung erwarten muß. Die gleiche Lage könnte aber auch ohne diese Klausel für ihn eintreten. Die in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen bestimmte Aufrechnungsmöglichkeit erspart lediglich die Abtretung einer Forderung durch die F. B. GmbH an die Beklagte zum Zwecke der Aufrechnung. Auch ist gleichfalls eine Aufrechnungserklärung gegenüber dem Vertragspartner erforderlich. Ein erheblicher Unterschied ergibt sich allerdings im Insolvenzverfahren. Denn nach der gesetzlichen Regelung kann mit einer nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder sonst anfechtbar abgetretenen Forderung nicht aufgerechnet werden (§ 96 Abs. 1 Nrn. 2, 3 InsO); diese Beschränkung zu vermeiden ist gerade ein Ziel der Verrechnungsklausel der Beklagten. Dadurch ist jedoch der Schutzzweck des § 9 AGBG nicht tangiert. § 96 InsO dient nicht dem Schutz des Insolvenzschuldners als des Vertragspartners des Verwenders unangemessener Allgemeiner Geschäftsbedingungen, sondern der Verwirklichung des Ziels einer gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung (vgl. Joussen, a.a.O, S. 280 m.w.N.). Dieses Ziel allein kann damit einen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot gemäß § 9 AGBG nicht begründen. Auch die Verbotsnorm des § 455 Abs. 2 BGB a.F. spricht nicht zwingend für die Unwirksamkeit einer derartigen Aufrechnungsklausel, da sie einen Fall betrifft, in dem anders als bei der Aufrechnungsklausel für den Veräußerer eine deutliche erhöhte Sicherung begründet wird. Dem Sicherungsbedürfnis des Verkäufers, der den Kaufpreis nicht im voraus oder Zug um Zug gegen Übergabe der Kaufsache erhält, wird bei Vereinbarung eines Eigentumsvorbehalts schon dadurch hinreichend Rechnung getragen, daß das Eigentum nach aufschiebend bedingter Einigung erst mit der Zahlung des Kaufpreises auf den Käufer übergeht. Die zusätzliche Sicherung anderer Forderungen Dritter kann demgegenüber nicht verlangt werden. Eine Konzernverrechnungsklausel begründet eine solche zusätzliche, dem Vertrag nicht mehr immanente Sicherheit dagegen nicht, sondern erspart wie dargelegt lediglich die Vereinbarung einer Abtretung der Forderung des Dritten (für die Wirksamkeit einer Konzernverrechnungsklausel im Ergebnis Lindacher, a.a.O., Rdnr. 76; Joussen, a.a.O., S. 280 f.; für die Unwirksamkeit Ulmer, in: Ulmer/Brandtner/Hensen, AGBG, 9. Aufl. 2001, § 3, Rdnr. 35; von Westphalen, ZIP 1984, 529, 537; Wienberg, in: Hess/Weis/Wienberg, InsO, 2. Aufl. 2000, § 94, Rdnrn. 28 ff., unter Berufung auf § 455 Abs. 2 BGB; ebenso mit sehr knapper Begründung Sinz, in: Kölner Schrift zur InsO, 2. Aufl. 2000, S. 637 f.; ähnlich Landfermann, ebenda, S. 181; unentschieden nach der alten Rechtslage BGH, ZIP 1981, 880 f.).

Die seitens der Beklagten erklärte Aufrechnung verstößt auch nicht gegen § 96 Abs. 1 Nr. 2, 3 InsO. Die Beklagte hat die Aufrechnungserklärung der Insolvenzschuldnerin bzw. dem Kläger gegenüber erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens abgegeben, nämlich mit Schreiben vom 7.9.2001 (§ 388 BGB), obgleich sie die Verrechnung selbst und die anschließende Ausgleichszahlung an die F. B. GmbH noch vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens, nämlich am oder vor dem 7.7.2000 vorgenommen hatte. Eine frühere Aufrechnungserklärung ist nicht dargelegt. Die Beklagte hat zwar in der Berufungsinstanz vorgetragen, sie habe die Insolvenzschuldnerin über die Aufrechnung informiert (Blatt 172 der Akte); daß dies vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens geschehen sei, hat sie aber nicht substantiiert behauptet. Damit ist § 96 InsO einschlägig.

Nach der früheren Rechtslage war die Annahme eines Verstoßes wegen Unvereinbarkeit mit zwingendem Recht, nämlich § 55 S. 1 Nrn. 2, 3 KO bzw. § 96 Abs. 1 Nrn. 2, 3 InsO einhellige Meinung (vgl. BGH, ZIP 1981, 880 f.; vgl. Smid, InsO, 2. Aufl. 2001, § 94, Rdnr. 7; § 96, Rdnr. 9; Brandes, MK zur InsO, 2001, § 94, Rdnr. 39 m.w.N.). Das aufrechnende Konzernmitglied müsse sich so behandeln lassen, als habe es die zur Aufrechnung gestellte Forderung im Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung und damit nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erworben; denn erst mit der Aufrechnungserklärung nehme das Konzernmitglied die Forderung endgültig für sich in Anspruch, indem es über sie wie ihr Inhaber verfüge. Die Neuregelung in § 94 Alt. 2 InsO hat aber zur Folge, daß Konzernverrechnungsklauseln insolvenzrechtlich beständig sind, da Aufrechnungsvereinbarungen darin allgemein anerkannt sind (vgl. Smid, a.a.O.; Brandes, a.a.O.). Dies erscheint zwar nicht zwingend, da trotz der Anerkennung von Aufrechnungsvereinbarungen in § 94 InsO die Erklärung der Aufrechnung mit der Forderung eines Dritten weiterhin so gewertet werden kann, als habe der Aufrechnende die fremde Forderung erst mit der Erklärung der Aufrechnung und somit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erworben (§ 96 Abs. 1 Nr. 2 InsO; so Kroth, in: Braun, InsO, 2002, § 94, Rdnr. 24 unter Berufung auf die Entscheidungen des BGH, ZIP 1996, 552 und OLG Köln, ZIP 1995, 850 f., die eine nach der alten Rechtslage zu beurteilende Fallgestaltung zum Gegenstand haben). Auch verdienen solche Vereinbarungen nach der allgemeinen legislatorischen Tendenz eigentlich keinen Insolvenzschutz, da der Grundsatz der Gleichbehandlung der Gläubiger damit zur Disposition der Parteien des Aufrechnungsverhältnisses gestellt wird und ein Wertungswiderspruch gegenüber der berechtigten Einschränkung insolvenzfester künftiger Aufrechnungslagen entsteht (§ 95 InsO gegen § 54 KO). Auch hat der Rechtsausschuß diesen Passus der Vorschrift nur "zur Klarstellung" ergänzend eingefügt, was gegen die Annahme einer so erheblichen Änderung der Rechtslage sprechen könnte (vgl. Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses zu § 106 RegEInsO, BT-Drucks. 12/7302, S. 165). Die gesetzliche Regelung des § 94 InsO läßt aber ihrem Wortlaut nach ausdrücklich vertragliche Erweiterungen der gesetzlichen Aufrechnungslage uneingeschränkt zu. Diese sind damit trotz der genannten Bedenken wegen des zu schützenden Vertrauens auf die einmal erworbene Befriedigungsmöglichkeit insolvenzrechtlich beständig (vgl. Häsemeyer, Insolvenzrecht, 3. Aufl., 2003, Rdnr. 19.30 f.; Smid, a.a.O., § 94, Rdnrn. 6 f.; Pape/Uhlenbruck, Insolvenzrecht, 2002, Rdnr. 623; Luke, in: Kübler/Prütting, InsO, § 94, Rdnrn. 38 ff.; Landfermann, a.a.O., S. 181, Fn. 86 jeweils m.w.N.).

Die Aufrechnung ist auch nicht gemäß den §§ 131 Abs. 1 Nr. 1, 132 Abs. 1 Nr. 1 InsO anfechtbar. Zwar war die Schuldnerin zum Zeitpunkt der Aufrechnung am 7.9.2001 und gleichfalls zum Zeitpunkt der Verrechnung am oder vor dem 7.7.2000 zahlungsunfähig; der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens war gestellt. Auf die Erklärung der Aufrechnung kann aber nicht abgestellt werden, da eine einmal erworbene Aufrechnungslage wie dargelegt insolvenzbeständig ist. Daß die Aufrechnungslage selbst erst nach Zahlungseinstellung oder dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingetreten wäre, ist nicht ersichtlich und auch nicht vorgetragen (vgl. hierzu Kirchhof, MK zur InsO, 2002, § 130, Rdnr. 16).

Die Kosten der Berufung waren dem Kläger auch insofern aufzuerlegen, als er in der Berufungsinstanz obsiegt hat, da er aufgrund neuen Vorbringens obsiegt hat, das er bereits in erster Instanz hätte geltend machen können (§ 97 Abs. 1, 2 ZPO). Im übrigen bleibt es bei der Kostentragungspflicht des Klägers bezüglich der Kosten der ersten Instanz (§ 91 Abs. 1 ZPO).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711, 108 ZPO.

Die Revision war zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).

Ende der Entscheidung

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