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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 23.07.2000
Aktenzeichen: 23 U 118/99
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 708 Ziff. 10
ZPO § 713
ZPO § 546 Abs. 2
Zu den Anforderungen an den Beweis einer 20 Jahre zurückliegenden Tatsache.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

23 U 118/99

2/25 O 310/98 Landgericht Frankfurt am Main

Verkündet am 23.7.2000

In dem Rechtsstreit ...

hat der 23. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch die Richter ... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 28. Juni 2000

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 25. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main Vom 10.5.1999 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Wert der Beschwer beträgt 20.000,00 DM.

Von der Darstellung eines Tatbestandes wird gemäß 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung- des Klägers gegen die Abweisung seiner Klage ist unbegründet. Das Landgericht ist zu Recht davon ausgegangen, daß der Beklagte seine Einlageschuld gegenüber der im Jahre 1979 neu gegründeten Firma ... sowohl hinsichtlich seiner originären Stammeinlage von 10.000,00 DM als auch hinsichtlich des weiteren Anteils von 10.000,00 DM, den er nach dem Tode von ... übernahm, voll erfüllt hat. Seine ausführlichen und ausgewogenen Darlegungen im erstinstanzlichen Urteil halten der Überprüfung durch den Senat stand. Dies gilt nicht nur hinsichtlich der Bewertung des beiderseitigen Parteivortrags und der von den Parteien vorgelegten Unterlagen, sondern auch hinsichtlich der Würdigung der Aussage des Zeugen ... den der Senat erneut vernommen hat. Auch nach dem Eindruck des Senats sind Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Zeugen oder der Glaubhaftigkeit seiner Aussage nicht angebracht.

Der Zeuge war sich sicher, daß der ... nach ihrer Gründung das Stammkapital von 100.000,00 DM seitens der ... zur Verfügung gestellt wurde, zumal die ... seinerzeit in wirtschaftlicher Hinsicht gut dagestanden und kein Grund bestanden habe, die Summe bei der ... zurück zu behalten, die sie schließlich von den bei ihr geführten Verrechnungskonten der Gesellschafter entnommen hatte, die zugleich Gründungsgesellschafter der ... waren; mit diesen 100.000,00 DM nämlich habe die ... seiner Erinnerung nach angefangen zu arbeiten; bei dem in den Bilanzen 1979 und 1980 ausgewiesenen Darlehen der ... an die ... von 1.468.163,86 DM (vgl. Bl. 157, 31 d.A.) müsse es sich dagegen um Sachwerte, nicht aber um Geld gehandelt haben.

Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, daß der Zeuge sich nicht mehr erinnert, von weichem Konto der ... das Stammkapital auf welches Konto der ... gezahlt wurde, zumal es nach seiner Aussage bei beiden Gesellschaften mehrere Konten gab. Nach einem Zeitablauf von 20 Jahren wäre es vielmehr eher erstaunlich, wenn der Zeuge auch die betroffenen Konten noch angeben könnte. Ebensowenig werden die Angaben des Zeugen dadurch in Frage gestellt, daß er nicht mehr wußte, ob er selbst oder sein Mitgeschäftsführer bei der ... die Überweisung an die ... veranlaßt hat. Aus der nach einer solchen Zeitdauer bis zu einem gewissen Grade selbstverständlichen Lückenhaftigkeit des Erinnerungsvermögens von Zeugen oder von sonstigen Beweismitteln kann nicht darauf geschlossen werden, daß die Überweisung an die ... nicht erfolgt sei. Der Beklagte hat durch die Vorlage einer Abschrift seines Verrechnungskontos bei der ..., an deren Richtigkeit zu zweifeln kein Anlaß besteht, schlüssig vorgetragen, daß die ... die Mittel für die Beteiligung an der ... von den Gesellschafterkonten eingezogen hat. Dies ist von dem Kläger nicht substantiiert bestritten worden. Unter diesen Umständen hieße es, der ... eine unredliche Bereicherung auf Kosten der Gesellschafter oder zumindest fehlerhafte Abwicklung der Angelegenheit zu unterstellen, wenn man davon ausgehen wollte, daß sie die auf diese Weise vereinnahmten Beträge nicht an die ... weitergeleitet hätte, für die sie bestimmt waren. Eine solche Behauptung unsachgemäßen Verhaltens bedarf nach zunehmendem Zeitablauf seit den umstrittenen Vorgängen zunehmender Anhaltspunkte für ihre Richtigkeit.

Es ist zwar zutreffend, daß es grundsätzlich Aufgabe der einzelnen Gesellschafter ist, die Einzahlung ihrer Stammeinlage zu beweisen, wenn dies von Seiten der betreffenden Gesellschaft, des Konkursverwalters oder sonstiger Gläubiger bestritten wird. Dies ist auch durchaus gerechtfertigt und stellt keine unzumutbare Belastung der Gesellschafter dar. Wie jedem Schuldner, dem nach allgemeiner Meinung in Zweifelsfällen der Beweis für die Erfüllung seiner Schuld abverlangt wird, ist dies erst recht den Teilhabern an einer Gesellschaft in Anbetracht einer, für die Lebensfähigkeit des Unternehmens so grundlegenden und wesentlichen Verbindlichkeit wie dessen Ausstattung mit dem notwendigen Anfangs- bzw. Grundkapital zuzumuten, da üblicherweise niemand seine Schulden ohne eine schriftliche Quittung oder einen Überweisungs- bzw. sonstigen Zahlungsbeleg zu begleichen pflegt und der Erfüllungsbeweis demzufolge leicht zu führen ist. Dies ändert sich jedoch, je mehr Zeit. seit der Fähigkeit der behaupteten Schuldbegleichung vergangen ist, da dieser Zeitablauf - sei es durch den Ablauf der Aufbewahrungsfristen für schriftliche Unterlagen oder durch deren Verlust, sei es durch das schwindende Erinnerungsvermö- gen von Zeugen - grundsätzlich mit einem Verlust von Beweismitteln des Schuldners verbunden ist. Je länger die zu beweisenden Vorgänge zurückliegen, desto weniger kann es deshalb dem Gläubiger noch erlaubt sein, ohne konkrete positive Anhaltspunkte für ein unsachgemäßes Geschehen die ordnungsgemäße Abwicklung von Geschäftsabläufen mit dem Ergebnis zu bestreiten, daß der Schuldner sie vollumfänglich beweisen oder, soweit dies nicht mehr möglich sein sollte, erneut zahlen müßte. Da unangemessene und regelmäßig zu materiellrechtlicher Ungerechtigkeit führende Beweisanforderungen nicht gestellt werden dürfen, obliegt auch dem Gesellschafter mangels Substantiiertheit des Bestreitens jedenfalls dann keine Beweisführungslast mehr für die Einlagenzahlung, wenn diese - wie im vorliegenden Falle - ca. 20 Jahre zurückliegen soll und mehr oder weniger ins Blaue hinein in Abrede gestellt wird; und sie ist, je nach dem Gewicht der gegen die Einzahlung sprechenden Umstände auf die Beibringung mehr oder weniger starker Indizien für die Erfüllung der Verbindlichkeit zu beschränken.

Danach aber reicht vorliegend das Vorbringen des Klägers nicht aus, um die vom Beklagten behauptete Erfüllung nach 20 Jahren noch in Frage zu stellen.

Der Vortrag des Klägers ist vielmehr bereits insoweit unbeachtlich, als er lediglich Beweisschwierigkeiten des Beklagten aufzeigt, um seinen im übrigen unbelegten Zahlungsanspruch zu begründen. Dies gilt insbesondere für seinen Hinweis auf die mangelnde Aussagekraft der Bilanzen und Gewinn- und Verlustrechnungen aus den Jahren 1979180 weil die mit der Erstellung jener Unterlagen betrauten Wirtschaftprüfer diese ausdrücklich "nur aufgrund der Buchführung" erstellt hätten und damit nicht belegt sei, daß sie die dort bescheinigte Feststellung, daß das Stammkapital voll eingezahlt" wurde (vgl. z.B. Prüfungsbericht -zum Jahresabschluß 1987 und 1995, Bl. 54', 84 f. d.A.) über die sonst üblichen Stichproben bezüglich einzelner Buchungsposten hinaus tatsächlich nachgeprüft haben. Dazu ist festzustellen, daß selbst aus der Berechtigung dieser Kritik zum einen nicht auf die deshalb vom Kläger vermutete damalige Nichtzahlung der Einlage geschlossen werden kann; und zum anderen ist auch in diesem Punkt - wie gerade der vorliegende Fall zeigt - der Beklagte im wesentlichen durch den Ablauf von über 20 Jahren seit der Gründung der ... an der Erbringung des positiven Gegenbeweises, daß die Einlagen vereinnahmt worden sind, gehindert; denn der seinerzeit mit diesen Vorgängen befaßte und als Zeuge benannte Wirtschaftsprüfer ... konnte alters- und krankheitsbedingt nicht mehr vernommen werden; dies kann nach obigen Ausführungen nicht in der Weise zu Lasten des Beklagten gehen, daß er bereits aus diesem Grunde zur Zahlung der geltend.gemachten Forderung zu verurteilen wäre. Es kann ihm nicht abverlangt werden, die vom Kläger angeführten, verbleibenden, letzten Zweifel an der Richtigkeit der Buchhaltung und der Bilanzen der ... auszuräumen, solange jener nicht konkrete Anhaltspunkte für deren Fehlerhaftigkeit ins Feld zu führen vermag. Dies gilt, wie das Landgericht ebenfalls zu Recht feststellt, vor allem auch deshalb, weil zu erwarten gewesen wäre, daß etwa noch ausstehende Stammeinlagen - wie auch damals üblich - gesondert in der Bilanz ausgewiesen worden wären.

Hinreichende Anhaltspunkte für die mangelnde Erfüllung der Einlageschuld der Gesellschafter in der von dem Zeugen ... geschilderten Weise durch Überweisung der Gesamtsumme seitens der ... an die ... lassen sich entgegen dem Kläger jedoch auch der sogenannten Umbuchungsanweisung von ... vom 19.10.1979 (Bl. 162 d.A.) nicht entnehmen. Diese handschriftliche Notiz, die sich nach ihrer Überschrift allgemein auf Buchungen der ... im Jahre 1979 bezieht, ist hinsichtlich ihres Anlasses und ihres Zweckes so unklar, daß ihr entgegen dem Kläger auch nicht mit hinreichender Sicherheit die Bedeutung entnommen werden kann, daß zum damaligen Zeitpunkt die im Zusammenhang mit der Gesellschaftsgründung zum 1.4.1979 zu erbringende Stammeinlage noch nicht gezahlt war, sondern erst durch eine Umbuchung von der ... als Darlehen zu Gunsten der ... habe erfolgen sollen, die dann unstreitig nicht geschah. Ganz abgesehen von der Überlegung des Landgerichts, dass auch bei Wertung der Notiz als Buchungsanweisung deren inhaltliche Richtigkeit nicht feststehe und der Grund für die unterbliebene Ausführung in der Aufklärung ihrer Fehlerhaftigkeit gelegen haben könnte, vermag der Senat der Notiz daher schon eine derartige Anweisung nicht zu entnehmen. Ihre dennoch allenfalls äußerst gering zu bewertende Indizwirkung für die Nichtzahlung der Einlagen wird unter diesen Umständen aber in vollem Umfange kompensiert durch die weit höhere gegenteilige Beweiskraft der in Inhalt und Bedeutung eindeutigen Aufstellung über das Verrechnungskonto des Beklagten für 1979 (Bl. 28 d.A.), nach der die Einlagen jedenfalls offensichtlich vom Guthaben der Gesellschafter bei der ... abgebucht wur- den, Es liegt nahe, daß die Gesamtsumme aller Einlagen dann auch entsprechend der glaubhaften Aussage des Zeugen ... je nach Deckung von einem oder zwei Konten der ... aus an die ... weitergeleitet wurde.

Die gegenteiligen Vermutungen und daraus abgeleiteten rechtlichen Folgerungen des Klägers beruhen auf überzogenen weitergehenden Beweisanforderungen an den Beklagten, für die er keinen hinreichenden Anlaß vorzutragen vermag. Seiner Berufung ist damit der Erfolg zu versagen.

Als unterliegende Partei hat der Kläger die Kosten des erfolglos durchgeführten Rechtsmittelverfahrens zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO). Die übrigen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 708 Ziff. 10, 713, 546 Abs. 2 ZPO.



Ende der Entscheidung

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