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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 08.04.2009
Aktenzeichen: 23 U 123/08
Rechtsgebiete: RBerG, BGB, ZPO


Vorschriften:

RBerG Art. 1 § 1
BGB § 134
BGB §§ 171 ff.
BGB § 172
BGB § 173
ZPO § 529
ZPO § 529 Abs. 1 Nr. 1 2. Halbsatz
ZPO § 286
ZPO § 286 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I.

Wegen des Sachverhalts wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage auf Zahlung, Freigabe und Feststellung abgewiesen. Es hat dazu ausgeführt, dass der zwischen den Parteien geschlossene Darlehensvertrag wirksam sei. Die der Treuhänderin erteilten umfassenden Vollmachten seien zwar wegen Verstoß gegen Artikel 1 § 1 RBerG nichtig, jedoch aus Rechtsscheinsgesichtspunkten nach §§ 171, 172 BGB gegenüber der Beklagten als wirksam zu behandeln. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei davon auszugehen, dass der Beklagten bei Abschluss des Darlehensvertrages die notarielle Vollmachtsurkunde vom 01.12.1995 in Ausfertigung vorgelegen habe. Aufgrund der glaubhaften Bekundungen der Zeugin Z1 in Verbindung mit den zu den Akten gereichten Schreiben vom 09.01.1996 (Bl. 77 d.A.) und 23.01.1996 (Bl. 73 d.A.) sei davon auszugehen, dass die Beklagte zwischen dem 09.01.1996 und 23.01.1996 in den Besitz der Ausfertigung der Vollmacht gelangt sei. Dem von den Klägern gestellten Beweisantrag auf Vorlage der Kreditakte sei nicht nachzugehen gewesen, da dieser der Ermittlung von Beweisen und nicht dem Beweis eines behaupteten Umstands diene. Im Übrigen sei der Beweisantrag nicht ausreichend, weil die Vorlage einer Sammlung von Urkunden ohne Bezeichnung einzelner konkreter Schriftstücke verlangt werde. Sonstige Gründe, die eine Rückabwicklung des Darlehensvertrages stützen würden, seien nicht substantiiert dargetan worden.

Das angefochtene Urteil ist den Klägern am 28.05.2008 zugestellt worden.

Die Kläger verfolgen mit der am 27.06.2008 eingelegten und am 28.07.2008 begründeten Berufung ihre erstinstanzlichen Klageanträge weiter. Das Landgericht sei fehlerhaft zu der Feststellung gelangt, dass der Darlehensvertrag nach Rechtsscheinsgesichtspunkten als wirksam zu behandeln sei. Die Beklagte habe bereits nicht konkret dargetan, wann ihr die Ausfertigung der Vollmacht zugegangen sei. Vor diesem Hintergrund hätte bereits nicht Beweis erhoben werden dürfen. Es habe weder ein Original, noch eine Ausfertigung der Vollmacht vorgelegen.

Ferner sei der Vortrag der Beklagten widersprüchlich und unerheblich, die Behauptung der Kläger bezüglich der fehlenden Vorlage der Vollmacht sei mithin nicht widerlegt. Darüber hinaus habe das Landgericht die Aussage der Zeugin Z1 unzutreffend gewürdigt. Nach den Bekundungen der Zeugin könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Vollmachtsausfertigung zum Zeitpunkt der Darlehenszusage vorgelegen habe. Schließlich habe das Landgericht den in der mündlichen Verhandlung vom 04.04.2008 gestellten Beweisantrag der Kläger zu Unrecht zurückgewiesen. Der Beweisantrag sei hinreichend bestimmt gewesen, da mit dem Laufzettel ein konkretes Dokument aus der Kreditakte bezeichnet worden sei. Vor dem Hintergrund, dass die Beklagte behaupte, nicht mehr im Besitz eines Laufzettels zu sein, müsse allerdings davon ausgegangen werden, dass ein solcher überhaupt nicht existiert habe oder zumindest nicht im Zusammenhang mit der Vorgangsakte geführt worden sei. Auch hieraus ergebe sich die die Unglaubhaftigkeit der Aussage der Zeugin Z1.

Im Übrigen meinen die Kläger, dass die Beklagte auch nach der neuesten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs jedenfalls im Rahmen des Feststellungsantrags die Darlegungs- und Beweislast dafür treffe, dass ihr die Vollmachtsausfertigung zum Zeitpunkt des Darlehensvertragsabschlusses vorgelegen habe.

Die Kläger beantragen,

1. die Beklagte unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Frankfurt am Main vom 04.04.2008, Az. 2-31 O 265/07, zur Zahlung von Euro 26.163,77 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit an die Kläger zu verurteilen;

2. die Beklagte zu verurteilen, die Freigabe des Pfandrechts an dem Depot Nr. ... bei der Bank A AG sowie der darin befindlichen Sachen und Rechte, insbesondere die Rechte an und aus dem Fonds "B", zu erklären;

3. festzustellen, dass der Beklagten keine Rechte mehr aus dem Darlehensvertrag Nr. (...) ... gegenüber den Klägern zustehen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrages. Das Landgericht habe die Sach- und Rechtslage zutreffend gewürdigt. Auch der Beweisantrag der Kläger sei mit zutreffender Begründung zurückgewiesen worden. Der von der Zeugin Z1 erwähnte Laufzettel befinde sich nicht mehr bei den Kreditakten. Im Rahmen von organisatorischen Umstrukturierungen seien die Kreditakten neu geordnet worden, wobei nicht mehr benötigte Dokumente nicht weiter aufbewahrt worden seien. Anlässlich der erneuten Durchsicht der Kreditakten sei ein Kurzbrief der Treuhänderin vom 19.01.1996 aufgefunden worden, mit dem der Beklagten vermutlich unter anderem die notarielle Vollmachtsurkunde übermittelt worden sei. Der Kurzbrief nebst Anlagen sei bei der Beklagten am 22.01.1996 eingegangen.

II.

Die zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte und begründete Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Die angefochtene Entscheidung beruht weder auf einer Rechtsverletzung, noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 513 ZPO).

Der Darlehensvertrag vom 17.01./23.01.1996 ist wirksam zustande gekommen, so dass die Beklagte die Darlehenszinsen mit Rechtsgrund erlangt hat und auch nicht verpflichtet ist, die ihr im Zusammenhang mit der Darlehensgewährung gestellten Sicherheiten freizugeben.

Der Treuhandvertrag und die in diesem Zusammenhang von den Klägern an die Treuhänderin (C GmbH) erteilten Vollmachten sind wegen eines Verstoßes gegen Artikel 1 § 1 RBerG in Verbindung mit § 134 BGB nichtig. Nach ständiger Rechtsprechung bedarf derjenige, der ausschließlich oder hauptsächlich die rechtliche Abwicklung eines Grundstückserwerbs im Rahmen eines Steuersparmodells für Erwerber besorgt, der Erlaubnis nach Artikel 1 § 1 des RBerG a.F.

Ein - wie hier - ohne Erlaubnis abgeschlossener Geschäftsbesorgungsvertrag mit umfassenden Geschäftsbesorgungsrechten ist nichtig, wobei hiervon auch die der Treuhänderin erteilten Abschlussvollmachten erfasst werden. Die Beklagte kann sich jedoch auf den Rechtsschein einer wirksam erteilten Vollmacht nach §§ 171 ff. BGB berufen. Die Anwendung dieser Vorschriften setzt grundsätzlich voraus, dass der Bank spätestens bei Abschluss des Darlehensvertrages das Original oder eine Ausfertigung der die Treuhänderin als Vertreterin des Anlegers ausweisenden notariellen Vollmacht vorlag (BGHZ 102, 60, 63; BGH-Urteil vom 27.5.2008, Az.: XI ZR 149/07).

Nach der neuesten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 23.9.2008, Az.: XI ZR 253/07), der sich der Senat anschließt, hat der Gläubiger eines Bereicherungsanspruchs, der sich auf die Unwirksamkeit eines Vertrages wegen Fehlens der Vertretungsmacht beruft, auch darzulegen und zu beweisen, dass die Voraussetzungen einer Rechtsscheinsvollmacht nach §§ 171 ff. BGB nicht gegeben sind, denn es handelt sich hierbei um anspruchsbegründende Tatsachen. Der Vortrag der Beklagten im Hinblick auf ihre sog. sekundäre Behauptungslast zur Vorlage der Ausfertigung der Vollmachtsurkunde zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses war ausreichend substantiiert. Die Darlegungen sind nicht deshalb als unsubstantiiert zu qualifizieren, weil der genaue Zeitpunkt des Eingangs der Ausfertigung nicht dargelegt wurde.

Die Kläger haben jedenfalls nicht den Nachweis erbracht, dass die im Besitz der Beklagten befindliche 2. Ausfertigung der Vollmachtsurkunde dieser zum Zeitpunkt des Darlehensvertragabschluss noch nicht vorlag.

Das Landgericht hat den vom Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung vom 04.04.2008 gestellten Beweisantrag zu Recht zurückgewiesen. Denn wie der Klägervertreter ausweislich der Sitzungsniederschrift erklärt hat, sollte der Antrag auf Vorlage der kompletten Kreditakten, "zum Beispiel des Laufzettels" dazu dienen, ihm Kenntnis davon zu verschaffen, ob sich aus den Akten Anhaltspunkte für den Zeitpunkt der Übermittlung der Vollmachtsausfertigung an die Beklagte ergeben (Bl. 146). Es ging daher, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, in erster Linie um die Ermittlung von Beweisen. Ihren erst im Rahmen der Berufungsbegründung näher begründeten Antrag auf Vorlage des Laufzettels halten die Kläger nicht mehr aufrecht. Vielmehr bestreiten sie nunmehr sogar dessen Existenz.

Der Antrag auf Feststellung, dass der Beklagten gegen die Kläger keine Rechte aus dem Darlehensvertrag zustehen, ist ebenfalls unbegründet.

Die Grundsätze zur Darlegungs- und Beweislastverteilung bezüglich der Unwirksamkeit des Vertrages wegen Fehlens der Vertretungsmacht und im Hinblick auf das Fehlen der Voraussetzungen einer Rechtsscheinvollmacht gemäß §§ 171 ff. BGB gelten auch, soweit die Kläger die Feststellung verlangen, dass der Beklagten keine Rechte aus dem Darlehensvertrag zustehen.

Grundsätzlich muss bei einer negativen Feststellungsklage der Beklagte, der sich eines Anspruchs berühmt, den Grund und die Höhe dieses Anspruchs beweisen, als wäre er der Kläger (Zöller/Greger, Zivilprozessordnung, 27. Aufl., § 256, Rz. 18).

In einer Fallkonstellation wie der vorliegenden, in der der Kläger einen Bereicherungsanspruch wegen Unwirksamkeit des Vertrages geltend macht und deshalb auch die Feststellung begehrt, dass keine Rechte mehr aus dem Vertrag geltend gemacht werden können, müssen die Darlegungs- Beweislastgrundsätze nach der neuen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch auf die negative Feststellungsklage durchschlagen. Anderenfalls würde sich bei offenem Ergebnis der Beweisaufnahme ein Widerspruch ergeben. Der Kläger hätte einerseits keinen Bereicherungsanspruch, da er beweisfällig geblieben ist, andererseits wäre aber festzustellen, dass gegen den Kläger keine Ansprüche aus dem Darlehensvertrag mehr geltend gemacht werden können. Hierdurch würde ein einheitlicher Lebenssachverhalt durch eine unterschiedliche Behandlung der Darlegungs- und Beweislastgrundsätze unzulässig auseinandergerissen und bewertet werden. Die Folge wäre aufgrund des dargestellten widersprüchlichen Ergebnisses eine Rechtsunsicherheit hinsichtlich der weiteren Abwicklung des Darlehensvertrages für die Zukunft.

Dieses Ergebnis folgt darüber hinaus aber auch aus der vom Landgericht durchgeführten Beweisaufnahme. Mit dem Landgericht ist davon auszugehen, dass der Beklagten die Ausfertigung der Vollmachtsurkunde zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses vorgelegen hat. Dies hat das Landgericht ohne Rechtsfehler auf der Grundlage seiner freien Beweiswürdigung nach § 286 ZPO festgestellt.

Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung nach § 286 ZPO bedeutet, dass der Richter lediglich an die Denk-, Natur- und Erfahrungsgesetze gebunden ist, ansonsten aber die im Prozess gewonnenen Erkenntnisse grundsätzlich ohne Bindung an gesetzliche Beweisregeln nach seiner individuellen Einschätzung bewerten darf (Zöller/Greger, Zivilprozessordnung, 27. Aufl., § 286, Rz. 13).

Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 2. Halbsatz ZPO ist das Berufungsgericht an die von dem erstinstanzlichen Gericht festgestellten Tatsachen gebunden, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Konkrete Anhaltspunkte, welche hiernach die Bindung des Berufungsgerichts an die vorinstanzlichen Feststellungen entfallen lassen, können sich insbesondere aus Verfahrensfehlern ergeben, die dem Eingangsgericht bei der Feststellung des Sachverhalts unterlaufen sind (BGHZ 158, 269).

Ein Verfahrensfehler liegt dann vor, wenn die Beweiswürdigung in dem erstinstanzlichen Urteil den Anforderungen nicht genügt, die von der Rechtsprechung zu § 286 Abs. 1 ZPO entwickelt worden sind, d.h., wenn die Beweiswürdigung unvollständig oder in sich widersprüchlich ist oder wenn sie gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (BGH aaO.).

Solche Verfahrensfehler sind nicht ersichtlich.

Die Beweiswürdigung des Landgerichts mit der Folge der richterlichen Überzeugung vom Vorliegen der Ausfertigung der Vollmachtsurkunde zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ist nicht zu beanstanden.

Das Landgericht hat eine ausführliche Beweiswürdigung vorgenommen, die Gründe für die Überzeugungsbildung wurden angegeben. Es wurde auch berücksichtigt, dass sich die Zeugin an den Vorgang im Einzelfall nicht erinnern konnte und dass die Zeugin vor ihrer Vernehmung durch die Beklagte mit Kopien aus der Vorgangsakte versorgt worden ist. Es sind keine Anhaltspunkte für eine unvollständige oder widersprüchliche Würdigung der Aussage der Zeugin Z1 durch das Landgericht gegeben, insbesondere ist auch ein Verstoß gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze nicht erkennbar.

Von einer Bösgläubigkeit der Beklagten im Sinne des § 173 BGB kann nicht ausgegangen werden.

Die Rechtsprechung, die im Hinblick auf das Rechtsberatungsgesetz zu der Schlussfolgerung gekommen ist, dass der Geschäftsbesorgungsvertrag und die Vollmachten nichtig sind, hat sich erst ab dem Jahre 2000 entwickelt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet seine Grundlage in §§ 708 Nr.10, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 ZPO).

Ende der Entscheidung

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