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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 21.07.1993
Aktenzeichen: 23 U 200/91
Rechtsgebiete: ARB


Vorschriften:

ARB § 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Von der Darstellung des Tatbestandes wurde gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Die Berufung der Beklagten hat, nachdem der Kläger seine Klage geändert und teilweise zurückgenommen hat, keinen Erfolg.

Die Beklagte ist verpflichtet, dem Kläger vorläufigen Versicherungsschutz zu gewähren. Deshalb hat die Beklagte dem Kläger die bisher in dem Rechtsstreit ...- 5 O 301/90 Landgericht Wiesbaden - entstanden Kosten unter dem Vorbehalt des Nachweises der vorsätzlichen Herbeiführung dieses Versicherungsfalls zu erstatten.

Der zwischen den Parteien bestehende Vertrag über die Gewährung von Rechtsschutz enthält zwar keine ausdrückliche Regelung über eine vorläufige Deckung. Dennoch besteht aber eine solche Verpflichtung. Sie ergibt sich aus dem Zweck und Wesen des zwischen den Parteien bestehenden Rechtsschutzversicherungsvertrags. Da die Rechtsverfolgung des Klägers in dem Rechtsstreit ... - 5 O 301/90 Landgericht Wiesbaden - einerseits hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 1 ARB), der von der Beklagten zu führende Nachweis eines Risikoausschlusses, einer vorsätzlichen Herbeiführung des Versicherungsfalles durch den Kläger, anderseits aber gerade von dem Ausgang des Rechtsstreits abhängt, für den Versicherungsschutz verlangt wird, also eine sogenannte Voraussetzungsidentität vorliegt, besteht eine Interessenkollision der Parteien. Diese findet ihren Ausgleich in der Gewährung vorläufigen Versicherungsschutzes (vgl. Harbauer, Rechtsschutzversicherung, 4. Aufl. 1990, § 4 B RdN 154/155 m.w.N.; Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz, 24. Aufl. 1988, § 4 ARB Anm. 1 und 13 m.w.N. In der 25. Aufl. des Kommentars von Prölss/Martin zum Versicherungsvertragsgesetz ist diese Auffassung wieder aufgegeben worden, ohne jedoch Gründe hierfür zu benennen, vgl. ders., 25. Aufl. 1992, § 4 ARB Anm. 1).

Obwohl die Klage, für deren Kosten Deckung aus der Rechtsschutzversicherung verlangt wird, in erster Instanz abgewiesen wurde, muß eine hinreichende Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung seitens des Klägers bejaht werden. Dies ergibt sich bereits daraus, daß der 17. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main, der zur Entscheidung über die Berufung des Klägers berufen ist, zur Klärung des Sachverhalts eine erneute Beweisaufnahme angeordnet hat. Aus diesem Grund kann auch nicht davon gesprochen werden, daß die Rechtsverfolgung mutwillig ist.

Da der Ausgang des Rechtsstreits ... - 5 O 301/90 Landgericht Wiesbaden - nach dem Erlaß des Beweisbeschlusses durch den 17. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main nach allen Seiten hin wieder offen ist, fehlt es nach wie vor auch an dem Nachweis der Beklagten, daß der Kläger den Versicherungsfall, für den er vorläufig Deckung verlangt, vorsätzlich herbeigeführt hat und somit ein subjektiver Risikoausschluß besteht (§ 4 Abs. 2 a ARB). Vorsätzlich herbeigeführt wäre der Rechtsstreit ...5 O 301/90 Landgericht Wiesbaden - nur dann, wenn der Kläger falsche Angaben über die Trennung von seiner Ehefrau und der Begründung eines neuen Wohnsitzes in ... gemacht hätte.

Die Beklagte müßte dem Kläger also nachweisen, daß er seine Ehefrau entgegen seiner eigenen Darstellung in dem Zeitpunkt, als der Hausratsschaden in dem gemeinsamen Haus ... eintrat, verlassen und aus diesem Grund einen eigenen Wohnsitz in ... begründet hatte. Gelingt ihr dieser Nachweis nicht oder stellt sich gar heraus, daß die Angaben des Klägers, wonach dessen Wohnung in ... nur aus beruflichen Gründen erforderlich und nicht an die Stelle der gemeinsamen ehelichen Wohnung getreten war, richtig waren, so hat die Beklagte als Hausratsversicherer ihre Eintrittspflicht für den Hausratsschaden, die Gegenstand des Rechtsstreits ... 5 O 310/90 Landgericht Wiesbaden - ist, zu unrecht verneint.

Bis zur endgültigen gerichtlichen Klärung der schwerwiegenden Verdachtsmomente kann die Beklagte zwar eine Entscheidung über ihre Eintrittspflicht zurückstellen. Dies besagt aber noch nicht, daß sie bis dahin auch jede Leistung verweigern kann, zumal sie im vorliegenden Rechtsstreit keinen eigenen ausreichenden Beitrag zur Aufklärung des Sachverhalts geleistet hat. Die von ihr angebotene Beweisführung durch die nicht näher konkretisierte und spezifizierte Bezugnahme auf die Akten des Hauptprozesses entspricht nicht den Regeln der Zivilprozessordnung. Im übrigen ist sie aber auch deswegen ungeeignet, da der Risikoauschluß in diesem Rechtsstreit gerade noch nicht geklärt ist.

Wollte man der Beklagten unter diesen Umständen dennoch das Recht einräumen, jegliche Leistung zu verweigern, so müßte der Kläger den Rechtsstreit ...- 5 O 301/90 Landgericht Wiesbaden zunächst selbst finanzieren, auch wenn sich schließlich herausstellen würde, daß die Beklagte leistungspflichtig ist, weil ein vorsätzliches Handeln nicht nachgewiesen oder sogar widerlegt ist. Im Ergebnis bedeutet dies aber, daß die Beklagte in den Fällen, in denen die sogenannte Voraussetzungsidentität gegeben ist, bereits aufgrund von bloßen Verdachtsmomenten für das Vorliegen eines Risikoausschlusses das gesamte Kostenrisiko eines Rechtsstreits, durch den mittelbar auch diese Verdachtsmomente geklärt werden, voll auf den Versicherungsnehmer abwälzt. Dies widerspricht aber dem Wesen und Zweck einer Rechtsschutzversicherung, die dem Versicherten gerade die Möglichkeit einräumen will, ohne eigenen finanziellen Aufwand streitige Ansprüche, für deren Durchsetzung es eine hinreichende Aussicht auf Erfolg gibt, auch durch mehrere Instanzen zu verfolgen, zumal es im konkreten Fall allein um Nachweise geht, die nicht der Versicherte, sondern der Versicherer zu erbringen hat. Eine Lösung des hierin liegenden Interessenkonflikts der Parteien bietet eine Deckungszusage unter dem Vorbehalt der Rückforderung für den Fall, daß sich die vorsätzliche Herbeiführung des Versicherungsfalls erweisen sollte. Der damit erzielbare Interessenausgleich trägt sowohl den vertraglichen Ansprüchen des Versicherten, als auch den Interessen des Versicherers Rechnung. Denn durch ihn wird der Versicherungsnehmer einerseits in den Stand versetzt, den Rechtstreit, für den er Rechtsschutz verlangt, zu führen. Anderseits wird er aber wegen des Vorbehalts der Rückzahlung auch dazu gezwungen, sich genauestens Rechenschaft über die Nachweisbarkeit der Voraussetzungen für einen Risikoausschluß abzulegen. Dem Versicherer hingegen bleibt bei Bestätigung seiner Verdachtsmomente die Möglichkeit erhalten, die Deckung endgültig zu versagen und unter Vorbehalt geleistete Zahlungen zurückzufordern. Da die Versicherungsleistung aber auch bei bloßen Verdachtsmomenten für einen Risikoausschluß fällig bleibt (vgl. OLG Hamm VersR 1987, 92 f), bringt diese Regelung noch einen weiteren Vorteil für den Versicherer mit sich. Es werden nämlich Schadensersatzansprüche, die im Falle einer vollständigen Zahlungsverweigerung trotz Fälligkeit entstehen können, vermieden. Soweit der Versicherer infolge vorläufiger Leistung hierbei der Gefahr der Insolvenz des Versicherungsnehmers ausgesetzt ist, handelt es sich um kein außergewöhnliches, sondern um das typische für alle Schuldverhältnisse geltende Vertragsrisiko (vgl. Harbauer, aaO; OLG Düsseldorf r + s 1989, 88 f; LG Berlin r + s 1990, 19 ff).

Die Verpflichtung zu einer vorläufigen Deckung unter dem Vorbehalt der Rückforderung bei Nachweis der vorsätzlichen Herbeiführung des Versicherungsfalles ist letztlich aber keine Neuschöpfung aus dem Zweck und Wesen des Versicherungsvertrags. Im Bereich der Haftpflichtversicherung gibt es eine ähnliche Problemstellung, in der die Rechtsprechung bereits seit langem eine vorläufige Deckung unter dem Vorbehalt der Rückforderung anerkannt hat (OLG Celle VersR 1978, 25; vgl. auch RGZ 148, 282; 158,189; OLG München VersR 52, 270). Nach dieser Rechtsprechung hat der Haftpflichtversicherer seinem Versicherungsnehmer wenigstens vorläufigen Rechtsschutz zu gewähren, solange eine Anspruchsgrundlage für den erhobenen Schadensersatzanspruch, die im Falle ihres Nachweises eine Deckung ausschließen würde, streitig ist.

Aber auch dann, wenn man im Hinblick darauf, daß Tatsachenfeststellungen, die in dem Verfahren getroffen werden, für dessen Durchführung Deckung aus einer Rechtsschutzversicherung verlangt wird, nach der Rechtsprechung des BGH im Rechtsstreit über die Deckung nicht bindend sind (BGH NJW 1992, 1509 ff = VersR 1992, 568 ff), einen Anspruch auf vorläufige Deckung bei Verdachtsmomenten für einen Risikoausschluß generell verneinen wollte, wäre die Berufung nicht begründet. Dem Kläger müßte wenigstens eine Leistung unter Vorbehalt zugesprochen werden, da die Beklagte im vorliegenden Rechtsstreit ausreichenden Beweis für den Risikoausschluß angetreten hat und das Verlangen des Klägers gegenüber der bedingungslos zu erteilenden Deckung lediglich ein Weniger darstellt, das nicht zurückgewiesen werden kann.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Der Kläger war an den Kosten des Rechtsstreits zu beteiligen, da er seine Klage und Anschlußberufung zu einem Teil, der 50% des ursprünglichen Streitwerts beträgt, zurückgenommen hat (§ 269 Abs. 3 ZPO).

Die Übrigen Nebenentscheidungen ergeben sich aus ("aus" geändert - die Red.) §§ 708 Ziff. 10, 713, 546 Abs. 2 ZPO).

Ende der Entscheidung

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