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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 13.10.2004
Aktenzeichen: 23 U 218/03
Rechtsgebiete: AGBG, BGB


Vorschriften:

AGBG § 2
BGB § 305
Zur Einbeziehung von AGB in einen Kaufvertrag über eine Wertpapieranleihe zwischen Emittenten und Anleger (Verbraucher).
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

23 U 218/03

Verkündet am 13. Oktober 2004

In dem Rechtsstreit

...

hat der 23. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch die Richter ... im schriftlichen Verfahren gemäß § 128 II ZPO auf Grund des Verfahrensstandes vom 22.09.2004

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 25.07.2003 verkündete Urteil der 21. Zivilkammer des Landgerichts in Frankfurt am Main

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 6.000 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 05.07.2001 zu zahlen Zug um Zug gegen Übertragung von 114 Aktien der A. mit der ISIN SE ... aus dem Depot der Klägerin bei der Beklagten mit der Nummer ....

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet oder hinterlegt.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

I.

Auf die vollständige Darstellung des Tatbestandes in dem angefochtenen Urteil wird Bezug genommen.

Die Parteien haben in zweiter Instanz mitgeteilt, dass die Klägerin vorher bereits zweimal Aktienanleihen bei der Beklagten gekauft haben, wobei in einem Fall die Rückzahlung in Geld und in dem anderen Fall nach Wahl der Emittentin durch Lieferung von Aktien erfolgt sei (Bl. 205, 208).

Die Klägerin hat gegen das ihr am 5.8.2003 zugestellte Urteil am 4.9.2003 Berufung eingelegt und diese innerhalb der bis zum 20.10.2003 verlängerten Frist begründet.

Die Klägerin hat ihre Anträge umgestellt. Sie verlangt nun nicht mehr Einlösung der Inhaberschuldverschreibung, sondern Rückzahlung des Nominalbetrages nebst Zinsen, gleichfalls Zug um Zug gegen Übertragung von 114 A.-Aktien. Hilfsweise macht sie einen Schadensersatzanspruch geltend. Dieser Betrag ist geringer als der Nominalbetrag, weil die Inhaberschuldverschreibungen zu einem Kurs von 98,2 % gekauft wurden. Auf den Gesichtspunkt der fehlenden Börsentermingeschäftsfähigkeit der Klägerin wird die Berufung in Anbetracht der Entscheidung BGH WM 2002, 803ff. nicht gestützt.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Inhaberschuldverschreibungsbedingungen beim Ankauf dieses Wertpapiers nicht einbezogen worden seien (Bl. 131). Es sei folglich zwischen den Parteien ein Vertrag mit einem Wahlrecht der Beklagten (Tilgung durch Rückzahlung oder Lieferung von 114 A.-Aktien) zustande gekommen, das die Beklagte in letztgenanntem Sinne ausgeübt habe (Bl. 135). Zur Anfechtung des Schreibens vom 02.06.2001, mit dem das Wahlrecht ausgeübt worden sei, sei die Beklagte nicht berechtigt gewesen (Bl. 135).

Den hilfsweise geltend gemachten Schadensersatzanspruch stützt die Klägerin auf § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 31 Abs. 2 Ziffer 1 und 2 WPHG. Die Beklagte habe es insbesondere verabsäumt, die Klägerin über das Risiko des Wertpapierkaufes zu belehren (Bl. 136).

Die Klägerin beantragt,

in Abänderung des angefochtenen Urteils

1) die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 6.000,-- € nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz nach § 1 DÜG seit dem 5.7.2001 zu zahlen Zug um Zug gegen Übertragung von 114 Aktien der A. mit der ISIN SE ... auf dem Depot der Klägerin bei der Beklagten mit der Nummer ...

2) hilfsweise,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 5.952,49 € nebst Jahreszinsen in Höhe von 4 % vom 12.7.2000 bis zum 4.7.2001, nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz nach § 1 DÜG seit dem 5.7.2001 zu zahlen Zug um Zug gegen Übertragung von 114 Aktien der A. mit der ISIN SE ... auf dem Depot der Klägerin bei der Beklagten mit der Nummer ....

Die Beklagte ist der Auffassung, dass § 2 AGBG nicht beim Kauf von Inhaberschuldverschreibungen durch den ersten Erwerber gelten solle. Dies folge bereits aus den Erwägungen des Gesetzgebers (Bl. 153). Es könne nicht sein, dass die Bedingungen durch den Skripturakt der § 793 ff BGB Bestandteil des so geschaffenen Wertpapiers geworden seien und dennoch eine Einbeziehung gegenüber dem Erwerber erfolgen müsse (Bl. 154).

Hinsichtlich des Schadensersatzanspruches sei das tatsächliche Vorbringen der Klägerin verspätet. Im Übrigen habe die Beklagte die erforderlichen Informationen erteilt (Bl. 157). Es sei auch bekannt gewesen, dass die Klägerin wie in der Vergangenheit bereit gewesen sei, beim Wertpapierkauf ein hohes Risiko einzugehen (Bl. 158).

Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen Z 1 und Ursula Z 2. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf das Protokoll vom 02.06.2004 (Bl. 179ff.).

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die vorbereitenden Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt und begründet. Sie hat auch in der Sache Erfolg. Die Beklagte ist auf Grund des von ihr ausgeübten Wahlrechts zur Zahlung Zug um Zug gegen Lieferung der Aktien verpflichtet.

III.

Die Voraussetzungen für eine zweitinstanzliche Klageänderung, § 533 ZPO n.F., liegen vor. Die Klageänderung ist offenbar sachdienlich und auf Tatsachen gestützt, die der Senat nach § 520 ZPO zu Grunde zu legen hat.

IV.

Die Berufung ist begründet, weil die Beklagte das ihr zustehende Wahlrecht betreffen die Rückzahlungsart im Sinne einer Rückzahlung in Geld ausgeübt hat.

V.

Es ist fraglich, mit welchem Inhalt der Wertpapierkaufvertrag der Parteien zustande gekommen ist. Insoweit kommt eine Individualvereinbarung im Sinne des § 4 AGBG in Betracht. Dafür gibt es nach Auffassung des Senats im Ergebnis jedoch keine überzeugende Anhaltspunkte. Zwar hat der als Zeuge gehörte Sohn der Klägerin ausgesagt, dass die Mitarbeiterin der Beklagten, Frau Z 2, davon gesprochen habe, dass die Bank das Wahlrecht zwischen dem Auszahlen des Geldbetrags und der Ausgabe der Aktien habe, wenn - wie im vorliegenden Fall geschehen - der Wert der Aktien unter den Erwerbswert gesunken sei, und die gemeint, sich erinnern zu können, dass eine Entscheidung des Emittenten über die Art der Rückzahlung erwähnt worden sei. Der Zeuge Z 1 konnte sich insoweit jedoch "nicht mehr ganz genau erinnern" und die Zeugin Z 2 wusste nicht mehr, bei welchen der Gespräche mit dem Sohn der Klägerin über den Kauf von Anleihen diese Äußerung gefallen sein mag. Dies reicht unter Berücksichtigung des Umstands, dass sich eine Bank ganz allgemein gesehen kaum auf eine Änderung der standardisierten Wertpapierbedingungen einlassen wird, als Nachweis nicht aus.

VI.

Die Art der Rückzahlung ergibt sich auch nicht aus der für diese Inhaberschuldverschreibung herausgegebenen Inhaberschuldverschreibung. Die Beklagte hat zwar bereits in 1. Instanz behauptet, dass bei den Verkaufsverhandlungen dem Bevollmächtigten der Klägerin, ihrem Sohn, die Kurzbeschreibung der Aktie (Bl. 35 f), deren Formulierungen gleichfalls gegen ein Wahlrecht der Emittentin bezüglich der Rückzahlungsart sprächen, übergeben worden sei. Die Klägerin hat demgegenüber auch in 1. Instanz bereits vorgetragen, ihrem Sohn sei die Kurzbeschreibung weder vorgelegt, noch ausgehändigt worden. Die Beklagte ist insoweit beweisfällig geblieben. Die Zeugin Z 2 hat zwar ausgesagt, sie sei sich "ziemlich sicher, dass sie ... die Kurzinformation ausgehändigt habe". Der als Zeuge gehörte Sohn der Klägerin, der für diese das Verkaufsgespräch geführt hat, hat demgegenüber ausgesagt, er habe keine Kurzbeschreibung erhalten. Welche dieser Aussagen richtig ist, kann der Senat nicht feststellen. Beide Zeugen haben sich bestimmt und widerspruchsfrei zur Sache geäußert. Die Genauigkeit der Erinnerung ist eher bei der Zeugin Z 2 zweifelhaft, da sie solche Gespräche mit teilweiser Aushändigung schriftlicher Unterlagen täglich führt und es dementsprechend für sie schwierig ist, sich an die Details einer Besprechung zu erinnern. Als für sie günstige Tatsache hätte die Beklagte aber die Aushändigung der Kurzinformation beweisen müssen.

VII.

Die Beklagte kann sich auch nicht auf ihre AGB in Form von Inhaberschuldverschreibungsbedingungen (Bl. 14ff.) berufen, die in § 3 II einen Automatismus für die Art der Rückzahlung der Schuldverschreibung vorsehen, der sich aus dem Börsenkurs der A. Aktie zu einem genau definierten Zeitpunkt ergibt, da der Klägerin nicht die Möglichkeit verschafft worden ist, in zumutbarer Weise von deren Inhalt Kenntnis zu nehmen (§ 2 AGBG). Diese Bedingungen wurden der Klägerin unstreitig nicht übergeben. Ob um ihre Übersendung nach Vertragsschluss erfolglos gebeten wurde, kann als rechtlich nicht ausschlaggebend dahinstehen. Eine rechtlich wirksame Einbeziehung ist auch nicht erfolgt.

Solche Bedingungen stellen nach fast einheitlicher Auffassung allgemeine Geschäftsbedingungen dar (Schimansky/Bunte/Lwowski-Grundmann, Bankrechtshandbuch Band III 2001, § 112 Rdnr. 115; Hopt, Festschrift für Steindorff 1990, 341, 364; Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG, 9. Aufl. 2001, § 2 Rdnr. 13; OLG Frankfurt WM 1993, 2089). Im Regelfall erfolgt das erste Veräußerungsgeschäft betreffend eine solche Wertpapieranleihe zwischen Emittentin und Konsortialbank. Mit der Frage der Anwendung des AGBG beim Verkauf der Anleihe durch die Konsortialbank an den Kunden befassen sich eine Reihe von Kommentatoren. Hier liegt jedoch der seltenere Fall vor, dass die Emittentin die Anleihe direkt an eine Kundin verkauft hat.

Im Regelfall der Einschaltung einer Konsortialbank geht die herrschende Meinung davon aus, dass die Anleihebedingungen von der Emittentin und der Konsortialbank - also einem Kaufmann - wirksam vereinbart werden und dann auch für die Rechtsnachfolger der Konsortialbanken, die diese Papiere durch Einigung und Übergabe von diesen erworben haben, verbindlich sind (OLG Frankfurt WM 1993, 2089). Im Hinblick darauf wird es als nicht erforderlich angesehen, dem § 2 AGBG bei Verkauf des Papiers von der Konsortialbank an den Anleger Genüge zu tun (Schimansky/Bunte/Lwowski-Grundmann, a.a.O., § 112 Rdnr. 115). Die Zwischenschaltung der Konsortialbank macht nach dieser Auffassung jedwede Einbeziehungskontrolle obsolet und hebelt den Schutz des § 2 AGBG für nicht kaufmännische Anleger aus (von Randow, ZBB 94, 23, 30). Dieser argumentatorischen Linie folgt im vorliegenden Fall das Landgericht, obwohl die typische Fallgestaltung hier gerade nicht vorliegt und dies eine andere Beurteilung rechtfertigt.

Allerdings wird auch für den vorliegenden Fall die Auffassung vertreten, dass § 2 AGBG nicht anwendbar sei. Für den Bereich der massenweise emittierten Wertpapiere des Kapitalmarktes sei eine "funktionale Reduktion des Anwendungsbereiches des § 2" erforderlich, da andernfalls die Funktionsfähigkeit des Wertpapierhandels nicht gewährleistet werden könne (Ulmer/Brandner/Hensen, a.a.O. § 2 Rdnr. 14 a). Der Kapitalmarkt setze die Fungibilität der Wertpapiere voraus; diese sei jedoch stark in Frage gestellt, wenn die Einbeziehung der Emissionsbedingungen vom Nachweis der Erfüllung der strengen Anforderungen des § 2 Abs. 1 AGBG abhängen würde. Hinzu komme, dass es andernfalls für die erstmalige Einbeziehung auf die besonderen Einzelfallumstände ankomme, die für den Rechtsnachfolger dann nicht mehr feststellbar seien. Diese Folgen seien zu starr und wenig praxisgerechten und sprächen gegen die unmittelbare Anwendbarkeit des § 2 AGBG (Hopt, a.a.O. 366 ff).

Dieser Auffassung kann der Senat nicht folgen. Aus Sicht des Verbraucherschutzes erscheint eine solche weitgehende Einschränkung des § 2 AGBG nicht gerechtfertigt (vg. von Randow, ZBB 1994, 23, 30). Dem Senat erscheinen im Falle einer Selbstemission die Bedenken gegen eine Anwendung des § 2 AGBG überzogen (vgl. Joussen WM 1995, 1861, 1864, 1866). Wie bei jedem anderen Geschäft einer Bank auf Grundlage ihrer AGB lassen sich auch bei der Selbstemission von Wertpapieren die Anforderungen des § 2 AGBG erfüllen. Die Fungibiltät der Wertpapiere wird dadurch nicht gefährdet. Ihr kann problemlos dadurch genügt werden, dass die Emittentin dem ersten Inhaber der Schuldverschreibung deren Bedingungen übergibt. Erst bei der Person des Zweiterwerbers treten diesbezüglich Fragen auf, die sich nicht mit der Einbeziehung in den Vertrag gemäß § 2 AGBG lösen lassen.

VIII.

Es kann schließlich auch nicht gesagt werden, dass die Klägerin auf Grund ihrer Kenntnis aus früherem Kauf von Aktienanleihen damit habe rechnen müssen, dass die Anleihe den Bedingungen nach zwangsläufig in Aktien zurückgezahlt werde, falls der Wert der Aktien unter dem Anleihewert liegen sollte. Unstreitig hat die Klägerin vor dem Kauf der streitgegenständlichen Anleihe zwei weitere Anleihen dieser Art gekauft. Beim ersten Kauf traten aus Sicht der Klägerin keine Probleme auf, weil die Anleihe in Geld zurückgezahlt wurde. Bei dem zweiten Kauf erfolgte - wie es in der Einlösungsabrechnung ausdrücklich heißt - "nach Wahl des Emittenten" die Einlösung der Anleihe durch Lieferung von Aktien.

IX.

Als rechtliche Schlussfolgerung ergibt sich daraus, dass zwischen den Parteien ein wirksamer Vertrag ohne Geltung der Inhaberschuldverschreibungsbedingungen zu Stande gekommen ist, § 6 AGBG. Als Rückzahlungsart kamen unstreitig die Zahlung des Nominalbetrags und die Rückzahlung in Aktien Betracht. Mangels anderer Anhaltspunkte ist davon auszugehen, dass der Beklagten insoweit ein Wahlrecht zustand, § 262 BGB.

X.

Es ist weiterhin davon auszugehen, dass die Beklagte ihr Wahlrecht mit dem Schreiben vom 2.6.2001, in dem sie eine Rückzahlung angekündigt hat, ausgeübt hat (Kopie Bl. 7). Nicht von Bedeutung ist, dass diese Erklärung nicht unterschrieben ist. Es ist mittlerweile anerkannt, dass auch automatisierte Erklärungen als echte Willenserklärungen anzusehen sind, die den Betreibern der EDV-Anlage zuzurechnen sind (Palandt-Heinrichs, BGB, 63. Aufl. 2004, Einf. 1 vor § 116 BGB, Taupitz/Kritter Jus 1999, 839f.). Dies entspricht dem Umstand, dass das Schreiben der Beklagten vom 2.6.2001 den ausdrücklichen Hinweis trägt, dass diese Mitteilungen von der Bank nicht unterschrieben werden.

XI.

Als nächstes stellt sich sodann die Frage, ob diese Willenserklärung wirksam angefochten worden ist. Die Beklagte hat der Klägerin und ihrem Sohn mit Schreiben vom 5.7.2001 Folgendes mitgeteilt: "Auf Grund eines Programmfehlers wurden für die endfällige Aktienanleihe irrtümlich falsche Voranzeigen erstellt und an sie versandt" (Kopie Bl. 10). In diesem Schreiben ist eine Anfechtungserklärung zu sehen, auch wenn das Wort "Anfechtung" nicht auftaucht. Eine solche Erklärung ist wie andere auch auszulegen. Wenn die Erklärung erkennen lässt, dass die Parteien das Geschäft wegen eines Willensmangels nicht gegen sich gelten lassen will, reicht dies aus (Palandt-Heinrichs, a.a.O. 63. Aufl. § 143 Rdnr. 3).

Die Irrtumsanfechtungserklärung dürfte auch unverzüglich im Sinne des § 121 BGB erfolgt sein. Zu berücksichtigen ist, dass dem Anfechtungsberechtigten stets eine angemessene Überlegungsfrist zuzugestehen ist; deshalb kommen Überlegungsfristen bis zu 2 Wochen in Betracht (Palandt-Heinrichs, a.a.O. 63. Aufl., § 120 Rdnr. 3). Geht man im vorliegenden Fall mit dem Beklagtenvorbringen davon aus, dass die Beklagte auf ihren Irrtum durch das Schreiben des Sohnes der Klägerin vom 28.6.2001, das am darauffolgenden Tag bei der Beklagten einging, hingewiesen wurde, erweist sich die Anfechtung durch Schreiben vom 5.7.2001 als durchaus rechtzeitig. Der Vortrag der Klägerin, es sei doch möglich, dass bereits bei der Abrechnung des Wertpapiers am 22.6.2001 der Irrtum bemerkt worden sei, ist Spekulation und kann deshalb nicht zu Grunde gelegt werden.

Es liegt jedoch kein nach § 119 BGB relevanter Irrtum vor. Die allgemeine Definition eines Irrtums lautet auf ein unbewusstes Auseinanderfallen von Wille und Erklärung. Hier stimmen jedoch beide Elemente überein; die Beklagte wollte eine Erklärung dieses Inhaltes versenden. Es ist zu unterscheiden zwischen Irrtümern bei der Abgabe der Erklärung (also z.B. Tippfehlern) und unbeachtlichen Irrtümern bei der Erklärungsvorbereitung. Software-Fehler betreffen lediglich die Erklärungsvorbereitung und berechtigen nicht zur Irrtumsanfechtung (Palandt-Heinrichs, a.a.O. 63. Aufl. § 119 Rdnr. 10, Taupitz-Kritter, a.a.O., 839, 843). Für eine Ausdehnung des Anfechtungsrechtes auf vorgelagerte Fehler besteht keine Veranlassung (LG Frankfurt, NJW-RR 1997, 1273). Nur wenn man die Anfechtbarkeit verneint, kann man dem bei der Klägerin entstandenen Vertrauenstatbestand Rechnung tragen und berücksichtigen, dass die Tatsache der "falschen" Übermittlung auf Umstände zurückgeht, die allein im Risiko und Geschäftsbereich der Beklagten entstanden sind (vgl. LG Frankfurt NJW-RR 1997, 1273).

Eine Anfechtung der Erklärung mit Schreiben vom 05.07.2001 scheidet also im Ergebnis aus. Die Beklagte hat ihr Wahlrecht in unanfechtbarer Weise in der Form ausgeübt, dass sie sich für eine Zurückzahlung der Anleihe nebst Zinsen entschieden hat.

XII.

Hinsichtlich der Höhe des Zinsanspruchs verweist der Senat auf die Ausführungen von Meier und Grünebaum MDR 2002, 746ff. unter II 3..

XIII.

Die Kostentscheidung ergibt sich aus dem Unterliegen der Beklagten.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708ff. ZPO.

Im Hinblick auf die unterschiedlichen Meinungen zur Notwendigkeit der Einbeziehung von Inhaberschuldverschreibungsbedingungen beim Verkauf von Anleihen durch die Emittentin an den Ersterwerber erscheint es angebracht, die Revision zuzulassen, § 543 II ZPO.

Ende der Entscheidung

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