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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 11.06.2007
Aktenzeichen: 23 U 224/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 812
BGB § 818
Zur Frage, wann ein Finanzmakler als Darlehensgeber angesehen werden kann.
Gründe:

I.

Auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils wird Bezug genommen, § 540 I Nr. 1 ZPO. Er enthält eine umfassende und zutreffende Darstellung.

Ergänzend sei erwähnt, dass das "System A" Ende 1999/Anfang 2000 zusammenbrach. A setzte sich Ende 1999 auf seine Farm nach Namibia ab. Er befindet sich bereits seit längerer Zeit in Namibia in Auslieferungshaft.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil sie nicht begründet sei. Ein Darlehensvertrag sei zwischen den Parteien nicht zustandegekommen. Es fehle insoweit an einer Willenserklärung der Parteien. Durch die Übersendung der Kassenkreditbestätigung vom 28.03.1989 sei kein Vertrag zustandegekommen, da die Beklagte diese Erklärung nicht angenommen und die Klägerin auf die Annahmeerklärung nicht verzichtet, sondern um Unterzeichnung und Rücksendung gebeten habe.

Ein Fall der Leistungskondiktion liege nicht vor. Im Fall der Störung in einem Leistungsdreieck bestimme die objektive Sicht des Zuwendungsempfängers unter Berücksichtigung der Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes und der Risikoverteilung, wer Leistender ist. A habe in dem Schreiben vom 08.03.1989 zum Ausdruck gebracht, dass er jedenfalls zunächst Darlehensgeber sein werde und ein endgültiger Kreditgeber noch benannt werden würde. Dies habe die Beklagte auch so aufgefasst. Nach Auffassung der Kammer treffe es aus objektiver Sicht nicht zu, dass A nur die Vermittlung eines Darlehens zugesagt hätte. Die Konditionen seien seitens A festgelegt worden und er habe sich verpflichtet, der Beklagten ein Annuitätendarlehen zu diesen Bedingungen zu überlassen. Die Beklagte habe mit der Unterzeichnung des Schuldscheins und Übersendung an A den Darlehensvertrag angenommen. Die Formulierung in dem Schuldschein, die Beklagte schulde "über" A das Darlehen führe bei Berücksichtigung der Begleitumstände zu keinem anderen Ergebnis. Ob die Mitarbeiterin der Beklagten Z1 das Angebot zum Abschluss eines Darlehensvertrages ohne die erforderliche Vollmacht angenommen habe, könne dahinstehen, da ein etwaiger Vollmachtsmangel durch Unterschrift unter den Schuldschein und dessen Übersendung an A geheilt worden sei. Die Kassenkreditbestätigung vom 28.03.1989 führe wegen der abweichenden Laufzeit zu keiner anderen Bewertung. Beide Parteien hätten sich in vergleichbarem Maße leichtfertig verhalten, so dass der Gesichtspunkt der Risikoverteilung und des Vertrauensschutzes keine andere Bewertung rechtfertige.

Die Klägerin hat gegen dieses ihr am 22.08.2005 zugestellte Urteil am 05.09.2005 Berufung eingelegt und sie innerhalb der verlängerten Frist wie folgt begründet:

Das Urteil beruhe auf einer fehlerhaften Würdigung der bereicherungsrechtlichen Leistungsbeziehungen. Allein darauf werde die Berufung gestützt.

Der Klägerin stehe der geltend gemachte Anspruch als Leistungskondiktion zu. Entgegen der Annahme des Landgerichts liege gar kein Leistungsdreieck unter Beteiligung des Herrn A und der beiden Parteien vor. Hinsichtlich des Darlehens habe es eine Leistungsbeziehung nur zwischen den Parteien gegeben. Eine hinsichtlich des Leistungszwecks fehlgeschlagene Zahlung habe es auch nur auf Seiten der Klägerin gegeben. Dies gelte auch, wenn man den Fremdtilgungswillen aus Sicht des Zahlungsempfängers dem objektiven Erklärungswert nach beurteile. Dies ergebe sich zweifelsfrei aus der Kreditbestätigung der Klägerin. Die ganzen Erklärungen in diesem Schreiben wie die Aufforderung zur Unterzeichnung würden bei einer ohnehin absolut unüblichen Refinanzierungsbestätigung keinen Sinn machen (Bl. 266 d.A.). Die Beklagte habe Anlass gehabt, die Finanzierungsbehauptung des Herrn A kritisch zu hinterfragen, statt den Aussagegehalt des Schreibens vom 28.3.1989 zu negieren, und insgesamt keinen hinreichenden Grund gehabt, die Zahlung der Klägerin als Refinanzierungsleistung für Herrn A anzusehen. Dafür spreche auch der zeitliche Ablauf. Die Beklagte habe das Schreiben der Klägerin vom 28.03.1989 bereits am 30.03.1989 erhalten, während das gegenteilige Schreiben des Herrn A vom 30.03.1989 bei ihr erst am 04.04.1989 eingegangen sei. Die abweichenden Bedingungen des Kredits würden nur für eine eigenständige Bedeutung der Offerte sprechen und nicht für die Einordnung als Refinanzierungsbestätigung. Auch die Formulierung des Schuldscheins ("bekennt hiermit, über die Finanzberatung A ... ein Annuitätendarlehen ... zu schulden"), die im Gegensatz zu anderen stehe, spreche nicht dafür, dass A selbst habe Kreditgeber sein sollen (Bl. 383, 418f d.A.). Eine Verlagerung des Insolvenzrisikos auf die Klägerin sei unangemessen und kein billiger Ausgleich im Rahmen der Vermögensverschiebungen, zumal es die Beklagte gewesen sei, die Herrn A blindes Vertrauen entgegengebracht habe, und nicht die Klägerin. Die Klägerin sei nicht dafür verantwortlich, dass Herr A das Vertrauen der Beklagten missbraucht habe. Wegen ihres grob fahrlässigen Verhaltens sei die Beklagte, die allein die Betrugshandlungen des Herrn B hätte erkennen können, nicht schutzwürdig. Die Rechtsprechung in allen Fällen zum Komplex A gehe insgesamt davon aus, dass im Falle einer Mitteilung an einen Darlehensempfänger, aus der sich ergab, dass der Kredit nicht von A gewährt werde, eine Bereicherungshaftung der die Zahlung empfangenden Körperschaft bestehe (Bl. 394f d.A.).

Wenn man die Voraussetzungen der Leistungskondiktion verneine, ergebe sich der Anspruch der Klägerin aus § 812 Abs. 1 S. 1 2. Altn. BGB (Nichtleistungskondiktion). Dies beruhe auf dem Fehlen einer wirksamen Anweisung des Herrn A. Das Schreiben des Herrn A vom 28.03.1989 stelle eine solche nicht dar (Bl. 277 d.A.). Auf die Fehlvorstellungen der Beklagten komme es nicht an.

Ein Wegfall der Bereicherung liege nicht vor. Die Voraussetzungen des § 818 Abs. 3 BGB seien nicht erfüllt, wenn der Empfänger rechtsgrundlos erlangten Geldes eigene Schulden tilge. Auf die Zins- und Tilgungszahlungen des Beklagten an Herrn A komme es in diesem Zusammenhang nicht an, da sie nicht aus dem Darlehensbetrag, sondern aus anderen Finanzmitteln der Beklagten aufgebracht worden seien. Im Übrigen könne die Beklagte die Sparkasse O1 und Herrn A in Anspruch nehmen. Dass die Forderung gegen A nicht beitreibbar sei, habe die Beklagte nicht substantiiert dargelegt.

Verwirkung liege nicht vor, da der Beklagte das Bestehen von Bereicherungsansprüchen der Klägerin nicht bekannt gewesen sei.

Hinsichtlich der Zinsen bestehe die verschärfte Haftung des § 819 BGB. Die Zinshöhe könne vom Senat geschätzt werden.

Die Klägerin regt an, den Rechtsstreit gemäß § 526 II ZPO nach Durchführung der Beweisaufnahme dem Senat zur Entscheidung zu unterbreiten.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des am 04.08.2005 verkündeten Urteils des Landgerichts Frankfurt am Main (2/31 0 482/04) die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 50.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz für die Zeit vom 1.1.1998 bis zum 31.12.2002 und in Höhe von 8 %-Punkten über dem Basiszinssatz für die Zeit seit dem 01.01.2003 zu zahlen,

sowie,

die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,

hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Die Beklagte verteidigt das Urteil als zutreffend. Der Klägerin stünden weder vertragliche, noch bereicherungsrechtliche Ansprüche zu. Zu einem Vertragsschluss der Parteien sei es nicht gekommen.

Ein Leistung der Klägerin liege nach dem maßgeblichen objektiven Empfängerhorizont der Beklagten nicht vor. Auf Grund des Ende März 1989 zwischen Herrn A und Frau Z1 geführten Telefongesprächs sei die Beklagte davon ausgegangen, dass die bevorstehende Überweisung von der Klägerin als Refinanziererin As erfolgen werde. Die Kreditbestätigung der Klägerin sei ohne Bedeutung, da sie erst zwei Tage nach der streitgegenständlichen Überweisung bei der Beklagten eingegangen sei und schon deshalb für die Beurteilung der Frage, wer als Leistender angesehen worden sei, unmaßgeblich sei. Da A später der Beklagten mitgeteilt habe, er werde endgültiger Darlehensgeber bleiben, und so auch das ganze Vertragsverhältnis abgewickelt worden sei, sei die Beklagte in diesem Glauben bestärkt worden. Auch die unterschiedlichen Zinsbeträge hätten aus Sicht der Beklagten gerade dafür gesprochen, dass das Schreiben der Klägerin vom 28.03.1989 die Refinanzierung As betreffe. Die Formulierung des Schuldscheins sei nicht ausschlaggebend, da der Beklagten damals nicht bekannt gewesen sei, dass A auch andere Formulierungen benützt habe (Bl. 470). Vertrauen könne die Klägerin nicht in Anspruch nehmen, da ihrem Verlangen, ein unterschriebenes Exemplar der Kreditvereinbarung zurückgesandt zu bekommen, im Gegensatz zu früheren Fällen nicht entsprochen worden sei, und die Klägerin trotzdem nie Kontakt mit der Beklagten aufgenommen habe. Die Beklagte sei auch deshalb davon ausgegangen, dass es sich um ein Darlehen As handele, weil dieser - gleichfalls im Gegensatz zu früheren Vermittlungsfällen - keine Vermittlungsprovision berechnet habe. Es entspreche auch der angemessenen Risikoverteilung, die Gefahr der Wertlosigkeit des Rückzahlungsanspruches der Klägerin aufzubürden. Die Klägerin habe durch ihr leichtfertiges Verhalten den Geldfluss in Gang gesetzt und das betrügerische Verhalten As erst ermöglicht. Im Jahre 1990 habe die Klägerin durch die Reklamation der Beklagten die Gelegenheit gehabt, die Dinge aufzuklären und eine Irrtumsanfechtung vorzunehmen. Hätte sie sich nicht allein auf As Informationen verlassen, hätte sie die Zahlungen der Beklagten an A verhindern können und damit das Eintreten des Problems der Uneinbringlichkeit der Rückforderung. Statt dessen sei sie untätig geblieben.

Ein Anspruch aus Eingriffskondiktion könne die Klägerin wegen deren Subsidiarität gegenüber der Leistungskondiktion nicht zustehen. Das Problem der "Scheinanweisung" liege hier gar nicht vor (Bl. 330 d.A.). Vielmehr gehe es um eine irrtümliche Eigenleistung.

Die Beklagte sei auch entreichert. Die von der Klägerin in diesem Zusammenhang vorgenommene Differenzierung sei unzutreffend. Bei einer solchen Wertschuld seien alle Vermögensnachteile abziehbar, die der Empfänger im Vertrauen auf die Unwiderruflichkeit des Vermögenszuwachses erlitten habe, soweit der notwendige adäquate Kausalzusammenhang bestehe (Bl. 332 d.A.).

Die Ansprüche gegen A seien wertlos. Sein gesamtes inländisches Vermögen sei vom Finanzamt gepfändet worden. Das entsprechende Bestreiten der Klägerin sei verspätet (Bl. 334 d.A.). Die Beklagte sei allenfalls verpflichtet - und auch bereit - die hinsichtlich der Durchsetzbarkeit zumindest zweifelhafte Forderung gegen A an die Klägerin abzutreten.

Bereicherungsansprüche der Beklagten gegen die Sparkasse in O1 würden nicht bestehen, weil auch diese Zahlungen eine Leistung an den Zedenten - also A - darstellen würden (Bl. 335 d.A.).

Auch die Voraussetzungen des § 819 BGB würden nicht vorliegen, da es an der positiven Kenntnis der Beklagten von der ungerechtfertigen Bereicherung gefehlt habe.

Die Forderung sei auch verwirkt. Die Beklagte habe erst im Jahre 2000 - also nach 10 Jahren - die Rückzahlung des Darlehens verlangt. Die Klägerin habe damit eine unangemessen lange Frist verstreichen lassen. Die Beklagte sei auch schützwürdig, weil sie im Vertrauen auf das Verhalten der Klägerin Vermögensdispositionen (Zahlungen an A) getroffen habe. Nach Zurückweisung der Ansprüche im Jahre 1990 habe die Klägerin nicht so lange mit der Geltendmachung warten dürfen.

Zinsen könne die Klägerin gegebenenfalls nur in Höhe von 4 % verlangen (Bl. 337 d.A.).

Wegen des weitergehenden Parteivortrags wird auf die vorbereitenden Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Die prozessuale Vorgeschichte des Falles ist folgende: Der O2 Sparkasse wurde durch Fax des Herrn A vom 19.02.1990 angekündigt, dass der der Stadt O3 gewährte Kredit zuzüglich Zinsen in Höhe von 10.293.297,59 DM noch am selben Tag über die ... Bank AG in O4 zurückgezahlt werde. Diese Gemeinde leistete diese Zahlung mit dem Vermerk "Ablösekredit O3" in der von A hervorgerufenen Annahme, der Stadt O3 ein Darlehen (Termingeldeinlage) zu gewähren. Im Jahre 2002 nahm die Gemeinde O4 (unterstützt von der Stadt O3 als Streithelferin) die O2 Sparkasse auf Zahlung eines Teilbetrags in Anspruch. Das Landgericht hat der Klage durch Urteil, das am 09.10.2003 verkündet wurde, mit Ausnahme eines Teils der Zinsansprüche stattgegeben (2/20 0 463/02), da die Leistungen der Gemeinde O4 an die O2 Sparkasse ohne rechtlichen Grund erfolgt seien. Die dagegen eingelegte Berufung wurde durch am 16.02.2005 verkündetes Urteil weitgehend zurückgewiesen (23 U 259/03). Sie führte nur zu einer Änderung der beanstandeten Kostenentscheidung des Landgerichts. Das Urteil ist damit begründet, dass die Gemeinde O4 den Betrag im Wege der Nichtleistungskondiktion zurückfordern könne.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen Z1 und Z2. Auf das Protokoll vom 9.10.2006 wird Bezug genommen (Bl. 489ff).

II.

Die Berufung ist zulässig und - mit Ausnahme eines Teils des Zinsanspruches - begründet.

Die Voraussetzungen des § 526 II ZPO für eine Rückübertragung auf den Senat sind nicht erfüllt.

Es besteht ein Anspruch der Klägerin aus Leistungskondiktion.

In einem Fall wie dem vorliegenden ist es wegen widerstreitender Erklärungen nicht zum Abschluss eines Darlehensvertrages gekommen. Dies räumt die Klägerin im vorliegenden Verfahren in zweiter Instanz ein und stützt ihren Anspruch nur auf Bereicherungsrecht.

In bereicherungsrechtlicher Hinsicht sind bei dem System A zwei ganz unterschiedlich einzuordnende Fälle zu unterscheiden, die es gemeinsam haben, das A gegenüber beiden Seiten falschen Angaben machte. Die erste Fallgruppe ist der sogenannte "Anweisungsfall". Bei diesem Typus erfolgte eine Zahlung der klagenden Partei an einen vermeintlichen Gläubiger der beklagten Partei in der Annahme, der beklagten Partei ein Darlehen zu gewähren. In diese Fallgruppe gehört die Entscheidung BGH NJW 2003, 582 ff. und die Urteile des Senats zu den Az.: 23 U 167/03 und 259/03. In diesen Fällen besteht kein Leistungsverhältnis zwischen dem Angewiesenen und dem Empfänger. Es ist jedoch ein Anspruch aus Nichtleistungskondiktion gegeben, da nur eine Tilgungsbestimmung der Schuldnerin die Grundlage für eine Auslegung aus dem Blickwinkel eines vernünftigen Zahlungsempfängers verschafft hätte. Der Schutz des Zahlungsempfängers ergibt sich ebenfalls aus der Anwendung des § 818 Abs. 3 BGB. Alle diese Klage waren erfolgreich.

Den zweiten Typus könnte man "Leistungsfall" nennen. In diesen Fällen ist eine Zahlung der klagenden Partei an die Beklagte als vermeintliche Darlehensnehmerin erfolgt. Zu dieser Kategorie gehören die Fälle OLG Braunschweig NJW-RR 2005, 1414 f., OLG Düsseldorf 19 U 20/03 (Kopie Bl. 125 ff.) und OLG Karlsruhe 12 U 137/04 (Kopie Bl. 298 ff.). Auch in der rechtlichen Beurteilung dieser Fälle besteht kein prinzipieller Streit. Entsprechend der ständigen Rechtsprechung des BGH (insbesondere NJW 1999, 1393 ff.) ist bei unterschiedlichen Vorstellungen der Beteiligten eine objektive Betrachtungsweise aus der Sicht des Zuwendungsempfängers geboten unter Berücksichtigung von Gesichtspunkten des Vertrauensschutzes und der Risikoverteilung, wobei sich jede schematische Lösung verbietet und den Besonderheiten des einzelnen Falls Rechnung zu tragen ist.

Diesen Grundsätzen ist das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung gefolgt. Es hat aus seiner Sicht ausführlich und nachvollziehbar dargelegt, warum bei objektivierter Betrachtung die Gewährung des Darlehens aus Sicht der Beklagten eine Leistung des Finanzmaklers A dargestellt habe, der sich dem Eindruck der Beklagten nach der Klägerin nur als Refinanzierungsinstitut bediente, und im Rahmen der Risikoabwägung darauf abgestellt, dass beide Parteien sich in vergleichbarem Maße leichtfertig verhalten hätten.

Bei genauer Prüfung der Besonderheiten des vorliegenden Falls kommt der Senat jedoch zu der Schlussfolgerung, dass die Argumente, die für eine Haftung der Beklagten sprechen, überwiegen. Im Einzelnen sind dies folgende:

1.

Es mag sein, dass die Beklagte die Leistung als eine des Maklers A betrachtete. Es kommt jedoch auf eine objektivierte Betrachtungsweise an. Nur in diesem Rahmen besteht Veranlassung, auf Aspekte des Vertrauensschutzes abzustellen. So gesehen hatte die Beklagte Veranlassung, erheblich daran zu zweifeln, dass ihr das Darlehen von A gewährt wurde. Das Schreiben der Klägerin vom 28.3.1989 und die Formulierung der Schuldurkunde sprachen dagegen. Die Darstellung der Beklagten, sie habe dieses Schreiben als Refinanzierungsbestätigung aufgefasst, ist schwer nachzuvollziehen, zumal die Zeugin Z1 bestätigt hat, dass sie sich dieses Schreiben gründlich angesehen hat und ihr auch aufgefallen ist, dass dort von einem "Kassenkredit" die Rede ist (auch dem Zeugen Z2 fiel dies auf) und das Schreiben insgesamt das nicht enthielt, was die Beklagte wollte und mit A vereinbart hatte. Inhaltlich sprach nichts dafür, dass es sich um eine Refinanzierungsbestätigung handeln könne, da Kreditart, Laufzeit und Zinssatz gravierend voneinander abwichen. Die Beklagte hatte auch Veranlassung, die Angelegenheit wegen ihrer Exzeptionalität genau zu prüfen. Nach Angaben des Zeugen Z2, des damaligen Leiters der Finanzabteilung, hat es in dem langen Zeitraum, den er überblickt, nur einen weiteren Fall gegeben, in dem der Kreditvermittler letztlich den Kredit selbst gewährt hat. Ein Kreditvermittler wird im Regelfall gar nicht über die gemäß § 32 KWG erforderliche Erlaubnis verfügen. Die Beklagte hätte sich auch fragen können, wieso die Klägerin dem Makler A, dem nicht der Status einer öffentlichrechtlichen Körperschaft mit entsprechender Bevorzugung bei den Zinskonditionen zukam, ein sogünstiges Darlehen hätte gewähren sollen, und warum A das Original der Bestätigung der Klägerin bei ihr anforderte. Es kommt hinzu, dass ein Handelsbrauch, wonach der Refinanzierer dem Darlehensnehmer, mit dem er vertraglich nicht verbunden ist, die Gewährung des Refinanzierungsdarlehens an den Darlehensgeber bestätigt, nicht existiert.

Unter diesen Umständen war es zu wenig, dass die Beklagte das Schreiben vom 28.3.1989 dann an Herrn A "aufklärungshalber" geschickt wurde (Aussage Z2). Tatsächlich hat sie die "Aufklärung" A überlassen, statt im Eigeninteresse Feststellungen über die Person des Darlehensgebers und Rückzahlungsberechtigten zu treffen. Die Beklagte war in Anbetracht des Umstands, dass es um öffentliche Gelder grossen Umfangs geht, gehalten, penibel zu prüfen, an wen die Darlehenssumme zurück zu zahlen ist (vgl. Brandenburgisches OLG, Urteil vom 15.1.2002, 6 U 74/01, Anlage BK 13).

Die Beklagte kann sich zwar darauf berufen, dass sie das Schreiben vom 28.3.1989 nicht unterzeichnet und A ihr gegenüber dieses Schreiben als Refinanzierungsbestätigung bezeichnet hat. Sie hat allerdings nicht den Nachweis geführt, dass sie diese Mitteilung vor dem Schreiben der Klägerin erhielt. Der zeitliche Ablauf hat ein gewisses Gewicht. Bei der Prüfung einer vertraglichen Willensbildung ist in erster Linie auf die Umstände abzustellen, die dem Vertragsschluss vorausgehen. Wenn man im vorliegenden Fall nur den Schriftverkehr zu Grunde legt, ist es tatsächlich so, dass die Beklagte zuerst (am 30.03.1989) die Kassenkreditbestätigung der Klägerin erhielt und erst später (am 04.04.1989) die Aufforderung des Herrn A, die "kurzfristige Refinanzierungsbestätigung der O2 Sparkasse" (Kopie Bl. 67 d.A.) an ihn weiterzuleiten. Wenn die Beklagte die Bestätigung der Klägerin bereits in Erwartung des Erhalts einer Refinanzierungsbestätigung erhalten hätte, würde es eher verständlich erscheinen, dass sie deswegen bei der Klägerin nicht nachgefragt hat. Die vom Senat durchgeführte Beweisaufnahme hat jedoch keine klaren Erkenntnisse über den Zeitpunkt des Telephongesprächs zwischen der Zeugin Z1 und A, in dem dieser das Schreiben der Klägerin als Refinanzierungsbestätigung bezeichnete, erbracht. Eine Notiz über das Telephongespräch, der das Datum entnommen werden konnte, wurde auch nicht gefertigt.

2.

Der Senat kommt nicht umhin, festzustellen, dass die Beklagte im Bereich der Schuldenverwaltung nicht ausreichend qualifiziertes Personal eingesetzt hat. Eine offenbar erheblich verschuldete Großstadt bedarf in diesem für die Handlungsfähigkeit der Kommune sehr wichtigen Bereich des Einsatzes von Fachleuten. Wenn statt dessen Personal eingesetzt wird, dem der Unterschied von "Darlehen" und "Schuldschein" unbekannt ist, geht man das Risiko unsachgemäßer Bearbeitung und damit verbundener Schäden ein. Dieses Risiko hat sich im vorliegenden Fall ausgewirkt. Fachpersonal hätte sich z.B. voraussichtlich Gedanken darüber gemacht, was denn die Formulierung bedeuten soll, das Darlehen werde "über die" Finanzberatung A gewährt.

Diese Formulierung ist aber offenbar nicht einmal dem Rechtsamt der Beklagten anläßlich der Prüfung des Schuldscheins aufgefallen.

3.

Im Bestreben einer gerechten Risikoverteilung ist der Umstand zu berücksichtigen, dass die Beklagte die - allerdings durchaus mit prozessualen Risiken belastete - Möglichkeit hat, die Sparkasse O1 im Umfang der an sie geleisteten Zahlungen nach Bereicherungsrecht in Anspruch zu nehmen.

4.

Schließlich ist zu berücksichtigen, dass für die Klägerin, die zweifelsfrei auch mehr zur Aufklärung hätte beitragen können, die Angelegenheit auf Grund der im Jahre 1990 erfolgten Zahlung erledigt schien, während die Beklagte in dieser Angelegenheit noch lange Jahre mit A zusammenarbeitete.

Die Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, sie sei entreichert im Sinne des § 818 Abs. 3 BGB. Dem Empfänger eines Darlehens ist es versagt, sich nach allgemeinen Grundsätzen auf den Wegfall der Bereicherung wegen Untergangs der Darlehensvaluta zu berufen. Er weiß, dass er das ihm zur zeitweiligen Nutzung überlassene Kapital nicht auf Dauer behalten darf, und steht demgemäß dem Empfänger einer Leistung gleich, der den Mangel des Rechtsgrunds kennt und verschärft haftet (BGH WM 1999, 724ff.). Der Einwand eines Bereicherungsschuldners, er habe die rechtsgrundlos erlangten Darlehensvaluta einem Dritten "zurückgezahlt", ist demnach ungerechtfertigt (BGH, Beschluss vom 8.6.2004, XI ZR 385/03, Umdruck S. 3f., Bl. 42ff.).

Die Forderung der Klägerin ist auch nicht verwirkt. Ein Recht ist verwirkt, wenn der Berechtigte es längere Zeit nicht geltend gemacht und der Verpflichtete sich darauf eingerichtet hat, und sich nach dem gesamten Verhalten des Berechtigten auch darauf einrichten durfte, dass dieser das Recht auch in Zukunft nicht geltend machen werde (Palandt/Heinrichs, BGB, 65. Aufl. 2006, § 242 Rn. 87). Davon kann im vorliegenden Fall keine Rede sein. Die ganze Problematik wurde den Parteien erst Ende 1999/Anfang 2000 mit dem Zusammenbruch des "Systems A" bewusst. In der Folgezeit wurde die Klägerin des hiesigen Verfahrens von der Gemeinde O4 in Anspruch genommen. Die Beklagte hat sich an diesem Rechtsstreit als Streithelferin der Kommune O4 beteiligt. Sie musste dementsprechend damit rechnen, dass die Sparkasse sie im Falle des Verlustes dieses Prozesses in Anspruch nehmen werde. Genau dies trat ein.

III.

Die Beklagte ist als Bereicherungsschuldnerin vor Eintritt der Rechtshängigkeit keinem Verzugsanspruch ausgesetzt (vgl. BGHZ 158, 1ff.). Nutzungen wurden aus dem Kapital tatsächlich nicht gezogen. Die Beklagte hat jedoch das erhaltene Geld zur Tilgung eigener Darlehensverbindlichkeiten verwandt und sich damit die Zahlung von Sollzinsen erspart. Dann ist es aber gerechtfertigt, ihre Verpflichtung anzunehmen, die auf Grund des Gebrauchs dieses Geldes ersparten Schuldzinsen als Gebrauchsvorteil herauszugeben (BGHZ 138, 160ff.). Der Darlehensvertrag, den die Beklagte abschließen wollte, belegt, dass für die Zeit bis zum 30.3.1999 bereit war, Zinsen in Höhe von 6,8 % zu bezahlen. Für die nachfolgende Zeit schätzt der Senat, dass die Beklagte Zinsaufwendungen in Höhe von 6 % erspart hat. Die von der Beklagten mit der Klageerwiderung vorgelegte Aufstellung (Bl. 50 d.A.) kann nicht zu Grunde gelegt werden, da sie sich auf kurzfristige Darlehen bezieht und der vorliegende Fall belegt, dass bei der Beklagten die Notwendigkeit der Aufnahme langfristiger Kredite bestand.

Für die Zeit ab Rechtshängigkeit ergibt sich im vorliegenden Fall kein abweichender Zinssatz, da die gesetzlichen Zinsen niedriger waren. Die Forderung der Klägerin war bereits seit langer Zeit (und damit auch vor dem 1.5.2000) fällig. In solchen Fällen beträgt dann aber der gesetzliche Zinssatz unabhängig von der gesetzlichen Neuregelung gemäß Art. 229 § 1 Abs. 1 S. 3 EGBGB weiterhin 4 % (BGHZ 158, 1ff.).

IV.

Da die Beklagte im Wesentlichen unterlegen ist, hat sie gemäß § 92 Abs. 2 ZPO die gesamten Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr.10, 711 und 709 S. 2 ZPO.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision gemäß § 542 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Die Rechtslage ist durch das Urteil BGH NJW 1999, 1393ff. geklärt. Die Anwendung der Grundsätze dieses Urteils ist eine Sache des Einzelfalls und somit ohne allgemeine Bedeutung.

Ende der Entscheidung

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