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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 17.06.2009
Aktenzeichen: 23 U 34/08
Rechtsgebiete: BGB, WpHG


Vorschriften:

BGB § 823 Abs. 2
WpHG § 34 a
1. Die Kunden eines Wertpapierdienstleistungsunternehmens, das zur Führung von Konten nicht berechtigt ist, können das zur Kontoführung eingeschaltete Kreditinstitut nicht allein aufgrund der Tatsache, dass die dort eingezahlten Gelder entgegen § 34 a WpHG statt auf Einzelkonten auf einem sog. Omnibuskonto des Wertpapierdienstleistungsunternehmens verwahrt wurden, auf Schadensersatz in Anspruch nehmen.

2. § 34 a WpHG, der kein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, darstellt, regelt ausschließlich die Pflichten eines Wertpapierdienstleistungsunternehmens, das zur Kontoführung nicht berechtigt ist.


Entscheidungsgründe:

I.

Auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (abgedruckt in EWiR 2008, 639) wird Bezug genommen.

Die wirtschaftliche Entwicklung der Firma A ... GmbH (im Folgenden: A) und ihre Auseinandersetzungen mit der Aufsichtsbehörde nahmen folgenden Verlauf:

Die Firma A wurde im Jahre 1976 als Wertpapierhandelsunternehmen gegründet und begann mit ihrer Tätigkeit. Im August 1989 eröffnete sie bei der Beklagten ein Konto mit der Nummer ... (Bl. 325f.). Im Jahre 1992 begann sie, das von ihr entwickelte Produkt "B ... " (B) zu vertreiben. Zum 1.1.1998 erhielt sie den Status einer Wertpapierhandelsbank und wurde der Aufsicht des Bundesaufsichtsamts für den Wertpapierhandel unterstellt. Im Juni 1999 wurde das Omnibuskonto mit der Nummer ... mit dem Sperrvermerk "Treuhandkonto für Anleger" gekennzeichnet (Bl. 156). Mit Schreiben vom 20.1.2000 (Bl. 191ff.) wies das Bundesaufsichtsamts für den Wertpapierhandel die Firma A auf die sich aus § 34 a I WpHG ergebenden Pflichten hin und forderte, für jeden Kunden ein separates Konto einzurichten. Die Firma A übersandte am 24.1.2000 das Schreiben des Bundesaufsichtsamts an ihren rechtlichen Berater und an die Beklagte "mit der Bitte um Mitteilung, wie das Problem der Einzelkonten gelöst werden" könne (Bl. 189). Der rechtliche Berater widersprach der Auffassung des Bundesaufsichtsamts mit Schreiben vom 17.2.2000, von dem die Beklagte eine Durchschrift erhielt (Bl. 195f.). Am 21.3.2000 erließ das Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel einen Bescheid, wonach die Firma A die Verwendung von Kundengeldern im eigenen Namen für fremde Rechnung einzustellen und dies auch zukünftig zu unterlassen habe, soweit nicht die Kundengelder unverzüglich getrennt von den Geldern des Unternehmens und von anderen Kundengeldern auf Treuhandkonten bei entsprechenden Einlagesicherungskreditinstituten verwahrt würden. Der Widerspruch der Firma A gegen diesen Bescheid wurde mit Bescheid vom 23.8.2000 zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete Klage der Firma A wurde mit Urteil des Verwaltungsgerichts in Frankfurt am Main vom 12.11.2001 unter Zulassung der Sprungrevision zurückgewiesen. Das Bundesverwaltungsgericht wies die Revision der Firma A mit in mehreren Fachzeitschriften publiziertem Urteil vom 24.4.2002 (BVerwGE 116, 198ff. = ZIP 2002, 1569ff.) zurück und wies zur Begründung darauf hin, dass beim B die gesetzlich gebotene strikte Trennung der Kundengelder nicht erfolge. Zwischenzeitlich (mit Schreiben vom 24.4.2001, Bl. 202) hatte das Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel bei der Beklagten angefragt, wie bei ihr die verschiedenen Treuhandkonten für Anleger der Firma A geführt wurden. Die Beklagte teilte daraufhin mit Schreiben vom 4.5.2001 mit, es handle sich um Einzelkonten, auf denen die Gelder in ihrer Gesamtheit verwahrt würden (Bl. 203).

Am 7.8.2002 ordnete die BaFin, die mittlerweile die Aufgaben des Bundesaufsichtsamts für den Wertpapierhandel übernommen hatte, eine Sonderprüfung der Firma A an. Die beauftragte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft legte ihr Gutachten am 31.3.2003 vor. Am 7.4.2004 verstarb der Geschäftsführer der Firma A ....

Am 7.3.2005 wurde der neue Geschäftsführer über Fälschungen informiert. Dies führte zur Untersagung des Geschäftsbetriebs am 11.3.2005 und zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 1.7.2005. Auf dem Konto bei der Beklagten, auf das die Klägerin einzahlte, befinden sich 26.185.138 €. Eine Schadensersatzklage gegen die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft blieb erfolglos (BGH, Urteil vom 7.5.2009, III ZR 277/08, bei Juris). Auszahlungen aus der Insolvenzmasse sind noch nicht erfolgt. Der Insolvenzverwalter vertritt die umstrittene und rechtlich noch nicht geklärte Auffassung, den Anlegern stünden Aussonderungsansprüche nicht zu. Zahlungen seitens des EdW, die die Klägerin ebenfalls beantragt hat, sind nur im Verhältnis zu einzelnen Anlegern erfolgt, da die Mittel dieser Einrichtung bislang nicht ausreichen, um alle A-Kunden zu entschädigen (vgl. Frisch/Münscher, Haftung bei Immobilienanlagen, 2008, Rdnr. 350ff.).

Das Landgericht hat die Klage als unbegründet abgewiesen und hierzu ausgeführt:

Ein Anspruch aus § 280 BGB stehe der Klägerin nicht zu, da zwischen den Parteien kein Vertragsverhältnis bestanden habe und die Beklagte somit keine Aufklärungspflicht gehabt habe. Auch eine Haftung aus einem Vertrag zu Gunsten Dritter komme nicht in Frage.

Auch ein Schadensersatzanspruch gemäß §§ 823 Abs. 2 und 830 BGB in Verbindung mit § 34 a WpHG stehe der Klägerin nicht zu. Die strittige Frage, ob § 34 a WpHG ein Schutzgesetz im Sinne dieser Vorschriften darstelle, könne dahinstehen, denn es bestehe kein Anhalt dafür, dass die Beklagte der Firma A, die Adressatin der Norm des § 34 a WpHG sei, tatsächlich Beihilfe zu einem Verstoß gegen diese Vorschrift geleistet habe. Die gesamten Umstände des konkreten Einzelfalls würden keine ausreichenden Anhaltspunkte für die Beteiligung an einer unerlaubten Handlung bieten. Die Eröffnung und Weiterführung eines Kontos sei eine berufstypische, "neutrale" Dienstleistung, die nicht auf Grund der Gesamtumstände als rechtswidrig bewertet werden könne. Rechtswidrig sei nicht die Sammlung des Geldes auf einem Gemeinschaftskonto gewesen, sondern die Belassung des Geldes in Händen der Kontoinhaberin. Im Hinblick darauf sei es ohne Belang, wann das Konto eingerichtet worden sei und ob die Beklagte Kundenreferenznummern verteilt habe.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer form= und fristgerechten Berufung, die sie wie folgt begründet:

Das Urteil des Landgerichts sei nicht frei von Rechtsfehlern, fehlerhaften Sachverhaltsfeststellungen und Widersprüchen und könne deshalb keinen Bestand haben. Zu Unrecht würden sowohl vertragliche, wie auch deliktische Ansprüche vom Landgericht verneint.

Das Landgericht habe sich nicht einmal ansatzweise mit der Auffassung der Klägerin auseinandergesetzt, sie könne sich als Dritte auf die Schutzwirkung des Vertrages der Parteien betreffend das streitgegenständliche Konto ... berufen. Ähnlich wie in den Schrottimmobilienfällen bestehe auch ohne direkte Vertragsbeziehung eine Aufklärungspflicht der Bank, hier über den Umstand, dass das Geld gesetzwidrig verwahrt werde.

Eine deliktische Haftung bestehe, weil entgegen der Auffassung des Landgerichts die gesamten Umstände des Einzelfalls ausreichende Anhaltspunkte für die Beteiligung an einer unerlaubten Handlung ergeben würden. Von einer "neutralen" Handlung könne nicht ausgegangen werden, wenn eine Hausbank bewusst ein Konto zur Verfügung stelle, das unter Verstoß gegen § 34 a WpHG genutzt werde. Die entsprechende Kenntnis habe die Beklagte spätestens vom 24.01.2000 an gehabt. Es sei auch nicht von Bedeutung, dass § 34 a WpHG für die Beklagte nicht gelte. Die Firma A habe als Wertpapierhandelsbank gar nicht die Möglichkeit gehabt, die Anlegergelder selbst zu halten, sondern zur Durchführung ihrer Pläne eine Bank mit Vollbanklizenz gebraucht. Diese Rolle habe die Beklagte übernommen. Dem stehe auch nicht entgegen, dass das fragliche Konto dem Vortrag der Beklagten nach als Treuhandkonto deklariert worden sei, da es zumindest als solches nicht geführt worden sei, sondern vielmehr von ihm Vergütungen entnommen und auch Überweisungen auf Nostrokonten vorgenommen worden seien.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Frankfurt am Main vom 15.11.2007, Az.: 2-18 O 172/07, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 83.200,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 4 % seit dem 18. Februar 2005 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, das Urteil des Landgerichts sei frei von Rechtsfehlern, wobei allerdings auch eine Reihe von anderen Gründen die Abweisung der Klage rechtfertigen würden.

Ein Vertrag mit Schutzwirkungen zu Gunsten der Klägerin liege nicht vor. Eine Bank könne im Überweisungsverkehr nicht zu Warnhinweisen verpflichtet werden.

Zutreffend habe das Landgericht auch eine deliktische Haftung verneint. Weder die Voraussetzungen des § 830 BGB, noch die des § 831 BGB würden vorliegen. Das voluntative Element des Beihilfevorsatzes fehle. Die mit der Führung des Kontos der Firma A befassten Mitarbeiter der Beklagten, die Herren C und D, hätten weder gewusst, dass die Firma A die Anlegergelder zu separieren hatte, noch hätten sie den Willen gehabt, diese Firma bei ihrem vermeintlichen Verstoß gegen § 34 a WpHG zu unterstützen. Diese Vorschrift sei auch nicht als Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB anzusehen. Diese einem Wertpapierdienstleistungsunternehmen besondere Vertragspflichten auferlegende Vorschrift könne nicht zu einer Jedermannspflicht umqualifiziert werden mit der Folge, dass auch alle Mitarbeiter der Beklagten, die mit der Abwicklung des Zahlungsverkehrs über das streitgegenständliche Konto befasst gewesen seien, persönlich in Anspruch genommen werden könnten. Zweck des § 34 a WpHG sei es, die Kundengelder vor der Insolvenz des Wertpapierdienstleistungsunternehmens und vor dem Zugriff von dessen Gläubigern zu schützen, nicht aber vor der zweckwidrigen Verwendung. Dies werde auch dadurch deutlich, dass die Neufassung des § 34 a WpHG Omnibuskonten zulasse, falls der Kunde über den Schutzzweck der Trennung informiert worden sei und eine entsprechende Weisung im Wege individueller Vertragsabrede erteilt habe. Wenn der Gesetzgeber aber mittlerweile die Einrichtung von Omnibuskonten der Disposition der Vertragspartner überlasse, könne eine deliktische Schutzgesetzeigenschaft nicht vorliegen.

Im Übrigen sei damit zu rechnen, dass die Klägerin demnächst in Höhe von 20.000,00 Euro durch den EdW entschädigt werde.

Wegen des weitergehenden Parteivorbringens wird auf die vorbereitenden Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist zulässig. Sie richtet sich auch gegen ein wirksames Urteil. Zwar wurde das im Termin verkündete Urteil nicht gemäß § 315 Abs. 2 S. 1 ZPO binnen drei Wochen in vollständiger abgefasster Form der Geschäftsstelle übermittelt. Es handelt sich dabei aber um eine bloße Ordnungsvorschrift, die die Wirksamkeit des Urteils nicht in Frage stellt (vgl. Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 67. Aufl. 2009, § 315 Rdnr. 11).

III.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das Landgericht hat zu Recht das Bestehen von Ansprüchen der Klägerin gegen die Beklagte verneint.

1. Die Klägerin kann sich nicht darauf berufen, dass im Hinblick auf die Überweisung im Verhältnis zur Empfängerbank ein Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter zustande gekommen sei (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 68. Aufl. 2009, § 328 Rdnr. 23). Mit dieser Frage hat sich kürzlich der IX. Zivilsenat des BGH beschäftigt (BGHZ 176, 281 ff = BKR 2008, 381 ff) und ist unter Darstellung der Gegenauffassung mit überzeugenderer Begründung zu dem Ergebnis gekommen, es bedürfe der Annahme eines Vertrages mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter nicht, da der Bankkunde auch ohne Einbeziehung in die Schutzwirkung des Girovertrages durch andere Ersatzansprüche ausreichend geschützt sei. Dieser Auffassung schließt sich der Senat an.

2. Die Rechtsprechung hat - obwohl der Überweisende nicht in vertraglicher Beziehung zur Empfängerbank steht (Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechtshandbuch Band I, 3. Aufl. 2007, § 49 Rdnr. 131) - ähnlich wie die Rechtsprechung im Bereich der sogenannten Schrottimmobilien die Voraussetzungen definiert, unter denen die Empfängerbank zu einer Warnung des Überweisenden verpflichtet ist. Die Rechtsprechung geht dabei davon aus, dass grundsätzlich den am Überweisungsverkehr beteiligten Banken keine Warn= und Schutzpflichten gegenüber dem Überweisenden obliegen, da sie sich in der Regel streng innerhalb der Grenzen des ihnen erteilten formalen Auftrags zu halten haben. Eine Ausnahme ist jedoch dann zu machen, wenn das Kreditinstitut auf Grund massiver Anhaltspunkte den Verdacht hegt, dass ein Kunde bei der Teilnahme am bargeldlosen Zahlungsverkehr durch eine Straftat einen anderen schädigen will. Bei einer solchen objektiven Evidenz des Verdachts der Veruntreuung kann die Schutzpflicht im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung stärker bewertet werden als die Pflicht, das Bankgeheimnis gegenüber dem eigenen Kunden zu wahren (BGH NJW 1987, 317 ff., BGHZ 176, 281 ff. = BKR 2008, 381 ff.). Im vorliegenden Fall bestand eine Warnpflicht im Hinblick auf die vorstehend dargestellten Grundsätze nicht. Der Beklagten wird nicht vorgeworfen, dass sie trotz entsprechender Anhaltspunkte die Klägerin nicht vor einem absehbaren Betrug gewarnt habe. Der Betrug war für sie nicht erkennbar, da sie nur den Überblick über einen Teil der deutschen Konten der Firma A hatte und keinen Überblick über die Handelsaktivitäten der Firma A bei einem amerikanischen und einem in Großbritannien registrierten Broker. Der Vorwurf gegenüber der Beklagten ist nur der, dass sie die Führung des Omnibuskontos toleriert hat. Dies rechtfertigt aber nicht einen Anspruch auf Grund des zitierten Rechtsprechungsgrundsatzes.

3. Die Klägerin beruft sich in erster Linie auf einen Anspruch gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 34 a WpHG. Eine Zuwiderhandlung gegen diese Vorschrift stellt eine Ordnungswidrigkeit nach § 39 Abs. 2 Ziff. 13 WpHG a.F. dar (heute Ziff. 16). Dabei ist unter Gesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB nicht nur ein Gesetz im formellen Sinn, sondern jede Rechtsnorm - also auch eine Verordnung - zu verstehen (Palandt/Sprau, a.a.O., § 823 Rdnr. 56 a). Dabei liegt die praktische Bedeutung des § 823 Abs. 2 BGB in der Ausweitung des Deliktrechts auf den Ersatz von allgemeinen und primären Vermögensschäden (Sethe, Anlegerschutz im Recht der Vermögensverwaltung, 2005, S. 758). Die Sanktion als Ordnungswidrigkeit allein besagt noch nichts Entscheidendes bezüglich der Frage, ob ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB vorliegt (BGHZ 84, 312ff. = ZIP 1982, 1090ff.).

Die Frage, ob § 34 a WpHG ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB darstellt, ist umstritten. Nach Auffassung des Senats ist sie zu verneinen. Zumindest fehlt es an dem sog. Gehilfenvorsatz.

Um festzustellen, ob eine bestimmte Vorschrift als Schutzgesetz einzuordnen ist, muss ihre Schutzrichtung bestimmt werden. Es reicht nicht aus, dass die in Frage stehende Norm ihrem Regelungsgehalt nach den Belangen Einzelner entspricht. Es muss vielmehr festgestellt werden, ob die je weilige Vorschrift zumindest auch den Schutz individueller Interessen bezweckt (Sethe, a.a.O., s. 759). Der Individualschutz darf nicht nur durch Befolgung der Norm als Reflex objektiv erreicht werden. Es ist vielmehr unter umfassender Würdigung des gesamten Regelungszusammenhangs zu prüfen, ob es der Absicht des Gesetzgebers entsprach, an die Verletzung des geschützten Interesses die deliktische Einstandspflicht des dagegen Verstoßenden zu knüpfen, um einen sinnvollen individuellen Schadensersatzanspruch zu schaffen, der im Lichte des haftungsrechtlichen Gesamtsystems tragbar erscheint (BGHZ 84, 312 ff. = ZIP 1982, 1090 ff., BGHZ 5, 276 ff. = BKR 2008, 294 ff., BGHZ 176, 281 ff. = BKR 2008, 381 ff.).

Die Gesetzesmaterialen (BT Drucksache Bd. 576, 13/7142, S. 110) liefern keinen Anhaltspunkt dafür, dass in einem Fall wie dem vorliegenden ein Schadensersatzanspruch gegen das Kreditinstitut, das zum Betreiben des Einlagengeschäfts befugt ist, bestehen soll, sondern führen nur in allgemeiner Form aus, dass die Kundengelder im Konkursfall des Wertpapierdienstleistungsunternehmens geschützt sein sollen.

Für den Bereich des WpHG wird man sagen können, dass die Regelungen in § 31 ff. eine "Doppelnatur" haben (Lang/Balzer, Festschrift für Gerd Nobbe, 2009, S. 642), da sie aufsichtsrechtlichen und individualschützenden Charakter (die Kehrseiten derselben Medaille) haben, in dem sie Mindeststandards für ein berufliches Verhalten vorschreiben (Sethe, a.a.O., S. 759 ff.). Der 16. Zivilsenat des OLG Frankfurt (ZIP 2006, 2385 ff) und Sethe (a.a.O., S. 766) schließen daraus, dass § 34 a WpHG ein Schutzgesetz darstelle, da der Anleger vor den Risiken eines Sammelkontos bewahrt werden solle und die Chancen auf einen Substanzerhalt vergrößert werden. Schwark (Kapitalmarktrechtskommentar, 3. Aufl. 2004, § 34 a WpHG Rdnr. ordnet dagegen diese Vorschrift dem öffentlichen Recht zu, da ihr Ziel die Förderung des Finanzplatzes Deutschland sei, und betrachtet sie nicht als Schutzgesetz. In einer kürzlich ergangen Entscheidung (BGHZ 175, 276 ff = BKR 2008, 294 ff) geht der BGH davon aus, dass die § 31 ff. WpHG nicht nur aufsichtsrechtlicher Natur sein mögen, sondern ihnen auch anlegerschützende Funktion zukommen möge, stellt dann aber darauf ab, dass nur (vor)vertragliche Pflichten geregelt würden, denen keine eigenständige, über die zivilrechtliche Aufklärungs- und Beratungspflichten hinausgehende schadensersatzrechtliche Bedeutung zukomme.

Der Senat verkennt nicht, dass gerade die vorliegende Fallgestaltung die Angemessenheit einer deliktischen Haftung diskutabel erscheinen lässt. Da die Kundengelder durch Einlagenkreditinstitute zu verwahren sind, liegt die praktische Durchführung der Kontotrennung bei ihnen und sie sind somit auch direkt vom Regelungsgehalt dieser Norm betroffen (Wolf BKR 2002, 892). Ein allerdings nachrangiger Teil der Verantwortung dafür, dass das Wertpapierdienstleistungsunternehmen das Geld nicht missbräuchlich verwendet, trifft deshalb das Einlagekreditinstitut, das sich auch nicht damit zufrieden geben sollte, dass lediglich eine buchhalterische Zuordnung einzelner Beträge auf dem Omnibuskonto an Kunden vorgenommen wird, da dadurch ein Schutz der Kunden nicht erreicht wird (Wolf BKR 2002, 892, 894). Die Handhabung der Beklagten widersprach auch dem Rundschreiben der BaFin, Bereich Wertpapieraufsicht, vom 21.10.1998 (Kopie Bl. 132 f.) und der rechtlichen Beurteilung der BaFin, über die die Beklagte durch Übersendung des eine Kontotrennung verlangenden Schreibens vom 20.01.2000 im Bilde war. Dies alles ändert jedoch nichts daran, dass nach der Rechtsprechung des BGH an die Einordnung einer Vorschrift als Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB hohe Anforderungen zu stellen sind. Die Schutzvoraussetzungen müssen mit Ansprüchen gemäß §§ 823 Abs. 1 bzw. 826 BGB vergleichbar sein. Es muss ein sittenwidriges Verhalten vorliegen, das eine Sanktion erfordert (BGHZ 175, 276 ff = BKR 2008, 294 ff).

Das Führen eines Omnibus-Treuhandkontos ist aber nicht mit einer sittenwidrigen Schädigung vergleichbar. Eine solche Kontoführung muss nicht zu Schäden führen. Der primäre Unrechtsgehalt liegt auch nicht in der Handlungsweise der Bank, sondern in der des Wertpapierhandelsunternehmens, das von den Kunden in solchen Fällen regelmäßig auf vertraglicher und deliktischer Grundlage in Anspruch genommen werden kann.

Es liegt auch keine Beihilfe zu einer von den Mitarbeitern der Firma A begangenen unerlaubten Handlung im Sinne des § 830 BGB vor.

Den vorliegenden Fall kann man im weiteren Sinne unter dem Begriff der sogenannten "neutralen Beihilfe" einordnen. In Fällen dieser Art geht es um Hilfeleistungen im Rahmen alltäglicher Berufsausübung, die praktisch einem Täter zu Gute kommen, und deren Sanktionierung eine wertende Betrachtung voraussetzt. Fallgestaltungen, in denen Mitarbeiter einer Bank für Delikte eines Kunden zur Verantwortung gezogen werden sollen, sind für diesen Bereich typisch (von Hein, ACP, Band 204 [2004], S. 761, 763). Die Problematik liegt dabei primär im subjektiven Bereich. Nach der Rechtsprechung des BGH richtet sich die zivilrechtliche Haftung insoweit nach den für das Strafrecht entwickelten Rechtsgrundsätzen (BGHZ 137, 89 ff = VersR 1998, 109 ff., differenzierend von Hein, a.a.O., S. 770 ff, m.w. Nachw). Nach der Rechtsprechung der Zivil= und Strafsenate des BGH reicht es für das erforderliche vorsätzliche Mitwirken an der Verletzungshandlung (Palandt/Sprau, a.a.O., § 830 Rdnr. 2) in Form der billigenden Inkaufnahme nicht aus, die Tatumstände und die potentielle Gefährdungslage zu kennen. Es ist vielmehr der Wille des Gehilfen festzustellen, die fremde Tat zu fördern, wobei die Beihilfehandlung von einem auf die Rechtsgutverletzung gerichteten Willen getragen worden sein muss (vgl. BGH WM 2004, 1768 ff., NStZ-RR 2008, 239 f., OLG Düsseldorf, Urt. v. 9.2.2007, I-17 U 257/06, bei Juris). Aus Sicht des Helfers müssen sich ausreichende Anhaltspunkte für die Beteiligung an einem sittenwidrigen Verhalten ergeben.

Daran fehlt es im vorliegenden Fall. Es ist in diesem Zusammenhang zu beachten, dass es nicht um die Gefahren geht, die durch den später aufgedeckten Betrug der leitenden Mitarbeiter der Firma A herbeigeführt wurde. Ein Verstoß gegen § 34 a WpHG indiziert keinen Missbrauch der Kundengelder. Es geht nur um die durch die unterlassene Kontotrennung entstandene Situation. Diese hätte aber auch einen unbedenklichen Grund wie z.B. eine Bearbeitungsvereinfachung haben können. Eine bewusste Beteiligung an einem sittenwidrigen Verhalten lag nicht vor.

Auf schwierige, spezifische Fragen in den Bereichen Kausalität, Mitverschulden und Schadenshöhe kommt es demnach nicht an.

IV.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 708 Ziff. 10, 712, 709 S. 2 und 543 ZPO. Die Sache hat in Anbetracht der kontroversen Entscheidungen zur Frage, ob § 34 a WpHG ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 II BGB ist, grundsätzliche Bedeutung.

Ende der Entscheidung

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