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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 08.10.2008
Aktenzeichen: 23 U 41/08
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 254
BGB § 280
BGB § 676 a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil, die keiner Änderung oder Ergänzung bedürfen, wird zunächst gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen.

Ergänzend wird der Wortlaut der E-Mail des Klägers an die Beklagte vom 11.1.2007 (Bl. 40 d.A.) auszugsweise wie folgt wiedergegeben: "Bitte sind Sie so nett und überweisen vom Konto Erbengemeinschaft 7 000,00 € an meinen Bruder. Die 7 000,00 € müssen dann von der Auszahlungssumme (Auszahlung Erbe) abgezogen werden."

Das Landgericht hat der auf Zahlung von 13.000.- € wegen insoweit nicht beauftragter Überweisung gerichteten Klage zur Hälfte unter Verweis auf §§ 280, 254, 676a BGB stattgegeben und sie im übrigen mit der Begründung abgewiesen, der Kläger müsse sich insoweit ein Mitverschulden zurechnen lassen, weil die Anweisung an die Beklagte nicht ohne weiteres klar verständlich gewesen sei, vor allem im Hinblick auf das Schreiben des Klägers vom 11.1.2007.

Gegen das ihm am 29.1.2008 zugestellte Urteil des Landgerichts hat der Kläger am 26.2.2008 fristgerecht Berufung eingelegt und diese am 28.3.2008 innerhalb der Berufungsbegründungsfrist begründet.

Die Berufung des Klägers richtet sich gegen die Teilabweisung unter Aufrechterhaltung des erstinstanzlichen Antrags. Ein Mitverschulden seinerseits sei nicht gegeben angesichts der auch vom Landgericht für klar gehaltenen Vorgaben des Erbauseinandersetzungsvertrags vom 27.11.2006 zum Auszahlungs- und damit auch Überweisungsbetrag, an denen die E-Mail vom 11.1.2007 nichts geändert, sondern sie lediglich ergänzt habe um einen weiteren Abzugsbetrag. Dieser habe sich ausdrücklich auf die Auszahlungssumme nach dem Erbauseinandersetzungsvertrag bezogen. Er habe nicht erkennen oder prüfen können, ob die Beklagte die Anweisung korrekt ausführen würde; jedenfalls habe die Beklagte zu keinem Zeitpunkt Zweifel an der Klarheit des Auftrags geäußert. Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Vorbringens des Klägers wird auf den Schriftsatz vom 28.3.2008 (Bl. 106-108 d.A.) verwiesen.

Der Kläger beantragt,

das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 15.1.2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere 6.500.- € nebst 4 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt die Entscheidung des Landgerichts unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens. Sie habe die E-Mail vom 11.1.2007 dahingehend verstanden, dass vom Auszahlungsbetrag von 50.000.- € nur der dort genannte Betrag von 7.000.- € in Abzug zu bringen sei. Ein Mitverschulden des Klägers sei gegeben, weil dieser keinen eindeutigen Überweisungsbetrag genannt habe. Etwaige Verständnisfehler seien auf den unklaren Überweisungsauftrag des Klägers zurückzuführen. Nach der Rechtsprechung des BGH (ZIP 1991, 92) sei es Sache des Auftraggebers, einen zweifelsfreien Überweisungsauftrag zu erteilen. Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Vorbringens der Beklagten wird auf den Schriftsatz vom 9.6.2008 (Bl. 111-113 d.A.) verwiesen.

II. Die Berufung des Klägers ist form- und fristgerecht eingelegt sowie begründet. Sie hat auch in der Sache Erfolg.

Es liegt ein Berufungsgrund im Sinne des § 513 ZPO vor, denn die Entscheidung des Landgerichts beruht im Ergebnis auf einer Rechtsverletzung nach § 546 ZPO bzw. nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen rechtfertigen eine andere Entscheidung.

Das Landgericht hat zu Unrecht ein relevantes Mitverschulden des Klägers nach § 254 BGB an der Zuvielüberweisung von 13.000.- € an den Bruder des Klägers angenommen, so dass dem Kläger ein ungekürzter Anspruch auf Kompensation der in dieser Höhe nicht beauftragten Überweisung nach §§ 280, 676a BGB zusteht.

Zutreffend und mit im einzelnen überzeugender Begründung - auf die verwiesen wird - ist das Landgericht indessen davon ausgegangen, dass die Beklagte aufgrund des mündlichen Überweisungsauftrags des Klägers im Zusammenhang mit dem ihr übergebenen Erbauseinandersetzungsvertrag vom 27.11.2006 und dessen eindeutigen Bestimmungen zunächst zur Überweisung eines Betrags von 37.000.- € (Ausgangssumme 50.000.- € abzüglich 10.000.- € sowie 3.000.- €) an den Bruder des Klägers verpflichtet gewesen war. Ebenso zutreffend ist die weitere Feststellung des Landgerichts, dass die E-Mail vom 11.1.2007 diesen ursprünglichen (effektiven) Überweisungsauftrag von 37.000.- € ersichtlich nur um einen weiteren Abzugsbetrag von 7.000.- € ergänzt und modifiziert hat, weshalb der von der Beklagten danach auszuführende Überweisungsauftrag auf einen Betrag von 30.000.- € zugunsten des Bruders des Klägers lautete und nicht auf einen Betrag von 43.000.- €, wie die Beklagte aber ausgeführt hat. Der Standpunkt der Beklagten, die E-Mail vom 11.1.2007 sei dahingehend zu verstehen gewesen, dass vom Auszahlungsbetrag von 50.000.- € "nur" der dort genannte Betrag von 7.000.- € in Abzug zu bringen sei, hat zum einen im klaren Wortlaut dieses Schreibens keinerlei Stütze und basiert zum anderen zudem auf einer Verkennung der unmissverständlichen Vorgaben des Erbauseinandersetzungsvertrags vom 27.11.2006 mit einem dortigen Auszahlungsbetrag von 37.000.- €. Dieses Verständnis des insoweit bindend, wenn auch mündlich vom Kläger unter Verweis auf den übergebenen Erbauseinandersetzungsvertrag und insoweit ohne Nennung eines konkreten Betrags erteilten, anschließend durch die genannte E-Mail modifizierten Überweisungsauftrags, der von der Beklagten jedoch in genau dieser Form akzeptiert worden und somit auch auftragsgemäß auszuführen war, entspricht dem maßgeblichen objektiven Erklärungswert (vgl. Palandt-Sprau, BGB, 67. Aufl. 2008, § 676a Rn 17) dieses vorliegenden Überweisungsauftrags. Die Beklagte hatte nach dem Grundsatz der formalen Auftragsstrenge den vom Kläger objektiv so erteilten Überweisungsauftrag über 30.000.- € an seinen Bruder entsprechend auszuführen.

Hinsichtlich des überschießenden Betrags von 13.000.- € hat der Kläger der Beklagten demnach keinen wirksamen Überweisungsauftrag erteilt. Damit liegt diesem Überweisungsbetrag kein wirksamer Überweisungsvertrag gemäß § 676a BGB zwischen Kontoinhaber und kontoführender Bank zugrunde, womit die Bank grundsätzlich aus dem Girovertrag (§ 676f BGB) zur Kompensation in Form entsprechender Stornierung der Belastungsbuchung bzw. Gutschrift, ggf. auch als Schadensersatz, sowie wegen Verletzung des Überweisungsvertrags nach § 676a BGB iVm § 280 Abs. 1 BGB, verpflichtet ist.

Das Risiko der Nichterteilung eines wirksamen Auftrags etwa wegen fehlender Verfügungsmacht des Handelnden bei einer Überweisung, d.h. auch einer Fälschung des Überweisungsauftrags oder der teilweisen Nichterteilung, trägt wie beim Auftrag bzw. Geschäftsbesorgungsvertrag grundsätzlich das Kreditinstitut (vgl. Erfurth WM 2006, 2198), dem jedoch u.U. ein Schadensersatzanspruch gegen den Kunden aus § 280 BGB zustehen kann (Palandt-Sprau, BGB, 67. Aufl. 2008, § 676a Rn 11 u. § 665 Rn 2 mwN). Innerhalb des Girovertrags ist der Kunde nämlich verpflichtet, im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren Schädigungen der Bank zu vermeiden, beispielsweise die Kontobewegungen in gewissem Umfang zu kontrollieren (OLG Zweibrücken NJW-RR 1997, 1546; Palandt-Sprau § 676f Rn 16). Bei Missachtung kommt eine Verpflichtung zum Schadensersatz in Betracht (KG NJW-RR 1996, 427; Palandt-Sprau a.a.O.). Das gilt beispielsweise für die Gefahr gefälschter Weisungen, die der Kunde möglichst auszuschließen hat (BGH NJW 2001, 2968; Palandt-Sprau a.a.O.); insoweit gelten also gesteigerte Sorgfaltsanforderungen, was nichts daran ändert, dass nach ständiger Rechtsprechung des BGH (a.a.O. m.w.N.) im Überweisungsverkehr regelmäßig die Bank und nicht der Kunde das Risiko trägt, dass Überweisungsaufträge gefälscht oder inhaltlich verfälscht werden. Bei Verletzung der girovertraglichen Pflicht, die Gefahr einer Fälschung soweit wie möglich auszuschalten, besteht ebenfalls eine Verpflichtung zum Schadensersatz (BGH a.a.O.; WM 1994, 2073). Zum selben Ergebnis gelangt man bei einer Berücksichtigung von solchem pflichtwidrigen Kundenverhalten als Mitverschulden nach § 254 Abs. 1 BGB (so noch BGH NJW 1991, 3209). Ob diese Grundsätze zulasten des Kunden auch bereits für den Fall eines ggf. nur unklaren Überweisungsauftrags gelten, kann hier dahingestellt bleiben.

Denn für die Annahme eines Mitverschuldens des Klägers nach § 254 BGB bzw. eines dementsprechenden Schadensersatzanspruchs der Beklagten ist vorliegend schon aufgrund der dargelegten Klarheit des Inhalts bzw. Betrags des erteilten Überweisungsauftrags kein Raum. Soweit das Landgericht dennoch ein Mitverschulden bejaht hat, hat es sich in Widerspruch zu seiner eigenen, zutreffenden Darlegung des erkennbaren objektiven Erklärungswerts im Sinne eines effektiven Überweisungsbetrags von 30.000.- € gesetzt. Auf den vom Landgericht angeführten Gesichtspunkt, die Anweisung an die Beklagte sei nicht ohne weiteres klar verständlich gewesen, vor allem im Hinblick auf das Schreiben des Klägers vom 11.1.2007, kann es angesichts des zuvor dargelegten, unmissverständlichen objektiven Erklärungswerts des erteilten Überweisungsauftrags inhaltlich und denklogisch nicht ankommen; aufgrund des dargelegten objektiven Erklärungswerts war auch keine zusätzliche Klarstellung erforderlich. Des weiteren spielt es dabei keine entscheidende Rolle, dass der Kläger zumindest im Hinblick auf den Erbauseinandersetzungsvertrag keinen konkreten Überweisungsbetrag genannt hat, denn jedenfalls war die Ermittlung des Betrags von ihm eindeutig vorgegeben und möglich durch den der Beklagten übergebenen Erbauseinandersetzungsvertrag vom 27.11.2006 und seine nachfolgende E-Mail vom 11.1.2007 an die Beklagte. Diese Form des Überweisungsauftrags mit der Notwendigkeit eigener Rechenoperationen der Bank mag ungewöhnlich erscheinen, war aber jedenfalls unstreitig von der Beklagten so akzeptiert worden und musste dann auch dem eindeutigen objektiven Erklärungswert entsprechend umgesetzt werden. Mit der Annahme eines solchen besonderen Überweisungsauftrags hat die Bank diesem immanente, spezifische Risiken wie einen Irrtum oder ein Missverständnis ihrerseits bei der Rechenoperation übernommen und kann diese ebenso wenig wie das allgemeine Risiko einer Fälschung des Überweisungsauftrags oder der teilweisen Nichterteilung auf den Kunden abwälzen. Zur Klärung etwaiger, aus Sicht der Beklagten bestehender Unsicherheiten wäre im übrigen ggf. eine Rückfrage beim Überweisenden erforderlich gewesen (vgl. OLG Jena WuB I D 1.-5.02 (Hellner); Palandt-Sprau aaO), die die Beklagte jedoch unterlassen hat. Der Verweis der Beklagten auf die Entscheidung des BGH vom 20.11.1990 (ZIP 1991, 92) zum Mitverschulden des Kontoinhabers bei der Entstehung eines Schadens durch weisungswidrig ausgeführte Blanko-Überweisungsaufträge geht fehl, weil diese ersichtlich einen mit dem vorliegenden nicht vergleichbaren Sachverhalt betrifft.

Da nicht festgestellt werden konnte, ob das mit der streitgegenständlichen Überweisung belastete Girokonto überhaupt noch besteht, war keine Kompensation in Form entsprechender Stornierung der Belastungsbuchung bzw. Gutschrift möglich und somit dem Antrag des Klägers auf Zahlung als Ausgleich stattzugeben.

Dem geltend gemachten Zinsanspruch des Klägers, der seine Grundlage in §§ 288 Abs. 1, 291 BGB hat, ist die Beklagte nicht entgegen getreten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da der Rechtsstreit keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 ZPO).

Ende der Entscheidung

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