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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 14.12.2005
Aktenzeichen: 23 U 98/03
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 293
ZPO § 513
ZPO § 540 Abs. 1 Nr. 1
ZPO § 546
BGB § 254
BGB § 818 Abs. 3
Zu Kondiktions- und Schadensersatzansprüchen nach luxemburger Recht bei Gutschrift von Fondsanteilen auf einem Depotkonto ohne Rechtsgrund.
Gründe:

I.

Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil, die keiner Änderung oder Ergänzung bedürfen, wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen.

Gegen das ihr am 7.4.2003 zugestellte Urteil des Landgerichts hat die Klägerin am 2.5.2003 fristgerecht Berufung eingelegt und diese am 25.6.2003 innerhalb der bis zum 10.7.2003 verlängerten Berufungsbegründungsfrist begründet.

Die Klägerin greift das erstinstanzliche Urteil, soweit es die Klage teilweise abgewiesen hat, unter Wiederholung und Vertiefung ihres Vorbringens an. Sie wendet sich insbesondere dagegen, dass das Landgericht trotz der Geltung von Luxemburger Recht im Ergebnis deutsches Recht anwenden wolle, wenn es annehme, dass Bereicherungsansprüche durch vertragliche Schadensersatzansprüche begrenzt oder ausgeschlossen seien. Das treffe aber auch im deutschen Recht nicht zu und zudem würden damit unzulässigerweise Rechtsgrundsätze aus verschiedenen Rechtsordnungen vermischt. Außerdem sei Ziff. 9 der AGB keine Anspruchsgrundlage zugunsten der Beklagten und eine Entreicherung der Beklagten nicht gegeben, weil das Luxemburger Recht diesen Einwand nicht kenne. Im übrigen läge das überwiegende Verschulden auf Seiten der Beklagten, die es unterlassen habe, die Fehlbuchungen zu prüfen und anzuzeigen, obwohl sie die Differenz auf dem Konto bemerkt habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Vorbringens der Klägerin wird auf die Schriftsätze vom 23.6.2003 (Bl. 117-121 d.A.), vom 12.9.2003 (Bl. 138-140 d.A.) und vom 10.8.2005 (Bl. 224-229 d.A.) verwiesen.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter teilweiser Abänderung des am 20.3.2003 verkündeten Urteils der 4. Zivilkammer des Landgerichts Gießen zu verurteilen, an die Klägerin weitere 3.834,69 € nebst Zinsen in Höhe von 5,75 % vom 28.2.2001 bis zum 31.12.2001 sowie 5 % seit dem 1.1.2002 zu zahlen.

Die Berufungsbegründung wurde der Beklagten am 4.7.2003 zugestellt, die am 24.7.2003 Anschlussberufung eingelegt hat.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen sowie die Klage unter teilweiser Abänderung des am 20.3.2003 verkündeten Urteils der 4. Zivilkammer des Landgerichts Gießen insgesamt abzuweisen.

Die Beklagte verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung, soweit die Klage abgewiesen wurde, und wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen. Außerdem seien die Voraussetzungen eines Kondiktionsanspruchs gegen die Beklagte nicht erfüllt. Nach den maßgeblichen vertraglichen Vereinbarungen hätten keine Prüfungspflichten für die Beklagte bestanden. Das überwiegende Verschulden liege auf Seiten der Klägerin, die Referenznummern doppelt vergeben, Depotkonten und Einzahlungen nicht regelmäßig verglichen und keine Prüfung bei Auflösung des Depots und Auszahlung vorgenommen habe. Außerdem sei Entreicherung eingetreten, weil die Beklagte den Betrag ausgegeben bzw. bei einer Anlage verloren habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Vorbringens der Beklagten wird auf die Schriftsätze vom 21.7.2003 (Bl. 124-130 d.A.), vom 14.8.2003 (Bl. 132f d.A.) und vom 20.7.2005 (Bl. 209-213 d.A.)verwiesen.

Die Klägerin beantragt,

die Anschlussberufung zurückzuweisen.

Der Senat hat Beweis erhoben mit Beweisbeschluss vom 8.12.2003 (Bl. 147-149 d.A.) durch Einholung eines Gutachtens gemäß § 293 ZPO des Sachverständigen Prof. Dr. A. Zum Ergebnis der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf dessen Gutachten vom 1.6.2005 (Bl. 197-207 d.A.).

II.

Die Berufung der Klägerin ist form- und fristgerecht eingelegt sowie begründet, entsprechendes gilt für die Anschlussberufung der Beklagten (§ 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO a.F. vor dem 1. JuMoG).

Die Berufung hat im Gegensatz zur Anschlussberufung auch in der Sache Erfolg.

Es liegt ein Berufungsgrund nach § 513 ZPO in Form einer Rechtsverletzung gemäß § 546 ZPO vor. Das Landgericht hat zu Unrecht der Klägerin nur einen Zahlungsanspruch in Höhe von 3.834,69 € gegen die Beklagte zuerkannt und die Klage im übrigen abgewiesen, denn der Klägerin steht ein Anspruch auf Zahlung gegen die Beklagte in Höhe von insgesamt 7.669,38 € als Schadensersatz bzw. aus Bereicherungsrecht zu.

Wie das Landgericht zunächst zutreffend festgestellt hat, haben vorliegend die Parteien in wirksamer Weise ihre Rechtsbeziehungen für das am 7.2.2000 eingerichtete Investmentdepotkonto der Beklagten bei der Klägerin dem Recht des Großherzogtums Luxemburg unterstellt. Das folgt aus Ziff. 17 der zwischen den Parteien vereinbarten Bedingungen der ...bank International für Investmentkonten (Bl. 48 f. d.A.), deren Erhalt die Beklagte auf dem Kontoeröffnungsformular vom 7.2.2000 (Bl. 6 d.A.) bestätigt hat. Damit unterliegt der Vertrag gemäß Art. 27 Abs. 1 Satz 1 EGBGB Luxemburger Recht.

Die Anwendung Luxemburger Rechts auf Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung ergibt sich aus Art. 38 Abs. 1 bzw. 3 EGBGB.

Die nachfolgenden Rechtsausführungen im angegriffenen Urteil vermögen hingegen nicht zu überzeugen.

Das gilt bereits für die bloße, von keinerlei Begründung getragene Behauptung, dass etwaige Ansprüche der Klägerin nach Art. 1376 bzw. 1377 des Luxemburger Code Civil der Höhe nach durch vertragliche Schadensersatzansprüche begrenzt würden. Dies ist von der Berufung ebenso zu Recht beanstandet worden wie das vom Landgericht angenommene hälftige Mitverschulden der Klägerin, denn auch insoweit hat das Landgericht das anzuwendende Luxemburger Recht weder inhaltlich dargelegt noch benannt. Darüber hinaus fehlt auch für die Rechtsauffassung des Landgerichts, wonach Verletzungen der Prüfungspflicht nach Ziff. 9 der vorgenannten Geschäftsbedingungen einen Schadensersatzanspruch der Bank begründeten, jegliche Begründung bzw. Heranziehung des hierfür maßgeblichen luxemburgischen Rechts.

Das Urteil des Landgerichts leidet damit insgesamt an dem inneren Widerspruch, die Geltung von Luxemburger Recht zwar anzunehmen, dann jedoch bei der Frage eines vertraglichen Schadensersatzanspruchs wegen Verletzung von Ziff. 9 der Geschäftsbedingungen ebenso wie bei der Problematik des Verhältnisses von vertraglichen Schadensersatzanspruch zu Bereicherungsansprüchen sowie bei der Frage des Mitverschuldens nach den Regeln des deutschen Rechts vorzugehen, ohne die Geltung vergleichbarer Grundsätze nach Luxemburger Recht zu behaupten bzw. zu begründen.

Nach dem anzuwendenden Recht des Großherzogtums Luxemburg stellt sich die Rechtslage wie folgt dar:

Auf der Grundlage des eingeholten Gutachtens besteht zum einen ein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Schadensersatz wegen Verletzung der vertraglichen Prüfungspflicht nach Ziff. 9 der vereinbarten AGB. Es handelt sich dabei um eine "obligation de diligence" (Sorgfaltspflicht) des Kunden zur Überwachung der Bewegungen auf seinem Konto durch Kontrolle der Auszüge, der die Beklagte nicht nachgekommen ist und deren Verletzung eine "négligence fautive" darstellt mit der Folge, dass der Kontoinhaber den hierauf beruhenden Schaden der Bank zu tragen hat.

Zwar gibt es im Recht Luxemburgs kein eigenständiges Institut des Mitverschuldens oder eine § 254 BGB vergleichbare Regelung, ein Mitverschulden findet aber im Wege einer "compensation des fautes" Berücksichtigung, wobei sich die Ersatzpflicht in dem Maße des Mitverschuldens mindert. Dieser Gesichtspunkt kann aber letztlich dahingestellt bleiben.

Denn zum anderen ist nach dem Gutachten auch ein demgegenüber im Vordergrund stehender Bereicherungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte als "répétition de lŽindu" gemäß Art. 1376 des Luxemburger Code Civil gegeben, der nicht durch etwaige andere Ansprüche verdrängt wird und dessen normative Grundlage folgendermaßen lautet:

"Wer aus Irrtum oder wissentlich etwas empfängt, was ihm nicht geschuldet wird, ist verpflichtet, es dem zurückzuerstatten, von dem er es ungerechtfertigerweise empfangen hat."

Vorliegend sind die Voraussetzungen einer nicht geschuldeten Geldleistung der Klägerin ("payment indu") aufgrund eines Irrtums des Leistenden ("erreur du solvens") erfüllt; dabei ist nach der einschlägigen Rechtsprechung auch ein grober Irrtum ("erreur grossiere") für den Anspruch des Leistenden unschädlich (vgl. Gutachten S. 9, Bl. 205 d.A.).

Nach der Feststellung des Sachverständigen kennt das Luxemburger Recht zwar keine Obliegenheit des Anspruchsberechtigten oder ein Verschulden gegen sich selbst, der Gedanke einer Berücksichtigung des Fehlverhaltens des Anspruchsinhabers kann sich dennoch in Einschränkungen bzw. einem Ausschluss des Bereicherungsanspruchs niederschlagen.

Der Anspruch aus der "répétition de lŽindu" gemäß Art. 1376 des Luxemburger Code Civil kann nach dem Gutachten aufgrund eines Mitverschuldens des Leistenden jedoch nur dann gemindert werden, wenn dem Leistungsempfänger dadurch ein Schaden entstanden ist. Das ist vorliegend aber nicht der Fall, denn die Beklagte erhielt selbst bei Bejahung einer Sorgfaltspflichtverletzung der Klägerin ausschließlich eine ihr nicht zustehende Geldleistung und erlitt daher keinen Schaden im vorgenannten Sinn, insbesondere auch nicht im Hinblick auf die allein von ihr zu vertretende Fehlinvestition des rechtsgrundlos ausgezahlten Betrags. Aus diesem Grund kann auch hier dahinstehen, ob der Klägerin überhaupt eine Sorgfaltspflichtverletzung zur Last zu legen ist.

Schließlich kennt das Luxemburger Recht gemäß dem eingeholten Gutachten einen Wegfall der Bereicherung nicht, im Code Civil fehlt eine § 818 Abs. 3 BGB entsprechende Regelung. Der von der Beklagten erhobene Einwand der Entreicherung kann daher ebenfalls keinen Erfolg haben.

Zum Zinsausspruch wird auf die zutreffenden, von den Parteien nicht angegriffenen Ausführungen des Landgerichts Bezug genommen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da der Rechtsstreit keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 ZPO).

Ende der Entscheidung

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