Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 05.04.2001
Aktenzeichen: 24 Sch 1/01
Rechtsgebiete: BGB, RVO, ZPO


Vorschriften:

BGB § 839 Abs. 2
RVO § 95 Abs. 1
ZPO § 1042
ZPO § 1041 Abs. 2
ZPO § 91 Abs. 1
ZPO § 91 Abs. 3
ZPO § 1041 Abs. 1
ZPO § 1041 Abs. 2 Satz 1
ZPO § 1063 Abs. 3 Satz 1

Entscheidung wurde am 27.12.2001 korrigiert: Leitsatz eingefügt
Zu den Voraussetzungen einer Starterlaubnis bei einer Meisterschaft für einen wegen Dopingverdachts gesperrten Sportler im Wege der einstweiligen Anordnung.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN Beschluß

24 Sch 1/01

Verkündet am 05.04.2001

In dem Rechtsstreit

gegen

Der 24. Zivilsenat in Darmstadt des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main hat am 5.4.2001 durch die Richter...

beschlossen:

Tenor:

Die Hauptsache ist erledigt.

Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Der Gegenstandswert wird festgesetzt auf 30.000,00 DM.

Gründe:

1.

Der Antragsteller wurde durch den internationalen Leichtathletik-Verband IAAF unter dem Vorwurf eines schuldhaft begangenen Dopingverstoßes für den Zeitraum vom 16.09.2000 bis 21.02.2002 gesperrt. Seinen Antrag, ihm die Starterlaubnis für den 3000 Meterlauf der Männer im Rahmen der deutschen Hallenmeisterschaften am 24./25.02.2001 zu erteilen, entsprach der Antragsgegner ­ deshalb ­ nicht. Darauf erwirkte der Antragsteller eine einstweilige Anordnung des - Vorsitzenden des ­ Rechtsausschusses des Deutschen Leichtathletik-Verbandes, mit der dem Antragsgegner aufgegeben wurde, dem Antragsteller die Starterlaubnis zu erteilen.

Nachdem der Vorsitzende des Senates mit Beschluß vom 22.02.2001 verfügt hatte, daß der Antragsteller die einstweilige Anordnung vollziehen dürfe und ihn durch Androhung eines Zwangsgeldes angehalten hatte, die Starterlaubnis zu erteilen, nahm der Antragsteller an den deutschen Hallenmeisterschaften teil.

Er erklärte anschließend die Hauptsache für erledigt

und beantragt, dem Antragsgegner die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Der Antragsgegner tritt der Erledigungserklärung entgegen und beantragt, den Antrag des Antragstellers vom 21.02.2001 auf Vollstreckbarerklärung des Beschlusses des Rechtsausschußvorsitzenden des Antragsgegners vom 20.02.2001 als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise zurückzuweisen.

2.

Der Senat stellt fest, daß die Hauptsache erledigt ist. Der Antrag, die Vollziehung der einstweiligen Anordnung vom 20.02.2001 zuzulassen, war nach § 1041 Abs. 2 Satz 1 ZPO zulässig, und er war auch begründet. Er erledigte sich durch die unmittelbar anschließende planmäßige Durchführung der Meisterschaften, an denen der Antragsteller teilnehmen durfte und teilnahm.

a) Gegenstand des Antrages ­ und folgerichtig der im Eilverfahren vom Vorsitzenden des Senats getroffenen Verfügung (§ 1063 Abs. 3 Satz 1 ZPO) ­ war die Vollziehung einer vorläufigen Maßnahme i.S.d. § 1041 Abs. 1 ZPO, einer Maßnahme, deren Vollziehung das ordentliche Gericht anordnen kann.

Die einstweilige Anordnung des Rechtsausschusses ist vom staatlichen Gericht - dem Senat ­ schon deshalb als vorläufige oder sichernde Maßnahme zu bewerten, weil der Rechtsausschuß ­ durch seinen Vorsitzenden ­ sie auf der Grundlage des § 55 der Rechts- und Verfahrensordnung" des Antragsgegners so bewertet hat. Denn der Senat hat dessen Einschätzung inhaltlich insoweit nicht zu überprüfen, als sie nicht offensichtlich (ermessens-) fehlerhaft wäre (Albers in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 59. Auflage 2001, § 1041 Rz. 4). Hiervon aber kann keine Rede sein: da der Rechtsausschuß zur Hauptsache noch nicht entschieden hatte und die Meisterschaften unmittelbar bevorstanden, konnte ein Recht des Antragstellers auf Teilnahme an der Meisterschaft nur durch die Erteilung der Starterlaubnis selbst gesichert werden. Der Begriff des Vorläufigen oder des Sichernden schließt ebensowenig wie der Begriff des Einstweiligen ­ wie er auch für das staatliche Zivilverfahren im einstweiligen Verfügungsverfahren geläufig ist, rundheraus jede Maßnahme aus, die zu einer faktischen Erfüllung eines Anspruchs führt; im Gegenteil lassen sich, wie es aus der vorliegenden Konstellation anschaulich wird, bestimmte Ansprüche überhaupt nur durch ihre unmittelbare Durchsetzung sichern, und die Vorläufigkeit" oder Einstweiligkeit" einer Anordnung oder Verfügung erschöpft sich darin, daß sie einer nachträglichen Prüfung im Verfahren zur Hauptsache zugänglich bleibt (OLG Düsseldorf NJW-RR 1996, 124; Hartmann a.a.O. Grundzüge § 916 Rz 6).

b) Die einstweilige Anordnung vom 20.02.2001 ist auch ­ wie § 1041 Abs. 1 ZPO weiter voraus setzt ­ als von einem Schiedsgericht getroffen zu behandeln.

Ein Schiedsgericht ist eine außerhalb der staatlichen Gerichtsorganisation eingerichtete Instanz, der durch private Willenserklärungen die Entscheidung eines bürgerlichen, vermögensrechtlichen Streits an der Stelle der staatlichen Gerichte übertragen worden ist (§§ 1029 Abs. 1, 1030 Abs. 1 Satz 1 ZPO; Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 6. Auflage 2000, 4).

Die Streitigkeit, die dem Rechtsausschuß seinem Auftrag gemäß zur Behandlung unterbreitet worden war, war eine bürgerliche, nämlich zwischen einem Privatmann und einem Verein bürgerlichen Rechts aufgekommene Streitigkeit. Sie war auch vermögensrechtlicher Art, beruhte nämlich auf einer vermögensrechtlichen Beziehung zwischen den Parteien. Der Antragsteller ist Berufssportler, und die Ausübung seines Berufes ­ jedenfalls ­ innerhalb der Bundesrepublik Deutschland kann ihm nur vom Antragsgegner eröffnet werden. Daß die Streitigkeit auch für den Antragsgegner wirtschaftliche Bedeutung hat, hat er im vorliegenden Verfahren dadurch veranschaulicht, daß er durch seinen Verfahrensbevollmächtigten darauf hingewiesen hat, daß für den Vorsitzenden des Senates im Blick auf die von ihm getroffene Vollziehungsverfügung das Richterprivileg des § 839 Abs. 2 BGB nicht gelte.

Mit der Athletenvereinbarung 1999/2000", von deren Fortgeltung auch der Beklagte ausgeht (Schriftsatz vom 21.02.2001, Ziffer 8 in Anlage zum Schriftsatz vom 23.02.2001), haben die Parteien wechselseitig die Regelungen der Rechts- und Verfahrensordnung des Antragsgegners" als für sich verbindlich anerkannt; sie haben damit anerkannt, daß der auf der Grundlage der Rechts- und Verfahrensordnung" eingerichtete Rechtsausschuß des Antragsgegners abschließend über solche Streitigkeiten entscheiden sollte, die sich in Zusammenhang mit der sportlichen Tätigkeit des Antragstellers ergeben würden; eine solche Streitigkeit ist auch die der einstweiligen Anordnung des Rechtsausschusses zugrunde liegende Streitigkeit um die Starterlaubnis bei den deutschen Hallenmeisterschaften.

Daß dem Rechtsausschuß in diesem Sinne die Entscheidung übertragen war, ergibt sich aus § 1 Abs. 1 Ziffern 1 a, e, 2 g der Rechts- und Verfahrensordnung". Die Endgültigkeit und damit die Übertragung an der Stelle der staatlichen Gerichte ergibt sich aus der ­ in ihrem Wortlaut gänzlich eindeutigen ­ Regelung des § 3 Abs. 4 der Rechts- und Verfahrensordnung", in der es heißt: Entscheidungen nach dieser Ordnung sind nach ihrer Rechtskraft unter Ausschluß der ordentlichen Gerichte oder sonstiger außenstehender Stellen endgültig". Folgerichtig war in § 4 Abs. 2 der Rechts- und Verfahrensordnung" als weiteres für den Begriff des Schiedsgerichts konstituierendes Merkmal (Schwab/Walter, a.a.O., 343; Schlosser in Stein/Jonas, ZPO, 21. Auflage 1994, vor § 1025 Rz 6) ­ festgehalten die Rechtsausschüsse sind unabhängig, sie sind an Weisungen nicht gebunden".

c) Ob der Rechtsausschuß ungeachtet der Erfüllung aller inhaltlichen Anforderungen an die rechtliche Ausgestaltung seiner Stellung und seiner Tätigkeit dennoch nicht als Schiedsgericht i.S.d. § 1041 Abs. 1 ZPO einzustufen ist, weil dieser Rechtsausschuß im Verhältnis zum Antragsgegner nicht extern, vielmehr ausdrücklich als Verbandsorgan eingerichtet ist (§ 6 e der Satzung des Antragsgegners i.d.F. vom 19.04.1997/ zur Abgrenzung externer Schiedsgerichtsbarkeit von eigenen Maßnahmen eines Sportverbandes vgl. BGH NJW 1995, 587), bedarf keiner Klärung: denn der Antragsgegner hat sich behandeln zu lassen, als sei der in Unabhängigkeit eingerichtete, zur endgültigen Entscheidung sportgerichtlicher Streitigkeiten unter Ausschluß der ordentlichen Gerichte berufene Rechtsausschuß ein Schiedsgericht" im materiellen Sinne.

Das folgt daraus, daß der Antragsgegner in seiner Rechts- und Verfahrensordnung" durchweg und in aller Eindeutigkeit Regelungen getroffen hat, die bei seinem Prozeßgegner nicht den geringsten Zweifel daran lassen konnten, daß der Rechtsausschuß in der Tat Schiedsgericht, nämlich abschließendes Entscheidungsorgan unter Ausschluß der staatlichen Gerichte sei; so ergibt es sich aus den zitierten Regelungen der Rechts- und Verfahrensordnung" (§§ 1 Abs. 1, 3 Abs. 4, 4 Abs. 2); es ergibt sich auch aus § 95 Abs. 1 RVO": Wenn der Antragsgegner dort festhielt die Entscheidungen der Rechtsausschüsse können durch das ordentliche Gericht nach Maßgabe des § 1042 der Zivilprozeßordnung für vollstreckbar erklärt werden", dann veranschaulichte er damit ­ erneut ­ die zweifelsfreie Einstufung seines Rechtsausschusses als echtes" Schiedsgericht; denn die bei Erlaß der Rechts- und Verfahrensordnung" geltende Fassung des § 1042 ZPO war die seinerzeit geltende Vorschrift über die vollstreckungsrechtliche Anerkennung von Schiedssprüchen durch das staatliche Gericht.

Jedermann hat in Ausübung seiner Rechte und Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln; dieser Grundsatz beherrscht den gesamten Rechtsverkehr und damit auch den Zivilprozeß (BverfG NJW 1997, 1433; BGHZ 85, 48; NJW-RR 2000, 208; Heinrichs im Palandt, BGB, 60. Auflage 2001, Rz 1; Hartmann a.a.O. Einl III Rz 54 ff.). Das bedeutet, daß im Zivilprozeß ­ so auch im Verfahren nach § 1041 Abs. 2 ZPO ­ der Rechtsstandpunkt keine Beachtung finden kann, den eine Partei in treuwidriger Art und Weise gewonnen" hat.

In diesem Sinne treuwidrig gewonnen hat der Antragsgegner den im Vollziehungsverfahren eingenommenen Standpunkt, der Rechtsausschuß sei kein Schiedsgericht: hat er nicht nur durch die zitierten Regelungen seiner Rechts- und Verfahrensordnung" bei jedem in rechtlicher Hinsicht nicht auf daß Speziellste vorgebildeten Leser, so auch bei dem Antragsteller, keinen Zweifel daran gelassen, daß der Rechtsausschuß ein echtes" Schiedsgericht sei, hat er sich mit dem Antragsteller sogar in der Athletenvereinbarung 1999/2000" ganz ausdrücklich darauf geeinigt, daß die dort ­ in der Rechts- und Verfahrensordnung" ­ getroffenen Regelungen auch für ihn verbindlich seien, dann hat er den Antragsteller praktisch geradezu darauf festgelegt, in Streitigkeiten wie der vorliegenden sein Recht beim Rechtsausschuß zu suchen, und er ­ der Antragsgegner ­ hat keinen Zweifel daran gelassen, daß er die Entscheidungen des Rechtsausschusses seinerseits als abschließend verbindlich anerkennen und sich dem in der ZPO vorgesehenen Vollstreckungsverfahren unterwerfen werde. Dies dann nicht mehr gelten zu lassen, wenn der Antragsteller sich den Vorgaben des Antragsgegners entsprechend verhalten hat, ist mit den allgemein anerkannten Anforderungen an redliches (Prozeß-) Verhalten nicht zu vereinbaren. Dies gilt um so mehr, als das sportgerichtliche Verfahren, in das der Antragsgegner den Antragsteller durch seine satzungsmäßigen Regelungen getrieben hatte, die Zeit verbrauchte", die der Antragsteller andernfalls benötigt hätte, um sein Recht vor den staatlichen Gerichten zu suchen.

3.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 3 ZPO.



Ende der Entscheidung

Zurück