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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 09.02.2007
Aktenzeichen: 24 U 185/06
Rechtsgebiete: BUrlG


Vorschriften:

BUrlG § 7
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

1. Der Kläger war Geschäftsführer der Beklagten. Im Anstellungsvertrag vom 05.05./09.05.1994 heißt es unter anderem:

"§ 6 Urlaub

Der Geschäftsführer hat Anspruch auf einen bezahlten Jahresurlaub. Grundlage ist der Manteltarifvertrag der Druckindustrie. Der Urlaub ist so festzulegen, dass die Belange der Gesellschaft nicht beeinträchtigt werden."

Im Manteltarifvertrag für kaufmännische und technische Angestellte der Druckindustrie in Hessen ist unter anderem das Folgende geregelt:

"§ 9 Urlaub...

6. ...Eine Abgeltung des Urlaubs ist grundsätzlich nicht zulässig. Dies gilt nicht für den Fall, dass ... infolge Kündigung des Anstellungsverhältnisses der Urlaub nicht mehr voll genommen werden kann.

...

10. Urlaub oder Urlaubsteile, die nicht bis zum 31. März des folgenden Kalenderjahres geltend gemacht wurden, werden nicht gewährt."

Die Beklagte kündigte das Anstellungsverhältnis zum Kläger unter dem 09.01.2003 fristlos und erteilte ihm Hausverbot. Grundlage dieser Kündigung waren Unterschlagungen, derer sich der Kläger - unstreitig - schuldig gemacht hatte.

Der Kläger begehrt Zahlung anteiligen Gehalts für den Monat Januar 2003, Urlaubsabgeltung und Urlaubsgeld für das Kalenderjahr 2002. Das Landgericht hat ihm restliches Gehalt, Urlaubsabgeltung und Urlaubsgeld zugesprochen, hierbei aber - auch aufgrund einer von Beklagtenseite erklärten Aufrechnung - Abstriche der Höhe nach gemacht, die Beklagte wegen eines Teilbetrages auch nur Zug um Zug gegen Erteilung einer Auskunft verurteilt.

Wegen der vom Landgericht gefundenen Gründe und der seiner Entscheidung zugrunde gelegten tatsächlichen Feststellungen wird auf das Urteil vom 29.06.2006 verwiesen.

Mit der Berufung trägt die Beklagte vor, Urlaubsabgeltung und Urlaubsgeld stünden dem Kläger schon deshalb nicht zu, weil er seinen auf das Kalenderjahr 2002 entfallenden Urlaub innerhalb dieses Kalenderjahres hätte geltend machen müssen. Die Gewährung von Urlaubsgeld sei ohnehin im Falle berechtigter fristloser Kündigung seitens der Arbeitgeberin ausgeschlossen.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Darmstadt vom 29.06.2006, Aktenzeichen 4 O 1/06, die Klage kostenpflichtig zurückzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten und Berufungsklägerin (B GmbH) gegen das Urteil des Landgerichts Darmstadt - Az.: 4 O 1/06 - vom 29.06.2006 wird zurückgewiesen.

Wegen des zweitinstanzlichen Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die vor dem Berufungsgericht gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

2. Die Berufung ist nur insoweit begründet, als es den - durch berechtigte fristlose Kündigung entfallenen - Anspruch des Klägers auf Gewährung von Urlaubsgeld betrifft.

a) Anteiliges Gehalt für den Monat Januar 2003 kann der Kläger ganz so beanspruchen, wie das Landgericht es ihm zugesprochen hat. Im Ansatz unstreitig ist der rechnerische Ausgangspunkt, nämlich die rechnerische Höhe anteiligen Gehalts in Höhe von 2.188,88 €. Von diesem Betrag hat das Landgericht auf der Grundlage der von Beklagtenseite erklärten Aufrechnung Gegenforderungen in Höhe von insgesamt 1.803,88 € abgesetzt; auch dies ist nicht - mehr - streitig.

Entgegen der Auffassung der Beklagten hat das Landgericht zu Recht eine weitere Gegenforderung in Höhe von 385,00 € unberücksichtigt gelassen. Zu dieser tatbestandlich streitigen Forderung - angeblich betrügerische Abrechnung privater Aufwendungen "Seminar Restaurant A" - hat das Landgericht zu Recht einen endgültigen Verzicht der Beklagten auf das ursprünglich zu diesem Punkt eingeführte Beweismittel angenommen. In Übereinstimmung mit dem vom Landgericht gefundenen Verständnis entnimmt auch das Berufungsgericht der im nachgelassenen Schriftsatz vom 08.06.2006 enthaltenen Passage "behält sich die Beklagte vor, zur Vermeidung einer Beweisaufnahme diesen Betrag nicht mehr streitig zu stellen", dass damit über den Wortlaut hinaus aus prozessökonomischen Gründen ein endgültiger Verzicht auf eine Beweiserhebung zu diesem vergleichsweise niedrigen Betrag erklärt werden sollte.

b) Urlaubsgeld für das Kalenderjahr 2002 konnte der Kläger nicht beanspruchen. Nach § 10 Nr. 4 Abs. 1 des Manteltarifvertrages darf "das ... Urlaubsgeld ... einbehalten werden, wenn das Ausscheiden ... aufgrund einer berechtigten fristlosen Entlassung durch den Arbeitgeber erfolgt". Diese für das Anstellungsverhältnis zum Kläger an sich nicht einschlägige tarifvertragliche Regelung war durch die zu § 6 des Anstellungsvertrages vom 05./09.05.1994 getroffene Vereinbarung in das dienstvertragliche Verhältnis der Parteien einbezogen worden; die Beklagte war "Arbeitgeberin" im Sinne dieser Regelung, und es handelte sich unstreitig auch um eine "berechtigte fristlose Entlassung".

c) Urlaubsabgeltung steht dem Kläger hingegen im begehrten Umfange zu. Er hatte in dem bei Zugang der Kündigung gerade abgelaufenen Kalenderjahr einen Teil des ihm zustehenden Urlaubs noch nicht genommen, und dies eröffnete den Abgeltungsanspruch nach § 7 Abs. 4 BUrlG. Nach dieser Regelung ist Urlaub, der wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden kann, abzugelten. Ohne dass es dafür weiterer Handlungen des Arbeitgebers oder des Arbeitnehmers bedürfte , wird der noch nicht erfüllte Urlaubsanspruch in einen Abgeltungsanspruch umgewandelt.

Dem Kläger stand bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein noch nicht erfüllter Urlaubsanspruch zu. Wie unstreitig ist, hatte er im gerade abgelaufenen Kalenderjahr 2002 von den ihm an sich vertraglich (§ 6 des Anstellungsvertrages i. V. m. § 9 Ziffer 4 des Manteltarifvertrages) zugebilligten 30 Urlaubstagen 24 noch nicht genommen. Entgegen der Auffassung der Beklagten war sein Urlaubsanspruch nicht mit dem "urlaubstechnisch" fruchtlosen Ablauf des Kalenderjahres entfallen. Denn der anstellungsvertragliche Urlaubanspruch konnte über das Kalenderjahr hinaus bis zum 31. März des Folgejahres - hier also des Jahres 2003 - geltend gemacht werden. So ergab es sich ohne weiteres im Umkehrschluss aus der anknüpfend an § 6 des Anstellungsvertrages im Verhältnis der Parteien anzuwendenden tarifvertraglichen Regelung des § 9 Nr. 10 "Urlaub oder Urlaubsteile, die nicht bis zum 31. März des folgenden Kalenderjahres geltend gemacht wurden, werden nicht gewährt."

Entgegen der Auffassung der Beklagten hat der Kläger seinen Urlaubsanspruch nicht deshalb verloren, weil er Urlaub nicht beansprucht hätte. Aus dem soeben Ausgeführten ergibt sich unmittelbar, dass ein Verlust des Urlaubsanspruchs in zeitlicher Hinsicht noch nicht eingetreten war, dass der Kläger also seinen gesamten rechnerischen Urlaubsanspruch von 24 Arbeitstagen noch innerhalb des nach § 6 des Anstellungsvertrages i. V. m. § 9 Nr. 10 des Manteltarifvertrages verbleibenden Zeitraums hätte geltend machen können. In sachlicher Hinsicht verlor der Kläger den Urlaubsanspruch nicht dadurch, dass er ihn nach Zugang der Kündigung nicht mehr geltend machte. Denn nunmehr hätte die Beklagte ihm gar keinen Urlaub mehr gewähren können, da das Arbeitsverhältnis erloschen war; ein Urlaubsantrag wäre nicht einmal inhaltslose Förmlichkeit gewesen, hätte vielmehr jeglicher Rechtsgrundlage entbehrt - Grundlage der Urlaubsgewährung kann nur ein bestehendes Arbeits- oder Dienst-Verhältnis sein.

Schließlich - und entgegen der Auffassung der Beklagten - fehlte es der Anwendung des § 7 Abs. 4 BUrlG auch nicht deshalb an der tatbestandlichen Grundlage, weil der Kläger nicht Arbeitnehmer war. Denn die Parteien haben ihr Rechtsverhältnis, soweit es den Urlaubsanspruch des Klägers betraf, mit der zu § 6 des Anstellungsvertrages getroffenen Regelung im Rechtsverhältnis des Arbeitgebers zum Arbeitnehmer gleichgestellt. § 9 des Manteltarifvertrages setzt die Rechtsfigur der Urlaubsabgeltung ausdrücklich voraus, regelt aber ihre Voraussetzungen nicht positiv (§ 9 Ziffer 6 des Manteltarifvertrages). Die Einbeziehung der manteltarifvertraglichen Regelungen in das Anstellungsverhältnisses bedingte deshalb zwingend die Einbeziehung auch der Regelung, die dem manteltariflichen Bezug auf eine Urlaubsabgeltung zugrunde liegt, und dies ist § 7 Abs. 4 BUrlG.

Der Höhe nach - rechnerisch - ist die Urlaubsabgeltung für das Jahr 2002 mit 9.902,76 € unumstritten.

d) Die Verurteilung der Beklagten ist aber anknüpfend an das von ihr geltend gemachte Zurückbehaltungsrecht Zug um Zug gegen Erteilung einer Auskunft zur Verwendung der Erlöse aus der "Alukasse" einzuschränken. Die vom Landgericht zur Entstehung des Zurückbehaltungsrechts angestellten Erwägungen sind in der Berufungsinstanz nicht angegriffen worden, auch sachlich offensichtlich richtig. Soweit das Landgericht die Reichweite des Zurückbehaltungsrechts allerdings auf einen Teilanspruch eingrenzt, folgt das Berufungsgericht dem nicht. Die Beklagte hat eine Beschränkung nicht ausgesprochen, und angesichts des wirtschaftlichen Gewichts der Auskunft ist eine Beschränkung unterhalb des auszuurteilenden Betrages auch nicht angebracht.

3. Das Berufungsgericht erachtet die gesetzlichen Voraussetzungen einer Zulassung der Revision für nicht gegeben.

Ende der Entscheidung

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