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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 24.10.2003
Aktenzeichen: 24 U 198/01
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 249
BGB § 635
1. Bei Mängeln des Werks ist der Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung nach der Differenz zwischen dem "Vertragswert" der Leistung einerseits und ihrem wirklichen Wert andererseits zu bestimmen.

2. Der werkvertragliche Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung kann in Fällen, in denen die Bestellerin die Sache behalten will - sog. kleiner Schadensersatz - regelmäßig anhand der zur Mängelbeseitigung erforderlichen Kosten vereinfacht berechnet werden.

3. Ist das Vertragsobjekt aber durch eine Vielzahl von Mängeln in einem Maße betroffen, dass die Herstellungskosten seinen Wert erreichen oder gar übersteigen, dann spiegelt der rein rechnerische Ansatz des Reparaturaufwandes den mit den Mängeln einhergehenden Minderwert nicht mehr wider; dann gilt die Differenzberechnung. (BGB 249; BGB 635)


OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

24 U 198/01

Verkündet am 24.10.2003

in dem Rechtsstreit

...

Der 24. Zivilsenat in Darmstadt des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main hat aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 10.10.2003

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das Schlussurteil der 13. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt vom 17.Juli 2001 abgeändert.

Das Versäumnisurteil vom 10.12.1999 wird aufrechterhalten, soweit der Beklagte verurteilt ist, den in der Urkunde des Notars. X mit Amtssitz in O1 UR-Nr. .../1994, Aufteilungsplan "Sondereigentum" Nr. ... bezeichneten Keller, Eingang ...gasse, geräumt und besenrein an die Klägerin herauszugeben.

Das Versäumnisurteil wird ­ unter Klarstellung zum Umfang des Miteigentumsanteils ­ weiter aufrechterhalten, soweit der Beklagte verurteilt ist, den Notar X mit dem Amtssitz in O1 anzuweisen, zu UR-Nr. .../1994 vom ....06.1994 zu Gunsten der Klägerin die Umschreibung des Eigentums an dem Grundstück Gemarkung O2, Flur ..., Nr. .../... zu einem Miteigentumsanteil von .../1000 verbunden mit dem Sondereigentum an den im Aufteilungsplan mit Nr. ... bezeichneten Räumlichkeiten ...gasse ..., O3 beim zuständigen Grundbuchamt zu beantragen und an die Klägerin 40.029,00 € nebst 7,5 % Zinsen seit dem 10.03.1999 aus der auf das Treuhandkonto des Notars eingezahlten Summe von 155.000,00 DM auszuzahlen.

Im übrigen wird das Versäumnisurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits sind von dem Beklagten zu 53 %, von der Klägerin zu 47 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 90.000,00 €, soweit nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Klägerin kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 5.000,00 , soweit nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Beide Parteien sind mit mehr als 20.000,00 € beschwert.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Beklagte hatte sein Grundstück in O2 aufgeteilt und an ­ zuletzt ­ zwei Einheiten Wohnungseigentum begründet. Mit dem im Tenor bezeichneten notariellen Vertrag verkaufte er der ­ bereits eingezogenen ­ Klägerin einen Miteigentumsanteil verbunden mit Sondereigentum an ­ faktisch ­ einer im wesentlichen neu zu errichtenden Doppelhaushälfte. Auf den notariellen Vertrag UR-Nr. .../1994 des Notars X in O1, die Anlagen zum notariellen Vertrag und die ergänzende Urkunde vom ...11.1994, UR-Nr. .../1994 wird Bezug genommen.

Im notariellen Vertrag war der Kaufpreis mit 210.000,00 DM bestimmt; davon hatte die Klägerin 30.000,00 DM bereits gezahlt. Aus der verbleibenden Differenz sollte die Klägerin 25.000,00 DM als Gewährleistungseinbehalt zurückhalten dürfen.

Den verbleibenden Betrag von 155.000,00 DM überwies sie ­ erst ­ im Jahre 1999 auf das Treuhandkonto des amtierenden Notars.

Die Klägerin hatte zwischenzeitlich in der Folgezeit eine Vielzahl von Mängeln gerügt. Auf ihren Antrag hin wurden im selbständigen Beweisverfahren Landgericht Darmstadt 13 OH 27/97 mehrere Gutachten erstattet; auf diese Gutachten ­ vom 09.05.1998, 17.12.1998, 04.06.1999 und Juli 2000 ­ wird verwiesen.

Die Klägerin nimmt den Beklagten nunmehr auf Erfüllung des Kaufvertrages, Schadensersatz und Minderung in Anspruch.

Sie hat vorgetragen, das Wohngebäude sei mit zahlreichen Mängeln behaftet.

Nachdem die Klägerin am 10.12.1999 ein Versäumnisurteil gegen den Beklagten erwirkt hatte, in welchem er u.a. verurteilt wurde, entsprechend dem Kaufvertrag vom ... Juni 1994, UR-Nr. .../1994, den Keller, Eingang ...gasse, der im Aufteilungsplan als Sondereigentum Nr. .... bezeichnet ist, geräumt und besenrein zu übergeben weiterhin den Notar X mit dem Amtssitz in O1, ...straße. ..., anzuweisen, betreffend seine Urkundenrolle Nr. .../1994 vom .... Juni 1994 die Löschung der durch die Klägerin nicht übernommenen Belastungen in Abteilung III. Nr. ... ­ ... zu beantragen und die Eigentumsänderung auf die Klägerin an dem Grundstück Gemarkung O2 Flur ... Nr. .../... betreffend den Miteigentumsanteil von .../1000 verbunden mit dem Sondereigentum an den im Aufteilungsplan mit Nr. ... bezeichneten Räumlichkeiten, ...gasse ..., ... O3, auf die Klägerin beim zuständigen Grundbuchamt zu stellen und den Restkaufpreis in Höhe von 155.000,00 DM nebst 7,5 % Zinsen seit dem 10. März 1999 an die Klägerin zurückzuzahlen.

hat die Klägerin beantragt,

das Versäumnisurteil vom 10.12.1999 zu Ziffern 3 und 5 aufrechtzuerhalten.

Der Beklagte hat beantragt,

das Versäumnisurteil betreffend die Ziffern 3 und 5 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Er hat vorgetragen, er könne den zu Ziffer 3 bezeichneten Kellerraum nicht herausgeben, da dieser der zweiten Wohneinheit zugeteilt sei. Der Klägerin sei unzulässige Rechtsausübung vorzuwerfen, wenn sie Gewährleistung über den Mängeleinbehalt von 25.000,00 DM hinaus beanspruche.

Das Landgericht hat ­ nach Erlass eines Teilurteils über andere Punkte ­ mit Schlussurteil vom 17.07.2001 im wesentlichen zugunsten der Klägerin entschieden. Wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes im einzelnen wird auf das Teilurteil vom 12.09.2000 und das Schlussurteil vom 17.07.2001 Bezug genommen.

Mit der Berufung trägt der Beklagte vor, die Klägerin habe die Mehrzahl der gerügten Mängel erst 3 Jahre nach Abschluss des Kaufvertrages angezeigt und Frist zur Beseitigung erst weitere 2 Jahre später gesetzt. Würde es bei der Entscheidung des Landgerichts verbleiben, dann bliebe der Beklagte verpflichtet, der Klägerin den Miteigentumsanteil ohne jede Gegenleistung zu überlassen. Die im selbständigen Beweisverfahren gutachtlich getroffenen Feststellungen stelle er ­ der Beklagte ­ zwar nicht in Abrede, meine aber, dass Minderungs- und Schadensersatzansprüche nicht nebeneinander bestehen könnten. Bei Übergabe der Wohnung im Dezember 1993 hätten allerdings nur die in der Mängelliste zum notariellen Vertrag vom ...06.1994 bezeichneten Mängel vorgelegen. Wären Mängel früher gerügt worden, dann hätte er sich an die von ihm beauftragten Handwerker halten können. In Ermangelung ausreichenden Eigenkapitals sei er darauf ange wiesen gewesen, einen erheblichen Teil der Umbauarbeiten in Eigenleistung zu erbringen. Die Klägerin habe eine Beseitigung der Mängel durch ihn nicht zugelassen.

Der Beklagte beantragt,

das Schlussurteil des Landgerichts Darmstadt vom 17.07.2001 abzuändern, das Versäumnisurteil vom 10.12.1999 im Umfang seiner Aufrechterhaltung zu Ziffern 3 und 5 aufzuheben und die diesbezügliche Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin trägt vor, sie habe seit 1994 schriftlich Mängel gerügt, auch gerichtliche Hilfe wegen Einzelpunkten in Anspruch genommen. Dazu hat sie als Anlagen zum Schriftsatz vom 27.03. und 23.04.2002 51 Schriftstücke aus den Jahren 1994 bis 1999 vorgelegt, deren Zugang vom Beklagten nicht bestritten wird.

Mit Schriftsatz vom 11.04.2003 hat die Klägerin gegen den Restkaufpreisanspruch des Beklagten die Aufrechnung erklärt, dies mit einem Anspruch auf Leistung von Schadensersatz im Umfang von 153.391,06 DM und einem Minderungsanspruch von 31.250,00 DM. Sie ist der Auffassung, Schadensersatz alternativ nach dem Minderwert des Hausgrundstückes oder nach dem zur Herstellung des vertragsgerechten Zustandes erforderlichen Aufwand verlangen zu können.

Die Klägerin trägt weiter vor, der Wert der Immobilie betrage in ihrem der Klägerin tatsächlich überlassenen Zustand nur 35.000,00 €.

Der Senat hat Beweis über den Verkehrswert des Wohneigentumsanteils der Klägerin erhoben; wegen der Beweisergebnisse wird auf das Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. G1 vom 05.09.2003 verwiesen. Dazu hat der Beklagte sich mit Schriftsatz vom 02.10.2003 erklärt.

Wegen des zweitinstanzlichen Sach- und Streitstandes im übrigen wird auf die vor dem Senat gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist ­ nur ­ zum Teil begründet. Die von der Klägerin geltend gemachten Minderungsansprüche begrenzten den Kaufpreis; aufgrund Aufrechnung mit Schadensersatzforderungen ist der Kaufpreisanspruch zu einem weiteren ­ größeren Anteil ­ erloschen; auf der Grundlage von Minderung und Aufrechnung berechnet er sich im Ergebnis mit 54.560,00 €. Von diesem Betrag sind 15.338,76 € durch frühzeitige Zahlung ­ vor Abschluss des notariellen Kaufvertrages ­ ausgeglichen. Damit steht dem Beklagten noch eine Restkaufpreisforderung in Höhe von 39.221,24 € zu.

Den überschießenden Teil des von der Klägerin auf Notaranderkonto eingezahlten Betrages von 155.000,00 DM = 79.254,24 €, dies sind 40.029,00 €, muss die Klägerin zurückerhalten; der Beklagte muss den amtierenden Notar, der stillschweigenden Treuhandabrede im notariellen Kaufvertrag entsprechend, zur Auszahlung anweisen.

Da der auf Notaranderkonto eingezahlte Betrag den begründeten Kaufpreisanspruch deckt, hat der Beklagte auch die zum Vollzug des Eigentumsübergangs notwendigen Anweisungen an den Notar zu erteilen.

Die Verurteilung des Beklagten zur Herausgabe des Kellerraums hat Bestand.

1. Auf die Gewährleistungsansprüche der Klägerin ist Werkvertragsrecht anzuwenden; da die Wohneinheit der Klägerin in ihren wesentlichen Teilen neu errichtet worden war, sind die "sachbezogenen" Pflichten des Beklagten im wesentlichen durch die der Pflicht eines Werkunternehmers entsprechende Herstellungspflicht geprägt (BHGZ 63, 96; 68, 372, 100, 391; 108, 156).

Der Beklagte hat seine Herstellungspflichten in vielfacher Hinsicht nicht vertragsgerecht erfüllt; das Gebäude ist mit Fehlern behaftet, die seinen Wert ­ und die Tauglichkeit zu dem gewöhnlichen Gebrauch ­ weitgehend mindern (§ 633 Abs. 1 BGB a.F.) ; das ist dem Grundsatz wie den Einzelheiten nach unstreitig; die Parteien gehen übereinstimmend von der Richtigkeit der Feststellungen und Einschätzungen der im selbständigen Beweisverfahren tätigen Sachverständigen G2, G3 und G4 aus; so hat es der Beklagte im Berufungsverfahren auch ausdrücklich hervorgehoben (Berufungsbegründungsschrift vom 17.12.2001, Bl. 10). Wegen dieser Mängel kann die Klägerin ihrer im Schriftsatz vom 11.04.2003 getroffenen Wahl entsprechend zu Punkten 3, 6 und 9 der Anlage zum Schriftsatz vom 29.10.1999 Minderung, zu den übrigen Punkten Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen (§§ 634 Abs. 1, 635 BGB).

Sämtliche zu den Zeitpunkten der Begutachtung in den Jahren 1998 und 1999 festgestellten ­ und zugestandenen ­ Mängel hafteten dem Bauwerk von Anfang an; dies ergibt sich aus dem Charakter der Mängel; zu keinem der Mängel hat sich ein greifbarer Hinweis darauf ergeben, er könnte durch Eingriffe von dritter Seite oder sonstige dem Ersteller nicht zurechenbare Vorgänge erst nach Abnahme entstanden sein; wegen der Einzelheiten wird auf die Gutachten der Sachverständigen G2 und G3 verwiesen.

Die Geltendmachung von Minderung und Schadensersatz war ­ soweit es über die große Zahl an Einzelrügen, die die Klägerin unbestritten an den Beklagten versandt hat, hinausgeht ­ nicht von einer ausdrücklichen Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung in jedem Einzelpunkt abhängig. Denn der nach sachverständiger Feststellung der Mängel im Rechtsstreit eingenommene Standpunkt, die Klägerin müsse sich auf den ­ offensichtlich unzureichenden, dazu später ­ Mängeleinbehalt verweisen lassen, ist als ernsthafte und endgültige Verweigerung jeglicher Mängelbeseitigung zu bewerten (§ 634 Abs. 2 BGB a.F.).

2. Auf der Grundlage des Minderungsanspruches und der Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen wegen Nichterfüllung berechnete sich der verbleibende Kaufpreis gegenüber dem vereinbarten Betrag von 210.000,00 DM (entsprechend 107.371,30 €) auf 106.710,08 DM entsprechend 54.560,00 €. Dies ist anknüpfend an die Preisbemessung der Parteien der Wert der Leistung, die der Beklagte der Klägerin zur Verfügung gestellt hat.

Die nur noch auf wenige Punkte bezogene Minderung ist ­ korrigiert nach den Preisvorstellungen der Parteien ­ nach dem Verhältnis des Wertes der Wohneinheit in ­ unterstellt ­ mängelfreiem Zustand zum wirklichen Wert zu bestimmen (§§ 634 Abs. 4, 472 Abs. 1 BGB a.F.). Da sich alle zum Ersatz geltend gemachten Schäden im Zustand des Bauwerkes selbst repräsentieren, ist auch der Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung ­ der das Klagebegehren wirtschaftlich im wesentlichen erschöpft ­ aus dem Vergleich dieser beiden Werte zu bestimmen. In der Differenz zwischen dem "Vertragswert" der Leistung einerseits, ihrem wirklichen Wert andererseits liegt der Nichterfüllungsschaden der Klägerin.

a) Der zur Beseitigung der Baumängel und damit zur Herstellung eines vertragsgerechten Zustandes erforderliche Aufwand ist ebenso wie die Minderung des Gebrauchswertes vor allem durch "Minderflächen" unstreitig; der Beklagte stellt die Feststellungen und Einschätzungen der im selbständigen Beweisverfahren tätig gewordenen Sachverständigen G2, G3 und G4 nicht in Abrede und tritt der hieran anknüpfenden Berechnung der Klägerin im Schriftsatz vom 11.04.2003 nicht entgegen. Die Summe der erforderlichen Aufwendungen in Höhe von 153.391,06 DM zuzüglich Minderwerten von insgesamt 1.250,00 DM, insgesamt 184.641,06 DM entsprechend 94.405,47 € ist aber nicht dem gleichzusetzen, was der Beklagte ausgleichen müsste. Denn eine solche ­ neben den in ihrer Summe weniger bedeutsamen Minderungsanteilen ­ am reinen Herstellungsaufwand orientierte Berechnung würde dazu führen, dass die Klägerin im wirtschaftlichen Ergebnis mehr in die Hand bekäme als sie geleistet hat; der faktische Kaufpreis würde sich als ­ Differenz von 210.000,00 DM und 184.641,06 DM ­ auf 25.358,94 DM entsprechend 12.965,82 € belaufen; in der Konsequenz müsste der Beklagte den überschießenden Anteil aus der Anzahlung ­ 30.000,00 DM entsprechend 15.338,76 € ­ zurückzahlen. Damit hätte die Klägerin für die Wohneinheit einen Miteigentumsanteil am Grundstück und ein zwar sanierungsbedürftiges, aber nutzbares Wohngebäude für einen Betrag erhalten, der sogar den reinen Bodenwert ­ von ca. 20.000,00 € ­ unterschreitet. Eine Bereicherung zu vermitteln, ist aber nicht Sinn des Schadensersatzes.

b) Zwar weist die Klägerin im Ansatz zutreffend darauf hin, dass die Praxis es weitgehend zulässt, den werkvertraglichen Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung in Fällen, in denen die Bestellerin die Sache behalten will ­ sog. kleiner Schadensersatz ­ anhand der zur Mängelbeseitigung erforderlichen Kosten zu berechnen (BGH NJW 1965, 34; 1983, 1424; NJW-RR 1991, 1429; NJW 1996, 3001).

Hierin spiegelt sich aber nichts als eine vereinfachte Berechnung des Minderwertes der "bearbeiteten" Sache. Mit der Verwirklichung des Schadensersatzanspruches wegen Nichterfüllung soll die Auftraggeberin ­ Käuferinoder Bestellerin ­ so gestellt werden, wie sie stünde, hätte die andere Seite ihre (Überlassungs- und Herstellungs-) Pflichten vertragsgerecht erfüllt. Ausgangspunkt der Schadensberechnung bleibt die sog. Differenzhypothese; der Schaden spiegelt die Differenz zwischen zwei Güterlagen wieder, nämlich der Lage, wie sie ­ hier ­ durch die Schlechtleistung entstanden ist und der, wie sie bestehen würde, wäre die Schlechtleistung "ausgeschaltet" worden. Die für die Mehrzahl der praktischen Fälle hinreichende, vereinfachte Rechnungsmethode nach dem Herstellungsaufwand ändert an diesem gedanklichen Ansatz und den aus ihm zu ziehenden Folgerungen grundsätzlich nichts (BGHZ 108, 156).

aa) Hätte der Beklagte vertragsgerecht erfüllt, dann hätte er der Klägerin eine Wohneinheit zur Verfügung gestellt, die ­ weder unter bestimmten Aspekten in ihrem Wert gemindert, noch ­ von handwerklichen Fehlleistungen belastet gewesen wäre; er hätte ihr eine "vollwertige" Wohneinheit zur Verfügung gestellt. In der Differenz des wirklichen Wertes der belasteten Wohneinheit zu dem Wert, den sie vollwertig "eigentlich" hätte, besteht der wirtschaftliche Nachteil, den die Klägerin erlitten hat.

Nur auf diesen wirtschaftlichen Nachteil kommt es in der Schadensberechnung an. Insbesondere dient der Schadensersatz nicht dazu, ein bestimmtes Objekt "um jeden Preis" in einen "vollwertigen" Zustand zu versetzen. Die gewährleistungs- rechtlichen Regelungen über den Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung schützen nicht die Dispositionsfreiheit der Geschädigten, dienen vielmehr allein dazu, wirtschaftliche Einbußen auszugleichen.

bb) Der Klägerin ist durchaus einzuräumen, dass die vereinfachte Form der Schadensberechnung nach den zur Mängelbeseitigung erforderlichen Kosten in der großen Mehrzahl der Fälle zu einem angemessenen wirtschaftlichen Ausgleich führen wird; diese große Mehrzahl der Fälle ist dadurch gekennzeichnet, dass Mängel sich auf bestimmte einzelne Punkte beziehen und/oder in dem Aufwand, der zu ihrer Beseitigung erforderlich ist, nicht außer Verhältnis zum wirtschaftlichen Wert der Sache im ganzen stehen. Ist das Vertragsobjekt aber ­ wie hier ­ durch eine Vielzahl von Mängel geradezu "elementar" betroffen, dann spiegelt der rein rechnerische Ansatz des Reparaturaufwandes den mit den Mängeln einhergehenden Minderwert nicht mehr wider.

cc) Dies ist nicht ­ wie die Klägerin durch ihren Hinweis auf die in BGHZ 141, 63 veröffentliche Entscheidung des BGH vom 25.02.1999 zu überdenken anregt ­ eine Frage dessen, ob der Schadensersatzanspruch der Bestellerin den Werklohn unter Umständen auch überschreiten darf. Das ist ­ natürlich ­ der Fall, ist der Ersatzanspruch doch auf vollständigen Ausgleich der durch die Versäumnisse des Auftragnehmers verursachten Schäden gerichtet. Mehr als den vollständigen wirtschaftlichen Ausgleich aber kann die Bestellerin gerade nicht beanspruchen, und dieser vollständige wirtschaftliche Ausgleich wird dort, wo sich die Mängel des Werkes durchweg in der Sache selbst repräsentieren, schlicht durch den Vergleich des "vertragsgerechten" Wertes mit dem wirklichen Wert geschaffen.

c) Dasselbe Ergebnis würde ­ wie der Senat am Rande bemerkt ­ aus einer Anwendung des § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB folgen: Es entspräche nicht der wirtschaftlichen Vernunft, ein elementar geschädigtes Bauwerk mit einem Aufwand herzustellen, der dem Neuwert gleich kommt.

d) Der Wert, den der Beklagte der Klägerin wirtschaftlich zur Verfügung gestellt hat, beläuft sich gegenüber dem mit 210.000,00 DM entsprechend 107.371,30 € vereinbarten Kaufpreis auf nur 106.710,08 DM entsprechend 54.560,00 €. Wie der Sachverständige Dipl.-Ing. G1 festgestellt hat, belief sich der Verkehrswert der Wohneinheit in mangelfreiem Zustand zum Zeitpunkt des Verkaufs auf 120.000,00 bis 124.000,00 €, im rechnerischen Mittel also auf 122.000,00 €. Ihr wirklicher Wert entsprach aber nur 61.000,00 € bis 63.000,00 €, im Mittel 62.000,00 €.

aa) Dies ist der Ansatz nicht nur zur Berechnung des Schadensersatzes, sondern wirtschaftlich entsprechend auch zur Berechnung der zu den Punkten 3, 6 und 9 der Anlage zum Schriftsatz vom 29.10.1999 geltend gemachten Minderung. Der vom Sachverständigen Dipl.-Ing. G1 festgestellte wirkliche Wert ­ und damit der Minderwert ­ der Wohneinheit schließt auch die "Minderflächen" ein, wie sie im Gutachten Dipl.-Ing. G4 berechnet sind; der Sachverständige Dipl.-Ing. G1 hat der Wertermittlung die wirklichen Flächen ­ den wirklich umbauten Raum ­ zugrundegelegt.

bb) An der Richtigkeit der Einschätzungen des Sachverständigen G1 zweifelt der Senat nicht. Der Gutachter ist dem Senat aus einer Reihe früherer Aufträge als sachkundig und zuverlässig bekannt. Sein Gutachten ist von erkennbar sorgfältiger Recherche und von Fachkunde geprägt; an keinem Punkt tauchen Unklarheiten, Widersprüche oder Lücken auf.

cc) Die von der Klägerin mit Schriftsatz vom 02.10.2003 geäußerten Einwände erschüttern diese Beurteilung des Senats nicht.

Der Hinweis der Klägerin darauf, dass der im Zwangsversteigerungsverfahren beauftragte Sachverständige Dipl.-Ing. G5 einen weit geringeren Verkehrswert ermittelt habe als der Sachverständige Dipl.-Ing. G1, geht an der Sache ­ nämlich der Beurteilung der Aussagekraft der Gutachten in fachlicher Hinsicht ­ vorbei; die Differenz der Ergebnisse beruht im wesentlichen auf unterschiedlichen rechtlichen Ansätzen.

Die baufachlich begründeten Wertansätze beider Gutachter sind praktisch gleich: Der Sachverständige Dipl.-Ing. G5 berechnet anknüpfend an den Index für das Basisjahr 1995 den Herstellungswert des Gebäudes einschließlich Außenanlagen auf 112.943,00 €, gerundet 113.000,00 € für das Jahr 2003 (dem entsprechenden Wert für das Jahr 2000 gleich). Der Sachverständige Dipl.-Ing G1 bewertet das Gebäude ­ ebenfalls einschließlich Außenanlagen ­ bezogen auf das Basisjahr 1995 mit einem Herstellungswert von 226.021,00 DM; dies entspricht nach dem vom Sachverständigen Dipl.-Ing. G1 zur Information angegebenen aktuellen Index des Jahres 2003 ­ 98,7 ­ einem Gesamtherstellungswert von aktuell 223.082,72 DM oder 114.060,38 DM. Diese Differenz ist in der Bewertung einer Immobilie vollkommen zu vernachlässigen.

Aus der praktischen Übereinstimmung aus der Wertermittlung für das Jahre 2003 folgt die praktische Übereinstimmung der entsprechenden Sätze für das Bezugsjahr 1993 ­ hier sind lediglich die einschlägigen Baupreisindizes rechnerisch zu übertragen.

Beide Gutachter gehen auch ­ in Übereinstimmung mit den Parteien des Rechtsstreits ­ im Blick auf die Mängel des Gebäudes von den Feststellungen aus, die die Sachverständigen Prof. Dr. G2 und Dipl.-Ing. G3 getroffen haben; dies dokumentiert sich im Gutachten des Dipl.-Ing. G1 in Ziffer 3.2 a.E. 3.3, 3.4 und der Anlage 2; es dokumentiert sich im Ergebnis übereinstimmend im Gutachten des Dipl.-Ing. G5 in der dem Sachstand des vorliegenden Verfahrens entsprechenden Schätzung der Herstellungskosten auf 80.000,00 € entsprechend ca. 156.000,00 DM.

Die Unterschiedlichkeit der Ergebnisse ­ ca. 62.000,00 € hier, 35.000,00 € dort ­ folgt allein aus unterschiedlichen rechtlichen Ansätzen, wie sie die Differenz der Auffassungen des Senats einerseits, der Klägerin andererseits widerspiegeln: Auf der Grundlage der ihm mitgeteilten Rechtsauffassung des Senats hat der Sachverständige Dipl.-Ing. G1 den wirklichen Wert in einer Gesamtbetrachtung ermittelt und als Verkehrswert einer vergleichbaren Wohneinheit in ihrem wirklichen Zustand bestimmt. Der Sachverständige G5 hingegen hat den Verkehrswert eines Vergleichsobjektes in mangelfreiem Zustand schlicht um die Reparaturkosten gekürzt ­ angesichts der "elementaren" Belastung der Wohneinheit musste sich hieraus fast naturgemäß ein deutlich niedrigerer Wert ergeben. Keine Bedenken trägt der Senat auch, dem Sachverständigen Dipl.-Ing. G1 in der Berechnung des wirklichen Verkehrswertes der Wohneinheit angewandten "WEA-Methode" zu folgen. Der Sachverständige Dipl.-Ing. G1 hat die wissenschaftliche und praktische Verlässlichkeit der Methode in jeder Hinsicht einleuchtend dargestellt.

e) Zur Bestimmung des vertraglichen Schadensersatzanspruches der Klägerin ist allerdings ­ wie zur Berechnung der Minderung zu den Punkten 3, 6 und 9 der Anlage zum Schriftsatz vom 29.10.1999 ­ eine Korrektur nach den von den Vertragsparteien gefundenen Wertansätzen erforderlich; nur auf der Grundlage dieser Wertansätze kann der Minderwert der Leistung dem Vertragswillen der Parteien entsprechend berechnet werden. Den Preis hatten die Parteien ­ möglicherweise bewusst und mit Rücksicht auf Eigenleistungen des Beklagten ­ unterhalb des Verkehrswertes, mit 210.000,00 DM entsprechend 107.371,30 € und damit auf rund 88 % des Verkehrswertes in mangelfreiem Zustand angesetzt. Der entsprechende Anteil des wirklichen Wertes der Wohneinheit beträgt 106.710,08 DM entsprechend 54.560,00 €. Die Differenz beider Werte entspricht dem Minderwert der Wohneinheit.

f) Auf den orientiert an der Preisbemessung der Parteien und der erklärten Aufrechnung zu zahlenden Preis von 54.560,00 € hat die Klägerin 30.000,00 DM = 15.338,76 € geleistet. Dem Beklagten stehen noch 39.221,24 € zu. Auf der Grundlage der im notariellen Vertrag vom ...06.1994 stillschweigend getroffenen Treuhandabrede ist er deshalb verpflichtet, den amtierenden Notar anzuweisen, aus dem auf Treuhandkonto eingezahlten Betrag von 155.000,00 DM entsprechend 79.250,24 € die Differenz zu 39.221,24 €, also 40.029,00 € an die Klägerin zurückzuzahlen.

3. Da die Voraussetzungen der auf Bl. 5, letzter Absatz des notariellen Vertrages vom ...06.1994 festgehaltenen Regelung zum Antrag auf Eigentumsumschreibung mit der ­ mehr als ­ vollständigen Einzahlung des Restkaufpreises auf das Treuhandkonto eingetreten sind, ist der Beklagte auch verpflichtet, den Notar anzuweisen, die zum Vollzug der Eigentumsübertragung notwendigen Erklärungen gegenüber dem Grundbuchamt abzugeben. Da der Miteigentumsanteil seiner Höhe nach in erster Instanz ­ unstreitig ­ falsch bezeichnet worden war, ist nunmehr der zutreffende Bruchteil klarstellend festzuhalten.

4. Zu Ziffer 3 des Versäumnisurteils ­ Absatz 1 des Tenors des angefochtenen Urteils ­ ist die Berufung unbegründet. Die Verpflichtung zur Herausgabe des Kellerraumes folgt unmittelbar aus der Bestimmung des Kaufobjektes im notariellen Vertrag vom ...06.1994. Das hat der Beklagte in der Berufungsinstanz auch sachlich nicht mehr in Frage gestellt. Die Tatsache, dass es ihm derzeit nicht ohne weiteres möglich ist, das Eigentum an dem Raum auf die Klägerin zu übertragen, berührt seine Verpflichtung zur Herausgabe des Raumes nicht.

5. Die Aussprüche über die Zinsen, die Kosten und die vorläufige Vollstreckbarkeit folgen aus §§ 284, 286 BGB a.F., 92, 708 Ziffer 10, 711 ZPO.

6. Der Senat lässt die Revision zu, da die Fortbildung des vertraglichen Schadensersatzrechts auch im Blick auf die zwischenzeitlich eingetretenen Rechtsänderungen eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Ziffer 2 ZPO).



Ende der Entscheidung

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