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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 25.05.2007
Aktenzeichen: 25 U 120/04
Rechtsgebiete: GmbHG


Vorschriften:

GmbHG § 30
GmbHG § 31
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I.

Wegen des Sachverhalts wird auf die Feststellungen im angefochtenen Urteil (Bl. 139 ff Bd. I d.A.) Bezug genommen, jedoch mit folgenden Änderungen, Ergänzungen und Klarstellungen:

Die Klägerin, die inzwischen als übernehmende Gesellschaft mit der (ursprünglichen) A-GmbH Steuerberatungsgesellschaft verschmolzen worden ist und dabei ihre Firma geändert hat, firmierte früher als B-GmbH Steuerberatungsgesellschaft. Sie beteiligt sich an Steuerberatungsgesellschaften und hat nach den Angaben ihres Geschäftsführers C im Senatstermin am 22.04.2005 derzeit rund 200 Tochtergesellschaften, zu denen die D-GmbH Steuerberatungsgesellschaft mit Sitz in O1 (künftig auch kurz: GmbH) gehört. Minderheitsgesellschafter (mit einem Anteil von zuletzt 35%) und zeitweise alleiniger Geschäftsführer dieser GmbH war der Beklagte. Er wird von der Klägerin nunmehr auf Zahlung von 510.000 € nebst Prozesszinsen aufgrund einer Bürgschaft vom 19.01.1999 (Bl. 13 Bd. I d.A.) in Anspruch genommen.

Zum Kontakt zwischen den Parteien war es gekommen, nachdem der Beklagte, der bis dahin allein eine Steuerberaterpraxis in O1 betrieb, mit Schreiben an einen Praxisvermittler vom 29.10.1998 (Bl. 202 f Bd. I d.A.) Interesse an einem Partner bekundet hatte, der sich bis Ende 1998 an dieser Praxis beteiligen sollte. Im Rahmen der anschließenden Verhandlungen kam es nach Darstellung der Klägerin zu einem Gespräch am 12.11.1998 in O2, an dem für die Klägerin der Zeuge Z1 (damals einer der Geschäftsführer der Klägerin) teilnahm. Über dieses Gespräch besteht zwischen den Parteien Streit. Jedenfalls wurden sich die Parteien letztlich einig über eine gemeinsame Beteiligung des Zeugen Z1 und des Beklagten an einer Steuerberatungsgesellschaft in der Rechtsform einer GmbH.

Daraufhin schlossen am 18.12.1998 der Beklagte und die damaligen Gesellschafter der E-Steuerberatungsgesellschaft mbH , zu denen als Mehrheitsgesellschafter der Zeuge Z1 gehörte, einen notariellen Vertrag über den Verkauf und die Übertragung von Geschäftsanteilen (Bl. 204 ff Bd. I d.A.). Danach wurden Geschäftsanteile von zusammen 20.000 DM (entspricht 40% der Stammeinlagen) an den Beklagten verkauft und sofort übertragen. In einer gleich anschließend abgehaltenen Gesellschafterversammlung wurden unter anderem die Änderung der Firma in D-GmbH Steuerberatungsgesellschaft und die Verlegung des Sitzes nach O1 beschlossen. Ferner wurde der Beklagte unter Abberufung der bisherigen beiden Geschäftsführer zum (vorerst) einzigen Geschäftsführer der GmbH bestellt. Die restlichen 60% der Stammeinlagen wurden (weiter) von dem Zeugen Z1 gehalten. Er war insoweit "Statthalter" der Klägerin, die sich damals noch an einer offenen Beteiligung an der GmbH gehindert sah. Später hat die Klägerin die Mehrheitsbeteiligung auch "offiziell" übernommen (wegen der Entwicklung der Beteiligungsverhältnisse an der GmbH wird auf die von der Klägerin hierzu vorgelegte Übersicht - Bl. 169 Bd. II d.A. - verwiesen).

Ebenfalls am 18.12.1998 schlossen die GmbH und der Beklagte einen Praxisübernahmevertrag (Bl. 208 ff Bd. I d.A.). Die bis dahin vom Beklagten betriebene Steuerberaterpraxis sollte danach mit Wirkung zum 30.12.1998 auf die GmbH übertragen werden. Als Kaufpreis wurden insgesamt 1,6 Millionen DM vereinbart, zahlbar in zwei Raten von 1,12 Millionen DM am Übernahmetag und 480.000 DM nach 12 Monaten. Außerdem schlossen der Beklagte und die GmbH einen - nicht datierten - Geschäftsführer-Anstellungsvertrag (Bl. 212 ff Bd. I d.A.).

Beide Kaufpreisraten für die Praxisübernahme wurden vereinbarungsgemäß an den Beklagten gezahlt, allerdings nicht durch die GmbH, sondern durch die Klägerin. Diese trat insbesondere mit der ersten Kaufpreisrate von 1,12 Millionen DM in Vorlage, da die GmbH seinerzeit weder über entsprechende Eigenmittel noch über Fremdmittel eines Kreditinstituts verfügte. Inwieweit sich die Parteien zu dieser Zeit bereits über das weitere Schicksal der (Re-) Finanzierung des Kaufpreises verständigt hatten, ist streitig. Jedenfalls kam es im Zusammenhang mit der von der Klägerin vorgeschossenen ersten Kaufpreisrate zu einer von dem Zeugen Z1 bei seiner Vernehmung durch den Senat vorgelegten Bürgschaftsvereinbarung der Parteien vom 24.12.1998 (Blatt 348 Bd. III d.A.). Hierdurch übernahm der Beklagte gegenüber der Klägerin eine betragsmäßig begrenzte selbstschuldnerische Bürgschaft in Höhe von 468.000 DM. In diesem Betrag enthalten waren 20.000 DM für die Einzahlung des auf den Beklagten entfallenden Anteils am Stammkapital. In Höhe der restlichen 448.000 DM (entspricht 40% der Kaufpreisrate von 1,12 Mio. DM) sollten Ansprüche der Klägerin aus der Zahlung des Praxiskaufpreises gesichert werden.

Am 19.01.1999 kam es (zumindest) zwischen der Klägerin und der GmbH (der Kopf des Vertrags nennt aber den als "Partner" bezeichneten Beklagten als weitere Vertragspartei) zum Abschluss einer Cash-Clearing-Vereinbarung (Bl. 7 ff Bd. I d.A.). Danach sollte die GmbH durch Abwicklung ihres geschäftlichen Zahlungsverkehrs über ein bei der F-Bank eingerichtetes, täglich "auf Null" zu stellendes (Neben-) Konto von den günstigen Bedingungen einer zwischen der Bank und der Klägerin bestehenden Kreditvereinbarung profitieren. Im Außenverhältnis zur Bank sollte die Klägerin für Kontenbelastungen haften, intern sollte die Klägerin für jeden Cash-Clearing-Teilnehmer ein Verrechnungskonto führen. Hierzu wurde in § 1 des Vertrages vereinbart, dass das bei der Klägerin geführte Verrechnungskonto bis zu einer Höhe von maximal 50.000 DM belastet werden könne. Für den Fall einer Änderung der Bedingungen ihrer Vereinbarung mit der Bank behielt sich die Klägerin das Recht vor, unter anderem den Höchstbetrag des Verrechnungskontos einseitig zu kürzen. § 4 der Vereinbarung enthielt Regelungen zur Beseitigung von Überziehungen innerhalb von zwei Wochen und zur Verzinsung geduldeter Überziehungen. In § 5 hieß es, dass der Partner (gemeint: der Beklagte) gegenüber der Klägerin eine selbstschuldnerische Bürgschaft in Höhe des vereinbarten Gesamtlimits nebst Zinsen übernehme. Unterschrieben wurde diese Vereinbarung vom Beklagten in der Unterschriftenzeile "cash-clearing-Teilnehmer", nicht dagegen ein zweites Mal in der Unterschriftenzeile "Partner"; ob letzteres bewusst oder nur aus Versehen unterblieb, ist streitig.

Am selben Tag schlossen die Parteien unter Verwendung eines von der Klägerin gestellten und auch in mehreren anderen Fällen verwendeten Formulars diejenige Bürgschaftsvereinbarung, auf die sich die Klageforderung stützt (Bl. 13 Bd. I d.A.). Danach hat der Beklagte eine betragsmäßig unbegrenzte selbstschuldnerische Bürgschaft für alle der Klägerin zustehenden Ausgleichsansprüche aus der Cash-Clearing-Vereinbarung und aus einer sog. Drecon-Vereinbarung übernommen. Bei letzterer handelt es sich um eine dreiseitige Vereinbarung vom 19./22./28.01.1999 zwischen der F-Bank, der Klägerin und der GmbH betreffend die tägliche Umsatzübertragung von den Nebenkonten zum Hauptkonto (Bl. 10 f Bd. I d.A.). Der tägliche Dispositionsrahmen für die Nebenkonten wurde darin auf 50.000 DM festgelegt.

Ob der Beklagte nach Abschluss der Vereinbarungen vom 19.01.1999 ein Schreiben der Klägerin vom 20.01.1999 betreffend die Frage der Refinanzierung des Praxiskaufpreises (Bl. 106 Bd I d.A.) erhalten hat, ist zwischen den Parteien streitig geblieben. Jedenfalls kam es in der Folgezeit zu einer Kreditzusage der F-Bank an die GmbH vom 02.07.1999 betreffend ein rückwirkend per 30.06.1999 zu gewährendes Darlehen von 1,6 Mio. DM (Bl. 88 ff Bd. I d.A.). Darin ausbedungen waren u.a. eine gesamtschuldnerische Mithaft der Klägerin und weiterer zu ihrem Unternehmensverbund gehörender Gesellschaften sowie eine Bürgschaft des Zeugen Z1. Am 09. bzw. 13.07.1999 wurde diese Zusage von der GmbH, der Klägerin sowie den weiteren mithaftenden Gesellschaften gegengezeichnet. Die Darlehensvaluta wurde nach dem Vortrag der Klägerin an diese ausbezahlt. Im Zusammenhang mit diesem Kredit übernahm der Beklagte am 18.10.1999 im Außenverhältnis zur Bank eine Höchstbetragsbürgschaft über 560.000 DM (Bl. 220 ff Bd. I d.A.). Der vereinbarte Betrag macht 35% des Kreditbetrags aus und entspricht damit prozentual dem Anteil des Beklagten am Stammkapital der GmbH in der Zeit vom 18.08.1999 bis 27.06.2000 (Übersicht Bl. 169 Bd. II d.A.).

Im weiteren Verlauf entwickelten sich die Geschäfte der GmbH und auch das Verhältnis der Parteien zueinander nicht so positiv wie anfangs erwartet. Inwieweit Umsatzrückgänge vom Beklagten verschuldet wurden, ist eine der Streitfragen in einem gesonderten Rechtsstreit zwischen der GmbH und dem Beklagten vor dem Landgericht Kassel (11 O 4066/04; vgl. Berichterstattervermerk vom 14.05.2005, Bl. 174 f Bd. II d.A.), der nach den übereinstimmenden Angaben der Parteien im letzten Termin vor dem Senat nach wie vor im ersten Rechtszug anhängig ist.

Jedenfalls kam es - nach dem Vorbringen der Klägerin planwidrig - dazu, dass die GmbH ihre Kreditverbindlichkeiten gegenüber der F-Bank nicht aus eigener Kraft bedienen konnte, worauf ihr die erforderlichen Mittel von der Klägerin über das interne Verrechnungskonto für das Cash-Clearing-Verfahren zur Verfügung gestellt wurden. Nachdem die Klägerin der GmbH mit Schreiben vom 31.01.2000 (Bl. 155 Bd. II d.A.) zunächst mitgeteilt hatte, dass sie den Gesamtkredit der GmbH im Cash-Clearing-Verfahren befristet bis zum 31.03.2000 von 50.000 DM auf 300.000 DM erhöht habe, teilte sie mit weiterem Schreiben vom 25.10.2001 (Bl. 156 Bd. II d.A.) mit, dass sie den Gesamtkredit der GmbH nun von 300.000 DM auf eine Million DM festgesetzt habe. Nach der Einführung des Euro teilte die Klägerin der GmbH mit Schreiben vom 28.01.2002 (Bl. 12 Bd. I d.A.) die Festsetzung des Gesamtkredits von bisher einer Million DM auf nunmehr 510.000 € mit. Die drei genannten Schreiben wurden jeweils vom Beklagten für die GmbH gegengezeichnet. Zu einer später einmal zur Debatte stehenden Umfinanzierung der für die Kreditverbindlichkeiten zur Verfügung gestellten Mittel (nur von der GmbH unterzeichneter Vertragsentwurf vom 16.09.2002, Bl. 244 Bd. II d.A.) ist es nicht gekommen.

Am 30.11.2002 und nochmals am 23.06.2003 gab die Klägerin - jeweils unter Hinweis auf eine bilanzielle Überschuldung der GmbH - im Hinblick auf Forderungen aus der GmbH gewährten Darlehen Rangrücktrittserklärungen ab (Bl. 40 und 41 Bd. I d.A.). Während des Rechtsstreits hat die Klägerin in Reaktion auf die Klageerwiderung eine Vereinbarung zwischen ihr und der GmbH vom 29.01.2004 (Bl. 72 Bd. I d.A.) vorgelegt, wonach die Rangrücktritte wegen Wegfalls der Überschuldung der GmbH einvernehmlich wieder aufgehoben wurden.

Die Klägerin trägt andererseits unter Verweis auf eine Saldenbestätigung der GmbH vom 07.01.2003 (Bl. 14 Bd. I d.A.) vor, dass sich auf dem Verrechnungskonto der GmbH schon zum 31.12.2002 ein Sollsaldo in Höhe von 947.704,87 € ergeben habe, der in der Folgezeit weiter angewachsen sei, und zwar bereits bis zum 30.06.2003 auf rund 1,1 Mio. €; zuletzt war von mehr als 1,2 Mio. € die Rede.

Ein Beschluss der damaligen Gesellschafter der GmbH vom 06.08.2003, der die Veräußerung des Mandantenstammes an eine andere Steuerberatungsgesellschaft vorsah (Bl. 51 f Bd. I d.A.; Vertragsentwurf hierzu: Bl. 91 ff Bd. I d.A.), wurde nach den Angaben der Klägerin nicht in die Tat umgesetzt. Aber auch unabhängig davon entfaltet die GmbH nach den Erklärungen, die der Geschäftsführer der Klägerin bei seiner Anhörung durch den Senat am 22.04.2005 abgegeben hat, derzeit keine steuerberatende Tätigkeit mehr.

Am 15.10.2003 fasste die Gesellschafterversammlung einen Beschluss, wonach der Beklagte aus wichtigem Grund als Geschäftsführer der GmbH abberufen und sein Geschäftsanteil von seinerzeit 35% des Stammkapitals eingezogen wurde (Bl. 36 f Bd. I d.A.). Mit Schreiben vom selben Tag (Bl. 15 Bd. I d.A.) teilte die Klägerin der GmbH mit, dass sie das im Rahmen der Cash-Clearing-Vereinbarung gewährte Darlehen fällig stelle. Nach Klageerhebung wiederholte die Klägerin mit Schreiben vom 01.04.2004 (Bl. 107 Bd. I d.A.) diese Erklärung und stellte klar, dass sie das Darlehen kündige.

Die Klägerin macht geltend, der Beklagte hafte ihr aufgrund der uneingeschränkt wirksamen Bürgschaftsvereinbarung vom 19.01.1999 in vollem Umfang für die auf dem internen Verrechnungskonto aufgelaufenen und durch Kündigung fällig gewordenen Verbindlichkeiten der GmbH, auch soweit diese auf die Gewährung von Darlehen zur Bedienung der Kreditverbindlichkeiten gegenüber der F-Bank zurückzuführen seien. Mit der anfangs im Urkundsprozess verfolgten Klageforderung hat sie den Beklagten unter Verweis darauf, dass der vereinbarte Kreditrahmen ausweislich des von der GmbH gegengezeichneten Schreibens vom 28.01.2002 (Bl. 12 Bd. I d.A.) jedenfalls 510.000 € betrage, auf Zahlung dieses Betrags in Anspruch genommen.

Der Beklagte hat demgegenüber verschiedene Einwendungen gegen die Wirksamkeit der streitigen Bürgschaftsvereinbarung vorgebracht und gemeint, er hafte allenfalls in Höhe von 50.000 DM. Auch insoweit sei er mangels Fälligkeit nicht zur Zahlung verpflichtet. Da die Darlehen der Klägerin an die GmbH Eigenkapital ersetzten, könne auch er als Bürge nicht in Anspruch genommen werden. Der Beklagte geht im übrigen davon aus, dass ihn die Klägerin bei den Verhandlungen Ende 1998 und Anfang 1999 bewusst über die Frage der späteren Refinanzierung des Kaufpreises für seine Praxis im Unklaren gelassen habe, um ihn zunächst um die Praxis und schließlich auch um den für die Übernahme vereinbarten Kaufpreis zu bringen.

Das Landgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt, an die Klägerin 510.000 € nebst 5% Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 13.11.2003 (Zustellung der Klageschrift) zu zahlen. Wegen der Entscheidungsgründe wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen (Bl. 139 ff Bd. I d.A.).

Gegen diese ihm am 15.07.2004 zugestellte Entscheidung richtet sich die Berufung des Beklagten, die er am 04.08.2004 eingelegt und mit am 03.09.2004 eingegangenem Schriftsatz vom 26.08.2004 (Bl. 168 ff Bd. I d.A.) begründet hat. Unter Wiederholung und Vertiefung seines bereits in erster Instanz vorgebrachten Standpunkts erstrebt der Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage, nunmehr unter entsprechender Abänderung des angegriffenen Urteils.

Die Klägerin erstrebt demgegenüber eine Zurückweisung der Berufung und verteidigt das angefochtene Urteil (Berufungserwiderungsschrift vom 30.09.2004, Bl. 3 ff Bd. II d.A.). Sie hat im Berufungsrechtszug unter anderem behauptet, bei einem am 12.11.1998 in O2 geführten Gespräch mit dem Beklagten sei diesem von dem Zeugen Z1 erläutert worden, dass in der Cash-Clearing-Vereinbarung zunächst ein Höchstbetrag von lediglich 50.000 DM genannt werde, dieser aber im Laufe der Zusammenarbeit möglicherweise erhöht werde, falls weitere Liquidität - eventuell auch zur Refinanzierung des Praxiskaufpreises - benötigt werde. Eben weil eine etwaige Erhöhung des Höchstbetrages nicht absehbar sei, benötige die Klägerin eine betragsmäßig unbegrenzte Bürgschaft, die jegliche Erhöhung des Cash-Clearing-Saldos abdecke. Damit sei der Beklagte einverstanden gewesen. Die Klägerin macht im Übrigen geltend, der Beklagte habe aufgrund der Bürgschaft wenigstens für Verbindlichkeiten der GmbH in Höhe von 296.498,83 € einzustehen, weil die Verbindlichkeiten insoweit aus dem laufenden, operativen Geschäft der GmbH herrührten. Hierzu verweist die Klägerin auf den von der GmbH unterzeichneten Vertragsentwurf vom 16.09.2004 (Bl. 244 Bd. II d.A.).

Wegen weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens im Berufungsrechtszug wird außerdem verwiesen auf die bei den Akten befindlichen Schriftsätze vom 07.03.2005 (Bl. 149 ff Bd. II d.A.), vom 18.04.2005 (Bl. 176 ff Bd. II d.A.), vom 17.06.2005 (Bl. 190 ff Bd. II d.A.), vom 06.09.2005 (Bl. 237 ff Bd. II d.A.), vom 06.10.2005 (Bl. 255 ff Bd. III d.A.), vom 13.12.2006 (Bl. 305 ff Bd. III d.A.) und vom 17.04.2007 (Bl. 338 f Bd. III d.A.) sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 24.11.2006 (Bl. 279 ff Bd. III d.A.).

Der Senat hat gemäß Beweisbeschluss vom 22.12.2006 (Bl. 327 f Bd. III d.A.) Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen Z1 zu dem von der Klägerin behaupteten Inhalt des Gesprächs vom 12.11.1998. Wegen des Ergebnisses dieser Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf die Sitzungsniederschrift vom 04.05.2007 (Bl. 340 ff Bd. III der Akte).

II.

Die Berufung des Beklagten ist statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere wurde sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet. Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg, denn im Unterschied zum Landgericht hält der Senat die Klageforderung für nicht bzw. zum Teil für jedenfalls derzeit nicht begründet. Um Wiederholungen zu vermeiden, wird dabei zur Begründung - auch soweit das im Folgenden nicht nochmals ausdrücklich hervorgehoben sein sollte - ergänzend Bezug genommen auf die den Parteien bekannten Hinweise, die ihnen mit der Terminsverfügung vom 04.02.2005 (Bl. 121 ff Bd. I d.A.), mit Hinweisbeschluss vom 15.07.2005 (Bl. 203 ff Bd. II d.A.) und mit Beweisbeschluss vom 22.12.2006 (Bl. 327 f Bd. III d.A.; hier: Ziffer VI.) erteilt worden sind.

Soweit die Verbindlichkeiten der GmbH, wegen deren die Klägerin den Beklagten als Bürgen in Anspruch nehmen will, daraus herrühren, dass die Klägerin der GmbH im Zusammenhang mit der Refinanzierung des Kaufpreises für die Praxis des Beklagten Darlehen zur Erfüllung der Kreditverbindlichkeiten gegenüber der F-Bank gewährt hat, scheidet nach Überzeugung des Senats ein Bürgschaftsanspruch gegen den Beklagten (§ 765 BGB) von vornherein aus.

Allerdings ist das Landgericht grundsätzlich zutreffend davon ausgegangen, dass sog. "weite" formularmäßige Bürgschaftserklärungen, durch die sich ein Bürge unbegrenzt und umfassend verpflichtet, auch nach der neueren Rechtsprechung in der Regel wirksam sind, falls sich ein Bürge für Verbindlichkeiten "seiner" Gesellschaft, insbesondere einer GmbH, verbürgt und als Geschäftsführer oder Gesellschafter die Geschicke der GmbH so bestimmen kann, dass das Risiko einer Inanspruchnahme aus der Bürgschaft für ihn beherrschbar ist (vgl ua BGH NJW 2000, 1179; BGH NJW 1996, 3205; BGHZ 142, 213; BGHZ 143, 95; BGHZ 153, 293). Fraglich ist indes schon, ob der Beklagte zum maßgeblichen Zeitpunkt des Abschlusses der streitigen Bürgschaftsvereinbarung vom 19.01.1999 wirklich in rechtlich ausreichender Weise gegen eine Erweiterung von Verbindlichkeiten der GmbH ohne oder gegen seinen Willen gesichert war. Das Landgericht hat hierzu erwogen, dass der Beklagte einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer der GmbH gewesen sei und dass nach dem Gesellschaftsvertrag (Bl. 223 ff Bd. I d.A.) Gesellschafterbeschlüsse grundsätzlich einer Mehrheit von 91% der Stimmen bedurft hätten; eine Ausweitung von Verbindlichkeiten ohne den Willen des Beklagten sei deshalb - ungeachtet seiner Minderheitsbeteiligung an der GmbH - ausgeschlossen gewesen.

Ob diese Schlussfolgerung zutrifft, ist aber zum einen deshalb zweifelhaft, weil nach § 7 Abs. 2 Buchst. f des Gesellschaftsvertrags die Aufnahme von Krediten von "im Einzelfall" nicht mehr als 20.000 DM (ohne Begrenzung für den Fall der wiederholten Aufnahme solcher Kredite) nicht der Zustimmung der Gesellschafterversammlung bedurfte, sodass der Beklagte insoweit zumindest nicht in seiner Eigenschaft als Minderheitsgesellschafter mit "Sperrminorität" bestimmenden Einfluss nehmen konnte (vgl. auch BGHZ 142, 213, zu I.2.a. der Gründe [juris-Rdnr. 11]). Soweit das Landgericht zum anderen darauf abgestellt hat, dass der Beklagte Geschäftsführer mit Einzelvertretungsbefugnis gewesen sei, ist auch das nicht ohne weiteres überzeugend. Denn nach den Regelungen in § 6 des Gesellschaftsvertrags sollte jeder von mehreren bestellten Geschäftsführern einzeln vertretungsberechtigt sein. Im Zusammenhang mit der bereits erwähnten Regelung zur Kreditaufnahme in § 7 des Gesellschaftsvertrags ergibt sich daraus die Möglichkeit, dass weitere, neben dem Beklagten bestellte Geschäftsführer jedenfalls Kredite von im Einzelfall bis zu 20.000 DM (und das auch wiederholt) sowohl ohne Mitwirkung des Beklagten als Geschäftsführer als auch ohne seine Zustimmung als Gesellschafter hätten aufnehmen zu können.

Außerdem ist offen, ob der Beklagte am 19.01.1999 bereits mit Außenwirkung zum Geschäftsführer bestellt war. In der im Rahmen des notariellen Vertrags vom 18.12.1998 beurkundeten Gesellschafterversammlung (Bl. 204 ff, hier: Bl. 207 Bd. I d.A.) war zwar unter anderem die Abberufung der beiden bisherigen Geschäftsführer G und H und die Bestellung des Beklagten zum (vorerst) alleinigen neuen Geschäftsführer beschlossen worden. Jedenfalls außenstehenden Dritten gegenüber konnte diese Änderung der Vertretungsverhältnisse aber erst mit der Eintragung im Handelsregister Wirkung entfalten (§§ 39 Abs. 1 GmbHG, 15 HGB). Ob diese Eintragung bis zum 19.01.1999 bereits erfolgt war, ist nicht dargetan und im Übrigen auch aus konkretem Anlass zu bezweifeln. Denn nach dem unbestritten gebliebenen Vorbringen im Schriftsatz des Beklagten vom 25.05.2004 sind die am 18.12.1998 vereinbarten bzw. beschlossenen Veränderungen jedenfalls gegenüber der Steuerberaterkammer erst mit Schreiben des Zeugen Z1 vom 10.02.1999 (Bl. 131 f Band I d.A.) angemeldet worden.

Ob unter diesen Voraussetzungen entgegen der Annahme des Landgerichts bereits durchgreifende Bedenken gegen die Wirksamkeit der Vereinbarung vom 19.01.1999 bestehen, kann allerdings dahinstehen. Denn unabhängig davon stellt sich jedenfalls die (im angefochtenen Urteil nicht näher untersuchte Frage), was die Parteien nach ihrem beiderseitigen Vertragswillen unter "Ausgleichansprüchen" im Sinne dieser Vereinbarung verstanden bzw. von welchem Sicherungszweck sie übereinstimmend ausgegangen sind. Bei der Auslegung von Bürgschaftsvereinbarungen können neben dem in erster Linie maßgeblichen Wortlaut der Bürgschaftsurkunde auch aussagekräftige Begleitumstände, die Entstehungsgeschichte des Vertrags, sein Zweck und die damit verbundene Interessenlage sowie schließlich - soweit sich daraus Anhaltspunkte für den tatsächlichen Vertragswillen ergeben - auch das nachträgliche Verhalten der Vertragsparteien berücksichtigt werden (vgl. BGH NJW-RR 1998, 259 mwN). Davon ist - ohne den grundsätzlich unterschiedlichen Auslegungsmaßstab bei Individualvereinbarungen einerseits und Formularverträgen andererseits zu verkennen (dazu BGH NJW-RR 1996, 375) - nach Auffassung des Senats auch hier auszugehen, weil die zu beurteilende Bürgschaftsvereinbarung nach den Umständen des Streitfalls lediglich ein Bestandteil eines auf das Vorhaben der Parteien zugeschnittenen "Gesamtpakets" von Vereinbarungen war, das sich aus Individualvereinbarungen (wie den am 18.12.1998 geschlossenen Verträgen) ebenso wie aus Formularverträgen (wie der Bürgschaftsvereinbarung) zusammensetzte, die in einem untrennbaren sachlichen Bezug zu einander stehen. Jedenfalls unter solchen Umständen kann nach Überzeugung des Senats eine (sozusagen isolierte) Untersuchung der Tragweite der Bürgschaftsvereinbarung anhand eines typisierenden bzw. generalisierenden Auslegungsmaßstabs dem zu beurteilenden Sachverhalt nicht gerecht werden.

Auf dieser Grundlage geht der Senat davon aus, dass der Sicherungszweck, den beide Parteien bei Abschluss der Bürgschaftsvereinbarung übereinstimmend vorausgesetzt haben, keine Verbindlichkeiten der GmbH umfasst, die daraus herrühren, dass das für die Abwicklung des Cash-Clearing-Verfahrens bestimmte Verrechnungskonto sich sozusagen in ein "normales" Darlehenskonto im Sinne eines langfristigen Finanzierungsinstruments des Mehrheitsgesellschafters gewandelt hat, indem die Klägerin der GmbH Mittel zur Erfüllung der zur Refinanzierung des Praxiskaufs eingegangenen Kreditverbindlichkeiten gegenüber der F-Bank zur Verfügung stellte. Einen Willen des Beklagten, sich auch im Hinblick auf derartige Verbindlichkeiten - und damit letztlich im Hinblick auf den ihm vereinbarungsgemäß zustehenden Kaufpreis für seine Praxis - unbegrenzt zu verbürgen und so im Endeffekt das volle wirtschaftliche Risiko für das Gelingen der dem Praxiskauf durch die GmbH zu Grunde liegenden Konzeption übernehmen, obwohl diese Konzeption von der Klägerin bzw. den mit ihr verbundenen Unternehmen oder Personen stammte, konnte die Klägerin nach Überzeugung des Senats nicht berechtigterweise erwarten, es sei denn, es wäre dazu eine unmissverständliche Abrede getroffen worden.

Die Bürgschaftsvereinbarung vom 19.01.1999 enthält eine derartige klare Abrede nicht. Besichert werden sollten danach "Ausgleichsansprüche" der Klägerin aus der Cash-Clearing-Vereinbarung und aus der (sozusagen zugrundeliegenden) Drecon-Vereinbarung mit der Bank. Mit dieser Bezugnahme auf die anderweitigen Vereinbarungen allein war aber nicht mehr angesprochen als die Beteiligung der GmbH an einem modernen Finanzierungsinstrument, das es durch die allabendliche Zusammenfassung aller Zahlungsströme von Konzerngesellschaften ermöglicht, alle flüssigen Mittel dieser Gesellschaften zu vereinen, um den Liquiditätsbedarf des Konzerns insgesamt zu senken (vgl. Gehrlein, MDR 2006, 789). Zur Frage der Finanzierung bzw. späteren Refinanzierung des Kaufpreises für die Praxis des Beklagten, zu deren Zahlung sich die GmbH verpflichtet hatte, war dagegen weder der Bürgschaftsvereinbarung selbst noch den dort in Bezug genommenen weiteren Vereinbarungen etwas zu entnehmen.

Der Klägerin ist auch nicht der Nachweis dafür gelungen, dass bei einem im Vorfeld der getroffenen Vereinbarungen geführten Gespräch am 12.11.1998 die Möglichkeit einer Inanspruchnahme der ggf. erhöhten Kreditlinie auf dem Verrechnungskonto für die Refinanzierung des Kaufpreises ausdrücklich besprochen und als einer der Gründe für eine von der Klägerin erwünschte unbegrenzte Bürgschaft genannt worden sei und dass der Beklagte daraufhin sein Einverständnis erklärt habe. Denn der hierzu benannte Zeuge Z1 vermochte diese Behauptungen nicht zu bestätigen. Was die Frage von Sicherheiten im Falle einer Beteiligung der GmbH am Cash-Clearing-System angeht, konnte sich der Zeuge nur noch daran erinnern, dass dem Beklagten deutlich gemacht worden sei, dass er in diesem Fall eine "100%-ige Bürgschaft" zu übernehmen habe. Das ist begrifflich schon nicht ohne weiteres dasselbe wie eine betragsmäßig unbegrenzte Bürgschaft. Eine solche strebte zwar die Klägerin nach der Aussage des Zeugen aufgrund interner Überlegungen an, dass diese internen Überlegungen aber auch gegenüber dem Beklagten offen gelegt worden sind, lässt sich anhand der gemachten Angaben nicht feststellen.

Insbesondere konnte der Zeuge Z1 auch nicht bestätigen, dass über eine etwaige spätere Erhöhung des Kreditlimits im Cash-Clearing-Verfahren überhaupt und im Besonderen im Hinblick auf möglichen Liquiditätsbedarf im Zusammenhang mit der Refinanzierung des Kaufpreises gesprochen worden sei. Mit einem solchen zusätzlichen Liquiditätsbedarf wurde nach den Angaben des Zeugen damals auch gar nicht gerechnet, weil man aufgrund der vorgenommenen Gewinnprognose davon ausging, dass die GmbH in der Lage sein würde, die Aufwendungen für die Fremdfinanzierung des Praxiskaufs zu tragen und die benötigten Fremdmittel in der vorgesehenen Zeit zu tilgen. In dieselbe Richtung weist im Übrigen auch das Vorbringen der Klägerin, wonach es damals "selbstverständlich" schien, dass die GmbH die Aufwendungen für die Aufnahme von Fremdmitteln aus eigener Kraft tragen könne (Schriftsatz vom 07.05.2004, Seiten 3 und 4, zu f. = Bl. 98 f Bd. I d.A.). Was die Frage der Refinanzierung des Kaufpreises bzw. in diesem Zusammenhang zu stellender Sicherheiten betrifft, konnte der Zeuge sich ansonsten nur daran erinnern, dass von einer Besicherung durch die Klägerin zu 100% und von einer anteiligen Bürgschaft des Beklagten von 40% (entsprechend seinem in Aussicht genommenen Geschäftsanteil an der GmbH) die Rede gewesen sei.

Dass sich die Parteien bei Verhandlungen vor dem Vertragsschluss darüber einig geworden waren, dass der Beklagte durch die Bürgschaft vom 19.01.1999 (auch) das Refinanzierungsrisiko im Hinblick auf den Praxiskaufpreises besichern sollte, noch dazu unbegrenzt, kann danach nicht angenommen werden. Der Zeuge Z1 hat zwar bei seiner Vernehmung zum Ausdruck gebracht, dass es sich dabei nach seiner Auffassung gleichsam um eine Selbstverständlichkeit gehandelt habe, weil für den Beklagten als Steuerberater auch ohne entsprechende Absprachen habe klar sein müssen, dass zu dem über das Cash-Clearing-System abzuwickelnden Betriebsmittelbedarf auch spätere Tilgungsleistungen für ein zur Refinanzierung des Kaufpreises noch aufzunehmendes Darlehen gehören würden. Dieser Auffassung vermag sich der Senat aber nicht anzuschließen, denn der Annahme einer selbstverständlichen (stillschweigenden) Willensübereinstimmung der Parteien über den von der Klägerin geltend gemachten Umfang des Sicherungszwecks der Bürgschaft stehen verschiedene Umstände entgegen.

So ist zunächst zu sehen, dass die Cash-clearing-Vereinbarung vom 19.01.1999 und die am selben Tag geschlossene, auf eben diese Vereinbarung Bezug nehmende "weite" Bürgschaftsvereinbarung einen Widerspruch aufweisen. Denn während nach der vom Landgericht für allein maßgebend gehaltenen Bürgschaftsvereinbarung der Beklagte "betragsmäßig unbegrenzt" haften sollte, war in der Cash-Clearing-Vereinbarung (hier: § 5) gerade etwas anderes vorgesehen. Danach sollte der "Partner" (womit nach dem Vertragskopf der Beklagte gemeint war) als Bürge nur haften "in Höhe des vereinbarten Gesamtlimits nebst Zinsen", was sich nach dem Gesamtzusammenhang der Vertragsurkunde nur als Anknüpfung an die in § 1 vereinbarte Höchstbelastung des Verrechnungskontos von 50.000 DM (sowie an die Zinsvereinbarung in § 2) auffassen lässt. Eine Art Öffnungsklausel in dem Sinne, dass der vereinbarte Höchstbetrag in Zukunft erhöht werden könne, ist der Vereinbarung nicht zu entnehmen. Im vorletzten Absatz von § 1 der Vereinbarung ist - im Gegenteil - nur die Möglichkeit einer einseitigen Kürzung von Tageslimit und Höchstbetrag durch die Klägerin angesprochen.

Soweit sich die Klägerin demgegenüber auf die in § 4 Abs. 2 getroffene Zinsabrede für "geduldete Überziehungen" beruft und daraus herleiten möchte, dass (schon) nach der Cash-Clearing-Vereinbarung der Umfang der zu besichernden Ansprüche nicht klar abgesteckt und begrenzt, sondern auf eine Erhöhung "angelegt" gewesen sei, ist das nicht überzeugend. Denn was die zu besichernde Hauptforderung angeht, bezog sich § 5 nun einmal ausdrücklich nur auf das "vereinbarte Gesamtlimit" (das sich aus § 1 ergibt) und lässt sich deswegen nicht so verstehen, dass auch bloß "geduldete" Überziehungen erfasst werden sollten.

Insoweit ist auch nicht ausschlaggebend, dass die Klägerin (erstmals nach dem Senatstermin am 22.04.2005) geltend gemacht hat, der Beklagte sei an der Cash-Clearing-Vereinbarung gar nicht beteiligt gewesen. Allerdings trifft es formal zu, dass der Beklagte diese Vereinbarung nicht in beiden vorgesehenen Unterschriftenfeldern unterschrieben hat. Ob das bewusst geschah (so die Klägerin) oder auf ein Versehen zurückzuführen ist (so der Beklagte), ist kontrovers und jeweils nicht unter Beweis gestellt. Die Darstellung der Klägerin, wonach der Beklagte bewusst nur für die GmbH unterzeichnet habe, weil mit ihm im Vorfeld schon eine separate unbegrenzte Bürgschaftsvereinbarung abgesprochen worden sei, wirft allerdings die Frage auf, warum der Beklagte trotz dieser angeblichen Klärung im Vorfeld dennoch als dritte Vertragspartei ("Partner") im Kopf der Cash-Clearing-Vereinbarung aufgeführt worden ist.

Das kann aber auf sich beruhen. Denn an der Widersprüchlichkeit der am 19.01.1999 getroffenen Vereinbarungen ändert sich im Ergebnis auch dann nichts, wenn man annimmt, in der Cash-Clearing-Vereinbarung sei keine (eigene) Willenserklärung des Beklagten enthalten. Da die in diesem Fall aus § 5 der Cash-Clearing-Vereinbarung wenigstens zu entnehmende Sicherungsabrede zwischen der Klägerin und der GmbH nur eine Besicherung in Höhe des vereinbarten Gesamtlimits (= 50.000 DM) nebst Zinsen vorsah und auch die Bürgschaftsvereinbarung sich ausdrücklich u.a. auf die Cash-Clearing-Vereinbarung bezog, passte die vom Beklagten abgegebene "weite" Bürgschaftserklärung nämlich nicht zu den übrigen Vereinbarungen. Diese Diskrepanz zwischen der Sicherungsabrede mit der GmbH als Schuldnerin und der Bürgschaftserklärung mag - folgt man der Aussage des Zeugen Z1 - von der Klägerin sogar beabsichtigt gewesen sein, weil sie nach den Angaben des Zeugen einerseits mit dem vereinbarten Gesamtlimit "erzieherisch" wirken, sich andererseits aber auch gegen etwa trotzdem vorkommende Überziehungen sichern wollte. Dass diese internen Vorstellungen der Klägerin gegenüber dem Beklagten auch offen gelegt worden seien, konnte der Zeuge aber nicht bestätigen. Deshalb war der Widerspruch zwischen den beiden Vereinbarungen vom 19.01.1999 durchaus geeignet, beim Beklagten (der vom Inhalt der Cash-Clearing-Vereinbarung und dem dort vereinbarten Limit unabhängig von der Frage seiner persönlichen Beteiligung an diesem Vertrag jedenfalls deshalb Kenntnis hatte, weil er ihn für die GmbH unterzeichnet hatte) Fehlvorstellungen über die Tragweite der ihm abverlangten Bürgschaft bzw. den Umfang des Sicherungszwecks aufkommen zu lassen. Das ist auch bei der Prüfung, wie die Bürgschaftserklärung des Beklagten von der Klägerin verstanden werden durfte, zu berücksichtigen, da die Klägerin durch die widersprüchliche Gestaltung der beiden von ihr vorbereiteten Vereinbarungen insoweit selbst den Anlass für Zweifel gesetzt hat.

Gegen die Annahme, der Sicherungszweck der Bürgschaft habe (auch) nach dem erkennbaren Willen des Beklagten eine - noch dazu unbegrenzte - Sicherung der Klägerin im Hinblick auf die Refinanzierung des Kaufpreises umfasst, spricht weiter, dass der Geschäftsführer der Klägerin im Termin am 22.04.2005 gegenüber dem Senat unmissverständlich erklärt hat, dass eine (interne) Finanzierung der (externen) Kreditverbindlichkeiten der GmbH über das Cash-Clearing-Verrechnungskonto - weil eigentlich unsinnig - ursprünglich nicht einmal von der Klägerin selbst geplant und es daher bei Abschluss der Bürgschaftsvereinbarung nicht absehbar gewesen sei, dass der vereinbarungsgemäß an den Beklagten gezahlte Praxiskaufpreis im Endergebnis zu einer das vereinbarte Limit weit übersteigenden Belastung des internen Verrechungskontos führen würde. Da sich diese Erklärungen mit dem späteren anwaltlichen Vortrag der Klägerin (Schriftsatz vom 06.09.2005, Seite 2 = Bl. 238 Bd.II d.A.) sinngemäß völlig decken, kommt es insoweit auch nicht mehr darauf an, inwieweit persönliche Erklärungen einer Partei im Rahmen einer Anhörung als Geständnis (§ 288 ZPO) zu behandeln sind (vgl. dazu BGH NJW-RR 2006, 672, unter kommentarloser Aufgabe von BGHZ 8, 235, und BGH VersR 1966, 269, sowie die Ausführungen im Beweisbeschluss vom 22.12.2006).

Dagegen dass die Klägerin die Bürgschaftserklärung des Beklagten so verstehen durfte, dass er als Minderheitsgesellschafter sie damit auch - und noch dazu unbegrenzt - gegen das mit der Refinanzierung des Kaufpreises verbundene Risiko sichern wolle, spricht weiter, dass nach den Angaben des Zeugen Z1 bei den geführten Vorgesprächen nur die externe Besicherung der späteren Refinanzierung des Kaufpreises zur Sprache gekommen ist, und zwar mit der Maßgabe, dass der Beklagte nur eine Bürgschaft übernehmen sollte, die seinem Anteil am Stammkapital der GmbH entsprach. In diesem Sinne ist dann später auch verfahren worden, und zwar zunächst schon bei der Besicherung der - noch ohne Beteiligung eines externen Kreditgebers - von der Klägerin vorgeschossenen ersten Kaufpreisrate von 1,12 Mio. DM. Nach der hierzu vom Zeugen vorgelegten Bürgschaftsvereinbarung vom 24.12.1998 hat der Beklagte insoweit nur eine betragsmäßig begrenzte Bürgschaft übernommen, die seinem in Aussicht genommenen Anteil an der GmbH von 40% entsprach. Nicht anders war es dann später bei der externen Besicherung nach der Gewährung des Refinanzierungskredits durch die F-Bank. Denn die gegenüber dieser als Gläubigerin übernommene Höchstbetragsbürgschaft des Beklagten war auf 35% der Kreditsumme begrenzt, was mit dem damaligen Anteil des Beklagten an der GmbH übereinstimmte. Das entsprach (bis auf den inzwischen um 5% gesunkenen Anteil des Beklagten an der GmbH) genau dem, was der Zeuge Z1 nach seinen Angaben am 12.11.1998 mit dem Beklagten besprochen hatte.

Unter diesen Umständen sieht der Senat nach zusammenfassender Würdigung keine Grundlage für die Feststellung, dass der Beklagte bei Abgabe seiner Bürgschaftserklärung am 19.01.1999 davon auszugehen hatte, dass die Klägerin für die Zeit nach dem Zustandekommen der Fremdfinanzierung über die insoweit mit dem Zeugen Z1 besprochene Besicherung hinaus auch noch im Innenverhältnis der Parteien eine weitere Absicherung im Hinblick auf die Refinanzierung des Kaufpreises erwartete, noch dazu - anders als bei der vorangegangenen Bürgschaftsvereinbarung vom 24.12.1998 und abweichend von den für die Besicherung im Außenverhältnis zum Kreditinstitut besprochenen Modalitäten sowie ungeachtet der bloßen Minderheitsbeteiligung des Beklagten - in voller Höhe bzw. unbegrenzt. Auf der anderen Seite konnte auch die Klägerin unter den genannten, ihr erkennbaren Umständen mangels eindeutiger Absprachen nicht berechtigterweise erwarten, dass sich der Beklagte in einem derartigen Umfang verbürgen und damit im Endeffekt das Risiko eines wirtschaftlichen Totalverlusts des an ihn für die Praxis gezahlten Kaufpreises auf sich nehmen wollte. Das gilt umso mehr als die Klägerin mit der Übernahme der Praxis durch die GmbH nach der von ihr entwickelten Konzeption keine altruistischen Motive verfolgte, sondern eigennützige Interessen. Wie ihr Geschäftsführer im Senatstermin am 22.04.2005 erläutert hat, verspricht sie sich vom "Einkauf" von Tochtergesellschaften, deren Zahl sich bereits auf rund 200 beläuft, langfristig Profit, selbst wenn wegen der Ausgaben für die Kaufpreise kurzfristig "nur" eine weitgehende Steuervermeidung, aber keine Gewinne zu realisieren sind. Auch unter Berücksichtigung dieser Interessenlage konnte die Klägerin nicht erwarten, dass der Beklagte im Innenverhältnis der Parteien zur Übernahme eines Risikos im genannten Umfang bereit sei und letztlich allein für einen etwaigen Misserfolg des Vorhabens haften wolle.

Die im Schriftsatz der Klägerin vom 06.09.2005 unter Ziffer 3. (Seiten 3 - 5 = Bl. 239 bis 241 Bd. II d.A.) behandelten nachträglichen Vorgänge können zu keiner anderen Beurteilung führen. Denn sie reichen nicht aus, um ungeachtet der erörterten, dagegen sprechenden Umstände, zu dem Schluss zu kommen, dass der beiderseitige Vertragswille am 19.01.1999 einen Sicherungszweck der Bürgschaft in dem mit der Klage geltend gemachten Umfang umfasste. Die Auffassung der Klägerin, ihr Schreiben vom 08.10.2002 zeige, dass die Parteien übereinstimmend von einer schon bestehenden Bürgenhaftung (auch) für Finanzierungsaufwendungen betreffend den Praxiskauf ausgegangen seien, teilt der Senat nicht. In dem als Ausgangspunkt der Argumentation eingereichten Anwaltsschreiben vom 26.08.2002 (Bl. 245ff Bd. II d.A., hier: zu Ziffer 6) war nur allgemein die "unbegrenzte" Bürgschaft "betreffend die Cash-Clearing-Vereinbarung" angesprochen, was nicht mehr als eine Wiederholung des Wortlauts der Bürgschaftsurkunde darstellte. Die Frage, ob der Sicherungszweck auch (planwidrig) auf das Verrechnungskonto gebuchte Zins- und Tilgungsleistungen für das Kaufpreisdarlehen umfasste, wurde dagegen gar nicht thematisiert. Da die Klägerin einen derartigen Standpunkt nicht eindeutig formuliert hatte, kann auch die Reaktion des Beklagten in seiner Einladung vom 29.08.2002 (Bl. 249 f Bd. II d.A.; hier: zu Ziffer 13. u. 14.) nicht ohne weiteres als Billigung eines solchen Standpunkts aufgefasst werden, sondern ebenso gut als Ausdruck der Intention des Beklagten, einem nur möglicherweise bestehenden Haftungsrisiko durch klarstellende Vereinbarungen entgegen zu wirken. Auch seine Darstellung, dass er sich durch das Schreiben vom 26.08.2002 unter Druck gesetzt fühlte, lässt sich nicht ohne weiteres von der Hand weisen.

Wenn die Klägerin sich einerseits gewiss gewesen wäre, der Beklagte hafte ohnehin schon aufgrund der Bürgschaft vom 19.01.1999 (auch) für die damals mit 587.373 € valutierenden Verbindlichkeiten aus der Kaufpreisrefinanzierung, und wenn es ihr andererseits "entscheidend" schien, es auch im Falle einer Umfinanzierung "bei dem ursprünglichen Haftungsumfang" zu belassen (Schriftsatz vom 06.09.2005, aaO), dann fragt sich im übrigen, was die Klägerin denn bewogen haben sollte, dennoch "entgegenkommenderweise" (aaO) für die Zukunft nur eine Sicherung in einer dem Gesellschaftsanteil des Beklagten entsprechenden Quote zu verlangen. Wie das vorausgegangene Anwaltsschreiben vom 26.08.2002 anschaulich zeigt, war das Verhältnis der Parteien zu dieser Zeit bereits ganz erheblich belastet. Für ein freigiebiges Entgegenkommen der Klägerin im Sinne einer teilweisen Aufgabe nach ihrer Überzeugung schon bestehender Bürgschaftsansprüche ist deshalb keine plausible Erklärung ersichtlich.

Die Vorgänge nach dem Anwaltsschreiben vom 26.08.2002 sind daher für den Senat kein ausreichender Anhaltspunkt für die Richtigkeit des Standpunkts der Klägerin. Sie belegen nicht einmal eindeutig, dass sich die Klägerin selbst sicher war, den Beklagten (schon) aus der Bürgschaft vom 19.01.1999 (auch) wegen ihrer Gesellschafterdarlehen im Zusammenhang mit der Kaufpreisrefinanzierung, die entgegen den ursprünglichen Erwartungen in das Cash-Clearing-Verrechnungskonto eingestellt worden waren, in Anspruch nehmen zu können. Aufschluss über den beiderseitigen Vertragswillen ist daher aus diesen nachträglichen Vorgängen nicht zu gewinnen.

Der Senat kommt danach zu dem Ergebnis, dass bei einer Gesamtschau der Umstände nicht von einem am 19.01.1999 beiderseits vorhandenen Vertragswillen ausgegangen werden kann, mit der "unbegrenzten" Bürgschaft für Ausgleichsansprüche aus der Cash-Clearing-Vereinbarung auch einen langfristigen Finanzbedarf der GmbH in Gestalt der späteren (damals gar nicht erwarteten) Gesellschafterdarlehen der Klägerin zwecks Erfüllung der Bankverbindlichkeiten wegen des Kaufs der Praxis zu sichern. Eine nachträgliche Vertragsänderung im Hinblick auf den Sicherungszweck lässt sich ebenfalls nicht feststellen. Soweit die schriftlichen Mitteilungen der Klägerin an die GmbH betreffend eine Erhöhung des Gesamtkredits zum Zeichen des Einverständnisses gegengezeichnet wurden, hat der Beklagte dabei - durch den jeweils beigedrückten Stempel deutlich kenntlich gemacht (Bl. 12 Bd. I und Bl. 155 und 155 Bd. II d.A.) - nur für die GmbH als deren Geschäftsführer gehandelt. Das allein genügte nicht für eine Erweiterung seiner persönlichen Verpflichtungen aus der Bürgschaft (§ 767 Abs. 1 Satz 3 BGB).

Der Senat vermag schließlich auch nicht die Auffassung der Klägerin zu teilen, der Beklagte sie ihr wenigstens zur Zahlung von 296.498,83 € verpflichtet, weil in dieser Höhe ein nicht mit der Kaufpreisrefinanzierung in Zusammenhang stehendes Debet aus den laufenden Geschäften der GmbH auf dem Verrechnungskonto aufgelaufen sei. Es ist schon fraglich, ob das Vorbringen der Klägerin genügt, um den hilfsweise geltend gemachten Betrag ausreichend zu begründen. Denn die Klägerin hat sich dazu bislang nur auf den Vertragsentwurf vom 16.09.2002 (Bl. 244 Bd. II d.A.) bezogen, der lediglich Angaben zu den Saldenständen am 04.09.2002 enthält, ohne dass auch die weitere Kontoentwicklung dargetan wäre. Das kann aber dahinstehen, denn weiterer Sachaufklärung bedarf es deshalb nicht, weil nach Überzeugung des Senats - jedenfalls derzeit - auch im Hinblick auf Verbindlichkeiten aus der Cash-Clearing-Vereinbarung, die mit dem planwidrigen Einsatz des Verrechnungskontos zur Deckung des langfristigen Finanzbedarfs für den Praxiskauf nichts zu tun haben, bereits dem Grunde nach kein durchsetzbarer Bürgschaftsanspruch gegen den Beklagten besteht.

Aus den Gründen des Hinweisbeschlusses vom 15.07.2005 (hier: unter II., Bl. 204 ff Bd. II d.A.), denen die Klägerin insoweit nicht mehr entgegen getreten ist, sodass darauf zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen werden kann, ist nämlich davon auszugehen, dass die von der Klägerin über das Verrechnungskonto zur Verfügung gestellten Darlehensmittel bis auf weiteres einer Rückzahlungssperre unter dem Gesichtspunkt des Eigenkapitalersatzes nach den Rechtsprechungsregeln zu den §§ 30, 31 GmbHG unterliegen, sodass die Klägerin (auch unabhängig von der Frage einer im Übrigen wirksamen Fälligstellung bzw. Kreditkündigung) gegenüber der GmbH als Schuldnerin einen Darlehensrückzahlungsanspruch derzeit nicht durchsetzen kann. Ergänzend ist dazu anzumerken, dass der BGH inzwischen klargestellt hat, dass es für eine an einem Cash-Pool-System beteiligte GmbH bei der Kapitalaufbringung kein "Sonderrecht" gibt, sondern die allgemeinen Grundsätze Anwendung finden (BGH NJW 2006, 1736; vgl. dazu auch Gehrlein, MDR 2006, 789ff). Im Hinblick auf die Kapitalerhaltungsgrundsätze ist nach Überzeugung des Senats aus denselben Erwägungen heraus ebenfalls keine Sonderbehandlung angezeigt.

Auch ist unverändert von einer Überschuldung der GmbH auszugehen, auf welche sich die Klägerin bei ihren Rangrücktrittserklärungen vom 30.11.2002 und vom 23.06.2003 selbst bezogen hat. Die in der späteren Vereinbarung mit der GmbH vom 29.01.2004 enthaltene Behauptung, die Überschuldung sei inzwischen weggefallen, ist nicht nachvollziehbar und nach Überzeugung des Senats als prozessbedingte Erklärung zu werten. Soweit die Klägerin auf die Aktivierung der von der GmbH in dem Rechtsstreit mit dem Beklagten (11 O 4066/04 LG Kassel) verfolgten Ansprüche verwiesen hat, lässt sich auch daraus keine Beseitigung der Überschuldung entnehmen. Nach dem Ergebnis der Akteneinsicht durch den Berichterstatter (Vermerk vom 14.04.2005, Bl. 174 f Bd. II d.A.) macht die GmbH Ansprüche in Höhe von zusammen etwa 875.000 € geltend, was erheblich weniger ist als ihre Darlehensverbindlichkeiten bei der Klägerin, die sich nach deren Vorbringen auf deutlich mehr als 1 Million € belaufen. Hinzu kommt, dass die GmbH ihren satzungsmäßigen Geschäftsbetrieb eingestellt hat und demzufolge nichts mehr erwirtschaftet.

Die Klägerin hat im Anschluss an den Hinweisbeschluss vom 15.07.2005 zwar gemeint, das aus den Kapitalerhaltungsgrundsätzen folgende Rückzahlungsverbot könne nicht dem Beklagten als Bürgen zugute kommen. Diese Auffassung und insbesondere auch die Annahme der Klägerin, die Richtigkeit ihres Standpunkts ergebe sich aus dem Urteil des BGH vom 15.02.1996 (NJW 1996, 1341), teilt der Senat aber nicht. Der BGH hat erwogen, dass sich auf ein Rückzahlungsverbot im Verhältnis zu einer GmbH als Darlehensnehmerin wegen der Akzessorietät der Bürgschaft grundsätzlich auch der Bürge berufen können müsste. Mit Blick darauf, dass bei Gesellschafterdarlehen der Kapitalersatzcharakter "in aller Regel" ein Durchgangsstadium auf dem Weg zur Insolvenz sei, hat der BGH sodann allerdings - letztlich jedoch offen lassend - die Frage angesprochen, ob bei kapitalersetzenden Darlehen der Grundsatz der Akzessorietät eventuell allgemein hinter dem Sicherungszweck zurückzutreten habe. Ausgesprochen hat der BGH eine solche Rechtsfolge aber nur für den Fall, dass "ein Bürge weiß, dass der Darlehensgeber Gesellschafter der darlehensnehmenden GmbH ist und dass diese sich in einer finanziellen Krise befindet", weil unter solchen Voraussetzungen regelmäßig anzunehmen sei, dass die Bürgschaft auch das Kapitalersatzrisiko abdecken solle.

Die Ansicht der Klägerin, dies treffe hier in gleicher Weise zu und der Beklagte habe beim Abschluss der Bürgschaftsvereinbarung vom 19.01.1999 den Eigenkapital ersetzenden Charakter des Cash-Clearing-Kredits gekannt, teilt der Senat aus mehreren Gründen nicht. So ist die Klägerin dem Beklagten bei Abschluss der Bürgschaftsvereinbarung schon nicht offen als Gesellschafterin gegenüber getreten. Aus den im Senatstermin am 22.04.2005 abgegebenen Erklärungen des Geschäftsführers der Klägerin kann zwar - wie bereits im Hinweisbeschluss vom 15.07.2005 unwidersprochen ausgeführt wurde - gefolgert werden, dass der Zeuge Z1 als anfänglicher Mehrheitsgesellschafter ein "Strohmann" der Klägerin war, sodass diese sich im Hinblick auf der GmbH gewährte Kredite von Anfang an wie eine Gesellschafterin behandeln lassen muss. Das heißt aber noch nicht, dass der Beklagte diese Zusammenhänge bereits am 19.01.1999 erkannt hatte und in diesem Bewusstsein die Bürgschaftserklärung abgab. Dazu hat auch die Klägerin ungeachtet der erteilten Hinweise nichts Greifbares mehr vorgetragen.

Insbesondere muss auch an dieser Stelle weiter beachtet werden, dass sich die Bürgschaftserklärung ausdrücklich nur auf Ansprüche der Klägerin aus der Cash-Clearing-Vereinbarung und der Drecon-Vereinbarung bezog. Mit diesen Konzern-Finanzierungsinstrumenten aber hatte das bis zum 19.01.1999 erkennbar gewordene Agieren der Klägerin als Kreditgeberin der GmbH nichts zu tun. Dabei ging es vielmehr darum, der GmbH, die im Hinblick auf die vom Beklagten erworbene Steuerberaterpraxis noch am Anfang ihrer Geschäfte stand, die fällige Kaufpreisrate vorzuschießen, für die es seinerzeit noch keine externe Finanzierung gab. Durch diese sog. Zwischenfinanzierung ist damals außerhalb des Cash-Clearing-Systems und der dazu getroffenen Vereinbarungen ein gesondertes Darlehensverhältnis zwischen der Klägerin und der GmbH entstanden.

Ansprüche aus diesem Darlehen aber haben in der Bürgschaftsvereinbarung vom 19.01.1999 mit keinem Wort Erwähnung gefunden. Das leuchtet auch ein, nachdem sich bei der Beweisaufnahme herausgestellt hat, dass sich die Klägerin wegen der vorgeschossenen Kaufpreisrate bereits anderweit gesichert hatte, nämlich durch die zeitlich vorangegangene Bürgschaftsvereinbarung vom 24.12.1998, mit der der Beklagte insoweit eine begrenzte und seinem vorgesehenen Anteil an der GmbH entsprechende Bürgschaft gestellt hatte. Es kann dahinstehen, ob für den Beklagten bei Abgabe dieser Bürgschaftserklärung vom 24.12.1998 das Streben der Klägerin nach einer Absicherung gegen ein Kapitalersatzrisiko erkennbar war. Auch kann offen bleiben, ob die Bürgschaft vom 24.12.1998 etwa ihrerseits Kapital ersetzenden Charakter hatte. Denn jedenfalls kann nicht festgestellt werden, dass derartiges in gleicher Weise für die hier entscheidende Bürgschaftserklärung vom 19.01.1999 zutrifft und dass insbesondere der Beklagte (auch) bei der Abgabe dieser Erklärung Anlass für die Annahme hatte, dass die Klägerin damit gegen ein Kapitalersatzrisiko gesichert werden wolle. Was die am 19.01.1999 besicherte Cash-Clearing-Vereinbarung angeht, wurde bereits im Hinweisbeschluss vom 15.07.2005 ausgeführt, dass insoweit aus der damaligen Sicht angesichts des zumindest mit der GmbH verbindlich vereinbarten Debetlimits von 50.000 DM (das der Höhe des Stammkapitals entsprach) der Gedanke an ein Kapitalersatzrisiko der Klägerin fernliegend war. Dem ist die Klägerin in ihrer anschließenden Stellungnahme auch nicht entgegen getreten.

Da nach dem oben Gesagten nicht angenommen werden kann, dass der Beklagte bei Abgabe seiner Willenserklärung vom 19.01.1999 davon auszugehen hatte, dass der Sicherungszweck dieser Bürgschaft auch etwaige Ansprüche im Zusammenhang mit der langfristigen Kaufpreisrefinanzierung umfasse, lässt sich auch unter diesem Gesichtspunkt nicht feststellen, dass sich die Parteien über eine Absicherung der Klägern gegen ein Kapitalersatzrisiko einig waren. Anknüpfend an die Überlegungen im Urteil des BGH vom 15.02.1996 (NJW 1996, 1341) ist der Senat deshalb der Auffassung, dass die Darlehensrückzahlungssperre im Verhältnis zur GmbH als Schuldnerin auch Ansprüche gegen den Beklagten als Bürgen (derzeit) ausschließt. Die Erwägung, gegen eine Anwendung des Grundsatzes der Akzessorietät einer Bürgschaft könne bei der Besicherung von Gesellschafterdarlehen sprechen, dass deren Kapitalersatzcharakter in der Regel ein Durchgangsstadium auf dem Weg zur Insolvenz sei (BGH aaO), kann jedenfalls im vorliegenden Fall nicht zum Tragen kommen. Denn obwohl nach dem oben Gesagten davon auszugehen ist, dass die GmbH schon seit Jahren wegen Überschuldung insolvenzreif ist, und obwohl sie auch seit längerem ihre satzungsgemäße Geschäftstätigkeit eingestellt hat, wird sie von der Klägerin weiter am Leben gehalten. Zudem war die GmbH - wie schon im Hinweisbeschluss vom 15.07.2005 unwidersprochen ausgeführt wurde - angesichts ihrer geringen Kapitalausstattung und der Höhe des geschuldeten Kaufpreises für die Praxis von Anfang an nicht ohne Hilfe der Klägerin überlebensfähig, wie bereits die vorgeschossene Kaufpreisrate zeigt. Die bei der Refinanzierung des Kaufpreises von der F-Bank ausbedungenen Konditionen (Mithaft der Klägerin usw.) weisen deutlich darauf hin, dass die GmbH auch von wirtschaftlich denkenden Dritten bereits in ihrer Startphase nicht als kreditwürdig angesehen wurde (zur Bedeutung der Kreditwürdigkeit für die Anwendung der Grundsätze zum Eigenkapitalersatz vgl. z.B. BGH NJW 2006, 225). Die Regel, dass der Eigenkapitalersatzcharakter von Gesellschafterhilfen ein Durchgangsstadium auf dem Weg zur Insolvenz markiere, trifft deshalb im Streitfall nicht zu. Eine Abweichung vom Grundsatz der Akzessorietät einer Bürgschaft ist daher nach Auffassung des Senats hier nicht gerechtfertigt.

Da die Klägerin nach alledem insgesamt unterliegt, waren ihr die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen (§ 91 ZPO).

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Zulassung der Revision schien dem Senat nach § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO zum einen geboten wegen der Frage, nach welchen Maßstäben eine in ein Gesamtpaket von Vereinbarungen eingebundene formularmäßige Bürgschaftserklärung auszulegen ist, zum anderen wegen der - soweit ersichtlich - höchstrichterlich noch nicht abschließend geklärten Grenzen der Akzessorietät einer Bürgschaft bei der Besicherung von Kapital ersetzenden Gesellschafterdarlehen (vgl. hierzu neben BGH NJW 1996, 1341 auch BGH WM 2002, 2278 und NJW-RR 2004, 1683).

Ende der Entscheidung

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