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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 12.04.2007
Aktenzeichen: 25 W 89/06
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 313
ZPO § 704
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I.

Nach Kündigung des zwischen der beklagten KG und dem Kläger im Jahr 1998 geschlossenen Handelsvertretervertrages durch die KG zum 31.10.2004 hat der Kläger mit der im August 2004 erhobenen Stufenklage (Aktenzeichen 11 O 4142/04 LG Kassel) die Beklagten auf Erteilung eines Buchauszuges gemäß § 87 c Abs. 2 HGB betreffend alle Geschäfte, die die Beklagten im Vertretungsbezirk O1 in dem Vertragszeitraum vom 1.1.1999 bis zum 31.7.2004 entsprechend einer der Klageschrift beigefügten Gebietskarte mit von den Beklagten hergestellten Erzeugnissen (Unterstreichung hinzugefügt) abgeschlossen haben, sowie auf Zahlung der sich aus dem Buchauszug ergebenden rückständigen Provisionen nebst Zinsen in Anspruch genommen. Mit einer ersten Klageerweiterung gemäß Schriftsatz vom 16.11.2004 hat der Kläger von den Beklagten ebenfalls im Wege der Stufenklage Abrechnung der ihm (vermeintlich) durch die Belieferung des Kunden K1 in O2 für den Zeitraum ab 1.1.2004 zustehenden Provisionen sowie Zahlung des sich aus der Abrechnung ergebenden Betrages verlangt. Schließlich hat er mit Schriftsatz vom 18.4.2005 die Klage um den Antrag erweitert, festzustellen, dass er nicht verpflichtet sei, weitere Zahlungen auf eine Abwälzungsvereinbarung vom 23.3.1998 zu zahlen, hilfsweise hat der insoweit Freistellung begehrt.

Nach Beweisaufnahme hat das Landgericht durch Teilurteil vom 23.3.2006, auf das ergänzend Bezug genommen wird (Blatt 153 bis 168 Band II der Beiakten 11 O 4142/04), die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, dem Kläger einen Buchauszug für alle Geschäfte zu erteilen, die die Beklagten im Vertretungsbezirk O1 mit Ausnahme der Postleitzahlbezirke ... mit von den Beklagten hergestellten Erzeugnissen (Unterstreichung hinzugefügt) in dem Vertragszeitraum vom 1.1.1999 bis zum 31.7.2004 abgeschlossen haben. Darüber hinaus hat das Landgericht in diesem Teilurteil dem Feststellungsantrag entsprochen. In den Entscheidungsgründen heißt es unter anderem (Blatt 166 bis 167 Band II der Beiakten 11 O 4142/04), der Buchauszug habe auch sämtliche mit dem Kunden K1 getätigten Geschäfte aufzulisten. Die Beklagten hätten mit der Lieferung von B an die C GmbH lediglich ihr Vertriebssystem geändert. Sie könnten nicht unter Berufung auf die rechtliche Selbstständigkeit der C GmbH die gegenüber dem Kläger als Handelsvertreter bestehende Provisionspflicht umgehen. Entscheidend sei, dass die Produkte der Beklagten - offensichtlich aus den eigenen Produktionsstätten der Beklagten zu 1. - über die C GmbH vertrieben würden. Mithin habe der Buchauszug auch sämtliche Geschäfte zu erfassen, welche die C GmbH mit K1 in dem hier maßgeblichen Zeitraum abgeschlossen habe. Durch Teilurteil sei zu entscheiden gewesen, weil der Rechtsstreit hinsichtlich des geltend gemachten Anspruchs auf rückständige Provisionen noch nicht entscheidungsreif sei. Vielmehr benötige der Kläger den Buchauszug, um diesen Anspruch zu berechnen.

Die Beklagten haben dem Kläger nach Rechtskraft des Teilurteils mit Schreiben vom 19.7.2006 (Blatt 11,12 der Akten) die Auskunft erteilt, dass sie in dem fraglichen (Vertrags-) Zeitraum im Vertretungsbezirk O1 (mit Ausnahme der Postleitzahlbezirke ...) keinerlei Geschäfte mit von ihnen, den Beklagten, hergestellten Erzeugnissen (Unterstreichung hinzugefügt) abgeschlossen haben. Es handele sich bei den Beklagten um Vertriebsgesellschaften, die Ware nicht selbst herstellen, sondern einkaufen und verkaufen. Die Beklagten haben die Auffassung vertreten, mit dieser Auskunft sei der Anspruch auf Buchauszug gemäß dem rechtskräftigen Teilurteil vom 23.3.2006 erfüllt.

Der Kläger hat dem widersprochen. Er hat eingewandt, der Urteilstenor sei lediglich entsprechend der Formulierung gemäß § 2 des Handelsvertretervertrages übernommen worden. Aus den Entscheidungsgründen gehe aber hervor, dass die Beklagten verpflichtet seien, einen Buchauszug betreffend sämtliche Geschäfte mit den Kunden im Vertretungsbezirk des Klägers mit Ausnahme der Bezirke 68, 69 und 97 zu erstellen. Das entspreche auch dem Prozessverhalten der Parteien. Unabhängig davon sei es aber auch unzutreffend, dass die Beklagten lediglich Produkte verkaufen, die sie in Fernost "ankaufen, nicht aber selbst herstellen". Die Beklagten ließen die Produkte bei ihren Produktionsfirmen in Fernost herstellen. Es handele sich um eigene Produktionsfirmen der Beklagten, so dass auch insoweit, bei entsprechendem Verständnis, diese Produkte als von der Beklagten hergestellt angesehen werden müssten.

Auf Antrag des Klägers gemäß Schriftsatz vom 6.7.2006 hat das Landgericht durch den im Tenor näher bezeichneten Beschluss den Antragsteller ermächtigt, den nach dem Teilurteil des Landgerichts Kassel vom 23.3.2006 zu erteilenden Buchauszug auf Kosten der Antragsgegnerinnen erstellen zu lassen. Zugleich ist in diesem Beschluss den Antragsgegnerinnen aufgegeben worden, an den Antragsteller einen Kostenvorschuss von 30.000 € zu zahlen sowie dem vom Antragsteller ausgewählten und beauftragten Wirtschaftsprüfer oder Buchsachverständigen ungehinderten Zutritt zu ihren Geschäftsräumen zu ermöglichen und ihm alle notwendigen Unterlagen sowie sächlichen und persönlichen Mittel für die Erstellung des Buchauszugs zur Verfügung zu stellen.

Gegen diesen Beschluss, der ihrem Prozessbevollmächtigten am 25.9.2006 zugestellt wurde, richtet sich die am 27.9.2006 bei Gericht eingegangene sofortige Beschwerde. Die Antragsgegnerinnen verfolgen damit das Ziel, den angefochtenen Beschluss jedenfalls bezüglich der Anordnung der Zahlung eines Kostenvorschuss in Höhe von 30.000 € aufzuheben. Sie meinen, dieser Vorschuss sei vollkommen unangemessen und unverhältnismäßig hoch. Darüber hinaus halten sie auch im Beschwerdeverfahren an dem gegenüber dem Antrag des Gläubigers gemäß § 887 ZPO erhobenen Einwand der Erfüllung des titulierten Auskunftsanspruchs fest.

Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde gemäß Beschluss vom 2.10.2006 nicht abgeholfen und die Sache dem Senat als Beschwerdegericht vorgelegt.

Der Senat hat durch einstweilige Anordnung vom 6.10.2006 die Vollziehung des angefochtenen Beschlusses bis zur Entscheidung über die sofortige Beschwerde ausgesetzt. Nach Hinweis gemäß Verfügung vom 1.2.2007, wozu die Parteien ergänzend Stellung genommen haben (auf Blatt 95 bis 112 der Akten wird ergänzend verwiesen), hat der Senat am 23.3.2007 mündlich über die sofortige Beschwerde verhandelt.

Die Antragsgegnerinnen beantragen,

den angefochtenen Beschluss insbesondere in der Ziffer 2 aufzuheben,

hilfsweise,

ihnen eine Frist zur Erstellung des Buchauszuges von 14 Tagen einzuräumen und während dieser Zeit die Vollziehung der angefochtenen Entscheidung weiterhin auszusetzen.

Der Antragsteller beantragt,

die sofortige Beschwerde auch mit dem Hilfsantrag zurückzuweisen.

II.

Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerinnen ist gemäß § 793 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden.

Sie hat auch in der Sache Erfolg.

Der Senat hält zunächst nicht an den unter Ziffer 1. a) des Hinweises vom 1.2.2007 geäußerten Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit des von den Antragsgegnerinnen erhobenen Erfüllungseinwandes fest. Die Antragsgegnerinnen machen mit ihrem Einwand, der im Teilurteil titulierte Anspruch sei aufgrund der von ihnen mit Schreiben vom 19.7.2006 erteilten Auskunft erfüllt, nicht geltend, das Urteil sei materiell unrichtig, vielmehr machen sie ausdrücklich lediglich den Erfüllungseinwand geltend. Dieser Erfüllungseinwand knüpft angesichts des Vortrags der Parteien im Erkenntnisverfahren auch nicht etwa an einen rein formalen Gesichtspunkt an, nämlich die möglicherweise verunglückte - allerdings exakt dem Antrag des Klägers entsprechende - Formulierung des Tenors. Vielmehr haben die Parteien im Erkenntnisverfahren sich jedenfalls im Zusammenhang mit der Frage, ob die beklagte KG durch Abbruch der Vertragsbeziehungen zu K1 mit Ablauf des Jahres 2003 und mit Belieferung von K1 ab Januar 2004 durch die C GmbH in treuwidriger Weise versucht habe, durch Änderung ihres Vertriebssystems den Provisionsanspruch des Klägers zu unterlaufen, durchaus mit der Frage beschäftigt, ob die Beklagten die vertriebenen Waren selbst (in eigenen Produktionsstätten in Fernost) herstellen oder nicht. Insoweit kann auf die entsprechenden, zutreffenden Ausführungen im Schriftsatz des Bevollmächtigten der Antragsgegnerinnen vom 18.10.2006 verwiesen werden. Das findet sich auch im Teilurteil vom 23.3.2006 wieder, wo es heißt, entscheidend (für die Verpflichtung, auch bezüglich der Geschäfte mit K1 für den gesamten Vertragszeitraum einen Buchauszug zu erteilen) sei, dass die Produkte der Beklagten - offensichtlich aus den eigenen Produktionsstätten der beklagten KG in L1 - über die C GmbH (UA Blatt 15 = Blatt 167 Bd. II der Beiakten 11 O 4142/04) vertrieben würden. Es kann deshalb nicht davon ausgegangen werden, die Antragsgegnerinnen zielten mit ihrem Erfüllungseinwand auf eine Umgehung des Grundsatzes, dass im Verfahren nach § 887 ZPO nicht mehr eingewandt werden kann, das zu Grunde liegende Urteil sei materiell falsch.

Der Erfüllungseinwand greift durch. Zwischen den Parteien ist im Beschwerdeverfahren nicht streitig, dass die Antragsgegnerinnen die im Vertretungsbezirk O1 vertriebenen Waren nicht selbst herstellen. Der Antragsteller meint zwar, angesichts des Bezugs dieser Waren von "ihren Produktionsfirmen in Fernost" müssten diese, bei entsprechendem Verständnis, als von den Antragsgegnerinnen hergestellt angesehen werden. Zwischen den Parteien ist aber außer Streit, dass es sich bei den "Zulieferfirmen" beziehungsweise "Produktionsfirmen" der Antragsgegnerinnen um rechtlich selbstständige Unternehmungen handelt. Damit ist aber ohne weiteres davon auszugehen, dass die Antragsgegnerinnen unter Zugrundelegung des allgemeinen Sprachgebrauchs gerade nicht von ihnen hergestellte Erzeugnisse vertreiben, sondern die von ihnen vertriebenen Produkte einkaufen und verkaufen. Auf die danach vom Antragsteller zur Entkräftung des Erfüllungseinwandes vorgenommene Interpretation des Herstellerbegriffes kommt es für das Vollstreckungsverfahren nicht an. Maßgeblich für die Zwangsvollstreckung ist vielmehr der Tenor eines Urteils (vgl. BGH NJW 1992, 1691,1692 m.w.N.). Um eine geeignete Grundlage für das Vollstreckungsverfahren bilden zu können, muss aus ihm deutlich hervorgehen, was genau der Beklagte schuldet. Dabei ist der Wortlaut eines Tenors zwar auch der Auslegung zugänglich, die Auslegung hat sich aber grundsätzlich an dem allgemeinen Sprachgebrauch zu orientieren. Wie bereits ausgeführt, ist nach dem allgemeinen Sprachgebrauch Hersteller einer Ware aber nicht derjenige, der - wie die Antragsgegnerinnen - die Ware bei rechtlich selbstständigen Unternehmen einkauft, um sie zu verkaufen. Die Entscheidungsgründe können zwar zur Auslegung des Tenors herangezogen werden, zu einem von der Auslegung des Wortlautes des Tenors abweichenden Ergebnis kann man im Vollstreckungsverfahren aber nur unter der Voraussetzung kommen, dass den Entscheidungsgründen mit aller Deutlichkeit zu entnehmen ist, was in Abweichung vom Wortlaut des Tenors tatsächlich Gegenstand der Verurteilung sein soll (vgl. BGH a.a.O.). Ein vom Wortlaut des Tenors abweichendes Ergebnis lässt sich vorliegend unter Heranziehung der Entscheidungsgründe indes schon deswegen nicht feststellen, weil in diesen die Frage, welche Erzeugnisse als von den Beklagten hergestellt im Sinne des Antrages - und des diesem entsprechenden Tenors - angesehen werden, jedenfalls nicht nachvollziehbar bearbeitet wird.

Nicht gefolgt werden kann nach allem auch der Meinung des Antragstellers und der damit korrespondierenden, aus dem angefochtenen Beschluss hervorgehenden Auffassung des Landgerichts, aus den Entscheidungsgründen des Urteils ergebe sich eindeutig die Verpflichtung der Antragsgegnerinnen, einen Buchauszug zu erstellen über sämtliche von ihnen getätigten Geschäfte (also nicht nur über Geschäfte mit von den Antragsgegnerinnen hergestellten Erzeugnissen) im fraglichen Vertretungsbezirk. Die Entscheidungsgründe sind insoweit vielmehr ohne hinreichende Aussagekraft. Darin wird nämlich die Frage von Geschäften mit von den Antragsgegnerinnen hergestellten Erzeugnissen einerseits und anderen Erzeugnissen gerade nicht bearbeitet. Lediglich im Zusammenhang mit der Argumentation zu der Verpflichtung der Antragsgegnerinnen, den Buchauszug auch bezüglich sämtlicher mit dem Kunden K1 getätigten Geschäfte zu erstellen, wird ansatzweise die Frage der Herstellereigenschaft der Antragsgegnerinnen thematisiert, allerdings ohne dies in irgendeinen nachvollziehbaren Bezug zum Tenor zu bringen.

Das gilt umso mehr, als das Landgericht diesbezüglich über einen Antrag entschieden hat, der überhaupt nicht gestellt war, andererseits aber einen gestellten Antrag nicht beschieden hat. Bezüglich der - nach Auffassung des Antragstellers - seit 1.1.2004 erfolgten Belieferung des K1 mit Waren der Antragsgegnerinnen über die C GmbH hatte der Kläger nämlich nicht die Erstellung eines Buchauszuges beantragt, sondern für den Zeitraum der Geschäfte mit K1 ab 1.1.2004 war der mit der ersten Klageerweiterung angekündigte und im Termin vom 13.1.2005 auch gestellte Antrag in den Prozess gerade deswegen eingeführt worden, weil es insoweit nicht um Geschäfte der Antragsgegnerinnen mit K1, sondern der C GmbH mit K1 ging.

Die Antragsgegnerinnen haben mit der dem Antragsteller erteilten Auskunft, im fraglichen Zeitraum im Vertretungsbezirk O1 keine Geschäfte mit von ihnen hergestellten Erzeugnissen abgeschlossen zu haben, auch den tenorierten Anspruch auf Erteilung eines Buchauszuges erfüllt.

Das Schreiben vom 19.7.2006 entspricht zwar formal nicht den Anforderungen an einen Buchauszug. Dennoch ist Erfüllung eingetreten, weil auch aus einem Buchauszug weitergehende Erkenntnisse für den Antragsteller nicht zu gewinnen wären. Jedenfalls wäre es treuwidrig, unter diesen Umständen an dem rein formalen Verlangen nach Erteilung eines Buchauszuges festzuhalten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Den Wert des Beschwerdegegenstandes hat der Senat mit etwa 1/4 des aufgrund des Buchauszuges vorgestellten Zahlungsanspruchs (70.000 € bis 80.000 €) geschätzt, § 3 ZPO.

Ende der Entscheidung

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