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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 26.06.2006
Aktenzeichen: 26 Sch 28/05
Rechtsgebiete: UNÜ, ZPO


Vorschriften:

UNÜ Art. 2
UNÜ Art. 5
ZPO § 1061 Abs. 2
Dem Schiedsspruch ist die Anerkennung im Inland zu versagen, wenn die schiedsrichterliche Entscheidung nicht durch eine "schriftliche Vereinbarung" im Sinne von Art. II Abs. 2 UNÜ legitimiert ist (Art. III S. 1; Art. V Abs. 1 lit. a UNÜ).
Gründe:

I.

Die Antragstellerin begehrt die Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruches, mit dem die Antragsgegnerin zur Zahlung des Kaufpreises für gelieferte Ware verurteilt wurde.

Im Juni 2004 vereinbarten die Parteien, dass die Antragstellerin für die Antragsgegnerin verschiedene Drucksachen für Verpackungen von CDŽs herstellen und liefern sollte. Nach einem vorangegangenen Telefonat, dessen Inhalt zwischen den Parteien streitig ist, übersandte die Antragsgegnerin per Fax am 17.06.2004 zwei schriftliche Bestellungen an die Antragstellerin unter Hinweis auf die ausschließliche Geltung ihrer Einkaufsbedingungen. Die Antragsgegnerin bestätigte die Auftragserteilung per Fax noch am gleichen Tag. In den beiden Auftragbestätigungen wird darauf hingewiesen, dass der Auftrag den Bestimmungen der Graphischen Industrie unterliege, die in Art. 21 eine Schiedsabrede beinhalten.

Da die Antragsgegnerin die Vergütung nicht zahlte, leitete die Antragstellerin ein Schiedsverfahren ein, wobei zwischen den Parteien streitig ist, ob die Antragsgegnerin ordnungsgemäß beteiligt wurde. Jedenfalls verurteilte das Schiedsgericht die Antragsgegnerin mit Schiedsspruch vom 20.04.2005 zur Zahlung von 32.761,76 € nebst Zinsen und Kosten.

Die Antragstellerin behauptet, schon im Rahmen des Telefonates der Parteien habe sie darauf hingewiesen, dass sie ausschließlich zu den Bedingungen der graphischen Druckindustrie arbeite. Dem habe die Antragsgegnerin nicht widersprochen. Die Geschäftsbedingungen seien den Auftragsbestätigungen auch beigefügt gewesen.

Die Antragstellerin beantragt,

das Schiedsgerichtsurteil des Schiedsgerichts für die graphische Industrie mit Sitz in Amstelveen, Niederlande, bestehend aus den Schiedsrichtern Herrn ..., ... und ... vom 20.04.2005, durch das die Antragsgegnerin zur Zahlung von 32.761,76 € als Hauptsumme zzgl. eines Betrages in Höhe von 96,97 € an Zinsen bis zum 15.08.2004 sowie der gesetzlichen Zinsen ab dem 15.08.2004 bis zum Datum der vollständigen Begleichung sowie von außergerichtlichen Kosten in Höhe von 1.158,- € und von Kosten des Schiedsgerichtsverfahrens in Höhe von 2.680,48 € verurteilt worden ist, für vollstreckbar zu erklären.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, mangels wirksamer Einbeziehung der Geschäftsbedingungen der Antragstellerin sei keine Schiedsabrede zwischen den Parteien zustande gekommen, so dass eine Vollstreckbarerklärung schon deshalb nicht in Betracht komme.

Hinsichtlich des Sachvortrages der Parteien im Übrigen wird auf die Schriftsätze der Antragstellerin vom 18.10.2005 (Bl. 1 f d.A.), 21.12.2005 (Bl. 66 ff d.A.) 17.03.2006 (Bl. 93 f d.A.) und 31.03.2006 (Bl. 96 ff d.A.) sowie auf die Schriftsätze der Antragsgegnerin vom 08.11.2005 (Bl. 9 ff d.A.), 23.02.2006 (Bl. 88 ff d.A.) und 13.04.2006 (Bl. 103 ff d.A.), jeweils nebst Anlagen, Bezug genommen.

II.

Der Antrag, den Schiedsspruch vom 20.04.2005 für vollstreckbar zu erklären, ist zulässig (§§ 1025 Abs. 4, 1061 Abs. 1 S. 1, 1064 Abs. 1 S. 1 ZPO; Art. VII Abs. 1 UN-Übereinkommen vom 10.06.1958, BGBl. 1961 II S. 121 - im folgenden UNÜ abgekürzt). Die Zuständigkeit des Senats ergibt sich aus §§ 1025 Abs. 4, 1062 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 ZPO; die Antragsgegnerin hat ihren Sitz in Hessen.

Der Antrag ist jedoch nicht begründet. Dem Schiedsspruch ist die Anerkennung im Inland schon deshalb zu versagen (§ 1061 Abs. 2 ZPO), weil die schiedsrichterliche Entscheidung nicht durch eine "schriftliche Vereinbarung" im Sinne von Art. II Abs. 2 UNÜ legitimiert ist (Art. III S. 1; Art. V Abs. 1 lit. a UNÜ). Zwar muss das Fehlen einer wirksamen Schiedsvereinbarung grundsätzlich im ausländischen Schiedsverfahren gerügt werden; geschieht dies nicht, kann dieser Einwand im Vollstreckbarerklärungsverfahren nicht mehr erhoben werden.

Die Präklusion gilt jedoch nicht, soweit es um die Schriftform nach Art. II des UN-Übereinkommens geht (vgl. BayObLG, RIW 2003, 383; Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 57 Rz. 2;). An dieser Schriftform fehlt es im vorliegenden Fall. Nach Art. II Abs. 2 UNÜ ist unter einer "schriftlichen Vereinbarung" im Sinne des Art. II Abs. 1 UNÜ eine Schiedsklausel in einem Vertrag oder eine Schiedsabrede zu verstehen, die von den Parteien unterzeichnet oder in Briefen oder Telegrammen enthalten ist, die sie gewechselt haben. Den entsprechenden Nachweis hat die die Vollstreckbarerklärung beantragende Partei zu erbringen (vgl. Musielak-Voit, ZPO, 4. Aufl., § 1061 Rz. 14; BayObLG, a.a.O.). Schon unter Zugrundelegung des Vortrags der Antragstellerin kann eine formgerechte Schiedsvereinbarung der Parteien nicht festgestellt werden.

Die behauptete mündliche Vereinbarung würde den Schiedsspruch nicht legitimieren, da sie nicht den formellen Anforderungen des Art. II Abs. 2 UNÜ genügt.

Einen von beiden Parteien unterzeichneten Vertrag, der eine Schiedsklausel enthält, bzw. eine unterschriebene separate Schiedsabrede hat die Antragstellerin nicht vorgelegt. Eine entsprechende Vereinbarung ist auch nicht in dem Schriftverkehr der Parteien enthalten. Art. II Abs. 2, 2. Var. UNÜ verlangt einen gegenseitigen Schriftwechsel; entscheidendes Kriterium ist die Wechselseitigkeit, so dass die einseitige Zusendung eines Vertragstextes grundsätzlich ebenso wenig ausreicht, wie eine einseitige schriftliche Bestätigung einer mündlichen Abrede. Weder eine mündliche noch eine stillschweigende Annahme eines Vertragsangebotes genügen zur Begründung einer nach Art. II Abs. 2, 2. Var. UNÜ wirksamen Schiedsvereinbarung (vgl. BayObLG, a.a.O., Münch-Kom-Gottwald, ZPO, 2. Aufl., Bd. 3, Art. II UNÜ Rz. 11; Baumbach/Lauterbach-Albers, ZPO, 60. Aufl., Art. II UNÜ Rz. 2; Musielak-Voit, § 1031 Rz. 18; Schwab/Walter, Kap. 47 Rz. 7).

Vor diesem rechtlichen Hintergrund lässt sich vorliegend ein den Erfordernissen des Art. II Abs. 2, 2. Var. UNÜ genügender Schriftwechsel der Parteien nicht feststellen. Die Antragsgegnerin hatte in ihren Bestellungen auf die Geltung ihrer AGB hingewiesen, die offensichtlich keine Schiedsklausel beinhalten. Auf die Auftragsbestätigungen der Antragstellerin, denen ihre Lieferbedingungen beigefügt gewesen sein sollen, hat die Antragsgegnerin nicht mehr mittels Brief-, Telegramm- oder Faxpost bestätigend geantwortet.

Auf das Erfordernis einer beidseits unterzeichneten Schiedsabrede oder eines gegenseitigen Schriftwechsels kann auch nicht in Ansehung der Meistbegünstigungsklausel gemäß Art. VII Abs. 1 UNÜ, § 1061 Abs. 1 S. 2 ZPO verzichtet werden. Insbesondere kann sich die Antragstellerin nicht auf die in § 1031 Abs. 2 und 3 ZPO normierten geringeren Anforderungen an das Zustandekommen einer wirksamen Schiedsvereinbarung berufen. Es ist bereits fraglich, ob für Verfahren mit ausländischem Schiedsort, bei denen das deutsche Recht in § 1061 ZPO gerade auf das UNÜ verweist, ein Rückgriff auf § 1031 ZPO überhaupt zulässig (verneinend: Zöller-Geimer, ZPO, 25. Aufl., § 1031 Rz. 25; Musielak-Voit, § 1031 Rz. 18 m.w.N.; bejahend: Stein/Jonas-Schlosser, ZPO, 22. Aufl., Anhang zu § 1061 Rz. 159, Schwab/Walter, Kap 44 Rz. 12; ausdrücklich offen gelassen in BGH, NJW 2005, 3499). Selbst wenn man aber in diesem Zusammenhang ein anerkennungsfreundlicheres Verständnis des Meistbegünstigungsgrundsatzes zugrunde legt, ist nicht von einer wirksamen Schiedsvereinbarung auszugehen. Gemäß § 1031 Abs. 2 und 3 ZPO kann im kaufmännischen Rechtsverkehr eine Schiedsvereinbarung zwar auch durch Bezugnahme auf AGB einer Partei, etwa in einem Bestätigungsschreiben, zustande kommen, ohne dass die AGB beigefügt waren. Im vorliegenden Fall sind die AGB der Antragstellerin gleichwohl nicht Vertragsbestandteil geworden. Beide Parteien haben jeweils auf die Geltung ihrer AGB hingewiesen, wobei die Antragsgegnerin durch die Verwendung des Begriffes "ausschließlich" deutlich zum Ausdruck gebracht hat, dass sie die Bedingungen des Vertragspartners nicht akzeptieren würde. Eine solche Abwehrklausel schließt nicht nur widersprechende, sondern auch ergänzende Klauseln des anderen Teils aus (vgl. BGH, NJW-RR 2001, 484 zum deutschen Recht); dies gilt auch für die dem CISG unterliegenden Verträge (BGH, NJW 2002, 1651; vgl. auch Schlechtriem/Schwenzer, CISG, 4. Aufl., Art 19 Rz. 20). Der insoweit vorliegende Dissens hindert aber nach dem Rechtsgedanken des § 306 BGB die Wirksamkeit des Vertrages nicht, sofern die Parteien den Vertrag wie hier einverständlich durchgeführt haben (vgl. BGH, a.a.O.; Schlechtriem, a.a.O.; siehe auch Palandt-Heinrichs, BGB, 65. Aufl., § 305 Rz. 55 m.w.N.).

Die Geltung der AGB der Antragstellerin lässt sich auch nicht aus Art. 19 Abs. 2 CISG herleiten, da es sich bei Regelungen zur Beilegung von Streitigkeiten stets um wesentliche Änderungen handelt (Art. 19 Abs. 3 CISG), so dass das Schweigen der Antragsgegnerin auf die Auftragsbestätigung der Antragstellerin nicht als Einverständnis mit den dort in Bezug genommenen AGB der Antragstellerin zu werten ist. Dass der vorliegende Vertrag den Regeln des CISG unterliegt, ergibt sich aus Art. 1 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 CISG; Art. 28 Abs. 1, 2 EGBGB; sowohl die Bundesrepublik Deutschland als auch die Niederlande sind dem UN-Übereinkommen vom 11.04.1980 beigetreten.

Die Antragstellerin hat auch nicht dargetan, dass nach niederländischem Recht die alleinige Geltung ihrer AGB anzunehmen wäre. Im Übrigen dürfte niederländisches Recht zur Beantwortung dieser Frage auch nicht heranzuziehen sein, da bei der Prüfung der Voraussetzungen einer wirksamen Einbeziehung von Bedingungen in einen den Regeln des CISG unterfallenden Vertrag ein Rückgriff auf nationales Recht regelmäßig ausscheidet (vgl. Schlechtriem, a.a.O., Art. 8 Rz. 52).

Eine Heilung des Formmangels hat nach dem unstreitigen Sachverhalt auch nicht im Rahmen des schiedsrichterlichen Verfahrens stattgefunden. Als Möglichkeit der Heilung kommen eine ausdrückliche Unterwerfungserklärung zu Protokoll des Schiedsgerichts, der in einem Schriftwechsel bei Bestellung des Schiedsgerichts beiderseits zum Ausdruck gebrachte Wille, das Schiedsgericht über die aufgetretene Streitfrage entscheiden zu lassen oder zumindest eine rügelose Einlassung zur Sache vor dem Schiedsgericht in Betracht (vgl. Musielak-Voit, § 1031 Rz. 18; Münch-Kom-Gottwald, Art. II UNÜ Rz. 16; OLG Hamburg, NJW-RR 1999, 1738). Keine dieser Voraussetzungen ist hier gegeben, insbesondere kann die Tatsache, dass die Antragsgegnerin gegenüber dem Schiedsgericht keine Stellungnahme abgegeben hat, nicht einer rügelosen Einlassung gleichgesetzt werden. Der Einwand einer unwirksamen Schiedsvereinbarung kann nicht ausgeschlossen sein, wenn sich die Partei vor dem Schiedsgericht überhaupt nicht zur Sache geäußert hat (vgl. BayObLG, a.a.O.).

Nach alldem war dem Schiedsspruch die Anerkennung im Inland mit der Kostenfolge des § 91 Abs. 1 ZPO zu versagen.

Die Festsetzung des Gegenstandswertes beruht auf § 3 ZPO.

Ende der Entscheidung

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