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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 26.10.2006
Aktenzeichen: 26 U 2/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 631
1. Der Auftraggeber hat nur aufgrund einer besonderen Vereinbarung gegenüber dem Bauunternehmer einen Anspruch auf Herausgabe von Ausführungsplänen.

2. Zur Pflicht zur Herausgabe der statischen Nachweise bedarf es eines besonderen Interesses auf Seiten des Auftraggebers.


Gründe:

I. Der Kläger erteilte aufgrund eines Angebots vom 21.08.1998 der Beklagten mit Schreiben vom 31.08.1998 den Auftrag zur Ausführung einer Natursteinfassade an dem Gebäude ... in O1 (Bl. 64 - 68 d. A.). Die Geltung der VOB/B wurde nicht vereinbart. Der Kläger behauptete, dass die Arbeiten der Beklagten Mängel aufwiesen, und lehnte Mitte des Jahres 1999 weitere Maßnahmen der Beklagten ab. In der Folgezeit kam es wegen der Vergütung und der behaupteten Mängel zwischen den Parteien zu Rechtsstreitigkeiten. Mit Schreiben vom 20.07.2004 verlangte der Kläger von der Beklagten, ihm die Bauvorlagen (Ausführungspläne) und statischen Nachweise bezüglich der Außenwandbekleidung zu übermitteln (Bl. 29/30 d. A.). Da sich die Beklagte weigerte, nimmt der Kläger sie in vorliegendem Rechtsstreit auf Herstellung und Herausgabe sämtlicher statischer Nachweise und Ausführungspläne in Anspruch. Er hat gemeint, dass sich die Herausgabepflicht aus § 631 Abs. 1 BGB und dem Grundsatz der §§ 667 BGB, 3 Nr. 5 VOB/B sowie aus DIN 18516-1 Anhang B ergebe. Der Kläger hat behauptet, zur Überprüfung der Standsicherheit und Festigkeit der Fassadenelemente seien die Ausführungspläne und vor allem die statischen Nachweise unabdingbar.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, sämtliche statischen Nachweise und Ausführungspläne bezüglich der Natursteinfassadenbauausführung "...", ..., O1, gemäß DIN 18516/1, Anhang B, herzustellen und an ihn herauszugeben.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat gemeint, ein Anspruch bestehe nicht. Sie hat behauptet, sie habe die Statik gefertigt, diese sei aber nicht mehr in ihren Unterlagen vorhanden, da sie nur noch mit Natursteinen handele, aber keine Verlegungen mehr durchführe. Zusätzlich hat sich die Beklagte auf Verjährung und Verwirkung berufen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat einen Anspruch des Klägers aus § 631 Abs. 1 BGB verneint, weil er in dem zwischen den Parteien geführten Rechtsstreit über Gewährleistungsansprüche als sekundäre Gewährleistungsrechte die Kosten für den Abbruch und die Neuherstellung der Fassade geltend mache, so dass er keine Erfüllung der Hauptleistungspflicht mehr verlangen könne. Im Übrigen gehörten die Herstellung und Aushändigung von Ausführungsplänen und statischen Nachweisen nicht zum Werk im Sinne des § 631 Abs. 1 BGB. Auch die DIN 18516-3 Ziffern 4.1. und 6.4.2 über den Inhalt der Ausführungspläne und die Pflicht zu statischen Nachweisen führe nicht dazu, dass der Kläger einen Anspruch auf Aushändigung der Ausführungspläne und Nachweise habe. Eine werkvertragliche Nebenpflicht, die streitgegenständlichen Unterlagen herzustellen und herauszugeben, bestehe nicht. Der Kläger habe kein berechtigtes Interesse am Erhalt der Unterlagen, zumal auch die Baugenehmigung bereits erteilt sei, die Sachverständigen in dem Gewährleistungsrechtsstreit keine statischen Berechnungen oder Ausführungspläne angefordert hätten und der Kläger den vollständigen Abriss und die Neuherstellung der Fassade verlange. Die Ausführungspläne seien dem dort eingeholten Sachverständigengutachten beigefügt gewesen, insofern habe der Kläger die Pläne erhalten. Da die Beklagte die statischen Nachweise unstreitig geführt habe, diese jedoch mittlerweile bei ihr nicht mehr vorhanden seien, habe sie grundsätzlich ihre Pflichten erfüllt, ihr könne nicht zugemutet werden, diese Nachweise für den Fall einer ungewissen späteren Anforderung über mehrere Jahre bereit zu halten. Auch aus entsprechender Anwendung der §§ 667 BGB, 3 Nr. 5 VOB/B und aus § 70 Hessische Bauordnung ergebe sich kein Anspruch. Wegen der Feststellungen und der Begründung im Einzelnen wird auf das erstinstanzliche Urteil verwiesen (Bl. 88 - 96 d.A.).

Gegen das am 15.12.2005 zugestellte Urteil hat der Kläger am 11.01.2006 Berufung eingelegt, die Klage um einen Hilfsantrag erweitert und das Rechtsmittel mit am 30.01.2006 eingegangenem Schriftsatz begründet. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Kläger die Klage um einen in erster Instanz nicht mehr gestellten, ursprünglichen Klageantrag erweitert.

Der Kläger wiederholt sein erstinstanzliches Vorbringen und rügt ferner, es sei entgegen der Ansicht des Landgerichts nicht unstreitig, dass die Beklagte die statischen Nachweise gefertigt habe und dass ihm Ausführungspläne zur Verfügung gestellt worden seien. Grund für die Klage sei gerade die Befürchtung, dass die Fassade ohne statische - oder zumindest ohne ausreichende - Berechnung ausgeführt worden sei. Es sei mit größter Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass keine ausreichenden Ausführungspläne und statischen Nachweise erstellt worden seien, da die Beklagte solche den entsprechenden Gutachtern zu keinem Zeitpunkt zur Verfügung gestellt habe. Er habe nur einen geringen Teil der erforderlichen und mit großer Wahrscheinlichkeit von der Beklagten nicht erstellten Ausführungspläne erhalten. Die statischen Nachweise seien für die Instandhaltung der Fassade und für die Anbringung zum Beispiel von Werbeanlagen erforderlich.

Der Kläger beantragt,

1.) unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Gießen vom 13.12.2005, 5 O 187/04, die Beklagte zu verurteilen, sämtliche statischen Nachweise und Ausführungspläne bezüglich der Natursteinfassadebauausführung "", ... , O1, gemäß DIN 18516 Teil 1, Punkt 6 Standsicherheitsnachweis und Anhang B, herzustellen und an ihn herauszugeben,

hilfsweise,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Gießen vom 13.12.2005, 5 O 187/04, die Beklagte zu verurteilen, sämtliche statischen Nachweise und Ausführungspläne bezüglich der Natursteinfassadebauausführung "...", ... , O1, gemäß DIN 18516 Teil 1 in der Fassung vom Januar 1990, Pkt. 5 (Standsicherheitsnachweis) und Pkt. 8 (Bauunterlagen) herzustellen und an ihn herauszugeben;

2.) der Beklagten zur Herausgabe eine Frist von 4 Wochen nach Rechtskraft des Urteils zu setzen, nach deren Ablauf der Kläger die Leistung ablehnt.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrages wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vor dem Landgericht und vor dem Senat verwiesen.

II. Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat die Klage, d. h. den in erster Instanz gestellten Hauptantrag, zu Recht abgewiesen.

Ausführungspläne

Der Kläger kann weder aus § 631 Abs. 1 BGB noch aufgrund einer werkvertraglichen Nebenpflicht die Anfertigung und Herausgabe von Ausführungsplänen verlangen. Da eine ausdrückliche Vereinbarung nicht getroffen wurde, kann sich der erhobene Anspruch nur durch Auslegung des Werkvertrages ergeben. Die Vertragsauslegung ergibt jedoch weder eine Haupt- noch eine Nebenpflicht der Beklagten, Ausführungspläne herstellen oder solche an den Kläger herauszugeben. Hauptpflicht des Werkvertrages war allein die Herstellung der Fassade. Dass zur mangelfreien Herstellung des Werkes Pläne und Berechnungen angefertigt werden müssen, macht diese Leistung nicht zur vertraglichen Hauptpflicht. Der Schuldner hat meist zur Leistungserbringung Vorbereitungen zu treffen, die aber dadurch im Außenverhältnis nicht zur Vertragspflicht werden. Neben den Hauptpflichten können den Bauunternehmer zahlreiche leistungsbezogene (z. B. auf Prüfung und Aufklärung gerichtete) oder nicht leistungsbezogene (z. B. auf Schutz und Obhut gerichtete) Nebenpflichten treffen. Entscheidend ist dabei, wie stark das Interesse des Bestellers an der Nebenleistung ist und welchen Aufwand diese für den Auftragnehmer verursacht. Die Ausführungsplanung ist an sich vom Besteller zu erbringen und dem Auftragnehmer zu überlassen (OLG Köln BauR 1992, 637; vgl. auch § 3 Nr. 1 VOB/B). Sie gibt diesem nämlich eine Anleitung, wie er die Bauleistung im Detail herzustellen hat. Ist die Ausführungsplanung dagegen dem Auftragnehmer überlassen, so handelt es sich um eine bloße, vom Auftragnehmer getroffene Vorbereitungsmaßnahme zur mangelfreien Herstellung des Werks. Eine Pflicht zur Überlassung der Ausführungsplanung an den Besteller ist deshalb nur anzunehmen, wenn sich dies aus der getroffenen Vereinbarung klar und deutlich ergibt (Heiermann/Riedl/Rusam, Handkomm. zur VOB, 10. Aufl., § 3 VOB/B Rdn. 22). Das ist vorliegend nicht der Fall. Zwar ist in dem Auftragsschreiben vom 31.08.1998 bestimmt, dass die Ausführung nach DIN 18516 erfolgt, die in Anhang B die Anforderungen an die Ausführungspläne für die Bauvorlage definiert. Auch daraus lässt sich indes nicht ableiten, dass die Beklagte dem Kläger die Ausführungspläne zu überlassen habe. Es kann dabei dahinstehen, ob die Beklagte die Pläne für die Bauantragstellung zur Verfügung stellen musste, denn die Baugenehmigung ist seit langem erteilt, so dass im Nachhinein im Zusammenhang mit der Erlangung der Baugenehmigung kein Interesse des Klägers mehr bestehen kann. Ohne Erfolg beruft sich der Kläger auch darauf, dass er die Ausführungspläne zur Überprüfung der Standsicherheit und Festigkeit der Fassadenelemente benötige. Die Ausführungspläne geben nämlich nicht, worauf die Beklagte mit Recht hinweist, den tatsächlich ausgeführten Zustand wieder; dieser kann allenfalls Bestandsplänen entnommen werden (vgl. auch OLG Hamm NJW-RR 1999, 96 zum Wegfall des Anspruchs auf Herstellung von Architektenplänen nach Bauwerksherstellung). Aus diesem Grund ergibt sich auch aus § 58 Abs. 1 Satz 3 HBO kein Anspruch auf Erstellung oder Herausgabe der Pläne an den Kläger.

Statischer Nachweis

Dem Kläger steht ferner kein Anspruch auf Erstellung oder Herausgabe des statischen Nachweises zu. Allerdings ist nach DIN 18516-3 Nr. 4.1. für Naturwerksteinplatten und deren Befestigungselemente ein statischer Nachweis zu führen. Dies besagt hingegen nicht, dass der Auftragnehmer die statische Berechnung dem Besteller überlassen müsste. Zutreffend verweist die Beklagte darauf, dass nach DIN 18332 das Liefern statischer Berechnungen für den Nachweis der Standfestigkeit der ausgeführten Lieferung und der für den Nachweis erforderlichen Zeichnungen eine Besondere Leistung darstellt (Nr. 4.2.4). Besondere Leistungen gehören aber nur dann zur vertraglichen Leistung, wenn sie in der Leistungsbeschreibung besonders erwähnt sind (DIN 18299, Nr. 4.2.), was vorliegend nicht der Fall ist. Darin kommt ein allgemeiner Grundsatz für das Bauvertragsrecht zum Ausdruck, der nicht nur gilt, soweit die Anwendung von § 1 Nr. 1 VOB/B vereinbart worden ist. Aus dem gleichen Grund kann der Anspruch nicht aus §§ 667 BGB, 3 Nr. 5 VOB/B hergeleitet werden. Abgesehen davon würde auch die Geltung des § 3 Nr. 5 VOB/B lediglich dazu führen, dass solche Berechnungen dem Besteller rechtzeitig vorzulegen sind, das heißt eine angemessene Zeit vor der Ausführung zur Prüfung und Stellungnahme (Ingenstau/Korbion/Döring, VOB, 15. Aufl., § 3 Nr. 5 VOB/B Rdn. 7; Heiermann/Riedl/Rusam, Rdn. 22). Ist - wie im Streitfall - die Ausführung jedoch seit langer Zeit beendet, ist das von § 3 N5. 5 VOB/B berücksichtigte Interesse des Bauherrn an der Vorlage der statischen Berechnung entfallen.

Auch unter dem Gesichtspunkt, dass die statische Berechnung, die nach dem Vortrag des Klägers von der Beklagten zunächst nachzuholen wäre, für ihn von erheblichem Interesse wäre, kann eine Nebenpflicht der Beklagten nicht bejaht werden. Aus dem vom Kläger vorgelegten Gutachten des Dipl.-Ing. (FH) SV1 ergibt sich dazu Folgendes:

"Ob die Fassade mit diesen evtl. vorliegenden reduzierten mechanischen Festigkeiten noch ausreichende standsicher ist, kann erst nach Durchführung einer solchen Prüfung und einer statischen Nachrechnung erfolgen. Ein Vergleich/Gegenüberstellung der Gesteinskennwerte/Statik zu den ursprünglichen Werten/Berechnungen, welche nach Norm für die Fassade vor der Errichtung anzufertigen waren, wäre dabei hilfreich" (Bl. 10 d. A.).

Das Privatgutachten besagt damit lediglich, dass der Vergleich mit der bei Ausführung der Werkleistung erstellten Berechnung "hilfreich" wäre. Dies heißt nicht, dass es zur Überprüfung der Standsicherheit zwingend der Vorlage dieser ursprünglichen Berechnung bedürfe. Hinzu kommt, dass nach der eigenen Behauptung des Klägers der statische Nachweis seinerzeit nicht erbracht wurde und somit nunmehr rekonstruiert werden muss. Dies schränkt die Aussagekraft des verlangten Nachweises weiter ein, so dass der Wert eines solchen Vergleiches umso zweifelhafter erscheint.

Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung ferner geltend gemacht hat, die Baugenehmigung sei vorschriftswidrig erteilt worden, ohne dass der statische Nachweis vorgelegen habe, es sei zu befürchten, dass die Aufsichtsbehörde des Bauamtes die Statik noch nachfordern werde, kann auch dies einen Anspruch des Klägers schon deshalb nicht rechtfertigen, weil eine konkrete Aufforderung zur Vorlage der Unterlagen an den Kläger bislang nicht ergangen ist.

Der Fall ist daher mangels eines schutzwürdigen Interesses des Klägers nicht vergleichbar mit den von der Rechtsprechung entschiedenen Fällen zur Herausgabe von Lieferscheinen, die den Auftraggeber in die Lage versetzen sollen, den abfallrechtlichen Entsorgungsnachweis zu führen (dazu OLG Düsseldorf OLGR 1994, 278), zur Herausgabe von Unternehmerbescheinigungen, die die persönliche Sachkunde und Zuverlässigkeit des Bauunternehmers bestätigen sollen (OLG Köln NZBau 2000, 78), oder zur Überlassung von Wärmebedarfsberechnungen, Rohrnetzberechungen oder Revisionsplänen der Leitungsführung bei der Heizungsinstallation, weil diese Unterlagen für den laufenden Betrieb und die Wartung der Heizungsanlage benötigt werden (OLG Köln Urteil vom 23.02.2005 - 11 U 76/04). Aus diesen Gründen besteht auch kein Anspruch gemäß dem Hilfsantrag.

Ebenso ist der Antrag zu 2.) schon mangels Herausgabepflicht unbegründet.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97, 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision ist nicht gemäß § 543 ZPO zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern.

Ende der Entscheidung

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