Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 03.08.2006
Aktenzeichen: 26 U 26/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 478
§ 478 BGB a. F. gewährt dem Käufer einer mangelhaften Sache lediglich ein Leistungsverweigerungsrecht, eine Rückforderung des gezahlten Teilkaufpreises kommt nur in Betracht, wenn der Verkäufer die Herausgabe der Sache verlangt.
Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt Schadensersatz wegen anwaltlicher Pflichtverletzung.

Sie erwarb im Jahre 2001 von der Maschinenfabrik A OHG ein Dosieraggregat, das am 27.03.2001 in Betrieb genommen wurde. Nach dem die Klägerin wegen angeblicher Schlechterfüllung nur einen Teil des Kaufpreises (60 %) zahlte, wurde sie von der A OHG zunächst unter Fristsetzung zum 28.02.2002 zur Restzahlung aufgefordert. Daraufhin beauftragte die Klägerin am 25.02.2002 die Beklagten mit der Wahrnehmung ihrer Interessen. Die in der Folgezeit von der Fa. A erhobene Zahlungsklage wies das Landgericht Wiesbaden in dem Verfahren 13 O 10/02 nach Beweisaufnahme mit Urteil vom 08.04.2004 ab. Gegenüber der mit Schreiben vom 20.09.2004 geltend gemachten Rückzahlung des zum Teil erbrachten Kaufpreises erhob die Verkäuferin den Einwand der Verjährung; die Rückabwicklung des Kaufvertrages verweigerte sie.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Beklagten hätten sie pflichtwidrigerweise nicht über die Möglichkeit informiert, dass sie hinsichtlich des Anspruchs auf Kaufpreisrückzahlung eine Widerklage in dem vorangegangenen Streitverfahren hätte erheben können. Demgegenüber haben die Beklagten eingewandt, dass der Rückzahlungsanspruch bereits zu diesem Zeitpunkt verjährt gewesen sei. Im Übrigen sei das Interesse der Klägerin nicht auf die Rückabwicklung des Kaufvertrages gerichtet gewesen.

Das Landgericht hat die Klage mangels Pflichtverletzung der Beklagten abgewiesen. Im Zeitpunkt der Beauftragung sei die Gewährleistungsfrist bereits abgelaufen gewesen, so dass ein Rückzahlungsanspruch gemäß § 477 Abs. 1 BGB a. F. verjährt gewesen sei. Die Mängelanzeige nach § 478 Abs. 1 BGB a.F. begründe lediglich ein Leistungsverweigerungsrecht bezüglich des Kaufpreises, verschaffe dem Käufer jedoch keinen Anspruch auf Rückzahlung; deshalb wäre die Erhebung einer Widerklage aussichtslos gewesen.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung. Sie ist nach wie vor der Auffassung, ihr hätte trotz eingetretener Verjährung des Wandlungsrechts ein Rückzahlungsanspruch bezüglich des gezahlten Kaufpreises zugestanden, der in dem Verfahren 13 O 10/02 im Rahmen einer Widerklage hätte geltend gemacht werden können.

Die Klägerin beantragt,

das am 27.04.2006 verkündete Urteil des Landgerichts Wiesbaden (7 O 380/05) abzuändern und die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 67.449,51 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.04.2001 zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagten verteidigen die angefochtene Entscheidung im Wesentlichen unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrags im Berufungsverfahren wird auf den Schriftsatz der Klägerin vom 09.06.2006 (Bl. 88 ff d.A.) und auf den Schriftsatz der Beklagten vom 10.07.2006 (Bl. 159 ff d.A.) Bezug genommen.

II.

Die gemäß §§ 517, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegte und darüber hinaus gemäß § 520 Abs. 2 ZPO rechtzeitig begründete Berufung ist zulässig, in der Sache aber nicht begründet.

Das Landgericht hat einen Anspruch auf Schadensersatz wegen der Verletzung anwaltlicher Pflichten im Ergebnis zu Recht verneint. Eine hiervon abweichende Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist auch unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens nicht geboten. Das landgerichtliche Urteil beruht weder auf einer Rechtsverletzung noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 513 ZPO).

Ein Anspruch nach den Grundsätzen der positiven Forderungsverletzung ist nicht gegeben, da nach den der Entscheidung zugrunde zu legenden Tatsachen eine Pflichtverletzung der Beklagten im Zusammenhang mit der Prozessvertretung in dem Verfahren 13 O 10/02 nicht festzustellen ist. Es war insbesondere nicht pflichtwidrig, in dieser Sache keine Widerklage auf Rückzahlung des bereits geleisteten Kaufpreises zu erheben, da eine solche Klage keine Aussicht auf Erfolg hatte. Ein auf Gewährleistungsrecht zu stützender Anspruch aus §§ 462, 465, 467, 346 ff BGB a. F. (Art. 229 § 5 S. 1 EGBGB) war bereits zu diesem Zeitpunkt verjährt. Ein darüber hinausgehender Anspruch ist der Klägerin unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zuzuerkennen.

Ein Rückzahlungsanspruch der Klägerin gemäß §§ 462, 465, 467, 346 ff BGB a. F. war bereits im Zeitpunkt der Klageerhebung in dem Verfahren 13 O 10/02 nach § 477 BGB a. F. verjährt. Nach dieser Vorschrift verjährten Ansprüche auf Wandlung oder Minderung nach Ablauf von 6 Monaten. Nur wenn die Wandlung oder Minderung bereits vollzogen war, unterlagen die sich hieraus ergebenden Ansprüche der regelmäßigen Verjährungsfrist des § 195 BGB a. F. Ein solcher Vollzug hat hier indes nicht stattgefunden. Klagt nämlich, wie hier, der Verkäufer nach Anzahlung eines Teils des Kaufpreises auf den Rest und erhebt der Käufer demgegenüber mit Erfolg die Wandlungseinrede, so kann einer späteren Rückzahlungsklage des Käufers der Verkäufer nach ganz überwiegender Meinung mit Erfolg die Einrede der Verjährung entgegenhalten (vgl. schon RGZ 69, 385, 388; BGHZ 85, 367 ff m.w.N.). Eine Pflichtverletzung der Beklagten wäre vor diesem Hintergrund nur zu bejahen gewesen, wenn im Zeitpunkt der Kaufpreisklage Gewährleistungsansprüche noch nicht verjährt gewesen wären; nur dann hätte eine Widerklage gerichtet auf die Rückzahlung des Kaufpreises Erfolg haben können. Indes war die Gewährleistungsfrist des § 477 BGB a. F. im Zeitpunkt der Mandatierung bereits abgelaufen, so dass eine Widerklage von vornherein keinen Erfolg haben konnte. Insoweit kann unterstellt werden, dass sich die Verkäuferin, wie auch später geschehen, auf Verjährung berufen hätte. Soweit die Klägerin unter Bezugnahme auf die Ausführungen im Münchner Kommentar (MüKo - Westermann, BGB, 3. Aufl., § 465 Rz. 17) und bei Staudinger (Staudinger-Honsell, BGB 13. Aufl., § 465 Rz. 31) die Erhebung einer Widerklage für geboten erachtete, verkennt sie, dass sich die zitierten Kommentarmeinungen auf den Fall beziehen, in dem der Verkäufer innerhalb der Frist des § 477 BGB a. F. die Restkaufpreisklage erhoben hat; dem Käufer wird allein in dieser Konstellation zur Fristwahrung die Erhebung der Widerklage auf Rückzahlung des Kaufpreises empfohlen. Vorliegend war die Frist des § 477 BGB a. F. aber bereits im Zeitpunkt der Klageerhebung der Verkäuferin abgelaufen.

Ein darüber hinausgehender Anspruch, der im Rahmen einer Widerklage in nicht verjährter Zeit hätte geltend gemacht werden können, besteht nicht. Ein solcher Anspruch lässt sich insbesondere nicht aus den von der Klägerin zitierten Fundstellen ableiten. Soweit dort von einem Rückzahlungsanspruch des Käufers die Rede ist, liegt den Darstellungen eine andere Ausgangssituation zugrunde. Diese wird bei Schlosser (ders., Peremptorische Einrede und "Ausgleichzusammenhänge", JZ 1966, 428 ff) am deutlichsten formuliert. Ausgangspunkt der Erörterungen ist die Interessenlage, die der Gesetzgeber mit der Schaffung des § 478 BGB a. F. regeln wollte, wobei auf den Zusammenhang von §§ 477 und 478 BGB a. F. abzustellen ist. Ist ein Kaufvertrag beim Ablauf der Verjährungsfristen für die Gewährleistungsansprüche bereits vollständig erfüllt, soll es damit sein Bewenden haben. Unter diesen Voraussetzungen soll der Käufer aus der Mangelhaftigkeit der Kaufsache keine Rechte mehr herleiten dürfen; der Gesetzgeber mutet ihm vielmehr zu, seine Ansprüche rechtzeitig geltend zu machen. Eine Ausnahme von dieser grundsätzlichen Regelung ist in § 478 BGB a.F. normiert. Diese Vorschrift eröffnet dem Käufer, der den Kaufpreis noch nicht bzw. nicht vollständig gezahlt hat, auch noch nach Ablauf der Gewährleistungsfrist die Möglichkeit der Rechtsverteidigung, indem sie ihm ein Leistungsverweigerungsrecht einräumt. Diese Privilegierung beschränkt sich jedoch ausschließlich auf den noch nicht erbrachten Teil der Leistung. Hat der Käufer den Kaufpreis teilweise entrichtet, greift diese Schutzregelung nicht mehr, d.h. er steht so wie der Käufer, der den Kaufpreis vollständig gezahlt hat; er kann also den wegen des Mangels nicht den geleisteten Teilbetrag nicht zurückfordern, wenn der Verkäufer sich mit der Anzahlung zufrieden gibt. Insoweit hebt Schlosser auch die Richtigkeit der zugrunde liegenden reichsgerichtlichen Entscheidung hervor (RGZ 69, 385 ff). Die eigentliche Problematik ergibt sich in diesen Fallkonstellationen aus der Sicht des Verkäufers, denn über das rechtliche Schicksal der bereits übereigneten Kaufsache lässt sich den gesetzlichen Regelungen nichts entnehmen. Insofern wird die Auffassung vertreten, der Gesetzgeber dürfte es kaum gewollt haben, dass der Käufer die Kaufsache gegen den Willen des Verkäufers unter Umständen ohne Bezahlung oder nur gegen eine geringfügige Anzahlung behalten dürfen soll (vgl. Schlosser, a.a.O.). Allerdings ist bereits diese Schlussfolgerung nicht zwingend, denn der zurückbehaltene Teil des Kaufpreises mag durchaus dem mangelbedingten Minderwert der Kaufsache entsprochen haben, so dass diese Regelung auch den Verkäufer nicht unangemessen benachteiligt und es vor diesem Hintergrund mit dem eingetretenen status quo sein Bewenden haben kann. Jedenfalls wird in dieser Konstellation allein dem Verkäufer das Recht eingeräumt, die Rückgabe der Kaufsache zu verlangen. Tut er dies, so soll natürlich dem Käufer auch das Recht zustehen, den geleisteten Teil des Kaufpreises zurückzufordern. Auf welcher rechtlichen Grundlage diese Abwicklung erfolgt, ist nicht geklärt. Allein in diesem Zusammenhang sind aber die von der Klägerin zitierten Kommentarstellen zu verstehen. Die Rechtsposition des Käufers soll damit eben nicht contra legem erweitert werden; anderenfalls würde man dem Käufer, der den Kaufpreis noch nicht oder erst teilweise erbracht hat, entgegen den §§ 477, 478 BGB a. F. ein Sonderwandlungsrecht zugestehen und ihn damit besser stellen als den Käufer, der den Kaufpreis bereits vollständig gezahlt. Dieses Ergebnis ist vom Gesetzgeber offensichtlich nicht gewollt und lässt sich deshalb auch nicht im Wege einer Gesetzesauslegung herleiten (vgl. zur Systematik der Gesetzesauslegung: Palandt-Heinrichs, BGB, 65. Aufl., Einleitung vor § 1, Rz. 40 ff m.w.N.).

Nach alldem war die Berufung mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurück zu weisen.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision gegen dieses Urteil war nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§§ 543 Abs.1 Ziffer 1, Abs. 2 Ziffer 1, 2 ZPO n.F.; 26 Ziffer 7 EGZPO).

Ende der Entscheidung

Zurück