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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 01.08.2000
Aktenzeichen: 26 W 71/00
Rechtsgebiete: ZPO, InsO


Vorschriften:

ZPO § 57
ZPO § 569
ZPO § 577
InsO § 34 Abs. 2
InsO § 7
InsO § 7 Abs. 1
InsO § 7 Abs. 1 S. 1
InsO § 7 Abs. 1 S. 2
InsO § 307 Abs. 1 S. 1
InsO § 307 Abs. 1 S. 3
InsO § 305 Abs. 1 Nr. 3
InsO § 307
InsO § 305 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN BESCHLUSS

26 W 71/2000

7 T 124/2000 LG Gießen

6 IK 125/99 AG Gießen

Verkündet am 1.8.2000

In dem Verbraucherinsolvenzverfahren ...

hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main - 26. Zivilsenat - durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Bernard und die Richter am Oberlandesgericht Frank und Falk am 1. August 2000 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige weitere Beschwerde des Schuldners gegen den Beschluß des Landgerichts Gießen - 7. Zivilkammer - vom 8. Mai 2000 wird verworfen. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Schuldner zu tragen.

Beschwerdewert: 8.000 DM

Gründe:

I.

Der Schuldner erstrebt die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen.

In dem von ihm mit dem Schuldenbereinigungsplan vorgelegten Gläubigerverzeichnis sind 45 Gläubiger enthalten; darunter befindet sich eine ........ GmbH, die 1997 wegen Vermögenslosigkeit im Handelsregister gelöscht worden ist. An die GmbH, deren Forderung sich auf etwa 7.000 DM beläuft, konnten weder Insolvenzantrag noch Schuldenbereinigungsplan zugestellt werden.

Im Hinblick auf die nicht erfolgte Zustellung an diese Gläubigerin lehnte das Amtsgericht mit Beschluß vom 10. März 2000 die Insolvenzeröffnung ab. Die dagegen vom Schuldner eingelegte sofortige Beschwerde hat das Landgericht mit Beschluß vom 8. Mai 2000 zurückgewiesen.

Das Landgericht hat die Auffassung des Amtsgerichts bestätigt, daß eine Beteiligung aller Gläubiger im Schuldenbereinigungsverfahren nach den zwingenden Vorschriften der Insolvenzordnung unerläßlich sei. Der Schuldner habe es unterlassen, der parteifähigen, jedoch nicht rechtsfähigen Nachgesellschaft der im Handelsregister gelöschten GmbH zum Zwecke der Zustellung einen Nachtragsliquidator bestellen zu lassen.

Gegen diesen ihm am 26. Mai 2000 zugestellten Beschluß setzt sich der Schuldner mit der am 8. Juni 2000 eingegangenen sofortigen weiteren Beschwerde zur Wehr, deren Zulassung er beantragt. II.

Die sofortige weitere Beschwerde ist nicht statthaft und deshalb gemäß §§ 4 InsO, 574 S. 2 ZPO als unzulässig zu verwerfen.

Nach § 7 Abs. 1 InsO ist eine weitere Beschwerde im Insolvenzverfahren statthaft, wenn sie vom Oberlandesgericht zugelassen wird. Dies setzt einen zulässigen und begründeten Antrag des Beschwerdeführers auf Zulassung dieses Rechtsmittels voraus. Das Oberlandesgericht läßt das Rechtsmittel zu, wenn es darauf gestützt wird, daß die angefochtene Entscheidung auf einer Verletzung des Gesetzes beruht, und die Nachprüfung der Entscheidung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten ist.

Der Schriftsatz des Schuldners vom 9. Juni 2000 genügt den Anforderungen für die Einlegung des Rechtsmittels und des Zulassungsantrags.

Rechtsmittel und Zulassungsantrag sind statthaft gegen eine nach § 34 Abs. 2 InsO anfechtbare insolvenzgerichtliche Ausgangsentscheidung (Nichteröffnung des Insolvenzverfahrens) gemäß den §§ 6, 7 InsO gerichtet und form- und fristgerecht gemäß §§ 7 Abs. 1, 4 InsO; 569, 577 ZPO eingelegt worden.

Der Schuldner rügt auch eine Gesetzesverletzung im Sinne des § 7 Abs. 1 S. 1 InsO, indem er geltend macht, die angefochtene Entscheidung des Landgerichts beruhe auf einer Verletzung des Gesetzes, weil das Gericht zu Unrecht die Zustellung auch an die im Register gelöschte GmbH verlange. Dies verstoße angesichts seiner geringfügigen Einkünfte im Hinblick auf die Kosten der für eine Zustellung erforderlichen Bestellung eines Nachtragsliquidators gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Zudem habe das Landgericht fälschlich die Voraussetzungen des § 57 ZPO als nicht gegeben angesehen.

Die Zulassung des Rechtsmittels scheitert jedoch daran, daß die Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung des Beschwerdegerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht geboten ist. Eine solche Nachprüfung ist im Sinne des § 7 Abs. 1 S. 2 InsO nur geboten, wenn die ernsthafte Gefahr einer divergierenden insolvenzgerichtlichen Rechtsprechung besteht. Dies kann nach Auffassung des Senats bereits dann der Fall sein, wenn zwar keine obergerichtliche Rechtsprechung zu der Fragestellung vorliegt, jedoch abweichende Entscheidungen von Land- und Amtsgerichten oder abweichende Ansichten in der Literatur zu wesentlichen Rechtsfragen der Insolvenzordnung die Notwendigkeit einer einheitlichen Ausrichtung begründen (so auch OLG Köln, Beschluß vom 3.3.2000 - 2 W 31/2000). Dagegen begründen bloße Subsumtionsfehler des Beschwerdegerichts bei der Anwendung einer an sich zweifelsfreien und unumstrittenen Rechtsnorm oder eine fehlerhafte Tatsachenfeststellung im konkreten Einzelfall keine generelle, durch das Oberlandesgericht zu korrigierende Divergenz-Gefahr (Heidelberger Kommentar-Kirchhof, InsO, § 7 Rn. 23, 24; OLG Köln a.a.O., m.w.N.).

Im vorliegenden Fall bedarf die angefochtene Beschwerdeentscheidung des Landgerichts keiner inhaltlichen Überprüfung zur Sicherung einer einheitlichen insolvenzrechtlichen Rechtsprechung.

Zu Recht halten Amts- und Landgericht auf der Grundlage des § 307 Abs. 1 S. 1 InsO und von dessen eindeutigen Wortlaut die förmliche Zustellung des vorgelegten Schuldenbereinigungsplans an alle Gläubiger für erforderlich. Diese Rechtsprechung befindet sich in völliger Übereinstimmung mit der einschlägigen Kommentarliteratur (vgl. Frankfurter Kommentar-Grote, InsO, § 307 Rn. 7; Heidelberger Kommentar- Landfermann, InsO, § 307 Rn. 5).

Die förmliche Zustellung an alle Gläubiger hat die Funktion, möglichst schnell feststellen zu können, ob der Schuldenbereinigungsplan Grundlage für eine einvernehmliche Lösung sein kann. Nach § 307 Abs. 1 S. 3 InsO gelten hier nicht die allgemeinen Erleichterungen für die Zustellung im Insolvenzverfahren, insbesondere besteht nicht die Möglichkeit der Zustellung durch Aufgabe zur Post. Vielmehr nimmt das Gesetz den bei der förmlichen Zustellung erforderlichen Aufwand und die dabei entstehenden Kosten wegen der einschneidenden Folgen, die das Schweigen auf die Zustellung des Schuldenbereinigungsplans und die entsprechenden Erklärungsaufforderungen des Gerichts hat, bewußt in Kauf (Heidelberger Kommentar/Landfermann, InsO, § 307 Rn. 1). Dabei stellt das Gesetz nicht darauf ab, in welchem Umfang der einzelne Gläubiger nach dem Schuldenbereinigungsplan befriedigt werden soll bzw. in welcher Höhe er Forderungen gegen den Schuldner geltend machen kann und in welchem Verhältnis die geltend gemachte Forderung zu denjenigen der übrigen Gläubiger steht.

Dementsprechend hat der Schuldner nach § 305 Abs. 1 Nr. 3 InsO ein Verzeichnis der Gläubiger mit deren genauen Anschriften vorzulegen, damit die Zustellung nach § 307 InsO keine Schwierigkeiten bereitet (so bereits ausdrücklich Bericht des BT- Rechtsausschusses BT-Drucks. 12/7302, S. 190 f.). In Kenntnis der dem Schuldner bei Nichteröffnung des Verfahrens entstehenden möglichen Kosten und Nachteile hat der Gesetzgeber an die nicht vollständige Vorlage der erforderlichen Verzeichnisse nach § 305 Abs. 3 InsO Sanktionen geknüpft, die bis zur Fiktion der Rücknahme des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens reichen. Aus diesem Grunde ist für die Argumentation des Schuldners im vorliegenden Fall, die Nichteröffnung im Hinblick auf die fehlende Zustellung an nur einen Gläubiger verstoße gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, kein Raum.

Soweit er im Hinblick auf die ihm infolge der Zurückweisung des Insolvenzantrags drohenden Nachteile die Voraussetzungen des § 57 ZPO für die Bestellung eines Prozeßpflegers als gegeben ansieht, kann der Senat dieser Auffassung nicht beitreten. Zu Recht hat das Landgericht bereits darauf hingewiesen, daß es Sache des Schuldners war, sich vor Antragstellung oder jedenfalls im Verfahren über seinen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens bei dem für den Sitz der GmbH zuständigen Registergericht um die Bestellung eines Nachtragsliquidators zu bemühen, an den die erforderliche Zustellung hätte erfolgen können. Selbst wenn jedoch das Landgericht insoweit bei Anwendung des § 57 ZPO zu hohe Anforderungen gestellt hätte, begründete ein solcher Subsumtionsfehler keine Divergenzgefahr, die die Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich machen könnte.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 4, InsO, 97 Abs. 1 ZPO.



Ende der Entscheidung

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