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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 10.08.2007
Aktenzeichen: 26 W 86/06
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 851
ZPO § 882 a
Die Unpfändbarkeit des Herausgabeanspruchs in Bezug auf Schuldverschreibungen ergibt sich weder aus § 851 ZPO noch aus anderen Gründen. Insbesondere stellt sich die Pfändung dieses Anspruchs nicht als rechtsmissbräuchlich dar.
Gründe:

I.

Der Gläubiger ist Inhaber von Staatsanleihen der Schuldnerin, die sich in den Anleihebedingungen unter anderem der deutschen Gerichtsbarkeit unterworfen (§ 11 Nr. 3) und auf Immunität verzichtet hat (§ 11 Nr. 4).

Da eine Rückzahlung der Anleihe bei Fälligkeit nicht erfolgte, wurde Land A durch Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 07.09.2004 (Az.: 2/21 O 55/04) verurteilt, drei Geldbeträge (112.995,51 €, 10.481,48 € und 6.495,96 €), jeweils nebst Zinsen Zug um Zug gegen Aushändigung im Einzelnen bezeichneter Inhaberteilschuldverschreibungen und Zinsscheine an den Gläubiger zu zahlen. Der Tenor des landgerichtlichen Urteils wurde hinsichtlich des Betrages von 6.495,96 € mit Beschluss vom 19.07.2005 dahingehend berichtigt, dass die Zahlung nur Zug um Zug gegen Herausgabe von vier Zinsscheinen Nr. 7 statt vier Zinsscheinen Nr. 6 zu erfolgen hatte. Nach dem Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts vom 14.06.2006 hat die Schuldnerin einen Betrag von 3.168,- € an den Gläubiger zu erstatten.

Auf Antrag des Gläubigers erließ das Amtsgericht Frankfurt am Main am 29.08.2006 einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss, mit dem wegen des titulierten Kostenerstattungsanspruches Forderungen der Schuldnerin gegen die Rechtsanwälte RA1 gepfändet wurden; die Drittschuldnerin wurde angewiesen, den entsprechenden Betrag zu hinterlegen. Wegen des Inhalts des Pfändungsbeschlusses im Übrigen wird auf Bl. 13 ff d.A. Bezug genommen. Die Erinnerung der Schuldnerin, mit der sie eine Reihe von Einwendungen erhob - wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 10.11.2006 verwiesen (Bl. 24 ff d.A.) -, wurde mit der nunmehr angefochtenen Entscheidung zurückgewiesen.

Hiergegen wendet sich die Schuldnerin mit ihrer sofortigen Beschwerde, mit der sie die im Erinnerungsverfahren erhobenen Einwände wiederholt.

II.

Die sofortige Beschwerde ist gemäß §§ 793, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, § 11 Abs. 1 RPflG statthaft und gemäß § 569 Abs. 1 und 2 ZPO form- und fristgerecht eingelegt worden; sie ist in der Sache jedoch nicht begründet.

Das Amtsgericht hat die Erinnerung der Schuldnerin zu Recht zurückgewiesen, da die von ihr erhobenen Einwände der Zwangsvollstreckung nicht entgegenstehen. Auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens ist eine von der erstinstanzlichen Entscheidung abweichende Bewertung der Sach- und Rechtslage im Ergebnis nicht geboten.

Die von dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss erfassten (vermeintlichen) Forderungen der Schuldnerin gegen die Drittschuldnerin sind in ausreichendem Maße bestimmt. Die den Gegenstand der Vollstreckungsmaßnahme bildende Forderung ist so bestimmt zu bezeichnen, dass sie von anderen unterschieden werden kann und die Feststellung ihrer Identität gesichert ist, dass mithin unzweifelhaft feststeht, welche konkrete Forderung Gegenstand des Pfändungszugriffs sein soll. Das kann in der verschiedensten Weise geschehen und erfordert nicht, dass die Forderung rechtlich richtig gekennzeichnet wird; eine weitergehende Spezifizierung durch Angabe der Entstehungszeit, der Fälligkeit oder der Höhe der Forderung ist grundsätzlich entbehrlich (vgl. Stöber, a.a.O. Rz. 497 ff). Als ausreichend angesehen wurde etwa die Formulierung "Forderung auf Zahlung von Entgelt aus Arbeitsvertrag, Werkvertrag und/oder selbständiger Tätigkeit" (vgl. OLG Frankfurt, OLGR 1998, 53) bzw. die Formulierung "Forderungen aus der Arbeitsgemeinschaft Internat K", und zwar für alle Forderungen auf dasjenige, was auch der Arbeitsgemeinschaft noch zu erwarten war (vgl. BGH, MDR 1961, 408). Vor diesem rechtlichen Hintergrund kann die Bestimmtheit der zu pfändenden Forderungen nicht verneint werden. Der Gläubiger begehrt die Überweisung von Forderungen, die ihre Grundlage in dem bestehenden Vertragsverhältnis zwischen der Schuldnerin und der Drittschuldnerin haben können. Der Gläubiger hat den Entstehungsgrund möglicher Forderungen so genau beschrieben, dass jedenfalls festgestellt werden kann, welche konkrete Forderung Gegenstand des Pfändungszugriffs sein soll. Es handelt sich nämlich Herausgabeansprüche gemäß §§ 675, 667 BGB bzw. mögliche Schadensersatzansprüche wegen Schlecht-/Nichterfüllung vertraglicher Pflichten; ob solche Ansprüche tatsächlich bestehen, ist nicht im Vollstreckungsverfahren zu prüfen.

Der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss ist auch nicht deshalb rechtswidrig, weil er eine unpfändbare Forderung erfasst. Die Unpfändbarkeit des Herausgabeanspruch hinsichtlich der Schuldverschreibungen ergibt sich weder aus § 851 ZPO, da die Voraussetzungen dieser Vorschrift ersichtlich nicht vorliegen, noch aus anderen Gründen. Insbesondere stellt sich die Pfändung dieses Anspruches nicht als rechtsmissbräuchlich dar, da der Schuldner im Falle einer Verwertung dieser Papiere im Umfang der damit eintretenden Erfüllung zur Rückgabe der ihm gehörenden Schuldverschreibungen verpflichtet wäre, so dass die Gefahr einer doppelten Inanspruchnahme der Schuldnerin nicht besteht.

Ungeachtet der Frage der Anwendbarkeit ist ein möglicher Verstoß gegen § 882 a Abs. 1 ZPO jedenfalls geheilt worden. Da ein Verstoß gegen diese Vorschrift nicht zur Nichtigkeit der Vollstreckungsmaßnahme führt, sondern lediglich deren Anfechtbarkeit begründet, kann eine Heilung auch noch im Erinnerungs- bzw. Beschwerdeverfahren eintreten. Für die Entscheidung im Rechtsmittelverfahren kommt es auch nicht darauf an, ob die Heilung des Mangels ex tunc oder ex nunc wirkt (vgl. Brox/Walker, Zwangsvollstreckungsrecht, 7. Aufl., Rz. 1233 m.w.N.). § 882 a Abs. 1 ZPO bezweckt einerseits, die Erfüllung der dem Staat oder der sonstigen Körperschaften des öffentlichen Rechts obliegenden öffentlichen Aufgaben zu sichern, indem durch eine Wartefrist Gelegenheit zur Bereitstellung von Mitteln oder Einlegung von Rechtsbehelfen gegeben wird, andererseits sollen Gläubigerrechte nicht mehr als nötig beschnitten werden (vgl. BVerfG, NJW 1982, 2860; 1999, 778). Dieser Schutzzweck erfordert es nicht, eine Pfändungsmaßnahme gänzlich als unwirksam zu behandeln, wenn die erforderliche Anzeige unterblieben ist. Da der Pfändungsbeschluss gemäß § 829 Abs. 2 S. 2 ZPO sofort an den Schuldner zuzustellen ist, kann spätestens nach Ablauf von vier Wochen nach dieser Zustellung allein durch den Zeitablauf von einer Heilung dieses Verfahrensfehlers ausgegangen werden, denn der Schuldner ist durch die Zustellung des Beschlusses in gleicher Weise über die Vollstreckung in Kenntnis gesetzt worden, wie es durch die an sich erforderliche vorherige Anzeige der Fall gewesen wäre. Jedenfalls ist dem oben dargestellten Schutzzweck des § 882 a Abs. 1 ZPO hierdurch gleichermaßen Rechnung getragen. Dass die Pfändungsmaßnahme möglicherweise erst nach Ablauf dieser Frist wirksam werden kann, spielt für die im Erinnerungs- bzw. Beschwerdeverfahren zu beurteilende Rechtmäßigkeit der Vollstreckungshandlung keine Rolle. Eine Aufhebung käme allenfalls in Betracht, wenn im Zeitpunkt der Entscheidung die Frist noch nicht abgelaufen wäre.

Schließlich kann sich die Schuldnerin auch nicht auf einen sogenannten Staatsnotstand als ein der Vollstreckung entgegenstehendes völkerrechtliches Gewohnheitsrecht berufen. Dabei kann die zwischen den Parteien streitige Frage, ob die tatsächlichen Voraussetzungen für einen Staatsnotstand überhaupt noch vorliegen, dahingestellt bleiben. Es ist nämlich schon keine allgemeine Regel des Völkerrechts feststellbar, die einen Staat gegenüber Privatpersonen berechtigt, die Erfüllung fälliger privatrechtlicher Zahlungsansprüche unter Berufung auf den wegen Zahlungsunfähigkeit erklärten Staatsnotstand zeitweise zu verweigern, d.h. diese Einrede eines in Anspruch genommenen Staates spielt in einer privatrechtlichen Streitigkeit vor einem nationalen Gericht weder im Erkenntnis- noch im Vollstreckungsverfahren eine Rolle (vgl. BVerfG, Beschluss vom 08.05.2007, 2 BvM 1/03).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Rechtsbeschwerde gegen diesen Beschluss wird nicht zugelassen, da die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§§ 574 Abs. 1. Nr. 2, Abs. 2, 3 ZPO). Die hier maßgebliche Rechtsfrage des Staatsnotstandes hat das Bundesverfassungsgericht in der oben zitierten Entscheidung bereits geklärt.

Ende der Entscheidung

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