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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 04.09.2003
Aktenzeichen: 3 Sch 1/03
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 1040
ZPO § 1059
Zur Gültigkeit einer Schlichtungsvereinbarung in einem Praxisübernahmevertrag.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN BESCHLUSS

3 Sch 1/03

Verkündet am 4. September 2003

In der Schiedsgerichtssache

...

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 21.8.2003 durch die Richter .... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 21.08.2003 beschlossen:

Tenor:

Der Schlichtungsspruch des Schlichtungsausschusses der Landeszahnärztekammer Hessen vom 12.3.2003 wird aufgehoben.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

Tatbestand:

Gegenstand des Rechtsstreits ist das Begehren des Klägers, den Schlichtungsspruch des Schlichtungsausschusses der Landeszahnärztekammer Hessen vom 12.3.2003 aufzuheben.

Durch Praxisübernahmevertrag vom 6.2.2002 verkaufte der Kläger seine im .... in ........ gelegene Zahnarztpraxis für 214.742,60 an die Beklagte.

In § 10 des Vertrages (Bl. 9 ff d.A.) vereinbarten die Parteien folgendes:

"Rückkehrverbot

Der Übergeber verpflichtet sich, für die Dauer von 3 Jahren im Umkreis von 10 km weder eine eigene Zahnarztpraxis zu betreiben noch in einer anderen Praxis entgeltlich oder unentgeltlich tätig zu werden. Im Falle der Zuwiderhandlung hat der Übergeber eine sofort fällige Vertragsstrafe in Höhe von EUR 98.241,92 zu zahlen. Die Geltendmachung weitergehender Schäden bleibt davon unberührt. " § 14 hat folgenden Wortlaut: "Schlichtungsabkommen Bei Meinungsverschiedenheiten über die Geltung oder die Auslegung dieses Vertrages, seiner Bestandteile und seiner Anlagen sowie bei Vertragsverletzung aller Art wird vor der schiedsgutachterlichen Auseinandersetzung ein kollegiales Schlichtungsverfahren durchgeführt.

Dieses ist auch zuständig, wenn über das Zustandekommen der Schiedsgerichts- oder Schlichtungsvereinbarung gestritten wird.

Die Parteien einigen sich auf einen zahnärztlichen Schlichter, der im Falle der fehlenden Einigung durch die zuständige Landeszahnärztekammer benannt wird. ... Die evtl. Kosten des Schlichtungsverfahrens werden entsprechend § 7 des Schiedsvertrages erhoben ..."

Die Schlichtungsordnung der Landeszahnärztekammer Hessen (Bl.19d.A.) bestimmt in § 2: "Der Schlichtungsausschuß hat die Aufgabe, bei Streitigkeiten zwischen Berufsangehörigen sowie zwischen Berufsangehörigen und Dritten, die aus der zahnärztlichen Berufsausübung entstanden sind, auf gütlichem Wege einen Vergleich herbeizuführen oder ­ sofern die Parteien ihr Einverständnis dazu erklären ­ einen Schiedsspruch zu fällen." § 3 lautet u. a.: § 3 Nr.5: "Die Ladung zur mündlichen Verhandlung ist den Betroffenen mindestens 14 Tage vor der Verhandlung ... zuzustellen.

"§ 3 Nr.7:

Die Vertretung durch einen Rechtsanwalt ist nicht möglich. Im übrigen finden die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das schiedsrichterliche Verfahren entsprechende Anwendung."

Nach Übergabe der Praxis zahlte die Beklagte auf den vereinbarten Kaufpreis 179.000,-- , woraufhin der Kläger das nach § 14 des Vertrages vorgesehene Schlichtungsverfahren beantragte. Die Landeszahnärztekammer informierte die Beklagte über die Einleitung des Schlichtungsverfahrens und bestimmte Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 18.9.2002. Es wurde sodann ein weiterer Betrag von 31.878 entrichtet, so daß nur noch 3.864,-- offen standen. Am Verhandlungstag sagte die Beklagte den Termin ab, woraufhin die Landeszahnärztekammer neuen Termin auf den 12.3.2003 bestimmte. Als Vertreter der Beklagten fungierte insoweit Rechtsanwalt Dr. S..

Am 12.2.2003 stellte Rechtsanwalt Dr. K. für die Beklagte einen Antrag auf Einleitung eines weiteren Schlichtungsverfahrens, welches die Verurteilung des Klägers zur Unterlassung des Betreibens einer neuen Praxis sowie die Zahlung einer Vertragsstrafe von 98.214,92 zum Gegenstand hatte. Am 24.2.2003 übersandte die Landeszahnärztekammer ein an sie gerichtetes Schreiben des Dr. K. vom 12.2.2003 (eigentlich: 21.2.2003) an den Klägervertreter (Rechtsanwalt N.), in dem Rechtsanwalt Dr. K. auf den Umstand hinwies, daß zwei Schlichtungsverfahren mit unterschiedlichen Anwälten der Beklagten anhängig seien und daß er es für sinnvoll halte, auch das zweite Verfahren auf den 12.3.2003 zu terminieren. Am 24.2.2003 teilte die Landeszahnärztekammer den Rechtsanwälten Dr. K. und N. mit, daß sie es für sinnvoll halte, beide Termine am 12.3.2003 stattfinden zu lassen. Der Kläger wurde nicht informiert. Der Klägervertreter erklärte daraufhin mit Schreiben vom 27.2.2003, daß er zwischen beiden Terminen keinen Sachzusammenhang sehe und bat um Terminsverlegung. Weder er noch der Kläger erschienen am 12.3.2003. Der Kläger reichte ein Attest nach, um sein Ausbleiben zu entschuldigen.

Am 12.3.2003 fällte der Schlichtungsausschuß der Landeszahnärztekammer Hessen folgenden Schlichtungsspruch: "... Nach Anhörung der Frau Dr. H., die Dokumente vorlegen konnte, aus denen hervorgeht, daß Herr Dr. Km. zahnärztlich tätig ist (...), sieht der Schlichtungsausschuß einen klaren Verstoß gegen § 10 (Rückkehrverbot) des Praxisübernahmevertrags vom 6.2.02 unter der Bedingung, daß der Umkreis von 10 km unterschritten wurde. Der räumliche Abstand der neuen zahnärztlichen Tätigkeit von der an Frau H. übergebenen Praxis wurde vom Schlichtungsausschuß nicht geprüft."

Nach diesem Schlichtungsverfahren hat die Beklagte gegen den Kläger beim Landgericht Frankfurt a.M. eine einstweilige Verfügung auf Unterlassung des Praxisbetriebes beantragt, die durch Urteil vom 7.5.2003 zurückgewiesen wurde: Da die Verfügungsklägerin mit anwaltlichem Schreiben vom 20.12.2002 die in § 10 des Praxisübernahmevertrages vereinbarte Vertragsstrafe geltend gemacht habe, sei ihr ursprünglicher Erfüllungsanspruch, nämlich den Betrieb einer Zahnarztpraxis innerhalb von 3 Jahren nach Übergabe innerhalb eines Umkreises von 10 km zu unterlassen, erloschen.

Der Kläger ist der Auffassung, der Schlichtungsspruch verletzte ihn in seinem Recht auf ordnungsgemäße Information über die Einleitung eines Verfahrens und in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör. Es habe keine ordnungsgemäße Ladung zum 12.3.2003 gegeben.

Er beantragt,

den Schlichtungsspruch des Schlichtungsausschusses der Landeszahnärztekammer Hessen vom 12.3.2003 in dem Verfahren Dr. Km. gegen H. aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie macht geltend, es sei von einer ordnungsgemäßen Ladung des Klägers zum 12.3.2003 auszugehen. Im übrigen komme es hierauf nicht an. Vorliegend sei der Weg zu den ordentlichen Gerichten sogleich eröffnet, ohne daß ein Schlichtungs- oder Schiedsverfahren vorangehen müsse. § 14 des Praxisübernahmevertrages sei wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot und Widersprüchlichkeit unwirksam.

Was unter schiedsgutachterlicher Auseinandersetzung einerseits und kollegialem Schlichtungsverfahren andererseits zu verstehen sei, bleibe offen. Für die Kosten des Schlichtungsverfahren werde Bezug genommen auf § 7 des "Schiedsvertrages". Ein solcher sei ­ was unstreitig ist ­ zwischen den Parteien nicht geschlossen worden. Die fehlende Klarheit der Regelung in § 14 habe ihre völlige Unwirksamkeit zur Folge, was eine Aufhebung des Schlichtungsspruches mangels Rechtswirksamkeit zur Folge habe.

Gründe:

Der Schiedsspruch war gemäß § 1059 I, II Zif.1a ZPO aufzuheben, da § 14 des Praxisübernahmevertrages unwirksam ist. Es fehlt damit an einer rechtlichen Grundlage für einen Schlichtungs- bzw. Schiedsspruch über einen eventuellen Verstoß des Klägers gegen das in § 10 des Vertrages normierte Rückkehrverbot.

Der Senat ist weder gehindert, die Zuständigkeit des Schiedsgerichts noch die Gültigkeit des so bezeichneten "Schlichtungsabkommens" insgesamt zu überprüfen. Zwar enthält § 14 Abs.2 des Praxisübernahmevertrages eine sog. Kompetenz-Kompetenz, wenn es dort heißt: "dies ist auch zuständig, wenn über das Zustandekommen der Schiedsgerichts- oder Schlichtungsvereinbarung gestritten wird". Weist eine vertragliche Bestimmung dem Schiedsrichter auch die Entscheidung über seine Zuständigkeit sowie über die Gültigkeit des Schiedsvertrages zu, so liegt darin nach ständiger Rechtsprechung eine zweite Schiedsvereinbarung, deren Gegenstand die Gültigkeit der Schiedsabrede ist. In diesem Fall hat das Gericht nur die Gültigkeit der "Kompetenz-Kompetenz-Klausel" zu überprüfen (HansOLG OLGR Bremen 1996,139-141; Baumbach-Albers, 61. Aufl. ZPO, § 1059Rdnr.5). Da vorliegend keine Entscheidung des Schiedsgerichts über die eigene Zuständigkeit vorliegt (§ 1040 ZPO), ist der Senat nicht auf die Prüfung der Wirksamkeit der Kompetenz-Kompetenz-Klausel beschränkt.

Sowohl letztere als auch das Schlichtungsabkommen insgesamt entbehren der Wirksamkeit. Zwar handelt es sich bei der Bestimmung des § 14 des Praxisübernahmevertrages nicht um eine AGB-Klausel, deren Gültigkeit der Inhaltskontrolle unterliegt und damit an § 307 Abs.2 S.2 BGB n.F. scheitert. Das Transparenzgebot gilt unmittelbar nur für Regelungen mit AGB-Charakter (Palandt-Heinrichs, 62. Aufl. BGB, § 133 Rdnr. 117). Wenn aber die für alle Willenserklärungen ­ also auch für Individualvereinbarungen ­ geltenden Auslegungsgrundsätze nebst ggf. ergänzender Vertragsauslegung zu keiner sicheren Erkenntnis darüber führen, welche Art vorgerichtlicher Auseinandersetzung den Vorstellungen der Parteien entsprach, entfaltet die entsprechende Bestimmung keine Wirkung. So liegen die Dinge hier.

Es ist nicht feststellbar, welcher Verfahrensablauf bei Meinungsverschiedenheiten über den Praxisübernahmevertrag im einzelnen gewollt war. Es heißt, daß vor der schiedsgutachterlichen Auseinandersetzung ein kollegiales Schlichtungsverfahren durchgeführt werden solle. Bis auf die chronologische Reihenfolge fehlt es aber an hinreichend konkreten Angaben über die Einzelheiten des jeweiligen Verfahrens. So sollen sich die Parteien auf einen zahnärztlichen Schlichter einigen, der im Falle fehlender Einigung von der Landeszahnärztekammer benannt wird. Ob hier insoweit ein Einigungsversuch stattgefunden hat, ist nicht vorgetragen. Der Vertrag sieht auch keine ausdrückliche Bezugnahme auf die Schlichtungsordnung vor, welche offenbar Grundlage des weiteren Vorgehens der Beteiligten war und welche auch die Anwendbarkeit der zivilprozessualen Vorschriften über das schiedsrichterliche Verfahren enthält.

Daß sich die Parteien hier im Sinne von § 2 der Schlichtungsordnung darauf geeinigt hätten, daß der Schlichtungsausschuß einen Schiedsspruch fälle, ist ebenfalls nicht dargetan.

Des weiteren fehlt es an einer Regelung, von welchem Gewicht ein solcher Schlichtungsspruch sein soll: wäre er bindend, so würde sich eine weitere Auseinandersetzung in einem schiedsgutachterlichen Verfahren erübrigen. Gerade eine solche ist jedoch in § 14 vorgesehen. Allerdings ist unstreitig, daß ein Schieds(gutachter)vertrag nicht geschlossen worden ist. Letzterer hätte dann auch vorsehen müssen, ob über die schiedsgutachterliche Entscheidung hinaus noch das ordentliche Gericht hätte angerufen werden können. Daß hieran gedacht war, legt § 4 der Schlichtungsordnung nahe, in der es heißt, daß die Zuständigkeit anderer Instanzen unberührt bleibe. Wenn aber bereits § 3 Nr. 7 der Schlichtungsordnung auf die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das schiedsrichterliche Verfahren verweist, so fragt sich, ob sowohl der Schiedsspruch des Schlichters als auch anschließend der des Schiedsrichters in eine gerichtliche Überprüfung münden sollte.

Weitere Ungereimtheiten finden sich in der Kostenregelung des § 14 des Praxisübernahmevertrages: Danach sollen eventuelle Kosten des Schlichtungsverfahrens entsprechend § 7 des (nicht existenten) Schiedsvertrages erhoben werden. Angesichts der bestehenden Unklarheiten vermag der Senat der Regelung des § 14 keine Rechtswirkung beizumessen, und zwar auch nicht in der Form, daß die vorgesehene erste Stufe des Vorgehens bei Meinungsverschiedenheiten mit der Einschaltung des Schlichtungsausschusses stattgefunden hat und sich daran nun die gerichtliche Überprüfung des Schiedsspruches knüpft. Zwar könnte der vorliegend am 12.3.2003 gefällte Schlichtungsspruch als das Ergebnis des in § 14 vorgesehenen kollegialen Schlichtungsverfahrens angesehen werden. Mangels eindeutiger Regelungen zur eventuellen Bindungswirkung des Spruches, zur Überprüfbarkeit und zum weiteren Verfahren vermag der Senat aber auch insoweit nicht von einer Teilwirksamkeit der Bestimmung auszugehen.

Der am 12.3.2003 gefällte Schiedsspruch war damit deswegen aufzuheben, weil es an einer ausreichenden rechtlichen Grundlage für die Einschaltung des Schlichtungsgremiums fehlt. Ob er aus sonstigen formalen oder materiellen Gründen der Wirksamkeit entbehrt, kann dahinstehen. Die Gültigkeit des Rückkehrverbotes in § 10 des Praxisübernahmevertrages ist ohne Schlichtungs- bzw. Schiedsverfahren im ordentlichen Gerichtsverfahren zu klären.

Der Beklagten war es auch nicht verwehrt, einerseits den in § 14 des Schlichtungsabkommens vorgesehenen Weg zu wählen und einen Antrag auf Einleitung eines Schlichtungsverfahrens zu stellen und sich sodann im vorliegenden Verfahren auf die Unwirksamkeit des § 14 des Praxisübernahmevertrages zu berufen. Zwar kann es gegen Treu und Glauben verstoßen, die Rüge der Unzulässigkeit des Schiedsverfahrens zu erheben, wenn man dieses Verfahren selbst herbeigeführt hat (Palandt-Albers, § 1059 ZPO Rdnr. 3). Abgesehen davon, daß die Beklagte nicht vorhersehen konnte, ob es nicht im Rahmen der vertraglichen Regelung bei einer Schlichtungsverhandlung doch zu einer einvernehmlichen Lösung mit dem Kläger kommen würde, ist nicht ersichtlich, daß sie sich vorprozessual nachdrücklich und uneingeschränkt auf die Schiedsabrede berufen hätte. Im übrigen war für beide Parteien angesichts der Komplexität der Fragen nicht abschätzbar, ob und inwieweit die Bestimmung des § 14 gerichtlicherseits als unwirksam angesehen würde. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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