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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 08.05.2003
Aktenzeichen: 3 U 136/02
Rechtsgebiete: AUB 88


Vorschriften:

AUB 88 § 7
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand:

Der Kläger hat die Beklagte auf Zahlung von Invaliditätsleistungen aus einer zwischen den Parteien abgeschlossenen Unfallversicherung in Anspruch genommen. Dem Vertrag liegen die Allgemeinen Unfallversicherungsbedingungen AUB 88 zugrunde.

Am 12.09.1999 zog sich der Kläger bei einem Sturz eine Kniedistorsion zu. Nach ambulanter Erstbehandlung durch seinen Hausarzt Dr. A am 22.09.1999 fanden weitere Behandlungen im B-Krankenhaus in O1 statt.

Mit Schreiben vom 15.11.1999 kündigte die Beklagte die Zahlung von Krankenhaustagegeld und Genesungsgeld an und wies auf die 15-Monatsfrist für den Nachweis der Invalidität hin (Bl. 77- 79 d. A.).

Die Beklagte holte bei der Orthopädischen Klinik der C-Universität in O1 eine ärztliche Begutachtung ein, die unter dem 08.05.2001 erstellt wurde (Bl. 80 - 81 d. A.) und zu dem Ergebnis kam, ohne Nachuntersuchung könne die Frage nach eingetretener Invalidität nicht beantwortet werden. In einer weiteren gutachterlichen Äußerung teilte die Orthopädische Klinik in O2 am 27.06.2001 mit (Bl. 15- 17 d. A.), die Invalidität sei zu bejahen. Daraufhin teilte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 07.08.2001 mit, Leistungen aus der Invaliditätsversicherung könnten nicht erbracht werden, weil die Invalidität nicht innerhalb von 15 Monaten nach dem Unfall ärztlich festgestellt worden sei, wie in § 7 l Abs. 1 AUB 88 vorgesehen.

Am 28.08.2001 (Bl. 14 d. A.) erstellte der Hausarzt des Klägers Dr. A ein Attest über den Gesundheitsverlauf, wonach Invalidität frühestens nach Implantation der Knieprothese denkbar sei.

Unter dem 18.09.2001 lehnte die Beklagte wegen Versäumung der 15-Monatsfrist die Erbringung der vertraglich vorgesehenen Leistungen ab und bot dem Kläger an, freiwillig eine ärztliche Begutachtung vornehmen zu lassen, wobei sie freiwillig anteilige Leistung in Aussicht stellte. Dem kam der Kläger nach. Das Gutachten wurde am 29.10.2001 in B-Krankenhaus in O1 erstellt (Bl. 18-23 d. A.). Danach besteht Invalidität aufgrund des Unfalles in Höhe von 30 %. Aufgrund dieser Feststellungen zahlte die Beklagte dem Kläger freiwillig Euro 7000,--. Weitergehende Leistungen lehnte sie ab.

Mit der Klage hat der Kläger die seiner Meinung nach bislang fälligen Rentenzahlungen sowie künftige Zahlung einer monatlichen Invaliditätsrente geltend gemacht. Er hat behauptet, die Invalidität sei innerhalb der Jahresfrist des § 7 I Abs. 2 AUB 88 eingetreten, was die Beklagte innerhalb der 15-Monatsfrist habe erkennen können. Selbst bei fehlender ärztlicher Bescheinigung innerhalb dieser Frist habe er lediglich leicht fahrlässig gehandelt. Die Beklagte sei weiter zur Leistung verpflichtet, weil es sich bei der ärztlichen Feststellung der Invalidität innerhalb der Frist lediglich um eine Obliegenheit handele.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilten,

1. an den Kläger Euro 27.623,45 nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 06.12.2001 zu zahlen,

2. an den Kläger eine monatliche Invaliditätsrente in Höhe von Euro 2524,70 ab dem 01.03.2002 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat ihre Einstandspflicht bestritten.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und ausgeführt, es könne dahinstehen, ob die Invalidität innerhalb eines Jahres nach dem Unfall eingetreten sei, weil sie jedenfalls nicht innerhalb der 15-Monatsfrist ärztlich festgestellt und auch nicht geltend gemacht worden sei. Sämtliche ärztlichen Feststellungen der Invalidität datierten auf spätere Zeitpunkte, so dass es unerheblich sei, ob die dort getroffenen Aussagen für die ärztlichen Feststellungen überhaupt ausreichend seien. Die am 08.11.1999 ausgestellte ärztliche Bescheinigung des Dr. A für das Krankenhaustagegeld (BI. 27 d. A.) stelle keine ausreichende ärztliche Feststellung dar, weil sie keinen Hinweis auf eine Invalidität enthalte und sich dies nicht einmal aus der gestellten Diagnose ergebe. Die Einhaltung der Frist für die ärztliche Feststellung sei keine Obliegenheit sondern Anspruchsvoraussetzung, deren Versäumung der Versicherte nicht entschuldigen könne. Das Berufen der Beklagten auf den Fristablauf sei auch nicht treuwidrig. Sie habe den Kläger unter dem 15.11.1999 sogar ausdrücklich auf die Fristen hingewiesen. Dass sie den Kläger zu einer Untersuchung im Oktober 2001 veranlasst habe, stehe nicht entgegen, weil sie sich zuvor auf Fristablauf berufen und lediglich freiwillige Leistungen in Aussicht gestellt habe.

Gegen das am 17.07.2002 zugestellte Urteil hat der Kläger am 09.08.2002 Berufung eingelegt und diese am 30.08.2002 begründet. Er verfolgt sein erstinstanzliches Begehren - weiter und beruft sich erneut darauf, dass Invalidität innerhalb eines Jahres nach dem Unfall vorgelegen habe, was sich aus den Gutachten der Kliniken in O2 und O1 ergebe. Die 15-Monatsfrist des § 7 I Abs. 1 AUB 88 könne in dieser Form keinen Bestand haben, weil sie zu unbilligen Ergebnissen führe. Sie verstoße gegen § 9 AGB-Gesetz. Bei der Einhaltung der 15-Monatsfrist handele es sich allenfalls um eine Obliegenheit mit .Exkulpationsmöglichkeit. Das fehlende Verschulden des Klägers liege in der Dauer der ärztlichen Behandlung.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Landgerichts Frankfurt vom 05,07.2002, Az. 2/10 0 57/02, aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen,

1. an den Kläger 11.807,04 Euro nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 06.12.2001 zu zahlen,

2. an den Kläger eine monatliche Invaliditätsrente von Euro 843,36 ab dem 01.03.2002 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist statthaft und zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat die Klage mit Recht abgewiesen, weil die Voraussetzungen des § 7 I Abs. 1 AUB 88 nicht gegeben sind. Voraussetzung der Leistungspflicht der Beklagten war der Eintritt der Invalidität binnen 12 Monaten, deren ärztliche Feststellung binnen 15 Monaten und die Geltendmachung der Invalidität binnen 15 Monaten.

Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, fehlt es an einer ärztlichen Feststellung der Invalidität binnen 15 Monaten. Der Unfall fand am 12.09.1999 statt, sodass die 15- Monatsfrist am 12.12.2000 ablief. Die von dem Kläger vorgelegten Gutachten und Bescheinigungen datieren alle nach diesen Zeitpunkt. Die Bescheinigung des Dr. A vom 08.11 .1999 (Bl. 27 d. A.) liegt zwar zeitlich innerhalb der Frist, stellt indessen keine Invalidität fest, wie auch die weiteren Bescheinigungen des Dr. A im Zusammenhang mit der Gewährung von Krankenhaustagegeld (Bl. 31, 33 und 34 d. A). Erforderlich ist aber, dass die Invalidität innerhalb der 15-Monatsfrist ärztlich schriftlich festgestellt wird, also die von ärztlicher Sachkunde und Erfahrung getragene Beurteilung enthält, das Gesundheitsbeeinträchtigungen auf das Unfallereignis zurückzuführen sind und Dauercharakter haben, mindestens aber 3 Jahre andauern werden. Nicht erforderlich ist, dass die Prognose zutreffend ist, die Feststellung muss auch nicht innerhalb der 15-Monatsfrist dem Versicherer zugegangen sein. Es nützt dem Kläger damit nichts, dass er Bescheinigungen vorlegt, die nach der 15-Monatsfrist erstellt worden sind und ihm einen gewissen Invaliditätsgrad ab dem Unfallzeitpunkt bescheinigen.

Entgegen der Auffassung des Klägers verstößt § 7 AUB auch nicht gegen das AGB-Gesetz, was der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 19.11.1997 (VersR 1998, Seite 175, 176) ausdrücklich festgestellt hat. Dort ist ausgeführt, die Begrenzung auf ein Jahr, innerhalb dessen die Invalidität eingetreten sein müsse, könne zwar im Einzelfall schwere Nachteile für den Versicherten bewirken; dadurch werde der Abschluss eines Unfallversicherungsvertrages aber nicht zwecklos. Denn bei Abschluss des Vertrages könne der Versicherte mit Recht davon ausgehen, dass er mit einer hohen Wahrscheinlich Deckungsschutz erhalten werde, weil die Fälle der nicht versicherten Spätschäden relativ selten seien. Deshalb könne in dem möglichen Nachteil des Versicherten noch keine unangemessene Benachteiligung im Sinne des § 9 Abs. 1 AGB-Gesetz gesehen werden, selbst wenn die Begrenzung der Leistungspflicht allein im Interesse des Versicherers liege.

Die gleichen Erwägungen gälten für die Regelung der 15-Monatsfrist zur ärztlichen Feststellung der Invalidität. Von einer unangemessenen Benachteiligung könne hier auch deshalb nicht ausgegangen werden, weil die Rechtsprechung erhebliche Erleichterungen geschaffen habe. So seien an die ärztliche Feststellung der Invalidität keine hohe Anforderungen zu stellen. Es brauche zu einem bestimmten Grad der Invalidität noch nicht abschließend Stellung genommen zu sein. Die ärztliche Feststellung müsse nicht einmal richtig und dem Versicherer auch nicht innerhalb der Frist zugegangen sein. Der Senat folgt diesen Erwägungen.

Soweit der Kläger in der Einhaltung der 15-Monatsfrist allenfalls eine Obliegenheit sieht, mit der Möglichkeit der Exkulpation, kann ihm in dieser Allgemeinheit nicht gefolgt werden. Die ärztliche Feststellung der Invalidität innerhalb der Frist ist keine Obliegenheit, sondern Anspruchsvoraussetzung. Auf ein Verschulden des Versicherungsnehmers kommt es dabei nicht an. Demgegenüber ist die 15-Monatsfrist zur Geltendmachung der Invalidität eine Ausschlussfrist, deren Versäumnis entschuldigt werden kann (OLG Koblenz in NVersZ 2002, Seite 69, 70). Soweit der Kläger hier argumentiert, die Invalidität habe in seinem Falle nicht innerhalb der Frist festgestellt werden können, ist erneut auf die bereits zitierte Entscheidung des Bundesgerichtshof vom 19.11.1997 zu verweisen. Die Möglichkeit, dass der Kläger aus diesem Grund unangemessen benachteiligt wird, stellt keinen Fall des § 9 Abs. 1 des AGB-Gesetz dar. Es ist damit auch nicht treuwidrig, wenn sich die Beklagte auf den Fristablauf beruft. Auch die von dem Kläger vorgelegte Entscheidung des Landgerichts Berlin (Urteil vom 07.05.2002 - 7 0 64/00) sagt inhaltlich nichts anderes. Die Entscheidung befasst sich nämlich mit der Frist zur Geltendmachung der Berufsunfähigkeit, deren Versäumnis, wie ausgeführt, entschuldigt werden kann.

Die Kosten der nach alldem erfolglosen Berufung trägt gemäß § 97 Abs. 1 ZPO der Kläger.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Ziff. 10, 711, 108 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind.

Ende der Entscheidung

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