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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 24.05.2007
Aktenzeichen: 3 U 144/06
Rechtsgebiete: SGB VII, VVG


Vorschriften:

SGB VII § 110
SGB VII § 111
VVG § 151
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Von der Darstellung des Sachverhaltes wird abgesehen, weil ein Rechtsmittel nicht eröffnet ist.

Die Berufung der Klägerin ist statthaft und zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet. Sie hat auch in der Sache Erfolg und führt zur Abänderung des angegriffenen Urteils und Verurteilung gemäß dem aus dem Tenor ersichtlichen Klageantrag.

Die Drittfeststellungsklage ist zulässig. Eine solche Klageart ist anerkannt, wenn der Geschädigte ein rechtliches Interesse daran haben kann, dass dem Schädiger Deckungsschutz zu gewähren ist (BGH VersR 2001, 90; OLG Köln VersR 2002, 730; Prölss/Martin VVG 27. Aufl., § 156, Rz. 1). Das Landgericht hat dies vorliegend damit begründet, dass zwar Geschädigte die betroffenen Mitarbeiter seien, möglicherweise aber ein gesetzlicher Forderungsübergang in Betracht komme, was das Feststellungsinteresse begründe. Die Klägerin hat indessen wegen der erbrachten Leistungen einen originären Anspruch gegen die Versicherungsnehmerin und Frau E aus §§ 110 Abs. 1, 111 SGB VII, der nicht aus dem Anspruch der Geschädigten abgeleitet ist (Jochem Schmitt SGB VII, 2. Aufl., § 110, Rz. 3).

Der Deckungsschutzanspruch ist auch nicht nach Ziffer 10.3 der Besonderen Versicherungsbedingungen ausgeschlossen. Das Landgericht hat einen solchen Ausschluss angenommen und dies damit begründet, dass sich Absatz 2 dieser Vorschrift nicht nur auf mitversicherte Personen beziehe, sondern quasi eine negative Mitversicherung sei. Dies deshalb, weil dieser Bereich durch die gesetzliche Unfallversicherung abgesichert sei und Gründe für eine doppelte Absicherung nicht ersichtlich seien. Diese Auslegung teilt der Senat nicht. Ziffer 10.3 betrifft, wie sich aus der Überschrift ergibt, "mitversicherte Personen". Der Ausschluss kann sich also nur hierauf beziehen, nicht aber auf den Unternehmer selbst (Prölss/Martin a.a.O., Betriebshaftpflicht Ziffer 7.1.2, Rz. 12; ÖOGH VersR 1989, 826). Der Ausschluss greift gerade nicht ein, wenn der Versicherungsnehmer durch eigenes grob fahrlässiges Verhalten einen Arbeitsunfall herbeiführt, bei dem ein Betriebsangehöriger zu Schaden kommt. Genau dies wird hier aber geltend gemacht. Der Ausschluss greift auch dann nicht, wenn eine in Ziffer 1 genannte Person durch grob fahrlässiges Verhalten - wie hier geltend gemacht - einen Personenschaden an einem Betriebsangehörigen herbeiführt, weil hier die gesetzliche Haftpflicht kraft Gesetzes über § 151 Abs. 1 VVG in den Versicherungsschutz einbezogen wird (Prölss/Martin a.a.O.). Auch den Sinn und den Zweck der Regelung beurteilt der Senat anders als das Landgericht. Die hier vertretene Auslegung hat zur Folge, dass bei Vorliegen eines Arbeitsunfalles der Regress der Sozialversicherungsträger gegenüber dem Versicherungsnehmer bzw. dem unter 1. genannten Personenkreis dem Versicherungsschutz unterfällt, während gegenüber dem Verursacher, der den übrigen Betriebsangehörigen zuzurechnen ist, keine Eintrittspflicht besteht. Dies hat seinen Sinn darin, dass die Sozialversicherer dazu veranlasst werden sollen, von ihrem Recht auf einen Regressverzicht gegenüber dem Schadensverursacher überhaupt Gebrauch zu machen. Wären nämlich auch die übrigen Betriebsangehörigen durch den Haftpflichtversicherer abgedeckt, bestünde verständlicherweise kein Grund, dieses Verzichtsrecht auszuüben. Die Berufsgenossenschaft könnte vielmehr ihre Leistungspflicht immer auf den zahlungskräftigen Versicherer abwälzen, ohne soziale Gesichtspunkte berücksichtigen zu müssen (Krause, Versicherungsschutz in der Betriebshaftpflicht bei Arbeitsunfällen, VersR 1999, 819 f.). Auch das weitere Argument der Beklagten, das Unternehmen handele gerade durch seine Vertreter und sei dadurch von diesem nicht zu trennen, wird durch die Vorschrift des § 111 SGB VII widerlegt, die eine Haftung des Unternehmers selbst festschreibt, nämlich bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verursachung des Versicherungsfalles durch vertretungsberechtigte Organe.

Ob die von der Beklagten ausgesprochene Kündigung zu Recht erfolgte oder nicht, muss nicht näher untersucht werden, weil auch im Falle einer berechtigten Kündigung Versicherungsschutz bestünde. Denn im Mahnschreiben vom 22.09.2003 (Bl. 75, 76 d.A.) hat die Beklagte ihrer Versicherungsnehmerin eine Zahlungsfrist wegen rückständiger Beiträge bis zum 10.10.2003 gesetzt mit dem Hinweis, der Versicherungsschutz erlösche nach Ablauf dieser Frist. Der Schadensfall ereignete sich indessen bereits am 08.10.2003, also noch vor Fristablauf.

Die Haftung der Beklagten ist nicht wegen vorsätzlicher Herbeiführung des Versicherungsfalles gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 1 AHAB ausgeschlossen. Das Landgericht hat vorsätzliches Verhalten der Geschäftsführerin E angenommen. Allein daraus, dass Frau E am Unfalltag das Fehlen des Seitenschutzes bemerkte, ohne eine Einstellung der Arbeiten zu veranlassen, kann dies indessen nicht hergeleitet werden. Denn Voraussetzung für vorsätzliche Herbeiführung des Arbeitsunfalles wäre weiter, dass Frau E eine Verletzung ihrer Mitarbeiter billigend in Kauf genommen hätte. Nach der Lebenserfahrung ist allerdings anzunehmen, dass sie darauf vertraute, "es werde schon gut gehen", was lediglich den Vorwurf grober Fahrlässigkeit begründet. Einen Anscheinsbeweis für das Vorliegen vorsätzlichen Verhaltens gibt es, wie die Berufung mit Recht hervorhebt, nicht.

Letztlich ist die Beklagte auch nicht wegen einer Obliegenheitsverletzung in Form einer unterbliebenen Schadensmeldung leistungsfrei (§§ 6, 5 AHB). Zwar ist es zutreffend, dass der Versicherungsfall nicht unverzüglich angezeigt wurde und dass auch keine vollständige Schadensmeldung durch den Insolvenzverwalter abgegeben wurde. Die Klägerin verweist jedoch darauf, der Beklagten sei hierdurch kein Nachteil entstanden, weil das Unfallereignis unstreitig und in den Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft Koblenz hinreichend dokumentiert sei. Dem ist die Beklagte nicht entgegengetreten. Mithin geht der Senat von einer Folgenlosigkeit der Obliegenheitsverletzung aus, die weder Einfluss auf die Schadensfeststellung noch auf die Höhe der Versicherungsleistung gehabt hat.

Angesichts dessen war das angegriffene Urteil abzuändern und die Deckungspflicht der Beklagten gemäß dem Klageantrag festzustellen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Ziff. 10, 713 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind.

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