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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 08.03.2007
Aktenzeichen: 3 U 180/06
Rechtsgebiete: AGBG, BGB


Vorschriften:

AGBG § 3
AGBG § 9
BGB § 305 c
BGB § 307
BGB § 314
BGB § 620
BGB § 621
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I.

Die Kläger machen auf der Grundlage eines von ihnen unterzeichneten Schulvertrags vom 8.11.2001 (Bl. 68 f = 74 f d.A.) die Unwirksamkeit der von dem Beklagten Schulverein durch Schreiben vom 12.7.2005 (BA [Beiakte 2-07 O 264/05] Bl. 30) ausgesprochenen Kündigung des Vertrags geltend. Die Parteien sind darüber einig, dass der Schulvertrag, auf Grund dessen ihr heute 14jähriger Sohn X, geb. am ....1992, seit dem 1.8.2002 das von dem Beklagten betriebene Privatgymnasium ... in O1 besucht, zwischen ihnen geschlossen worden ist. Zu den Grundlagen der Vertragsbeziehung gehört ein Prospekt des Beklagten (Bl. 70 f d.A.) u.a. mit Angaben über "Pädagogische Ziele und Grundsätze" sowie "Informationen zur Struktur des Instituts", der den Klägern vor dem Vertragsschluss ausgehändigt worden war.

Anlass für die zuvor bereits mit Schreiben vom 28.6.2005 (BA: Bl. 25 f) angekündigte Kündigung war eine Auseinandersetzung der Parteien über eine - vom Beklagten behauptete - Beteiligung ihres Sohns X an einem gewalttätigen Übergriff einer Gruppe von Schülern seiner 7. Schulklasse gegenüber einem Schüler der 5. Klasse, Y, der sich am 2.6.2005 ereignet hatte. Wegen des aus Sicht des Beklagten uneinsichtigen und unangemessenen Verhaltens der Kläger gegenüber den von der Schule ergriffenen Maßnahmen sah sich der Beklagte zur Kündigung veranlasst. Bezüglich der anderen, insbesondere der unstreitig tatsächlich an dem Vorfall vom 2.6.2005 beteiligten Mitschüler, sind keine Kündigungen ausgesprochen worden.

Unstreitig handelt es sich bei dem Sohn der Kläger um einen guten Schüler mit sonst untadeligem sozialem Verhalten, der nach der Darstellung des Beklagten eine Beteiligung an dem Vorfall eingeräumt und das Unrecht seines Tuns eingesehen hat. Er wurde für dieses Verhalten gelobt.

Die Kläger haben in einem dem Rechtsstreit vorausgegangenen Eilverfahren vor dem LG Frankfurt am Main (Az.: 2/7 O 264/05) durch Beschluss des Einzelrichters des Senats vom 30.11.2005 (Az. 3 W 72/05) eine einstweilige Verfügung erwirkt, durch die der Beklagte verpflichtet worden ist, dem Sohn der Kläger, X, geb. ...1992, über den 31.1.2006 hinaus bis zur rechtskräftigen Klärung der Frage, ob der zwischen den Parteien bzw. dem Beklagten und dem Sohn der Kläger am 8.11.2001 unterzeichnete Schulvertrag durch außerordentliche oder ordentliche Kündigung des Beklagten beendet ist, den Schulbesuch des Privatgymnasiums ... zu ermöglichen. Gleichzeitig ist dem Beklagten vorsorglich bei Meidung eines Ordnungsgeldes in gleicher Höhe verboten worden, im Zusammenhang mit den Kündigungen des Schulvertrages den Schulbesuch des Sohnes der Kläger zu untersagen oder in irgend einer Form zu beeinträchtigen.

Neben X besucht auch sein älterer Bruder Z das Privatgymnasium ..., derzeit in der 10. Klasse. Der ihn betreffende Schulvertrag besteht ungekündigt fort. X besucht derzeit die 8. Klasse. Das dritte Kind der Kläger, eine Tochter, besucht das öffentliche B-Gymnasium in O2.

Die Kläger haben geltend gemacht, die Kündigung des Schulvertrags durch den Beklagten sei unwirksam.

1. Ein Recht des Beklagten zur ordentlichen Kündigung nach § 621 BGB bestehe bei einem auf langfristige Beschulung in einer bestimmten Schule bis zum Abschluss - hier: bis zum Abitur - angelegten und damit im Rechtssinn (§ 620 I BGB) befristeten Schulvertrag nicht. Zwar sei es in Ziff. 3 des Schulvertrags vorgesehen. Diese Klausel sei aber, soweit sie die Möglichkeit der ordentlichen Kündigung für den Schulträger vorsehe, grob unbillig und halte einer Inhaltskontrolle anhand des vorliegend noch anwendbaren § 9 AGBG a.F. bzw. des jetzigen § 307 BGB nicht stand. Insbesondere sei das Vertrauen der Eltern und ihrer Kinder darauf zu schützen, nachhaltig das durchaus von dem Angebot öffentlicher Schulen positiv abweichende Angebot der von dem Beklagten betriebenen Privatschule (deutlich kleinere Klassen, intensive individuelle Betreuung pp.) nutzen zu können.

2. Eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund sei im Schreiben des Beklagten vom 12.7.2005 (BA, K 6: Bl. 30) nicht ausgesprochen worden. Als solche könne die Kündigung auch nicht umgedeutet werden.

3. Die mit dem Schreiben des Beklagten vom 8.11.2005 (BA: Bl. 120) erstmals auch ausgesprochene Kündigung aus wichtigem Grund sei nach § 626 II BGB verfristet.

4. Für eine außerordentliche Kündigung gebe es auch keine Veranlassung.

a) Auf den Auslöser des Streits, das Gerangel von Klassenkameraden von X mit einem Schüler der 5. Klasse am 2.6.2005, könne es schon deshalb nicht ankommen, weil X daran - entgegen der Behauptung des Beklagten - nicht aktiv beteiligt gewesen sei. Er sei bei dem Vorfall, bei dem einem Schüler der 5. Klasse - wie zuvor umgekehrt geschehen - durch Kneifen und Verdrehen von zwischen die Finger gekniffener Haut Schmerzen zugefügt worden seien, ebenso wie die übrigen mehr als 15 Schüler seiner Klasse ohne jeden eigenen Tatbeitrag lediglich anwesend gewesen und nicht eingeschritten. Anlass für den "Racheakt" sei ein entsprechender Angriff mehrerer Schüler der 5. Klasse - u.a. des späteren "Opfers" der Schüler der 7. Klasse - gegen einen an dem "Racheakt" Beteiligten gewesen, gegen den die hierauf angesprochenen Lehrer nicht eingeschritten seien. Bei einer Anhörung der "Täter" durch die Schulleiterin hätten die befragten Klassenkameraden erklärt, dass X nicht beteiligt gewesen sei. Das habe die Schulleiterin in einem Gespräch vom 6.7.2005 mit den Eltern eines der beteiligten Schüler (...) bestätigt (Beweis: Z. Z1).

b) Auch die nachfolgende streitige Auseinandersetzung der Parteien um Maßregelungen der Schüler rechtfertige die Kündigung nicht, zumal es zuvor nie zu Streitigkeiten gekommen sei.

(1) Bereits das von der Schulleiterin wenige Tage nach dem Vorfall vom 2.6.2005 an die Eltern der (vermuteten) "Täter" und damit u.a. an die Kläger gerichtete Schreiben vom 8.6.2005 (BA Anl. K 2, Bl. 22) sei wegen - auf fehlender Sachverhaltsaufklärung beruhender - falscher Tatsachenbehauptungen und beleidigender Formulierungen - X habe sich an "sadistischen Quälereien" beteiligt und sei "gemein" mit anderen Kindern umgegangen - für die Kläger unakzeptabel gewesen, zumal auch die Behauptung, X habe seine Beteiligung an dem Vorfall gestanden, unzutreffend gewesen sei.

(2) Die zugleich erfolgte Anordnung disziplinarischer Maßnahmen in Form von "Nachsitzen" und dem Schreiben eines Aufsatzes sei für X nicht berechtigt gewesen, zumal es sich nicht etwa um eine - auch ihrerseits fragwürdige - "Kollektivstrafe" für die ganze Klasse einschließlich aller derjenigen Schüler gehandelt habe, deren Inaktivität man eventuell als "feige" qualifizieren könne.

(3) Die der Schulleiterin gegenüber mit Schreiben vom 9.6.2005 (BA Anl. K 3, Bl. 23 f) unverzüglich erhobene Forderung, sich für ihre als beleidigend empfundenen Äußerungen zu entschuldigen und sie zurückzunehmen, sowie die Anordnung der disziplinarischen Maßnahme zurückzunehmen, sei gerechtfertigt gewesen.

(4) Die nachfolgende Androhung der Schulleiterin in deren Schreiben vom 28.6.2005 (BA Anl. K 4, Bl. 25 f), sie werde eine Kündigung des Schulvertrags veranlassen, wenn die Kläger sich der disziplinarischen Maßnahme weiter widersetzten, verbunden mit der Anordnung des "Nachsitzens" - nur von X - am 4.7.2005 stelle eine rechtswidrige Nötigung dar.

(5) Die der Schulleiterin gegenüber mit Schreiben vom 3.7.2005 (BA Anl. K 5, Bl. 27 ff) erneut erhobene Forderung, sich für ihre als beleidigend empfundenen Äußerungen zu entschuldigen und sie zurückzunehmen, sowie von (weiteren) disziplinarischen Maßnahmen gleich welcher Art abzusehen, sei wiederum gerechtfertigt gewesen.

(6) Den Klägern seien insgesamt keinerlei Pflichtverstöße vorzuwerfen. Sie akzeptierten auch ungerechte, nicht aber diskriminierende und unverhältnismäßige Bestrafungen ihrer Kinder für (angebliche) Verstöße oder pflichtwidrige Unterlassungen, und forderten nur eine Selbstverständlichkeit, nämlich auch in einer Privatschule willkürfreie Rechtsstaatlichkeit.

(7) Soweit der Beklagte auf ein von ihm als unangemessen und/oder störend beurteiltes Verhalten der Kläger abstelle, sei sein Verhalten widersprüchlich und rechtsmissbräuchlich, da nur der X betreffende Schulvertrag gekündigt worden sei, während der Schulvertrag betreffend seinen Bruder Z ungekündigt geblieben sei.

Die Kläger haben beantragt,

festzustellen, dass die vom Beklagten mit Schreiben vom 12.7.2005 und 8.11.2005 ausgesprochenen Kündigungen des Schulvertrages zugunsten ihres Sohns X unwirksam seien und den Schulvertrag vom 8.11.2001 nicht beendet hätten.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen

und hilfsweise widerklagend

festzustellen, dass der Schulvertrag der Parteien über den Schulbesuch des X zum Schuljahresende 2005/2006, d.h. zum 31.7.2006, ende.

Die Kläger haben beantragt,

die Hilfswiderklage abzuweisen.

Der Beklagte hat vorgetragen, er sei grundsätzlich nach Maßgabe der vertraglichen Regelung zu einer ordentlichen Kündigung des Schulvertrags berechtigt. Die Regelung halte einer Inhaltskontrolle nach § 9 AGBG a.F. bzw. § 307 BGB durchaus stand, zumal es sich bei dem von dem Beklagten betriebenen Privatgymnasium ... nicht um eine Schule handele, die ein von den staatlichen Schulen abweichendes Konzept anwende. Da die Schule nach den Lehrplänen des hessischen Kultusministeriums unterrichte, sei ein Wechsel auf eine öffentliche Schule problemlos möglich.

Die Kündigung sei im Fall des Sohns X der Kläger wegen einer nachhaltigen Störung des Vertrauensverhältnisses gerechtfertigt, denn die Beklagten hätten als Eltern eine zeitnahe Ausführung der erforderlichen (milden) Disziplinarmaßnahme gegenüber ihrem Sohn in unangemessener Weise vereitelt. X habe bei einer Anhörung der "verdächtigen" Schüler der 7. Klasse durch die Schulleiterin am 7.6.2005 seine Beteiligung in der Form zumindest der Beihilfe eingestanden; danach habe er im Zuge der Auseinandersetzung und auf Aufforderung der eigentlichen "Täter" Y "drehen" wollen, um den Tätern Gelegenheit zu wirkungsvolleren Angriffen zu geben, habe von Y dann jedoch abgelassen, nachdem der ihn gebissen habe (Beweis: Zeugin Z2). Diese Tatbeteiligung habe X am selben Tag auch gegenüber der Klassenlehrerin eingestanden (Beweis: Zeugin Z3).

Diese Darstellung entspreche den Tatsachen (Beweis: Zeuge Y). Auch durch das Verhalten der Kläger im vorliegenden Rechtsstreit und dem vorausgegangenen Eilverfahren, das durch eine Reihe verbaler Entgleisungen der Kläger gegenüber dem Beklagten und vor allem der Schulleiterin sowie eine ungute Bagatellisierung des Vorfalls vom 2.6.2005 geprägt sei, sei der Schulfrieden und die erzieherische Handlungsfähigkeit der Schule gefährdet.

Das Landgericht hat durch Urteil vom 18.5.2006, auf dessen tatsächliche Feststellungen gemäß § 540 Abs.1 Nr.1 ZPO ergänzend verwiesen wird, die Klage als unbegründet abgewiesen, weil die vom Beklagten ausgesprochene Kündigung des Schulvertrags als ordentliche Kündigung rechtswirksam sei.

1. Die Vereinbarung eines solchen Kündigungsrechts auch für den Beklagten stelle sich zwar als AGB dar, halte aber der Inhaltskontrolle nach §§ 305 ff. BGB stand. Der Angemessenheit der Regelung stehe § 620 BGB nicht entgegen, denn der Schulvertrag sei kein befristeter Vertrag; eine Befristung (hier: bis zum Abitur des Schülers) sei nicht vereinbart worden. Dem stehe schon entgegen, dass der Abschluss der Schule durch das Abitur nicht als sicher betrachtet werden könne. Das Abitur sei nur eine von mehreren Möglichkeiten, die schulische Laufbahn zu beenden. Alternativen seien insbesondere die Beendigung der Schule mit dem Hauptschulabschluss oder der Mittleren Reife. Das Bestehen des Abiturs sei sicher das wesentliche Lernziel der Schule; es habe im Rahmen der Regelung des § 3 des Schulvertrages aber nur die Bedeutung einer auflösenden Bedingung (§ 158 II BGB).

2. Diesem Ergebnis stehe nicht entgegen, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der Ausschluss des Rechts zur ordentlichen Kündigung für die Schüler bzw. ihre Eltern in AGB unwirksam sei (BGH, NJW 1984, 1531; NJW 1985, 2585; NJW 1993, 326). Nicht einschlägig sei auch die von den Klägern zitierte Entscheidung des OLG Dresden vom 29.3.2000 (8 U 477/00), weil sie zu einem i.S. von § 620 II BGB befristeten Schulvertrag ergangen sei.

3. Auf die Frage, ob der Beklagte seine Kündigung (auch) auf das Vorliegen eines wichtigen Grundes stützen konnte, komme es deshalb nicht an.

4. Die Kündigung des Beklagten verstoße auch nicht gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB), denn ein Wechsel des Sohns der Kläger auf eine öffentliche Schule sei angesichts des hier wie dort grundsätzlich gleichen Unterrichtsangebots zumutbar und lasse für den Sohn der Kläger keine besondere psychische Belastung erwarten.

Die Kläger rügen mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung:

1. Das Landgericht habe es zu Unrecht als streitig angesehen, ob ihr Sohn X aktiv an den Tätlichkeiten vom 2.6.2005 beteiligt habe; zumindest sei es im Laufe der I. Instanz unstreitig geworden, dass er nicht aktiv beteiligt gewesen sei.

2. Das Landgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Schulvertrag für den Beklagten ordentlich kündbar sei. Es habe verkannt, dass es sich um einen i.S. von § 620 II BGB befristeten Vertrag handele. Die nach der (irrigen) Ansicht des Landgerichts relevante Tatsache, dass es in Einzelfällen zum vorzeitigen Abbruch des Schulbesuchs durch die Schüler komme, ändere nichts daran, dass der Schulvertrag i.S. einer sog. Zweckbefristung darauf gerichtet sei, die Grundlage einer Beschulung bis zum Abitur zu sein.

3. Verkannt habe das Landgericht auch, dass ein dem Schulträger eingeräumtes Recht zur ordentlichen Kündigung des Schulvertrags in AGB bzw. einem Formularvertrag der Inhaltskontrolle nicht standhalte, weil es die Erreichung des Vertragszwecks in einer für den Schüler bzw. dessen Eltern unbilligen Weise vereitele.

4. Entgegen der Ansicht des Landgerichts verstoße die Kündigung des Schulvertrags durch den Beklagten auch gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB). Ein Wechsel des Sohns der Kläger auf eine öffentliche Schule bedeute für ihn angesichts der in vielfacher Hinsicht in öffentlichen Schulen ungünstigeren Bedingungen, nämlich

- deutlich geringere Klassenstärke (Beweis: Sachverständigengutachten) gegenüber öffentlichen Schulen,

- keine besondere Betreuung und Förderung,

- keine besondere Vertiefung der Unterrichtsarbeit durch Hausaufgaben,

- keine speziellen Nachmittagsbetreuungsmodelle,

- keine besondere persönliche Betreuung bei Schwierigkeiten im Prozess des Heranwachsens,

- keine intensive Kommunikation zwischen Schülern, Lehrern und Eltern zur Stabilisierung der persönlichen Entwicklung,

- kein erhöhtes Unterrichtsangebot,

- keine Erweiterung der musischen Erziehung,

- keine Hausaufgabenbetreuung und Förderkurse

durchaus eine erhebliche Härte. Eine besondere psychische Belastung ergebe sich für den Sohn der Kläger auch daraus, dass ihm der Schulwechsel in schikanöser Weise aufgezwungen werden solle.

5. Die Kündigung sei auch deshalb rechtsmissbräuchlich und sittenwidrig, weil sie zur Wahrung rechtlich geschützter Interessen des Beklagten nicht erforderlich sei, da der rechtlich nicht zu billigende Zweck verfolgt werde, die Eltern der Schüler zu zwingen, auch evident ungerechtfertigte Maßregelungen ihrer Kinder durch die Schule zu tolerieren, und weil der Schulvertrag betreffend den weiteren Sohn der Kläger ungekündigt geblieben sei, die Schule folglich weiterhin bereit sei, mit den Klägern als Eltern zusammenzuarbeiten.

6. Außerhalb der Berufungsbegründung greifen die Kläger auch die Kostenentscheidung des angefochtenen Urteils an, die nicht berücksichtigt habe, dass die Hilfswiderklage unzulässig gewesen sei.

Die Kläger beantragen,

das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 18.5.2006 (2-12 O 682/05) abzuändern, ihrer Klage stattzugeben und die von dem Beklagten hilfsweise erhobene Widerklage abzuweisen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung der Kläger zurückzuweisen.

Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.

II.

Die Berufung der Kläger hat Erfolg, denn die Kündigungen des Beklagten haben das zwischen den Parteien bestehende Vertragsverhältnis über die Schulausbildung des Sohnes der Kläger, X, nicht beendet. Der beklagte Schulverein hat zwar durch die mit den Schreiben vom 12.7.2005 (Bl. 30 BA) und 8.11.2005 (Bl. 120 BA) erklärten Kündigungen unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass er das Vertragsverhältnis mit den Klägern betreffend deren Sohn X beenden will. Die Kündigungen sind jedoch unwirksam.

1. Der Vertragsschluss zwischen den Parteien ist unstreitig; er entspricht nach dem übereinstimmenden Vortrag der Parteien ihrem gemeinsam geäußerten Willen, auch zur Zeit der Unterzeichnung am 8.11.2001, so dass sich eine rechtliche Prüfung dazu erübrigt. Allein maßgeblich ist der übereinstimmende Wille der Parteien (Palandt/Heinrichs, BGB, 64. Aufl., § 133 Rn. 8).

2. Die "ordentliche Kündigung" des Beklagten vom 12.7.2005 zum 31.2006 ist unwirksam. Zwar haben die Parteien ausdrücklich in Ziff. 3 des Schulvertrages eine beiderseits mögliche, schriftliche ordentliche Kündigung jeweils zum 31.1. oder 31.12. eines jeden Jahres vereinbart und grundsätzlich ist eine solche (zusätzliche) Vereinbarung einer ordentlichen Kündigung selbst bei Befristung eines Dienstverhältnisses zulässig (vgl. BGHZ 120, 108 = NJW 1993, 326; Palandt/Weidenkaff, BGB, § 620 Rn. 10). Vorliegend besteht die Vereinbarung jedoch auf der Grundlage allgemeiner vom Beklagten gestellter Geschäftsbedingungen im Sinne des hier nach Art. 229 § 5 EGBGB noch anwendbaren § 1 AGBG a.F. (heute: § 305 Abs.1 S.1 BGB), die der Inhaltskontrolle nach §§ 8 ff. AGBG (§§ 305 ff BGB) unterliegen. Diese Überprüfung führt vorliegend zur Unwirksamkeit der Kündigungsklausel.

a) Es ist bereits zweifelhaft, ob das formularmäßig nach Ziff. 3 des Schulvertrages vereinbarte ordentliche Kündigungsrecht des Beklagten Vertragsbestandteil geworden ist.

Die formularmäßige Vereinbarung eines "ordentlichen" Kündigungsrechts des Schulträgers, welches ohne einen sachlichen Grund ausgeübt werden kann, stellt eine überraschende Klausel i. S. v. § 3 AGBG (§ 305c BGB) dar, wenn die Kläger mit einer solchen Bestimmung nach den Umständen nicht zu rechnen brauchten. Das ist auch dann der Fall, wenn die Vertragsbestimmung mit dem Leitbild des Vertrages unvereinbar ist (Palandt/Heinrichs BGB, § 305c Rn. 3). Die Vereinbarung einer Kündigung durch den Schulträger ohne jede Begründung, allein unter Einhaltung einer bestimmten Frist, steht im Gegensatz zum vertraglich vereinbarten Ausbildungszweck, der Ablegung des Abiturs durch den Schüler, der nicht nur durch das äußerliche Erscheinungsbild am Anfang des Vertragsformulars, nämlich durch Fettdruck hervorgehoben wird, sondern nach dessen Inhalt den wesentlichen Kern der vertraglichen Abrede bildet. Der so formulierte vertragliche Inhalt orientiert sich am Leitbild der Schulausbildung an öffentlichen Schulen, die eine Beendigung der Teilnahme am Unterricht einer von den Eltern bzw. dem Schüler gewählten Schule nur unter besonderen Voraussetzungen vorsehen, nämlich bei Nichterfüllung der Leistungsanforderungen oder schwerwiegenden wiederholten Verletzungen der Schulordnung, wobei jedoch zunächst mildere Ordnungsmaßnahmen vorausgehen müssen (vgl. § 82 HSchulG). Die Kündigungsklausel ist als überraschend einzustufen, wenn ein üblicherweise zu erwartender durchschnittlicher Vertragspartner die Klausel nicht ohne weiteres zur Kenntnis nehmen konnte (Palandt/Heinrichs a.a.O. Rn. 4). Das kann vorliegend wegen des relativ kurzen Vertragstextes und angesichts des Umstandes, dass eine langfristige Vertragsbindung von 9 Jahren eine Vertragsbeendigung nach bestimmten Zeitabschnitten zumal für die Vertragspartner des Schulträgers erforderlich erscheinen lässt, so dass deren Aufmerksamkeit ohnehin auf die im Vertrag vorgesehenen Kündigungsregelungen gelenkt wird, zweifelhaft sein.

Die Frage kann jedoch dahingestellt bleiben, weil das vorliegend vereinbarte fristgerechte Kündigungsrecht des Schulträgers jedenfalls unwirksam ist.

b) Das durch Formularklausel nach Ziff. 3 Abs.1 des Schulvertrages zugunsten des beklagten Schulvereins vereinbarte Recht zur fristgemäßen ("ordentlichen") Kündigung ist wegen unangemessener Benachteiligung der Kläger wie auch ihres Sohnes, zu dessen Gunsten der Vertrag zumindest auch abgeschlossen wurde, nach § 9 AGBG (§ 307 BGB) unwirksam.

aa) Eine formularmäßige Vertragsbestimmung ist unangemessen im Sinne von § 9 Abs.1 AGBG, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seiner Vertragspartner durchsetzen will, ohne deren Interessen hinreichend zu berücksichtigen und ihnen einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen (BGH a.a.O., 2.b.dd). Dabei ist eine Interessenabwägung erforderlich, wobei vorliegend auf der einen Seite das Interesse der Eltern und des Schülers an einer den vereinbarten Standards entsprechenden kontinuierlichen Ausbildung bis zum vorgesehenen Ziel der Ablegung des staatlichen Abiturs steht. Auf der anderen Seite steht dem das Interesse des Schulträgers gegenüber, sich von Vertragspartnern innerhalb vereinbarter Frist lösen zu können, ohne gezwungen zu sein, die Gründe hierfür offenlegen zu müssen, wenn aus seiner Sicht eine weitere Zusammenarbeit nicht mehr gewünscht wird.

Es sind keine Gründe dafür vorgetragen oder sonst erkennbar, weshalb dieses Interesse des Schulträgers schützenswert sein sollte. Das lediglich einer Frist unterworfene Kündigungsrecht des Schulträgers eines auf ein langfristig angelegtes Ausbildungsziel abgeschlossenen Schulvertrages ohne Vorliegen eines im Vertragsverhältnis oder den berechtigten Interessen des Trägers oder dem Verhalten des Schülers bzw. der Eltern bestehenden sachlichen Grundes setzt den Vertragspartner der Gefahr einer Abhängigkeit wegen möglicher willkürlicher Vertragsbeendigung aus, wodurch die berechtigten langfristigen Ausbildungsinteressen der Schüler und ihrer Eltern entgegen dem Vertragszweck und namentlich der vertraglich vorgesehenen Dauer ständig in Frage gestellt werden können. Im Hinblick auf das vereinbarte Vertragsziel (Abitur) führt dies zu einer unangemessenen Benachteiligung der Schüler und ihrer Eltern. Das Interesse des Schulträgers an einer einfachen Vertragsbeendigung, ohne eine Begründung geben zu müssen, muss daher gegenüber dem als wesentlichem Vertragsinhalt vereinbarten Ausbildungsziel Abitur nach 9 Jahren zurücktreten. Eine erhebliche Beeinträchtigung der Interessen des Schulträgers tritt dadurch nicht ein, zumal dieser i.d.R. aus wirtschaftlichen und auch pädagogischen Gründen eher ein Interesse an einer längerfristigen Bindung der Vertragspartner hat.

Das völlige Überwiegen des langfristigen Ausbildungsinteresses von Eltern und Schüler gegenüber dem Kündigungsinteresse des Schulträgers folgt vorliegend auch aus den Besonderheiten des Schulangebots des Beklagten, weshalb ein Schulwechsel eine deutliche Verschlechterung der Ausbildungssituation des Schülers in einem Umfang nach sich ziehen dürfte, die die Grenze der Zumutbarkeit für Eltern und Schüler überschreitet. Zu nennen sind hier insbesondere die niedrige Klassenstärke von höchstens 25 Schülern, die teilweise (in der Lateinklasse) weit unter dieser Zahl liegt, die in der Mittelstufe (Sekundarstufe I) an öffentlichen Schulen bei Klassenstärken von regelmäßig mindestens 30 Schülern nicht mehr zu finden ist, sowie die besondere, auch nachmittags erfolgende, individuelle Betreuung und Förderung; sie kann entgegen der Meinung des Landgerichts nicht durch Nachhilfeeinrichtungen kompensiert werden, weil diese nicht über die Verbindung zu Unterrichtskonzept und -praxis des Beklagten verfügen, um eine ebenso darauf abgestimmte individuelle Schülerförderung wie die Schule selbst leisten zu können.

bb) Eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners liegt nach § 9 Abs.2 Nr.1 AGBG insbesondere dann vor, wenn die durch Formular festgelegte Vertragsbestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist.

(1) Ein besonderer Vertragstyp des Ausbildungs- oder Schulvertrags ist, abgesehen von Sonderformen des Fernunterrichts und der Berufsbildung, gesetzlich nicht geregelt. Maßgeblich für solche Verträge sind die Vorschriften des BGB über den Dienstvertrag. Die Kündigung eines Dienstvertrags ist nur zulässig, wenn eine bestimmte Dauer des Dienstverhältnisses nicht vereinbart ist, wobei eine solche Vereinbarung aus einer ausdrücklichen Abrede, aber auch aus der Beschaffenheit bzw. dem Zweck der Dienste entnommen werden kann (§ 620 Abs. 2 BGB).

Zwar haben die Parteien vorliegend nicht ausdrücklich eine Befristung des Schulvertrages vereinbart, die grundsätzlich befristete Dauer des Vertragsverhältnisses ergibt sich vorliegend aber aus dem Zweck der vereinbarten Dienste, die laut Fettdruck am Beginn des schriftlichen Vertrages der Ablegung des Abiturs dienen sollen. Bekräftigt wird der so festgelegte vertragliche Zweck durch die Regelung in Ziff. 3 Abs.4 des Schulvertrages, wo bestimmt ist, dass das Vertragsverhältnis am Schluss des Jahres endet, in dem sich der Schüler zur Abiturprüfung meldet, unabhängig davon, ob er die Prüfung besteht (vgl. BGHZ 120, 108= NJJW 1993, 326 zu II.2.b.cc). Darin liegt zunächst eine auflösende Bedingung des Schulvertrages, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat. In Verbindung mit der vertraglich vereinbarten Einschulung des Sohnes der Kläger in die Klasse 5 ist hieraus überdies eine Befristung zu entnehmen, nämlich eine vorgesehene Vertragsdauer von 9 Jahren.

Eine solche langfristige Bindung ist von Gesetzes wegen nur begrenzt, soweit sie sich zu Lasten des Dienstberechtigten (Schüler/Eltern) auswirkt (§ 11 Nr.12a AGBG bzw. § 309 Nr.9 BGB) oder bei persönlicher Dienstleistungspflicht (§ 624 BGB). Demnach besteht ein gesetzliches Recht des Schulträgers zur ordentlichen Kündigung bei einem Schulvertrag über den Besuch eines privaten Gymnasiums wie vorliegend nicht.

(2) Ob es sich bei der gesetzlichen Regelung des § 620 BGB um wesentliche Ordnungsvorstellungen des Gesetzgebers und Ausprägungen des Gerechtigkeitsgebotes handelt (so OLG Dresden, OLGR 2003, 76), die bei der inhaltlichen Überprüfung von Formularklauseln als wesentliche Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von denen nicht abgewichen werden darf, zu berücksichtigen sind, erscheint dem Senat allerdings zweifelhaft. Denn dem steht entgegen, dass § 620 BGB aufgrund seiner gegenüber der Vielzahl der Arbeits- und Dienstverhältnisse zu undifferenzierten Regelung durch Gesetzgebung und Rechtsprechung in weitem Umfang entsprechend der jeweiligen Interessenlage geändert und ergänzt worden ist (BGH a.a.O., m. N.). Durch diese Abänderungen sind trotz entgegenstehender gesetzlicher oder rechtsgeschäftlicher Bindung bei längerfristigen Verträgen ordentliche Kündigungsrechte zugelassen worden, wenn auch überwiegend zugunsten des Dienstberechtigten. § 624 BGB sieht dagegen ein Kündigungsrecht zugunsten des persönlich Dienstverpflichteten bei einer Bindung über 5 Jahre vor, das Fernunterrichtsschutzgesetz (§ 5) und das Berufsbildungsgesetz (§ 22) enthalten Kündigungsrechte des Dienstberechtigten trotz befristeten Vertrages.

Diese Abänderungen und Ergänzungen belegen, dass der in § 620 geregelte Ausschluss einer Kündigung von befristeten Dienstverhältnissen keinen wesentlichen Grundgedanken einer gesetzlichen Regelung zur Kündigung von Dienstverhältnissenn enthält, sondern lediglich eine Grundregel, die bereits durch Gesetz Ausnahmen und Begrenzungen erfahren hat. Eine Abweichung von der Regel kann mithin nicht deren Unwirksamkeit nach § 9 Abs.2 Nr.1 AGBG (§ 307 Abs. 2 Nr.1 BGB) begründen.

cc) Eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners durch eine vorformulierte Vertragsbestimmung ist nach § 9 Abs.2 Nr.2 AGBG (§ 307 Abs. 2 Nr.2 BGB) auch gegeben, wenn dadurch eine Gefährdung des Vertragszwecks durch Einschränkung wesentlicher Rechte und Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrages ergeben, eintritt.

(1) Das letztgenannte gesetzliche Merkmal "Natur des Vertrages" wird durch Inhalt und Zweck des Vertrages bestimmt. Es erfasst auch Verträge, für die eine gesetzliche Regelung im dispositiven Recht fehlt. Dabei ist von dem durch die Verkehrsauffassung geprägten Leitbild des Vertrages auszugehen bzw. auf die Gerechtigkeitserwartungen des redlichen Geschäftsverkehrs abzustellen (Palandt/Heinrichs a.a.O., Rn. 31 f). Vorliegend haben die Parteien einen Schulvertrag geschlossen, der eine 9-jährige Schulausbildung des Sohnes der Kläger in dem vom Beklagten betriebenen Privatgymnasiums als Ersatzschule anstelle des Besuchs einer staatlichen Schule beinhaltet, mit dem Ziel der Ablegung des Abiturs. Der vorliegend formulierte vertragliche Inhalt orientiert sich mithin am Leitbild der Schulausbildung an öffentlichen Schulen, das eine Beendigung des Besuchs einer von den Eltern bzw. dem Schüler gewählten Schule nur unter besonderen Voraussetzungen vorsieht, nämlich bei nachhaltiger Nichterfüllung der Leistungsanforderungen oder schwerwiegenden wiederholten Verletzungen von pädagogischen Anordnungen oder der Schulordnung, wobei jedoch zunächst mildere Ordnungsmaßnahmen vorausgehen müssen (vgl. § 82 HSchG). Die Vertragspartner des privaten Schulträgers dürfen deshalb erwarten, dass die nach dem Vertrag zugrunde liegende und dessen Zweck bildende langfristige Ausbildung seitens der Schule nur aus Gründen zumindest mit einigem Gewicht beendet bzw. abgebrochen werden darf. Der Vertragszweck ist vorliegend zudem durch die besondere Qualität des Ausbildungsangebots konkretisiert, welches vom Angebot der staatlichen Schulen erheblich abweicht (siehe oben zu b.aa), wobei - entgegen der Auffassung des Beklagten - ein Umfang in der Abweichung besteht vgl. oben zu 2.b.aa), der dem Verhältnis einer Montessori-Schule zu einer staatlichen Schule vergleichbar ist (vgl. OLG Dresden a.a.O., zu 1.b), so dass ein infolge von Kündigung notwendiger Schulwechsel des Sohnes der Kläger eine über das Zumutbare hinausgehende Belastung darstellen kann, im übrigen auch für die Kläger als Eltern, sofern wegen größerer Entfernung eines möglichen vergleichbaren Angebots Fahrleistungen in erheblichem Umfang erbracht werden müssten.

Dies gilt insbesondere auch deshalb weil ein uneingeschränkter Anspruch auf Aufnahme selbst in eine bestimmte staatliche Schule des Wohnbereichs nicht uneingeschränkt beansprucht werden kann (vgl. § 70 HSchG).

(2) Der Begriff "wesentliche Rechte und Pflichten" im Sinne des § 9 Abs.2 Nr.2 AGBG erfasst nicht nur die im Gegenseitigkeitsverhältnis stehenden Kardinalpflichten, sondern auch Gestaltungsrechte und überdies Nebenpflichten, die für den Schutz des Kunden von grundlegender Bedeutung sind, mithin Pflichten, deren Erfüllung die ordnungsgemäße Durchführung des Vertrages überhaupt ermöglichen, auf deren Einhaltung der Vertragspartner daher vertraut und vertrauen darf (Palandt/Heinrichs a.a.O., Rn. 33). Das trifft nach dem vorstehend beschriebenen Leitbild des Vertrages sowie dessen Zweck insbesondere auf die Einhaltung der grundsätzlich vereinbarten langfristigen Vertragsdauer im Hinblick auf das ebenfalls vereinbarte Ausbildungsziel Abitur zu, so dass darin eine wesentliche Vertragspflicht des Beklagten begründet ist, der ein entsprechendes Recht auf Seiten der Eltern als Vertragspartner gegenübersteht.

(3) Eine Gefährdung des eigentlichen Vertragszwecks durch Einschränkung der genannten Rechte genügt, eine Zweckvereitelung ist nicht erforderlich. Die Gefährdung des vorliegend vereinbarten Vertragszwecks, nämlich der Schulausbildung des Sohnes der Kläger bis zum staatlichen Abitur, durch eine jederzeit zum Halbjahr auszuübende fristgerechte Kündigung des Schulvertrages liegt geradezu auf der Hand. Allerdings entsteht die Gefährdung hier nicht durch unmittelbare Einschränkung wesentlicher Rechte der Kläger bzw. ihres Sohnes, sondern indirekt dadurch, dass der im Interesse des Schülers vereinbarte eigentliche Vertragszweck, nämlich die Vorbereitung zum Abitur und Ablegung des Abiturs, der eine langfristige Schulausbildung voraussetzt, durch unangemessene Ausgestaltung des (Kündigungs-) Rechts des Schulträgers als Klauselverwender ständig in Frage gestellt und damit gefährdet wird. Das Kündigungsrecht ohne Vorliegen eines im Vertragsverhältnis, der Person eines Vertragspartners bzw. für ihn handelnde Personen oder sonstigen berechtigten, z.B. auch wirtschaftlichen Interessen liegenden Grund setzt den Vertragspartner des Schulträgers dessen Willkür aus, ohne dass ihm ein schutzwürdiges Interesse zur Seite steht. Eine langjährige kontinuierliche Schulausbildung ist bei einer derartigen Unsicherheit nicht gewährleistet.

dd) Das in der Vertragsurkunde vorformulierte ordentliche Kündigungsrecht des Beklagten als Schulträger ist mithin unwirksam. Eine geltungserhaltende Reduktion der unwirksam vereinbarten Klausel ist unzulässig (Palandt/Heinrichs, BGB, vor § 307 Rn. 8; BGH a.a.O., zu 2.c). Dass dadurch unterschiedliche Voraussetzungen für die Kündigungsrechte der Vertragspartner entstehen, ist unschädlich. Dies entspricht dem jeweils unterschiedlichen Gewicht der schützenswerten Interessen. Auch das Gesetz selbst trägt solchen Unterschieden Rechnung, indem es z.B. für Vermieter und Mieter unterschiedliche Kündigungsfristen und -Voraussetzungen vorsieht (§§ 573 ff, 561, 573c, d BGB).

3. Aufgrund dessen besteht eine Regelungslücke im Schulvertrag, die durch ergänzende Vertragsauslegung zu schließen ist (BGH a.a.O., zu 2.c; Palandt/Heinrichs a.a.O., § 306 Rn. 7), weil angesichts der vom Vertragszweck bestimmten langen Dauer der vertraglichen Bindung die Möglichkeit einer Beendigung des Vertragsverhältnisses auch für den Fall zu eröffnen ist, dass Gründe hierfür vorliegen, die ein geringeres als für eine fristlose außerordentliche Kündigung erforderliches Gewicht aufweisen. An die Stelle der unwirksamen Klausel ist von einer Bestimmung auszugehen, welche die Parteien bei sachgerechter Abwägung der beiderseitigen Interessen gewählt hätten, wenn ihnen die Unbilligkeit der in den Geschäftsbedingungen verwendeten Klausel bei Vertragsschluss bewusst gewesen wäre.

Bei einer ergänzenden Vertragsauslegung nach § 157 BGB ist auf der einen Seite das besonders schützenswerte Interesse der Eltern bzw. des Schülers zu berücksichtigen, eine dessen Neigungen und Fähigkeiten entsprechende langjährige Schulbildung als Grundvoraussetzung für die Wahl eines entsprechenden künftigen Berufs (vgl. BGH a.a.O., zu 2.dd) entsprechend dem vereinbarten Abschlussziel und ohne willkürliche Beeinträchtigung durch den Vertragspartner durchführen zu können, soweit nicht in ihrem Bereich liegende Umstände der persönlichen oder finanziellen Entwicklung eine Fortsetzung der Ausbildung in Frage stellen. Zudem sind zumutbare Bedingungen für einen Wechsel an eine vergleichbare, die Kontinuität der Ausbildung möglichst gewährleistende Schule vorzusehen. Auf der anderen Seite ist die grundsätzliche Vertragsfreiheit des Beklagten zu sehen, die Geeignetheit seiner Vertragspartner im Hinblick auf eine seit Vertragsabschluss eingetretene Entwicklung zu überprüfen und bei Vorliegen gewichtiger Gründe zu beenden, zumal der Beklagte trotz des Ausbildungsangebots im Rahmen der allgemeinen Schulbildung und -pflicht keinem Kontrahierungszwang unterliegt. Ihm muss vielmehr im Rahmen seines Schulkonzepts die Möglichkeit verbleiben, nicht nur unzumutbare, sondern auch suboptimale Vertragsbeziehungen beenden zu können, um sein Ausbildungskonzept im eigenen und dem Interesse der übrigen Schüler verbessern zu können. Eine dem Rechnung tragende Bestimmung ist wegen der vorliegend vereinbarten langjährigen Vertragsbindung der Parteien dahin vorzusehen, dass das eine Kündigung des Schulträgers jeweils zum Ende des Schuljahres (nur) bei Vorliegen eines berechtigten Interesses des Schulträgers bzw. der Schule zulässig ist. Ein solches berechtigtes Interesse wird begründet durch einen erheblichen sachlichen Grund für die Beendigung des Vertragsverhältnisses, z.B. erheblich veränderte wirtschaftliche Umstände, aber auch persönliche Unzuträglichkeiten im Schüler/Schüler- oder Eltern/Lehrer/Schulträger-Verhältnis, wobei der sachliche Grund entsprechend der inzwischen in das BGB aufgenommenen Regelung eines Kündigungsrechts bei Dauerschuldverhältnissen in § 314 BGB - nach dem vorliegend auf den am 8.11.2001 geschlossenen Schulvertrag noch anwendbaren alten Schuldrecht wurden entsprechende Grundsätze dem Gebot von Treu und Glauben in § 242 BGB entnommen - von einigem Gewicht sein muss, nicht aber die für eine fristlose Kündigung (nach § 626 Abs. 1 BGB) erforderliche Schwere zur Begründung der Unzumutbarkeit einer Fortsetzung des Vertragsverhältnisses aufzuweisen braucht.

4. Diesen Anforderungen genügen die vom Beklagten angeführten Umstände für die angestrebte Vertragsbeendigung nicht. Ein ausreichender sachlicher Grund oder ein berechtigtes Interesse des Schulträgers an einer Beendigung des Vertragsverhältnisses lässt sich im Verhalten der Kläger bzw. ihres Sohnes nicht erkennen.

a) Ein erhebliches Fehlverhalten des Schülers, welches ihn zur Beendigung des Schulvertrages berechtigen könnte, behauptet der Beklagte selbst nicht. Die Schule hat das dem Vorfall vom 2.6.2005 nachfolgende Verhalten des Sohnes der Kläger sogar ausdrücklich gelobt (vgl. Schreiben vom 28.6.2005, BA Anl. K 4, Bl. 25 f).

b) Das vom beklagten Schulträgerverein beanstandete Verhalten der Kläger, sie hätten eine zeitnahe angemessene und pädagogisch begründete milde Bestrafung ihres Sohnes verhindert, genügt bereits deshalb nicht als Begründung für die Beendigung des Schulausbildungsverhältnisses, weil der Beklagte diesen Grund selbst nicht ernsthaft verfolgt. Das ergibt sich daraus, dass er den Schulvertrag betreffend den zweiten Sohn der Kläger, Z, nicht in Frage gestellt, ihn jedenfalls nicht gekündigt und damit (objektiv) zum Ausdruck gebracht hat, er halte das bisherige Verhalten der Kläger nicht für so gravierend, dass dadurch insgesamt eine künftige Zusammenarbeit mit ihnen ausgeschlossen sei. Hierauf haben die Kläger auch ausdrücklich hingewiesen, zuletzt durch Schriftsatz vom 15.1.2007. Zutreffend haben die Kläger auch darauf aufmerksam gemacht, dass eine ggf. nachgeholte Kündigung des zweiten Schulvertrages heute als treuwidrig einzustufen wäre und dem Schikaneverbot (§ 226 BGB) unterläge.

Der beklagte Schulverein hat sich damit zwar eines denkbaren im Verhalten der Kläger liegenden Kündigungsgrund selbst begeben, im Ergebnis allerdings objektiv richtig verhalten, weil der angeführte Grund ein berechtigtes Interesse der Schule bzw. des Schulträgers an einer Vertragsbeendigung beider Schulverträge nicht tragen würde. Die im Rahmen der Auseinandersetzung um den streitigen Vorfall vom 2.6.2005 verwendeten, teilweise überzogenen Formulierungen der Kläger hatte der Beklagte bzw. die Schule als Reaktion auf die im Abmahnungsschreiben vom 8.6.2005 nicht weniger unglücklichen und wegen fehlender sachlicher Darstellung nicht überprüfbaren Formulierungen hinzunehmen. Eine Vereitelung einer angemessenen milden Ordnungsmaßnahme der Schule gegen den Schüler durch die Kläger als Eltern liegt nicht vor, weil der Vorwurf gegenüber dem Schüler einschließlich dessen angeblichen Geständnisses bestritten und unaufgeklärt geblieben ist. Eine zur Aufklärung geeignete zeitnahe Klassenkonferenz hat nicht stattgefunden. Die Kläger haben im übrigen lediglich die individuelle Bestrafung ihres Sohnes ohne Nachweis eines Verstoßes im Sozialverhalten in Wahrung ihrer und ihres Sohnes berechtigten Interessen abgelehnt, während sie eine - gegenüber der von der Schule vorgesehenen Maßnahme mindestens ebenso angemessene - kollektive Bestrafung aller in weitestem Sinne an dem Vorfall beteiligten Schüler einschließlich ihres Sohnes nicht verneint und damit eine pädagogisch sinnvolle und angemessene Reaktion der Schule nicht generell in Frage gestellt haben.

5. Die Voraussetzungen für eine außerordentliche Kündigung sind vorliegend nicht erfüllt. Die mit Schreiben des Beklagten vom 8.11.2005 ausgesprochene Kündigung ist damit ebenfalls unwirksam.

a) Obwohl sicherlich "Dienste höherer Art" Gegenstand des Vertrages über den Besuch des "Privatgymnasiums ..." durch den Sohn der Kläger sind, ist eine Kündigung nach § 627 Abs.1 BGB nicht möglich, weil die zusätzlichen (negativen) Voraussetzungen, dass nämlich der Dienstverpflichtete nicht in einem dauernden Dienstverhältnis mit festen Dienstbezügen steht, fehlt. Der Bundesgerichtshof hat bereits eine Vertragsdauer von einem Jahr mit Verlängerungsmöglichkeit auf 2 Jahre als Dauerverhältnis ausreichen lassen (NJW 1984, 1531). Vorliegend ist eine Vertragsdauer von 9 Jahren vorgesehen gewesen. Die Vereinbarung von festen Bezügen ist ebenfalls gegeben. Sie liegt in der Festlegung eines ganzjährig festgesetzten monatlichen Schulgelds nach Ziff. 2 des Vertrages (vgl. BGHZ 120, 108 = NJW 1993, 326).

b) Die Voraussetzungen einer außerordentlichen Kündigung nach § 626 BGB liegen ebenfalls nicht vor.

aa) Es fehlt bereits an einem Kündigungsgrund i.S. von § 626 Abs. 1 BGB, der durch Tatsachen belegt sein muss, aufgrund derer dem Kündigenden auch unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Wie bereits ausgeführt, erfüllen die vom Beklagten angeführten Gründe nicht einmal die Anforderungen an ein berechtigtes Interesse unterhalb der Unzumutbarkeit.

bb) Überdies ist die Frist von 2 Wochen für eine solche Kündigung seit Kenntnis der für die Kündigung maßgeblichen Tatsachen (§ 626 Abs.2 S.1 BGB) nicht eingehalten. Denn die den Klägern mit Schreiben vom 28.6.2005 angekündigte "Strafmaßnahme" gegenüber ihrem Sohn sollte am 4.7.2005 stattfinden (Nachsitzen und Aufsatzschreiben).

Die "Verhinderung" dieser Maßnahme durch die Kläger war somit spätestens am Folgetag bekannt und konnte deshalb nur bis zum 19.7.2005 als Grund für eine außerordentliche Kündigung herangezogen werden.

Tatsächlich erfolgte die außerordentliche Kündigung erst mit Schreiben vom 8.11.2005 und damit deutlich verspätet.

6. Die Wirkungslosigkeit der vom Beklagten zur Begründung der Vertragsbeendigung angeführten Gründe unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten hat zur Folge, dass der Schulvertrag der Parteien weiterhin wirksam ist, was auf Antrag der Kläger festzustellen war.

7. Die Hilfswiderklage, über die das Landgericht bei seinem Ergebnis nicht zu entscheiden brauchte, ist als unzulässig abzuweisen, weil das erforderliche Feststellungsinteresse (§ 256 I ZPO) für sie fehlt. Das mit der Hilfswiderklage vom Beklagten für den Fall eines Erfolgs der Klage verfolgte Begehren festzustellen, dass der Schulvertrag der Parteien über den Schulbesuch des X zum Schuljahresende 2005/2006, d.h. zum 31.7.2006, ende (bzw. geendet habe), stellt sich als bloße Gegenseite des erfolgreichen Feststellungsbegehrens der Kläger dar, denn mit der nach Klageantrag erfolgten Feststellung, dass die vom Beklagten mit Schreiben vom 12.7.2005 und 8.11.2005 ausgesprochenen Kündigungen des Schulvertrages zugunsten ihres Sohns X unwirksam sind und den Schulvertrag nicht beendet haben, wird zwingend zugleich festgestellt, dass eine Beendigung auch nicht zu dem genannten Zeitpunkt des 31.7.2005 oder einem anderen vor der mündlichen Verhandlung vor dem Senat liegenden Zeitpunkt eingetreten ist. An dessen Verfolgung eines solchen - in der Sache nicht über die Entscheidung über die Klage hinausgehenden - Feststellungsbegehrens besteht angesichts der ohnehin erforderlichen Entscheidung über die Klage kein eigenständiges Interesse.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr.10, 711 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs.2 ZPO sind vorliegend aus Sicht des Senats deshalb erfüllt, weil eine höchstrichterliche Entscheidung zum gesetzlich zulässigen Umfang des durch AGB vereinbarten Kündigungsrechts eines privaten Schulträgers einer allgemeinbildenden Ersatzschule nicht vorliegt und dieser Rechtsfrage wegen zunehmender Ausweitung des Privatschulbereichs zunehmende und damit grundsätzliche Bedeutung zukommen dürfte.

Ende der Entscheidung

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