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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 29.01.2004
Aktenzeichen: 3 U 211/01
Rechtsgebiete: BörsG


Vorschriften:

BörsG § 45
BörsG § 46
Bösliches Verschweigen liegt vor, wenn der Prospektverantwortliche Angaben kennt, die er als wesentlich ansieht, aber nicht in den Prospekt aufnimmt. Ein Prospekt ist unvollständig, wenn er Kapitalerhöhungen nicht erwähnt und damit wichtige Umstände für die reduzierte Verkäuflichkeit der Aktien des nicht börsennotierten Unternehmens verschweigt. (BörsG 45; BörsG 46)
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

3 U 211/01

Verkündet am 29.01.2004

In dem Rechtsstreit

...

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch die Richter am Oberlandesgericht ... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 13.11. 2003

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 21. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 28.09.2001 ­ Az.: 2/21 O 13/01 ­ wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten wird gestattet, die Vollstreckung des Klägers gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Sicherheit kann auch durch schriftliche, unwiderrufliche, unbedingte und unbefristete Bürgschaft eines im Inland zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstituts erbracht werden.

Die Beschwer der Beklagten beträgt 50.413,38 €.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger hat die Beklagte auf Rückkauf ihrer Aktien, hilfsweise auf Schadensersatz in Anspruch genommen.

Die Beklagte ist eine Beteiligungsgesellschaft, die sich an ökologisch ausgerichteten Unternehmen beteiligt. Sie ist nicht börsennotiert und nimmt seit Veröffentlichung eines Prospekts 1997mit Stand von Februar 1996 ein bis zwei Mal im Jahr Kapitalerhöhungen vor. 1997 waren es drei Kapitalerhöhungen. Eine aus "genehmigtem Kapital" gemäß Schreiben der Beklagten vom 30.04.1997 und Bericht des Vorstandes über das Geschäftsjahr 1996, wonach das Eigenkapital 5 Millionen DM bzw. 6.640.000,00 DM (gezeichnetes Kapital und Kapitalrücklagen) beträgt. Weitere Kapitalerhöhungen fanden im Mai 1997 und im Dezember 1997/Januar 1998 gemäß Schreiben der Beklagten vom 11.06.1997 bzw. vom 27.02.1998 statt.

Im Jahr 1997 firmierte die Beklagte nach Fusion von A AG in A B AG um.

Am 11.04.1997 kaufte der Kläger zunächst 5.000, am 11.06.1997 nochmals 2.000 und am 27.02.1998 weitere 3.000 Aktien der Beklagten zu Preisen von 49.000,00 DM, 19.600,00 DM und 30.000,00 DM. Der Kontakt zwischen den Parteien kam unter Mitwirkung einer Frau X zustande, die einen Briefkopf der A AG verwendete.

Noch vor dem ersten Kauf wurde dem Kläger ein Prospekt überreicht. Dort heißt es: "..., dass die A AG mit ihren Aktien derzeit nicht am Börsenhandel teilnimmt ... das bedeutet aber auch, dass die A-Aktien weniger einfach gekauft und verkauft werden können als etwa börsennotierte Aktien ... . Als Vertriebskoordinationsstelle der AG ist die C GmbH den Aktionären dabei behilflich, wenn sie Aktien verkaufen wollen, indem sie diese entweder selbst zum aktuellen Kurs der Kapitalerhöhung ankauft oder an Dritte weitervermittelt. Eine umfassende Abnahmegarantie besteht jedoch nicht, so dass es im Einzelfall zu zeitlichen Verzögerungen bei der Veräußerung größerer Posten kommen kann".

Zu den Kapitalerhöhungen aus genehmigtem Kapital verhält sich der Prospekt mit der folgenden Formulierung: "Am 12.06.1996 hat die Hauptversammlung der Gesellschaft eine Kapitalerhöhung um 490.000 weiteren Inhaberstammaktien im Nennwert von je 5,00 DM beschlossen. Nach voller Durchführung dieser Kapitalerhöhung beträgt das Eigenkapital der Gesellschaft 4.490.000,00 DM".

In dem Bericht des Vorstandes über das Geschäftsjahr 1996 vom Juni 1997 ist ausgeführt, dass der Vorstand mit Zustimmung des Aufsichtsrates am 14. April 1997 die Erhöhung Grundkapitals durch Ausnutzung des genehmigten Kapitals in Höhe von 150.000 Aktien zum Preis von 9,80 DM beschlossen habe. Nach Eintragung in das Handelsregister belaufe sich das eingetragene Eigenkapital der A AG auf 6.460.000 DM, einschließlich Kapitalrücklagen. Bis Jahresende hoffe der Vorstand, ein Eigenkapital von rund 20.000.000,00 DM in der Gruppe aufzuweisen.

Im April 2000 erteilte der Kläger der Beklagten einen Verkaufsauftrag über 8.000 Aktien. Am 16.05.2000 teilte die B D GmbH mit, dass es weder der A AG noch der B D GmbH gemäß den Vorgaben des Bundesaufsichtsamts für das Kreditwesen gestattet sei, Aktien zurückzukaufen. Mit Schreiben vom 04.09.2000 erteilte der Kläger weitere Verkaufsorder für die restlichen 2.000 Aktien. Bislang gelang es dem Kläger nicht, die Aktien zu veräußern. Weder die B D GmbH noch die B E... KG, an die er verwiesen worden war, kauften seine Aktien an oder vermittelten sie an einen anderen Käufer.

Der Kläger hat behauptet, er sei von Frau X angerufen und zum Kauf überredet worden. Sie habe sich als freie Mitarbeiterin der Beklagten vorgestellt. Sie habe ihn nicht darauf hingewiesen, dass die Aktien nicht an der Börse gehandelt werden, so dass ein Verkauf schwierig sein könne.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, es werde in dem Prospekt nicht ausreichend auf das besondere Risiko des so genannten grauen Kapitalmarktes und die vorgesehenen Kapitalerhöhungen hingewiesen. Zumindest habe im Hinblick auf die Kapitalerhöhungen von Mai 1997 und Dezember 1997/Januar 1998 eine Nachprospektierungspflicht der Beklagten bestanden.

Der Kläger hat beantragt,

Die Beklagte zu verurteilen, an ihn 123.400,00 DM Zug um Zug gegen Rücknahme der in Stückzahl 10.000 von dem Kläger gehaltenen Aktien der Firma A B AG zu zahlen;

hilfsweise hat er beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 98.600,00 DM nebst 8 % Zinsen seit dem 15.04.1997 Zug um Zug gegen Rücknahme der in Stückzahl 10.000 von ihm gehaltenen Aktien der Firma A B AG zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Einrede der Verjährung erhoben.

Das Landgericht hat den Vorstand der Beklagten, Herrn Y informatorisch angehört. Durch Urteil vom 28.09.2001 hat es dem hilfsweise geltend gemachten Schadensersatzanspruch gemäß § 13 Abs. 1 VerkProspG a. F. i. V. m. § 45 BörsG a. F.. Zug um Zug gegen Rückgabe der gehaltenen Aktien stattgegeben und die Klage im übrigen abgewiesen. Der Prospekt sei unvollständig, da er die ein bis zweimal jährlich vorzunehmenden Kapitalerhöhungen nicht erwähne. Der aufgrund der Nichtbörsennotierung der Aktien ohnehin beschränkte Sekundärmarkt werde dadurch weiter beeinträchtigt, dass in sehr kurzen Abständen neue Aktien emittiert würden, somit nahezu sämtliche Interessenten die Aktien direkt von der Beklagten erhalten könnten. Deshalb bestehe kaum noch eine realisierbare Möglichkeit der seitherigen Aktionäre, ihre Aktien, wenn auch unter Schwierigkeiten und gewissen Zeitverzögerungen, zu veräußern.

Gegen das ihr am 23.10.2001 zugestellte Urteil richtet sich die am 01.11.2001 eingelegte und nach Verlängerung der Begründungsfrist bis 03.01.2002 am 02.01.2002 begründete Berufung der Beklagten, mit der sie ihren Klageabweisungsantrag weiter verfolgt. Die Beklagte ist der Auffassung, dass der Prospekt kein zu optimistisches Bild zeichne. Es werde in dem Prospekt ausreichend auf das besondere Risiko des so genannten grauen Kapitalmarktes hingewiesen. Weitere, Anfang 1997 noch nicht vorgesehene Kapitalerhöhungen habe sie nicht prospektieren müssen. Die Beklagte behauptet, dass die zweite und dritte Kapitalerhöhung in 1997 erst aufgrund späterer Umdisponierungen notwendig geworden seien.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil der 21. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 28.09.2001 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt die angefochtene Entscheidung.

Die Beklagte hat der A GmbH F, vertreten durch ihren Geschäftsführer, ... Z und Herrn ... Z, ihrem ehemaligem Vorstand, den Streit verkündet.

Der Senat hat gemäß den Beschlüssen vom 17.10.2002 und 3.7.2003, auf die Bezug genommen wird (Bl. 296, 297,392 d. A.), Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen Z und Q. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsprotokolle vom 13.11.2002 und 13.11.2003 verwiesen (Bl. 310 ­ 313 und 414 ­ 419 d. A.).

Entscheidungsgründe:

Die in zulässiger Form eingelegte und begründete Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg. Das Landgericht hat dem hilfsweise geltend gemachten Schadensersatzanspruch Zug um Zug gegen Rückgabe der gehaltenen Aktien zu Recht stattgegeben.

Der Anspruch ist gemäß § 13 Abs. 1 VerkProspG a. F. i. V. m. §§ 45, 46 BörsG a. F. Zug um Zug gegen Rückgabe der gehaltenen Aktien begründet.

Das VerkProspG a. F. findet Anwendung, da die Aktien nicht zum Handel an der Börse zugelassen sind und der Prospekt vor Inkrafttreten des 3. Finanzmarktförderungsgesetzes am 01.04.1998 veröffentlicht worden ist (§ 18 Abs. 2, Drittes Finanzmarktförderungsgesetz), nämlich Anfang 1997.

Der Prospekt ist unvollständig, da er über den mitgeteilten Umfang ( 490000 Aktien zu DM 5,- = 2,45 Mio) hinausgehende Kapitalerhöhungen nicht erwähnt und damit wichtige Umstände für die reduzierte Verkäuflichkeit der Aktien verschweigt. Im Prospekt heißt es: "Am 12.06.1996 hat die Hauptversammlung der Gesellschaft eine Kapitalerhöhung um 490.000 weitere Inhaberstammaktien im Nennwert von je 5,00 DM beschlossen. Nach voller Durchführung dieser Kapitalerhöhung beträgt das Eigenkapital der Gesellschaft 4.990.000,00 DM" (Bl. 27 d. A.).

Unstreitig fanden aber seit Prospektveröffentlichung 1997 ein bis zwei Kapitalerhöhungen im Jahr statt. 1997 waren es sogar drei Kapitalerhöhungen: Eine aus genehmigtem Kapital gemäß Schreiben der Beklagten vom 30.04.1997 und Bericht des Vorstandes über das Geschäftsjahr 1996 (Bl. 159, 341 d. A.), wonach das Eigenkapital 5 Millionen DM bzw. 6.640.000,00 DM (gezeichnetes Kapital und Kapitalrücklagen) beträgt. Weitere Kapitalerhöhungen fanden im Mai 1997 und im Dezember 1997/Januar 1998 gemäß Schreiben der Beklagten vom 11.06.1997 bzw. vom 27.02.1998 (Bl. 57, 58 d. A.) statt. Sie sind in dem Prospekt nicht erwähnt. Sie entsprechen aber dem im Bericht des Vorstandes über das Geschäftsjahr 1996 formulierten Ziel der Beklagten (Bl. 341 d. A.), bis Jahresende in der Gruppe ein Eigenkapital von rund 20 Millionen DM aufzuweisen.

Die fehlenden Angaben sind wesentlich. Dem Anleger sollen durch die Mitteilung aller für seinen Anlageentschluss möglicherweise bedeutsamen Tatsachen die Risiken der angebotenen Anlage transparent gemacht werden (OLG Frankfurt am Main WM 1994, 291 ff.; BGH WM 1993, 1787). Bereits durch den Umstand, dass die Aktien nicht börsennotiert sind, sind die Möglichkeiten der Aktionäre, die Aktien wieder zu veräußern, stark eingeschränkt. Wenn dann in kurzen Abständen aufgrund von Kapitalerhöhungen neue Aktien ausgegeben werden, so dass nahezu sämtliche Interessenten ihre Aktien direkt von der Beklagten erhalten können, wird der Sekundärmarkt noch kleiner und damit die Aktie kaum noch veräußerlich. Dies gilt für den vorliegenden Fall, obgleich die C GmbH als Kaufinteressentin zur Verfügung stand, weil eine Abnahmegarantie nicht gegeben und später rechtlich ausgeschlossen wurde. Das Risiko der mangelnden Veräußerlichkeit realisierte sich vorliegend. Der Prospekt weist nicht ausreichend auf diesen Sachverhalt hin, indem er lediglich das allgemeine Verkaufsrisiko der nicht börsennotierten Aktie wie folgt beschreibt: " Das bedeutet aber auch, dass die A-Aktien weniger einfach gekauft und verkauft werden können, als etwa börsennotierte Aktien. ... Als Vertriebskoordinationsstelle der AG ist die A GmbH den Aktionären dabei behilflich, wenn sie Aktien verkaufen wollen, in dem sie diese entweder selbst zum aktuellen Kurs der Kapitalerhöhungen ankauft oder an Dritte weiter vermittelt. Eine umfassende Abnahmegarantie seitens der A GmbH besteht jedoch nicht, so dass es im Einzelfall zu zeitlichen Verzögerungen bei der Veräußerung größerer Posten kommen kann. Neben der Erledigung von Verkaufsaufträgen berät die GmbH die Aktionäre auch in allen Abwicklungsfragen" (Bl. 41. d. A.). Daraus wird der immer kleiner werdende Sekundärmarkt durch die in kurzen Abständen aufgrund von Kapitalerhöhungen neu ausgegebenen Aktien nicht deutlich. Es kommt hinzu, dass bei der freien Emission keine kontinuierliche und geregelte Preisfindung für die Anteile stattfindet, wie sie nur eine Börsennotierung bieten kann (Ziegenhain/Helms, WM 98, 1417 ff., 1429). Die Preisbildung bei den Kapitalerhöhungen ist vielmehr weitgehend willkürlich. Dies wird aus der Erklärung des Vorstandes der Beklagten Y im erstinstanzlichen Termin vom 23.08.2001 deutlich, wonach die Aktie zu dem von der AG empfohlenen Handelspreis von 14,32 DM gehandelt werde und dieser Preis auch Kapitalerhöhungen zugrunde gelegt werde. Ist aber auch die Preisbildung der Aktie bei den Kapitalerhöhungen willkürlich, so birgt sie ein weiteres Risiko der mangelnden Verkäuflichkeit.

Die Beklagte hat die über das "genehmigte Kapital" hinausgehenden Kapitalerhöhungen böslich verschwiegen (§ 45 Abs. 1 Satz 2 BörsG a. F.). Bösliches Verschweigen liegt vor, wenn der Prospektverantwortliche Angaben kennt, die er als wesentlich ansieht, diese aber nicht in den Prospekt aufnimmt, oder wenn der Prospektverantwortliche Angaben zwar nicht für erheblich hält, von deren Unerheblichkeit für die Anleger aber auch nicht überzeugt ist. Der Beklagten obliegt der Beweis der mangelnden Böslichkeit, dass nämlich bei Herausgabe des Prospekts Anfang 1997 keine weiteren Kapitalerhöhungen vorgesehen gewesen seien, sondern erst aufgrund späterer Umdisponierungen notwendig geworden seien. Die Beweislast ist in analoger Anwendung der §§ 282, 285 BGB umzukehren, da dem Anleger der fragliche Umstand, der in der Sphäre der Prospektverantwortlichen liegt, unbekannt und die Beweisführung praktisch unmöglich ist (Hamann im Kommentar Schäfer zu §§ 45, 46 BörsG a. F., Rn. 99; Assmann WM 1983, 138 f.; BGH WM 1982, 862 f.). Der Anleger kann nicht wissen, was Unternehmensstrategie ist.

Der Beweis der mangelnden Böslichkeit ist der Beklagten nicht gelungen.

Zu der Beweisfrage gemäß Beweisbeschluss vom 17.10.02, ob Anfang 1997 keine weiteren Kapitalerhöhungen vorgesehen gewesen, sondern erst auf Grund späterer Umdisponierungen notwendig geworden seien, hat der Zeuge Z vor dem Senat zwar im Gegensatz zu seiner früheren Vernehmung durch die Einzelrichterin genauere Ausführungen gemacht, nachdem er sich seinen Angaben zufolge auf die Vernehmung vorbereitet habe. Die Aussage des Zeugen bleibt aber insgesamt unbestimmt und allgemein, zum Teil widersprüchlich. Aufgrund dieser Angaben kann nicht als bewiesen angesehen werden, dass Kapitalerhöhungen über den im Prospekt mitgeteilten Umfang hinaus erst aufgrund einer späteren Änderung des Konzepts durchgeführt wurden.

Der Zeuge hat ausgesagt, dass für die Stammgesellschaft 3,2 Millionen Gesamtkapital angepeilt worden seien. Dies stimmt mit den auf Seite 11 des Prospekts (Blatt 27 der Akten) aufgeführten Zahlen überein, die 825.000 DM als Grundkapital einschließlich Rücklagen sowie eine am 12.1.96 beschlossene Kapitalerhöhung um 490.000 weitere Inhaberaktien zum Nennwert von DM 5,- ausweisen. Zusammen ergeben sich 3,275 Millionen. Demgegenüber spricht der Prospekt von einer Summe von 4,99 Millionen nach Durchführung der Kapitalerhöhung und in der Randbemerkung von einer Kapitalerhöhung auf 5 Millionen. Hierin kann bereits ein Indiz für weitere verschwiegene (vorgesehene) Kapitalerhöhungen gesehen werden. Der Zeuge Z hat weiter angegeben, er sei der Überzeugung gewesen, dass sich die Gesellschaft mit 3,2 Millionen am Markt würde behaupten können. Es sei vorgesehen gewesen, kurzfristige Beteiligungen einzugehen, um Rückflüsse zu erzielen. Es habe zu dem Anfangskapital von 550.000 DM von Anfang an auch ein "genehmigtes Kapital" gegeben, dessen Höhe er aus dem Kopf nicht sagen könne. Hiervon sei im Jahre 1996 Gebrauch gemacht worden. Dann hätten sich Chancen im Laufe des Jahres 1996 oder Anfang 1997 ergeben, die es angezeigt erscheinen ließen, weitere Kapitalerhöhungen vorzunehmen. Zudem habe sich die Möglichkeit einer Bürgschaft des Landes Nordrhein-Westfalen ergeben. 1996 und 1997 sei das ursprüngliche Konzept der Gesellschaft aufgegangen, es seien sowohl Rückflüsse aus Beteiligungen als auch aus dem Fondsbereich erfolgt. Mitte 1998 oder auch Anfang 1998 habe sich dann eine Lücke aufgetan. Der kurzfristige Rückfluss habe sich auf Dauer nicht in allen Bereichen realisieren lassen und es hätten Beteiligungen nicht wie vorgesehen veräußert werden können. Dies habe eine Änderung des Konzeptes und damit die Kapitalerhöhungen bedingt. Zu dem von ihm unterschriebenen Bericht des Vorstandes von Juni 1997 für 1996 (Bl.341 d.A.), der als Ziel für das laufende Jahr ein Eigenkapital von 20 Millionen DM in der Gruppe nennt, bei einem Stand von 11 Millionen (Bl. 333), hat der Zeuge erklärt, dass der gesamte Fondsbereich damit gemeint gewesen sei. Ein Wert von 10 Millionen DM für die Firma A allein sei nicht erreichbar gewesen, was daraus ersichtlich sei, dass im Jahre 1998 Schwierigkeiten bestanden, 3 Millionen DM unterzubringen.

Die allgemein gehaltene Behauptung, die Finanzierung der Gesellschaft durch Rückflüsse zu sichern, erscheint wenig glaubhaft angesichts der Anlagestrategie (Seite 24 des Prospekts, Blatt 40 d.A.), die lediglich 25 Prozent kurzfristige (und damit kurzfristig wiederverkäufliche) Anlagen vorsieht. Eine konkrete Darstellung der Rückflüsse hat der Zeuge nicht gegeben, außer der "Initiatorenvergütung", die der Gesellschaft durch Auflegen von Fonds zugeflossen seien. Eine Finanzierung der Expansion der Gesellschaft, zumindest in den ersten Jahren bei noch geringeren Kapital erscheint deshalb von vornherein überwiegend nur über Kapitalerhöhung möglich. Dies gilt insbesondere dann, wenn man ein Ziel von 20 Millionen DM Eigenkapital, sei es auch für die Gruppe, bereits im Jahr 1997 in dem Geschäftsbericht für 1996 vorsieht. Es ist im Übrigen darauf hinzuweisen, dass der Verweis des Zeugen auf die Firmengruppe die Beklagte nicht entlastet, was die Verengung des Marktes für den Verkauf von Aktien des Klägers durch fortlaufende Kapitalerhöhungen betrifft. Denn auch hierdurch ist das begrenzte Marktsegment für Ökopapiere betroffen, aus dem der Kläger Interessenten für einen Ankauf seiner Aktien suchen muß.

Die bisher dargestellte Richtung der Geschäftstätigkeit der Beklagten wird bestätigt durch weitere geschäftliche Maßnahmen. Während noch im Verkaufsprospekt mit Stand von Februar 1996 (vgl. Angabenvorbehalt Seite 38 (Bl. 54 d.A.) eine Kapitalerhöhung von 490.000 Aktien zu 5 DM, also 2,45 Millionen DM, angekündigt wird, die bereits zusammen mit dem Anfangskapital von 550.000 DM mit Rücklagen 885.000 DM, auf 5 Millionen DM hochgerechnet wird, stellt der Geschäftsbericht für 1996 vom Juni 1997 (Bl. 341 d.A.) bereits ein eingetragenes Eigenkapital von 6,46 Millionen DM fest. Zuvor, mit vom Zeugen Z unterschriebenen Schreiben vom 30. 4. 97 (Bl. 159 d.A.), wurde bereits mitgeteilt, dass 5 Millionen DM (aus dem Prospekt ?) bereits investiert worden seien und wegen der großen Nachfrage nach Aktien weitere 150.000 neue Aktien aus "genehmigtem Kapital" ausgegeben würden. Hieraus wird besonders deutlich, dass entgegen der Aussage des Zeugen die Aktienausgabe nicht in Verbindung mit Investitionen, sondern mit Nachfrage gesehen worden ist. Da in diesem Schreiben außerdem mitgeteilt worden ist, dass der Vorstand zu der Aktienausgabe durch Aufsichtsratsbeschluss vom 14. 4. 97 ermächtigt worden sei, muss davon ausgegangen werden, dass die Kapitalerhöhung des Vorstands bereits einige Zeit früher vorgesehen gewesen ist, bevor sie genehmigt werden konnte.

Aufgrund dessen war zum Zeitpunkt des ersten Aktienkaufs durch den Kläger am 11.4.97 der Verkaufsprospekt unrichtig. Zwar konnte der Prospekt angesichts des Standes vom Februar 1996 (siehe Bl. 54 d.A.) die Ende 1996/Anfang 1997 bereits getätigten Kapitalerhöhungen noch nicht enthalten. Es hatte jedoch angesichts der im Prospekt mitgeteilten Erhöhung von 2,45 Millionen DM deshalb einen Nachtrag zu erfolgen, weil bereits über 5 Millionen DM hinaus weitere 750.000 DM Eigenkapital durch 150.000 neue Aktien gebildet werden sollten. Die Verpflichtung hierzu ergibt sich aus der von der Rechtsprechung entwickelten Verpflichtung zeitnaher Darstellung sowie aus §11 VerkProspG, der eine Pflicht zu unverzüglicher Veröffentlichung von Veränderungen festlegt, die für die Beurteilung der Wertpapiere von wesentlicher Bedeutung sind.

Mit einem weiteren Schreiben vom 11.6.97, welches ebenfalls der Zeuge Z unterschrieben hat, wird eine Kapitalerhöhung "Mai 1997" mit einem Zeichnungsvolumen von 1,47 Millionen, also 294.000 Aktien beschrieben, in deren Rahmen der Kläger 2000 Aktien zum Preis von 19.600 DM gezeichnet habe. Die Zeichnung erfolgte laut Zeichnungsschein (Bl. 249 d.A.) am 7.5.97. Mit Schreiben vom 27.2.98 (Blatt 58), wiederum unterzeichnet von den Zeugen Z, wird der dritte Aktienkauf des Klägers bestätigt im Rahmen einer Kapitalerhöhung "Dezember 97/Januar 98, wobei das Volumen jedoch nicht mitgeteilt wird. Insgesamt deuten diese Serie aufeinander folgenden Kapitalerhöhungen, eher darauf hin, dass hier nicht eine Ausnahme wegen besonderer Chancen oder eine erst nachträglich vorgenommene Konzeptänderung vorgelegen hat, sondern von Anfang an systematisch die Finanzierung über Kapitalerhöhungen betrieben worden ist. Jedenfalls hat die Beklagte damit nicht beweisen können, dass die weiteren Kapitalerhöhungen erst aufgrund späterer Umdisponierungen notwendig geworden sind. An dieser Beurteilung ändern auch die Ausführungen des Zeugen Z anläßlich seiner mündlichen Einvernahme nichts, weil seine allgemein gehaltenen Angaben nicht geeignet sind, die schriftlich dokumentierten Tatsachen zu widerlegen.

Darüber hinaus sind die mündlichen Angaben des Zeugen Z auch in sich nicht nachvollziehbar. Bereits die Aussage, die Kapitalerhöhung in Höhe von 4,1 Millionen DM für Investitionen in die Firmen G und I im Jahr 1996 steht im Widerspruch zu der außerdem bekundeten Überzeugung, 3,2 Millionen DM Kapital hätten für die Lebensfähigkeit der Gesellschaft ausgereicht und erst wegen besonderer Chancen sei das Konzept geändert worden, wobei der Zeuge eine Kapital Lücke erst 1998 festgestellt haben will. Diese Kapitallücke hat er im Übrigen nicht näher dargestellt. Das in Höhe von 4,1 Millionen DM eingesammelte Kapital wurde jedoch 1997 nach der Darstellung des Zeugen gar nicht ausgegeben (investiert). Vielmehr bestand nach seinen Angaben am Anfang 1997 ein Kassenbestand von 3,2 Millionen DM, der auch am Ende des Jahres in gleicher Höhe noch vorhanden gewesen ist. Zwar darf insoweit nicht unberücksichtigt bleiben, dass wegen einer vorgesehenen Beteiligung an der Firma J 1997 eine weitere Kapitalerhöhung von 2,2 Millionen durchgeführt wurde, diese war aber angesichts des Kassenbestandes für Investitionen nicht unbedingt notwendig. Auch aus den vom Zeugen Z mündlich mitgeteilten Kapitalerhöhungen ergibt sich, dass diese den jeweiligen Investitionen vorausgegangen sind. Dies steht im Gegensatz zu den Angaben des Zeugen, der ausgesagt hat, die Kapitalaufnahme sei im Hinblick auf besondere Chancen erfolgt; den entsprechenden Zusammenhang hat der Zeuge nicht nachvollziehbar dargestellt. Die Angaben des Zeugen Z über den Verlauf der Geschäfte im Jahre 1997 gegenüber der ursprünglich vorgesehenen Planung sind ebenfalls wenig verständlich. Der Zeuge geht nach dieser Planung von einem Kassenbestand von 650.000 DM aus, findet jedoch einen tatsächlichen Kassenbestand von 3,2 Millionen DM vor, den er bereits zum Jahresende unmittelbar vorher hätte bemerken können. Trotzdem erfolgt eine Kapitalerhöhung für eine Investition in die Fa. J von 2,2 Millionen DM. Die Grundlage der Planung bleibt damit völlig undurchsichtig, es sei denn, sie bestehe in ständiger Expansion durch Kapitalerhöhung. Die mehrfachen Hinweise auf "genehmigtes Kapital" in den schriftlichen Mitteilungen des Zeugen Z, außer im Verkaufsprospekt, tragen ebenfalls mehr zur Undurchsichtigkeit als zur Aufklärung bei. An keiner Stelle wird die tatsächliche Höhe des angeblich genehmigten Kapitals erwähnt. Lediglich in dem Zeichnungsschein vom 7.5.1997 ist ein Beschluss vom 12.1.96 der außerordentlichen Hauptversammlung erwähnt, die den Vorstand ermächtigt habe, mit Zustimmung des Aufsichtsrates das Grundkapital der Gesellschaft bis zum 31. Dezember 1997 "einmal oder mehrmals" um einen Nennbetrag von höchstens DM 1,24 Millionen durch Ausgabe von neuen Inhaberaktien zum Nennbetrag von DM 5 je Aktie gegen Bareinlage zu erhöhen. Demgegenüber ist im Verkaufsprospekt ein Beschluss der Hauptversammlung vom 12.1.96 über eine Kapitalerhöhung um 490.000 weitere Inhaber-Stammaktien von je 5 DM (2,45 Mio DM) aufgeführt. Das gleiche Datum (12.1.96) weist die mit dem Prospekt vorgelegte Fassung der Satzung der Aktiengesellschaft auf (vgl. Bl. 53 d.A.), wobei es sich angesichts der Gründung und Eintragung im Jahr 1995 um eine geänderte Satzung handeln muss. Diese enthält jedoch keine Ermächtigung zur Kapitalerhöhung gemäß § 202 Abs. 2 AktG. Da gemäß § 202 Abs.3 AktG der Nennbetrag des genehmigten Kapitals die Hälfte des Grundkapitals, das zur Zeit der Ermächtigung vorhanden ist, nicht übersteigen darf, erscheinen die erwähnten Mitteilungen unrichtig; sie dienen nach alledem lediglich der Verschleierung ständiger Kapitalerhöhungen. Denn die mitgeteilten Beträge stimmen einerseits nicht überein, und andererseits werden die gesetzlichen Vorgaben für genehmigtes Kapital weder hinsichtlich der Ermächtigungsgrundlage noch der Höhe nach eingehalten. Bei einem Grundkapital von 550.000 DM laut Satzung vom 12.1.96 durfte der Nennbetrag des genehmigten Kapitals nur 225.000 DM betragen ­ aufgrund geänderter Satzung.

Sowohl aus den schriftlichen Unterlagen und den Angaben des Zeugen ergibt sich deshalb eine Folge ständiger Kapitalerhöhungen zwecks Expansion und Finanzierung der Gesellschaft. Hieraus kann jedenfalls nicht der Schluss gezogen werden, dass von vornherein keine entsprechende Planung vorgelegen hat, zumal eine plausible abweichende Erklärung nicht dargetan ist. Das Weglassen dieser für die Verkäuflichkeit der Wertpapiere des Klägers wesentlichen Tatsachen, ist angesichts des so deutlich gewordenen systematischen Vorgehens der Beklagten als böslich anzusehen. Aufgrund dieser Umstände kommt es auf weitere Einzelheiten der Unrichtigkeit des Prospekts durch Fortlassen einzelner Tatsachen, jeweils vor dem Ankauf von Aktien durch den Kläger, nicht an. Angesichts der vorstehenden Umstände ist der Nachweis fehlender Böslichkeit nicht geführt.

Die Ersatzpflicht ist nicht nach § 46 Abs. 3 BörsG a. F. ausgeschlossen. Es ist nicht ersichtlich, dass der Kläger anhand der übrigen Angaben des Prospektes die Unverkäuflichkeit seiner Aktien aufgrund von Kapitalerhöhungen hätte erkennen können. Vielmehr suggerierte der Prospekt Wiederverkäuflichkeit, insbesondere unter Zuhilfenahme der GmbH. Hierauf hat sich der Kläger auch verlassen, wie sein Verkaufsauftrag vom 09.05.2000 (Bl. 59 d. A.) ausweist.

Der Anspruch ist auch nicht verjährt, da nach § 13 VerkProspG a. F. die Verjährungsfrist 5 Jahre nach Veröffentlichung des Verkaufsprospektes (hier: 1997) beträgt. Diese Frist war deshalb nicht vor Eintritt der Rechtshängigkeit am 15.02.2001 abgelaufen.

Der Anspruch ist auf das negative Interesse gerichtet, die Rückgängigmachung der Beteiligung. Denn es ist nicht nur aufgrund allgemeiner Lebenserfahrung davon auszugehen, dass der Kläger bei zutreffender Information über die (fehlende) Verkäuflichkeit der von ihm erworbenen Aktien vom Kauf Abstand genommen hätte (vgl. BGH WM 1993, 1787 ff., 1790; WM 2002, 813 ff., 815). Dies gilt vielmehr auch aufgrund des vorliegenden Umstandes, dass der Kläger als Selbständiger Öko-Händler zur Deckung eigenen Kapitalbedarfs gelegentlich auf Kapitalanlagen zurückgreifen muss. Der Urteilstenor des erstinstanzlichen Urteils trägt dem geltend gemachten Anspruch dadurch Rechnung, dass Rückerstattung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe der gehaltenen Aktien zuerkannt ist.

Der Zinsanspruch ist aus dem Gesichtspunkt des entgangenen Gewinns gerechtfertigt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 108 ZPO.

Die Revision war gemäß § 543 ZPO nicht zuzulassen, da weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtssprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.



Ende der Entscheidung

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