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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 23.08.2007
Aktenzeichen: 3 U 37/06
Rechtsgebiete: GmbHG


Vorschriften:

GmbHG § 30
GmbHG § 31
GmbHG § 32 a
Zur Abgrenzung einer bei den Gesellschaftern verbleibende Darlehensrückzahlung von einer solchen, die sofort wieder an die Gesellschaft zurückgezahlt werden und damit im Ergebnis die Funktion einer Kapitalerhöhung haben sollte.
Tatbestand:

I.

Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der AGmbH. Der Beklagte war seit Dezember 2001 einer von mehreren Gesellschaftern der 1999 gegründeten Insolvenzschuldnerin. In der Gesellschaftsversammlung vom 16.5.2002 wurde beschlossen, das Gesellschaftskapital mit Wirkung zum 1.7.2002 von 300.000,00 € auf 375.000,00 € zu erhöhen; von dem Erhöhungsbetrag von 75.000,00 € sollte auf den Beklagten ein Anteil von 27.000,00 € entfallen (36 % gemäß seinem damaligen Gesellschaftsanteil). In dieser Versammlung wurde außerdem beschlossen, das dem Unternehmen gewährte Gesellschafterdarlehen in Höhe von 150.000,00 DM (76.693,78 €) gesellschaftskapitalanteilig spätestens zum 21.6.2002 an die Gesellschafter zurückzuzahlen (siehe Protokoll der Gesellschafterversammlung Bl. 80 f.). Die Erhöhung des Stammkapitals wurde am 5.6.2002 notariell beurkundet (siehe Bl. 7 f. der Beiakte Landgericht Düsseldorf, Az.: 6 O 24/05); eine Eintragung des Kapitalerhöhungsbeschlusses im Handelsregister ist mangels Anmeldung nicht erfolgt. Die Parteien sind sich darüber einig, dass der Kapitalerhöhungsbeschluss aus diesem Grund unwirksam ist. Am 21.6.2002 zahlte die spätere Insolvenzschuldnerin 27.609,76 € als Darlehensrückzahlung an den Beklagten aus (36 % von 150.000,00 DM bzw. 76.693,78 €, Bl. 26). Am 24.6.2002 zahlte der Beklagte an die Insolvenzschuldnerin den am 16.5.2002 vereinbarten Kapitalerhöhungsbetrag von anteilig 27.000,00 €. Am 30.10.2002 beantragte die Insolvenzschuldnerin die Eröffnung des Insolvenzverfahrens (Bl. 31). Mit Schreiben vom 10.1.2003 verlangte der Kläger als vorläufig bestellter Insolvenzverwalter vom Beklagten die Rückzahlung des am 21.6.2002 überwiesenen Betrages von 27.609,76 € (Bl. 48). Am 14.2.2003 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet (Bl. 24). Mit am 5.11.2004 eingegangenem Schriftsatz verklagte der Kläger den Beklagten auf Zahlung von 27.000,00 € gemäß dem Kapitalerhöhungsbeschluss vom 16.5.2002 (Landgericht Düsseldorf, Az.: 6 O 24/05). Am 7./8.3.2005 erging ein weiterer Gesellschafterbeschluss (siehe Beiakte Bl. 42). Am 24.3.2005 erfolgte die Klagerücknahme im Rechtsstreit beim Landgericht Düsseldorf.

Im vorliegenden Rechtsstreit verlangt der Kläger vom Beklagten die Rückzahlung des am 21.6.2002 überwiesenen Betrages von 27.609,76 €.

Der Kläger hat vorgetragen, für Juni 2002 habe sich bezüglich der Insolvenzschuldnerin eine Überschuldung von 380.046,48 € ergeben, so dass es sich bei der Zahlung vom 21.6.2002 um die Rückzahlung eines eigenkapitalersetzenden Darlehens im Zeitpunkt einer Krise der GmbH gemäß §§ 30, 31, 32 a GmbHG gehandelt habe.

Der Beklagte hat eingewandt, durch die am 24.6.2002 erfolgte Zahlung der 27.000,00 € sei im Ergebnis die Höhe des haftenden Vermögens im Wesentlichen gleich geblieben. Im Juni 2002 habe noch keine Überschuldung vorgelegen und es habe eine positive Fortbestehungsprognose für das Unternehmen bestanden.

Wegen des weiteren Vortrages der Parteien sowie der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen (Bl. 180 f. d.A.).

Das Landgericht hat die Klage durch Urteil vom 12.1.2006 abgewiesen . Es hat ausgeführt, der geltend gemachte Anspruch aus § 32 a GmbHG sei nicht schlüssig dargelegt worden; dazu hätte vorgetragen werden müssen, dass das zurückgezahlte Darlehen zuvor im Zeitpunkt einer Krise gewährt worden sei. Der Kläger habe jedoch den genauen Zeitpunkt der Darlehensgewährung nicht vorgetragen, der offensichtlich erhebliche Zeit vor dem Jahre 2002 anzusiedeln sei. Dass sich die Insolvenzschuldnerin zum damaligen Zeitpunkt in einer Krise befunden habe, sei nicht vorgetragen.

Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers, der sein erstinstanzliches Begehren weiterverfolgt. Er trägt vor, das Landgericht habe sich nicht mit den §§ 30, 31 Abs. 1 GmbHG befasst und dem darin enthaltenen Grundsatz der Erhaltung des Stammkapitals. Dagegen habe die Auszahlung vom 21.6.2002 verstoßen, so dass Rückzahlung zu erfolgen habe. Bei der Insolvenzschuldnerin habe seit der ersten Bilanz zum 31.3.2000 bis zur Auszahlung vom 21.6.2002 jeweils ein nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag im Sinn einer Unterbilanz bestanden. Der Anspruch ergebe sich darüber hinaus auch aus § 32 a i.V.m. § 32 b GmbHG. Der Beklagte habe zu einem ungeklärten Zeitpunkt der Insolvenzschuldnerin ein Darlehen von 27.609,76 € gewährt. Die Insolvenzschuldnerin sei von Anfang an überschuldet und insolvenzreif gewesen. Sie habe durch wiederholte Gesellschafterdarlehen gestützt werden müssen. Wegen der von Anfang an durchgängig bestehenden Krise habe es sich bei sämtlichen Gesellschafterdarlehen um eigenkapitalersetzende Darlehen gehandelt. Der Beklagte habe die Krise von Anfang gekannt, zumindest Kenntnis haben können und müssen. Insbesondere habe der Beklagte auch von dem permanenten Kreditbedarf der Gesellschaft gewusst. Die Zahlung durch den Beklagten vom 24.6.2002 in Höhe von 27.000,00 € sei für den vorliegenden Anspruch irrelevant. Damit habe der Beklagte nur den vermeintlichen Anspruch auf Kapitalerhöhung erfüllen, nicht aber im Sinne einer "Wiedereinzahlung des Darlehens" den streitgegenständlichen Anspruch erfüllen wollen. Diesbezüglich habe der Beklagte gegen die Insolvenzschuldnerin wegen des unwirksamen Kapitalerhöhungsbeschlusses lediglich einen Bereicherungsanspruch erworben; eine Aufrechnung mit diesem Anspruch sei dem Beklagten jedoch im Insolvenzverfahren verwehrt.

Die Klägerin beantragt,

das landgerichtliche Urteil abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 27.609,76 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 23.1.2003 zu zahlen.

Der Beklagte hat die Klageforderung in Höhe von 609,76 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.1.2003 anerkannt; im übrigen beantragt er,

die weitergehende Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil im Ergebnis. Er sei als Gesellschafter ausschließlich finanziell an der Insolvenzschuldnerin beteiligt und in deren laufende Geschäfte nicht eingebunden gewesen. Seine Kenntnis habe allein auf Informationen durch die Geschäftsführer beruht. Daher könne er sich zu den wesentlichen Behauptungen des Klägers bezüglich der wirtschaftlichen Situation der Gesellschaft nur mit Nicht-Wissen erklären. Die Voraussetzungen des § 32 a GmbHG seien vorliegend nicht gegeben. Die Gesellschaft habe sich im Mai/Juni 2002 bei richtiger Beurteilung und nach damaligem Kenntnisstand des Beklagten nicht in einer Krise befunden und sei auch objektiv nicht überschuldet gewesen. Das laut Beschluss vom 5.7.2001 vom Gesellschafter B aufzubringende Erhöhungskapital von 125.000,00 € (Bl. 33) sei im Wege der Verrechnung mit Gesellschafterdarlehen erbracht und somit nicht ordnungsgemäß eingezahlt worden. In dieser Höhe habe der Kläger zwischenzeitlich Herrn B beim Landgericht Düsseldorf verklagt und diesen Betrag auch erhalten; der Betrag von 125.000,00 € sei mithin in eine berichtigte Bilanz zum 31.3.2002 als weiterer Aktivwert aufzunehmen. Im Gegenzug sei die Umbuchung der Gesellschafterdarlehen wieder rückgängig zu machen, so dass sich auf der Passivseite der Bilanz die Gesellschafterdarlehen per 30.3.2002 auf 208.228,14 € erhöhten; eine Unterbilanz liege demnach nicht vor. Darüber hinaus habe die Gesellschaft erhebliche Investitionen getätigt. Dieses Anlagevermögen habe unter Berücksichtigung der Fortführungswerte einen Wert dargestellt, der erheblich über dem Buchwert gelegen habe. Außerdem habe die Gesellschaft damals über lukrative Aufträge der Firmen C und D verfügt. Darüber hinaus fehle es auch an den subjektiven Voraussetzungen des § 32 a GmbHG. Ohnehin sei die Auszahlung vom 21.6.2002 ausgeglichen worden durch die gleichzeitig beschlossene Kapitalerhöhung i.V.m. der dementsprechenden Zahlung in Höhe von 27.000,00 € vom 24.6.2002 . Wegen der Unwirksamkeit des Kapitalerhöhungsbeschlusses sei die sofortige Wiedereinzahlung der 27.000,00 € als weiteres Gesellschafterdarlehen zu verstehen, so dass es nur noch um die - anerkannte - Differenz von 609,72 € gehen könne. Es habe sich bei den beiden Zahlungsvorgängen vom 21.6. und 24.6.2002 um einen einheitlichen, sich selbst neutralisierenden Vorgang des "Hin- und Herzahlens" im Sinne der höchstrichterlichen Rechtsprechung gehandelt.

II.

Die zulässige Berufung des Klägers ist nur insoweit begründet, als der Beklagte die Klageforderung anerkannt hat (§ 307 ZPO); im übrigen war die Berufung zurückzuweisen.

Dabei kann mit dem Kläger davon ausgegangen werden, dass es sich bei der Auszahlung des Betrages von 27.609,76 € an den Beklagten am 21.6.2002 um eine unzulässige Darlehensrückzahlung gehandelt hat, so dass der Beklagte gemäß den auf eine analoge Anwendung der §§ 30, 31 Abs. 1 GmbHG gestützten Rechtsprechungsgrundsätzen zum eigenkapitalersetzenden Darlehen zur Rückzahlung dieses Betrages verpflichtet ist. Der Rückzahlungsanspruch ist in Höhe von 609,27 € anerkannt worden; der darüber hinausgehende Rückzahlungsanspruch ist entgegen der Auffassung des Klägers im Hinblick auf die Zahlung der 27.000,00 € vom 24.6.2002, die bereits vor Stellung des Insolvenzantrages erfolgt ist, als erfüllt anzusehen.

Dabei sind nach Auffassung des Senats die am 16.5.2002 beschlossene Kapitalerhöhung und die gleichzeitig beschlossene Darlehensrückzahlung erkennbar als ein einheitlicher Vorgang anzusehen; gleiches gilt mithin für die beiden Zahlungsvorgänge vom 21.6. und 24.6.2002. Die geringfügige betragsmäßige Abweichung in Höhe von 609,76 € lässt sich unschwer dadurch erklären, dass sich der "krumme" Darlehensbetrag von 76.693,78 €, der den ebenfalls "krummen" Betrag von 27.609,76 € zur Folge hatte, aus dem Betrag von 150.000,00 DM ergab. Von einer derartigen Einheitlichkeit der beiden Vorgänge ist im übrigen auch der Kläger im Rechtsstreit beim Landgericht Düsseldorf ausgegangen, indem er gemäß S. 4 der dortigen Klageschrift beide Vorgänge als "Hin- und Herzahlen" charakterisiert hat; gleiches gilt für S. 3 des Klägerschreibens vom 10.3.2003 (Bl. 50).

Mithin ist davon auszugehen, dass die Gesellschafter am 16.5.2002 keine bei den Gesellschaftern verbleibende Darlehensrückzahlung beabsichtigt haben, sondern eine Darlehensrückzahlung, die sofort wieder an die Gesellschaft zurückgezahlt werden und damit im Ergebnis die Funktion einer Kapitalerhöhung haben sollte.

Diese Absicht ist jedoch fehlgeschlagen, weil der Kapitalerhöhungsbeschluss, worüber zwischen den Parteien Einigkeit besteht, formunwirksam war. Da die Zahlung der 27.000,00 € vom 24.6.2002 inhaltlich mit dem Kapitalerhöhungsbeschluss verknüpft war, ist diese Zahlung ohne Rechtsgrund erfolgt. Mithin stand dem Beklagten gegen die spätere Insolvenzschuldnerin ein Bereicherungsanspruch aus § 812 BGB zu, wovon im Übrigen auch der Kläger ausgeht. Es handelt sich dabei um einen aufrechenbaren Gegenanspruch im Sinne von § 94 InsO. Der Beklagte hat zwar vor Insolvenzeröffnung keine ausdrückliche Aufrechnung erklärt. Er hat jedoch die ohne Rechtsgrund gezahlten 27.000,00 € nicht von der späteren Insolvenzschuldnerin zurückverlangt, obwohl der Kapitalerhöhungsbeschluss unwirksam war. Letzteres muss dem Beklagten auch bereits vor der Insolvenzeröffnung klar gewesen sein, da der am 5.6.2002 protokollierte Kapitalerhöhungsbeschluss, der vereinbarungsgemäß bereits zum 1.7.2002 wirksam werden sollte, bis zur Insolvenzeröffnung vom 14.2.2003 immer noch nicht im Handelsregister eingetragen war, weil ein entsprechender Antrag fehlte. Dann aber kann nach Auffassung des Senats die unterbliebene Geltendmachung des Bereicherungsanspruchs gegenüber der späteren Insolvenzschuldnerin nur so verstanden werden, dass der Beklagte auf die Rückforderung der 27.000,00 € bewusst verzichtet hat im Hinblick auf die der späteren Gemeinschuldnerin zustehende jetzige Klageforderung. Letztere ist mithin durch eine konkludent erfolgte Aufrechnung als erloschen anzusehen.

Dieser rechtlichen Beurteilung entspricht im Übrigen im Ergebnis auch die höchstrichterliche Rechtsprechung zu ähnlich gelagerten Fällen des "Her- und Hinzahlens" zum Zweck der Einlageerbringung (vgl. BGH NJW 2006, 509 und 906; NJW-RR 2006, 1630). Danach sind die Einzahlung des Einlagebetrages und die zeitnahe Rückgewähr als "Darlehen" wirtschaftlich als einheitlicher, sich selbst neutralisierenden Vorgang anzusehen, bei dem unter dem Gesichtspunkt der Kapitalaufbringung der Inferent nichts geleistet und die Gesellschaft nichts erhalten hat. Damit vergleichbar hat im vorliegenden Fall der Beklagte die Darlehensrückzahlung in wirtschaftlicher Hinsicht nicht erhalten, weil er im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang den nahezu gleichen Betrag wieder an die spätere Insolvenzschuldnerin zurückerstattet hat. Nach alldem war die Klageforderung in Höhe von 27.000,00 € abzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind; wie im Einzelnen dargelegt, folgt die vorliegende Entscheidung den höchstrichterlichen Rechtsgrundsätzen zum eigenkapitalersetzenden Darlehen sowie zum "Her- und Hinzahlen" zum Zweck der Einlageerbringung.

Ende der Entscheidung

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