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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 24.07.2008
Aktenzeichen: 3 U 68/08
Rechtsgebiete: BGB, VVG


Vorschriften:

BGB § 123
VVG § 22
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Die Klägerin verlangt von der Beklagten aus einer Hausratversicherung eine Entschädigung in Höhe von 6.447,44 Euro; sie macht geltend, zu Lasten ihres Sohnes A sei am .../....2006 in Thailand ein Einbruchdiebstahl erfolgt; es handele sich dabei um einen Versicherungsfall.

Die Beklagte hat mit Schreiben vom 08.08.2006 (Bl. 65 d. A.) den Rücktritt vom Versicherungsvertrag und dessen Anfechtung wegen arglistiger Täuschung erklärt, da die Angaben im Versicherungsantrag (Bl. 67 d. A.) zu den Vorschäden in den letzten 5 Jahren falsch seien; letzteres ist unstreitig. Unstreitig wurde der Versicherungsantrag mit Wissen und Wollen der Klägerin allein von dem Versicherungsmakler B aus dem Maklerbüro ... ausgefüllt und auch von diesem allein unterzeichnet.

Die Beklagte hat erstinstanzlich zudem weitere Gründe für ihre Leistungsablehnung geltend gemacht.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, zwar bestehe keine Leistungsfreiheit nach § 12 Abs. 3 VVG und die Rücktrittserklärung der Beklagten scheitere im Hinblick auf § 21 VVG; jedoch sei die erfolgte Anfechtung wegen arglistiger Täuschung zu Recht erfolgt. Denn dem Versicherungsmakler B sei arglistiges Verhalten vorzuwerfen, welches sich die Klägerin über § 166 Abs. 1 BGB zurechnen lassen müsse, da der Versicherungsmakler vorliegend als Vertreter der Klägerin gehandelt habe. Die unrichtigen Angaben des Versicherungsmaklers zu den Vorschäden im Versicherungsantrag seien "ins Blaue hinein" erfolgt.

Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin. Sie wendet ein, ein arglistiges Verhalten der Klägerin liege nicht vor und ein etwaiges arglistiges Verhalten des Versicherungsmaklers B sei ihr nicht zuzurechnen, da dieser nicht als Dritter im Sinne des § 123 Abs. BGB anzusehen sei. Darüberhinaus sei dem Versicherungsmakler arglistiges Verhalten nicht vorzuwerfen, wobei das Landgericht entscheidungserheblichen erstinstanzlichen Vortrag einschließlich Beweisantritt übergangen habe. Dessen Angaben zu den Vorschäden seien nämlich nicht "ins Blaue hinein" erfolgt. Herr B habe keine Zweifel an der Richtigkeit seiner Angaben gehabt und sei der Meinung gewesen, es bedürfe einer vorherigen Einblicknahme in die Versicherungsunterlagen der Klägerin nicht; er habe sich dabei auf sein Gedächtnis verlassen können, da er bereits mit den Vorverträgen der Klägerin in ausreichender Weise befasst gewesen sei; es habe sich nur um einen Fehler bzw. um einen Irrtum des Versicherungsmaklers gehandelt; es fehle auch an dessen Täuschungsabsicht.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Sie wendet darüberhinaus ein, die Klageausschlussfrist des § 12 Abs. 3 VVG sei nicht gewahrt; es lägen zudem die Rücktrittsvoraussetzungen vor; § 21 VVG stehe nicht entgegen; der Eintritt des Versicherungsfalles werde weiterhin mit Nichtwissen bestritten, insbesondere bleibe es bei den Einwänden hinsichtlich des Versicherungsortes, sodass vorliegend nicht im Rahmen der Außenversicherung Versicherungsschutz zu gewähren sei; auch eine Stehlgutliste sei nicht unverzüglich eingereicht worden; im Übrigen würden der Schadensumfang und auch die Entschädigungsberechnung der Klägerin im Berufungsverfahren weiterhin bestritten.

Die Berufung der Klägerin hat nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand keine Aussicht auf Erfolg; zu Recht hat das Landgericht die Leistungsfreiheit der Beklagten wegen eines arglistigen Verhaltens des Versicherungsmaklers B bejaht (§§ 22 VVG, 123 BGB).

Zu Recht ist das Landgericht davon ausgegangen, dass das Verhalten des Versicherungsmaklers B anlässlich der Ausfüllung des Versicherungsantrages der Klägerin zuzurechnen ist. Die Klägerin hat die Ausfüllung des Versicherungsantrages dem Versicherungsmakler vollständig überlassen; dieser ist mit Wissen und Wollen der Klägerin allein vom Versicherungsmakler unterzeichnet worden, der zudem bei der Unterschriftszeile für den Versicherungsnehmer den Hinweis "Maklervertrag" hinzugefügt hat. Unter diesen Umständen war der Versicherungsmakler Vertreter der Klägerin, so dass § 166 Abs. 1 Anwendung findet (vgl. Prölls/Martin, VVG, 27. Aufl., § 22 VVG, Rdnr. 1); so hat es im Übrigen auch die Klägerin selbst gemäß Seite 7 oben der Klageschrift gesehen. Dann aber ist dessen arglistiges Verhalten der Klägerin zuzurechnen.

Zu Recht hat das Landgericht auch ein arglistiges Verhalten des Versicherungsmaklers im Hinblick auf dessen Angaben im Versicherungsantrag zu der Frage nach Vorschäden in den letzten 5 Jahren bejaht. Zur Beantwortung dieser Frage hat der Versicherungsmakler nur einen Schadensfall mit einer Schadenshöhe von 500,- Euro angegeben, obwohl der Vorversicherung der Klägerin, der C AG in den letzten 5 Jahren vor Antragstellung ein Einbruchdiebstahl im Jahre 2001 mit einer Schadenshöhe von 1.412,- Euro sowie ein weiterer Einbruchdiebstahl im Jahre 2004 mit einer Schadenshöhe von 5.310,- Euro gemeldet und von dieser auch reguliert worden war.

Die Angabe zu den Vorschäden war mithin eindeutig unrichtig, was die Klägerin auch nicht in Zweifel zieht.

Dabei ist unstreitig, dass der Versicherungsmakler die Angaben zu den Vorschäden nach eigener Kenntnis und ohne Rücksprache mit der Klägerin sowie ohne Einblicknahme in die ihm vorliegenden Vertragsunterlagen des Vorversicherers gemacht hatte; bei einer entsprechenden Einsichtnahme wären ihm die 2 Schadensfälle unschwer bekannt geworden.

Die Klägerin hat diesbezüglich bereits erstinstanzlich unter Beweisantritt (Zeuge B) vorgetragen, der Versicherungsmakler sei beim Ausfüllen des Versicherungsantrages zu den Vorschäden davon überzeugt gewesen, dass aufgrund seiner überragenden Sachkenntnisse betreffend die Versicherungsangelegenheiten der Klägerin diese Angaben zutreffend seien; die weitergehenden Vorschäden seien ihm schlichtweg entfallen gewesen, er habe sich insoweit geirrt. Der Versicherungsmakler habe die Angaben zu den Vorschäden nicht ins Blaue hinein gemacht, sondern sei der subjektiven Überzeugung gewesen, die von ihm abgegebene Erklärung entspräche den Tatsachen; es habe daher auch an dessen Täuschungsabsicht gefehlt. - Dieser Vortrag wird von der Klägerin im Berufungsverfahren wiederholt.

Unterstellt man diesen Vortrag als richtig, soweit er sich auf Tatsachen bezieht, so liegt gleichwohl ein arglistiges Verhalten des Versicherungsmaklers vor, so dass es auf dessen Vernehmung als Zeuge nicht ankommt.

Arglist setzt Vorsatz voraus, wobei bedingter Vorsatz ausreicht (BGH in LM, § 463 BGB Nr. 1). Arglistig handelt bereits, wer ohne hinreichende Erkenntnisgrundlage und somit "ins Blaue hinein" unrichtige Zusicherungen abgibt (vgl. BGH NJW 75, 642; 98, 3197; 06, 2839).

Wenn aber ein Versicherungsmakler wie Herr B, der täglich eine Vielzahl von Kunden bei Vertragsangelegenheiten zu betreuen hat, deren persönliche Daten er nicht absolut zuverlässig in seinem Gedächtnis speichern kann, eine Detailangabe zu Vorschäden eines bestimmten Versicherungsnehmers allein aus dem Gedächtnis heraus und ohne Einsicht in Unterlagen macht, so fehlt ihm für diese Angabe eine hinreichende Erkenntnisgrundlage.

Am Vorwurf der Arglist ändert sich auch dann nichts, wenn man mit der Klägerin davon ausgeht, dass der Versicherungsmakler die Angaben gutgläubig gemacht hat. Zur Arglist ist nämlich nicht notwendigerweise das Wissen erforderlich, dass die angegebene Tatsache nicht der Wahrheit entspricht. Arglistig kann auch derjenige täuschen, dem - wie er weiß - entgegen der offensichtlichen Erwartung des Erklärungsempfängers jegliche zur sachgemäßen Beurteilung des Erklärungsgegenstandes erforderliche Kenntnis fehlt und der dies verschweigt; der gute Glaube an die Richtigkeit des Erklärten schließt in einem solchen Fall Arglist nicht aus (vgl. BGH NJW 80, 2460). Das arglistige Verhalten liegt dann darin, dass dem Erklärenden, was ihm auch bewusst war, die zur sachgemäßen Beantwortung erforderliche tatsächliche Grundlage fehlt und dass er gleichwohl diesen Umstand gegenüber dem anderen Teil verschweigt; es wird die Zuverlässigkeit einer Angabe vorgespiegelt, obwohl die dafür erforderliche objektive Grundlage fehlt.

So verhält es sich im vorliegenden Fall, wenn man der Darstellung der Klägerin folgt. Herr B hat gegenüber der Beklagten den Eindruck erweckt, es handele sich um eine überprüfte Angabe. Denn die Angabe ist exakt und völlig eindeutig und erhält keinerlei Einschränkung dahingehend, sie beruhe nur auf einer subjektiven Überzeugung und erfolge vorbehaltlich einer genauen Überprüfung. Es fehlt jeglicher Hinweis dahingehend, dass die Angabe ohne Einsicht in Unterlagen oder nach Rücksprache mit der Klägerin nur nach dem Gedächtnis erfolgt sei. Herr B kann auch nicht ernsthaft angenommen haben, er könne sichere und zuverlässige Angaben zu den Vorschäden betreffend die Klägerin allein aus seinem Gedächtnis machen. Er hat es damit billigend in Kauf genommen, dass die Angabe unrichtig sein und daher die nachfolgende Entscheidung der Versicherung auf einer falschen Grundlage ergehen könnte.

Nach alldem ist von einem arglistigen Verhalten des Versicherungsmaklers auszugehen, das der Klägerin zuzurechnen ist.

Auf die umfangreichen weiteren Einwände der Beklagten kommt es mithin nicht an.

Ende der Entscheidung

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