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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 18.05.2006
Aktenzeichen: 3 U 90/05
Rechtsgebiete: ARB 75, ARB 2000, EStG, ZPO, VVG, BGB, EGBGB, AGBG


Vorschriften:

ARB 75 § 1 Abs. 1
ARB 75 § 26
ARB 75 § 26 Abs. 1
ARB 75 § 4 Abs. 1 lit. c
ARB 75 § 4 Abs. 1 lit. e
ARB 75 § 4 Abs. 4
ARB 75 § 4 Abs. 3 lit. b
ARB 2000 § 3 Abs. 2 lit. c
ARB 2000 § 3 Abs. 2 lit. d
ARB 2000 § 4 Abs. 1 lit. c
ARB 2000 § 4 Abs. 1 lit. e
ARB 2000 § 4 Abs. 3 lit. b
ARB 2000 § 26 Abs. 1
EStG § 15 Abs. 1 Nr. 2
ZPO § 256 Abs. 1
VVG § 1 Abs. 1
BGB § 133
BGB § 157
EGBGB Art. 229 § 6
AGBG § 1 a.F.
AGBG § 5 a.F.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I.

Der Kläger war bei der Beklagten bis zum 1.2.2001 rechtsschutzversichert. Dem Vertrag lagen zunächst die ARB 75 zugrunde. Im Jahre 2000 wurde der Versicherungsvertrag geändert. Grundlage des geänderten Vertrags wurde für die Zeit ab 2.10.2000 der neue Versicherungsschein Nr. ...vom 10.1.2000 (Anlage K 10, Bl. 88 f d.A.), nach dem als Versicherungsbedingungen nunmehr die ARB 2000 galten.

Der Kläger beansprucht Deckung für die Durchsetzung eines Anspruchs auf Zahlung von € 53.685,65 Zug um Zug gegen Übertragung seiner Fondsanteile an der A1 - mbH & Co. A2 KG (kurz: A1) gegen die B1 gesellschaft mbH Wirtschaftsprüfergesellschaft (kurz: B1) und andere Beklagte.

Der Kläger zeichnete am 20.6.2000 eine "Beitrittsvereinbarung" (Anlage K 2, Bl. 15 d.A.) hinsichtlich seiner (mittelbaren) Beteiligung an der A1 mit einer Kapitaleinlage von DM 100.000,- und schloß zugleich einen Treuhandvertrag mit der als Treuhandkommanditistin fungierenden B1. Grundlage seines Engagements war der in der Beitrittsvereinbarung ausdrücklich in Bezug genommene Prospekt "... III 1999/2000 Teil B" der A1 (Anlage K 3, Bl. 16-74 d.A.) sowie ein - nicht vorgelegter - Teil A des Prospekts. Als Anlagevermittler war Z1 beteiligt, der dem Kläger die Kapitalanlage mit einem Werbeschreiben aus dem Mai 2000 (Anlage K 1, Bl. 14 d.A.) empfohlen hatte.

Der Kläger wandte sich mit Schreiben vom 12.12.2003 (Anlage K 6, Bl. 81 f d.A.) an die Beklagte und verlangte deren Deckungszusage für ein gerichtliches Vorgehen gegen die A1 und Z1. Auf eine Zwischenmitteilung der Beklagten vom 23.12.2003 ergänzte der Kläger sein Vorbringen durch sein weiteres Schreiben vom 19.1.2004 (Anlage K 8, Bl. 84 f d.A.). Nunmehr erklärte die Beklagte mit Schreiben vom 26.1.2004 (Anlage K 9, Bl. 86 f d.A.), sie verweigere die Deckung. Dies begründete sie wie folgt:

a) Der Kläger mache Verluste aus einer selbständigen Tätigkeit als (mittelbarer) Kommanditist der A1 geltend, Versicherungsschutz dafür bestehe jedoch nicht, denn versichert sei der Kläger nach § 26 ARB 75 nur als Nichtselbständiger.

b) Für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus dem Bereich des Rechtes der Handelsgesellschaften, um die es hier gehe, bestehe nach § 4 I lit. c AB 75 kein Versicherungsschutz.

c) Da Gegenstand des Unternehmens der A1 die Herstellung und Sicherung von Lizenzrechten an Filmproduktionen sei, bestehe auch ein Zusammenhang mit dem Bereich des Patent- und Urheberrechts, für den die Deckung nach § 4 I lit. e ARB 75 ebenfalls ausgeschlossen sei.

d) Schließlich könne Deckung wegen eines zu verfolgenden Rechtsverstoßes nicht beansprucht werden, soweit der Rechtsverstoß erst nach dem Auslaufen des Versicherungsvertrages der Parteien am 1.2.2001 eingetreten sei. Das sei für den vom Kläger behaupteten Wegfall einer ausreichenden Ausfallversicherung anzunehmen.

Der Kläger erhob daraufhin gegen die Beklagte vor dem LG Wiesbaden eine erste Deckungsklage (Az.: 8 O 70/04), die er jedoch zurücknahm, nachdem die Beklagte sich in diesem Rechtsstreit auf den Ablauf der zweijährigen Ausschlußklausel des § 4 IV ARB 75 berufen hatte.

Nach der Erhebung der vorliegenden Deckungsklage hat der Kläger gemeinsam mit weiteren 17 Streitgenossen gemäß Klageschrift vom 11.1.2005 (Anlage K 11, Bl. 119-222 d.A.) Klage gegen die B1 gesellschaft mbH Wirtschaftsprüfergesellschaft und weitere 4 Beklagte vor dem LG München I erhoben; Z1 gehört nicht zu den Beklagten dieses Rechtsstreits. Das LG München I hat durch Beschluß vom 13.5.2005 - 10 O 229/05 - (Bl. 288 d.A.) die Verfahren in der Weise voneinander abgetrennt, daß die Verfahren der Kläger zu 1) bis 18) jeweils selbständige Verfahren gegen die Beklagten zu 1) bis 5) geworden sind.

Der Kläger hat vorgetragen, die B1 habe Treuhandauflagen verletzt, indem sie Mittel freigegeben habe, obwohl eine nach dem Vertrag vorgesehene ausreichende Ausfallversicherung nicht bestanden habe. Er hätte die Anlage nicht getätigt, hätte er gewußt, daß eine Ausfallversicherung nicht bestand. Die erste Deckungsklage habe er nur zurückgenommen, weil er den Einwand der Beklagten für erheblich gehalten habe, daß die zweijährige Ausschlußklausel des § 4 IV ARB 75 abgelaufen sei. Erst nach der Klagerücknahme habe er in seinen Unterlagen den (neuen) Versicherungsschein Nr. ...vom 10.10.2000 vorgefunden, aus dem sich nunmehr die Geltung der ARB 2000 ergebe. An Stelle der früheren Ausschlußklausel des § 4 IV ARB 75 gelte jetzt die - von ihm eingehaltene - dreijährige Meldefrist des § 4 III lit. b ARB 2000. Außerdem hat er nach dem Klageantrag zu 2) Schadensersatz in Höhe der Kosten des Vorprozesses 8 O 70/04 LG Wiesbaden verlangt.

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

1. festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet sei, ihm Versicherungsschutz für die Durchsetzung seiner Ansprüche entsprechend der Klage der Rechtsanwälte R1, R2 und R3 vom 11.1.2005 vor dem LG München I zu gewähren.

2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn € 1.374,46 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 5.11.2004 (Rechtshängigkeit) zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, dem Deckungsbegehren stehe nach wie vor entgegen, daß die zweijährige Ausschlußklausel des § 4 IV ARB 75 abgelaufen sei. Die ARB 2000 sollten nach dem (neuen) Versicherungsschein Nr. ...vom 10.10.2000 nur für solche Versicherungsfälle gelten, die nach dem Wechsel der Versicherungsbedingungen eingetreten seien. Der vorliegende Versicherungsfall sei aber bereits im Juli 2000 eingetreten. Die vom Kläger und seinen Streitgenossen vor dem LG München I erhobene Sammelklage sei im übrigen teilweise nicht mit dem Rechtsschutzbegehren identisch, für das der Kläger vorliegend Deckung beanspruche. Die Sammelklage sei auch nicht erfolgversprechend. Soweit der Kläger nach der Sammelklage nunmehr auch andere Beklagte als die B1 und Z1 in Anspruch nehmen wolle, hat die Beklagte die Einrede der Verjährung erhoben.

Das LG hat der Klage stattgegeben, soweit der Kläger Versicherungsschutz für die Durchsetzung seiner Ansprüche gegen die B1 entsprechend der Klage der Rechtsanwälte R1, R2 und R3 vom 11.1.2005 vor dem LG München I beansprucht; die weitergehende Klage (einschließlich des im Urteilstatbetstand offensichtlich nur versehentlich nicht genannten, nach den Entscheidungsgründen aber beschiedenen Klageantrags zu 2.) hat es abgewiesen.

Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LG ausgeführt:

a) Ansprüche des Klägers seien nicht gemäß § 4 IV ARB 75 ausgeschlossen, denn maßgeblich seien nach zutreffender Auslegung des Versicherungsscheins vom 10.10.2000 auch für bereits eingetretene Versicherungsfälle die (neuen) ARB 2000, in denen es eine entsprechende zweijährige Ausschlußklausel nicht mehr gebe.

b) Der Ausschlußtatbestand des § 26 I ARB 2000 (Zusammenhang mit ausgeschlossenen selbständigen Tätigkeiten) greife nicht ein, denn es liege keine ausgeschlossene gewerbliche Tätigkeit des Klägers vor. Der Kläger habe mit der Beteiligung an der A1 lediglich eine Kapitalanlage vorgenommen, die dem Bereich der Verwaltung des privaten Vermögens zuzuordnen sei. Auf die steuerliche Einordnung der Beteiligung komme es insoweit nicht an.

c) Ebensowenig greife der Ausschlußtatbestand des § 4 I lit. c ARB 2000 - gemeint ist wohl § 3 II lit. c ARB 2000 - (Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus dem Recht der Handelsgesellschaften), denn das Schadensersatzbegehren des Klägers werde nach der Begründung seiner Klage vor dem LG München I in erster Linie auf Verstöße der B1, an welcher der Kläger nicht beteiligt gewesen sei, gegen Verpflichtungen aus dem Treuhandvertrag gestützt. Der Ausschlußtatbestand greife nach der Rechtsprechung selbst dann nicht, wenn der Versicherungsnehmer im Falle einer Beteiligung an einer Gesellschaft geltend mache, er sei aufgrund eines unrichtigen Prospekts zu dem Beitritt bewogen worden (BGH, VersR 2003, 1224).

d) Auch der Ausschlußtatbestand des § 4 I lit. e ARB 2000 - gemeint ist wohl § 3 II lit. d ARB 2000 - (Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus dem Bereich des Patent- und Urheberrechts) sei nicht einschlägig.

e) Auf eine angeblich fehlende Erfolgsaussicht der Klage vor dem LG München I könne die Beklagte die Leistungsverweigerung nicht stützen. Mit dem Einwand sei die Beklagte allerdings nicht von vornherein ausgeschlossen, weil die vor dem LG München I erhobene Klage nicht identisch mit dem ursprünglichen Deckungsschutzantrag sei. Die Klage stelle jedoch ein "Minus" gegenüber dem ursprünglichen Rechtsschutzziel dar.

f) Unbegründet sei die Klage dagegen in folgenden Punkten:

aa) Deckung könne der Kläger für die Klage vor dem LG München I nur hinsichtlich der Inanspruchnahme der B1 verlangen. Die beabsichtigte Inanspruchnahme der anderen Beklagten des dortigen Rechtsstreits habe der Kläger der hiesigen Beklagten erstmals durch den - der Beklagten am 1.2.2005 zugestellten (Bl. 224 d.A.) - Schriftsatz vom 19.1.2005 (Bl. 117 f d.A.) angezeigt und damit nach Ablauf der Dreijahresfrist des § 4 III [lit.b] ARB 2000 nach dem Ende des Versicherungsverhältnisses am 1.2.2001.

bb) Der Kläger könne auch nicht Schadensersatz in Höhe der Kosten des Vorprozesses 8 O 70/04 LG Wiesbaden verlangen, denn durch ihr Verteidigungsvorbringen in jenem Prozeß habe die Beklagte keine nachvertraglichen Pflichten gegenüber dem Kläger verletzt.

Der Kläger tritt mit seiner form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung der Abweisung des Klageantrags zu 2) nicht entgegen. Er rügt hinsichtlich der Teil-Abweisung des Klageantrags zu 1) eine unrichtige Anwendung des § 4 III lit.b ARB 2000. Nach der Rechtsprechung zur Vorgängerregelung des § 4 IV ARB 75 (BGH, NJW 1992, 2233 = VersR 1992, 819) habe es nämlich als "Meldung" des Versicherungsfalles ausgereicht, wenn der Versicherer Kenntnis erlange, daß noch Forderungen auf ihn zukämen; hierbei genüge die Mitteilung eines vom Versicherungsnehmer als Versicherungsfall eingeschätzten Lebenssachverhalts. Etwas anderes könne auch nicht für die Regelung des § 4 III lit.b ARB 2000 gelten. Eine solche Mitteilung habe der Kläger der Beklagten rechtzeitig zukommen lassen.

Nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist hat der Kläger mit Schriftsatz vom 25.8.2005 (298) ferner (erstmals) vorgetragen, er habe die Absicht, auch die A1 in Anspruch zu nehmen, durch sein (anwaltliches) Schreiben vom 12.3.2004 (Bl. 299 d.A.) angezeigt.

Die Beklagte rügt mit ihrer ebenfalls form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung eine unrichtige Rechtsanwendung durch das LG:

Der streitgegenständliche Versicherungsschutz sei schon deshalb ausgeschlossen, weil der Kläger den Versicherungsfall nicht innerhalb der maßgeblichen zweijährigen Frist des § 4 IV ARB 75 gemeldet habe. Auf die zum 2.10.2000 wirksam gewordene Umstellung des Versicherungsvertrags auf die Geltung der ARB 2000 komme es nicht an, weil der Versicherungsfall bereits im Juni 2000 eingetreten sei. Das LG knüpfe für seine Ansicht, auch für einen solchen Versicherungsfall seien nach dem 2.10.2000 die ARB 2000 anzuwenden, zu Unrecht an die in dem Versicherungsschein Nr. ...vom 10.10.2000 unter der Überschrift "Zusätzliche Informationen" gegebenen Erläuterungen an. Entscheidend für die Auslegung müsse es sein, daß es nach dem Sinn und der Systematik der Rechtsschutzversicherung als Schadensversicherung generell auf den Zeitpunkt des Versicherungsfalles ankomme. Entscheidend sei deshalb die Ausgestaltung des Versicherungsvertrages im Zeitpunkt des Versicherungsfalles; maßgeblich könnten folglich auch nur die in diesem Zeitpunkt gültigen Versicherungsbedingungen sein. Von diesem Prinzip habe die Beklagte mit dem Text des Versicherungsscheins nicht abweichen wollen. Durch die zitierte Erläuterung habe nur klargestellt werden sollen, daß ab sofort für eintretende (neue) Versicherungsfälle die neuen Versicherungsbedingungen gelten sollten.

Das LG habe auch verkannt, daß sehr wohl der Ausschlußtatbestand des § 26 I ARB 75 (Zusammenhang mit ausgeschlossenen selbständigen Tätigkeiten) eingreife. Das LG habe sich insoweit nicht mit dem ausführlich begründeten Sachvortrag der Beklagten auseinandergesetzt, nach dem der Kläger mit der Beteiligung an der A1 die Absicht verfolgt habe, Einkünfte aus Gewerbebetrieb i.S. von § 15 I Nr.2 EStG zu erzielen. Für die versicherungsvertragsrechtliche Einordnung der Beteiligung als Mitunternehmerschaft könne nichts anderes gelten als für deren steuerrechtliche Qualifikation.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils der 2. Zivilkammer des Landgerichts Wiesbaden vom 24.03.2005 (Az.: 2 O 305/04) festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet sei, ihm Versicherungsschutz für die Durchsetzung seiner Ansprüche entsprechend der Klage der Rechtsanwälte R1, R2 und R3 vom 11.1.2005 vor dem LG München I und unter Berücksichtigung des Abtrennungsbeschlusses des LG München I vom 13.5.2005 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils der 2. Zivilkammer des Landgerichts Wiesbaden vom 24.03.2005 (Az.: 2 O 305/04) die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Parteien verteidigen das angefochtene Urteil im übrigen jeweils gegenüber der gegnerischen Berufung.

II.

Die Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg. Erfolgreich ist dagegen die Berufung der Beklagten, denn die gemäß § 256 I ZPO zulässige Feststellungsklage ist insgesamt unbegründet.

1. Der geltend gemachte Deckungsanspruch nach § 1 I VVG i.V.m. § 1 I ARB 75 setzt neben dem Bestehen der Rechtsschutzversicherung den Eintritt des Versicherungsfalles in dem durch den Vertrag erfassten Deckungsbereich voraus (§§ 1 I, 14 ARB 75), vorliegend also in der Zeit bis zum 31.1.2001. Dieser ist im Ergebnis zu bejahen.

a) Für den Eintritt des Versicherungsfalles (§ 14 III ARB 75) ist vorliegend der Sache nach auf den Sachverhalt abzustellen, der mit der Klage vor dem LG München I vorgetragen worden ist, denn für die Durchsetzung der mit dieser Klage geltend gemachten Ansprüche soll dem Kläger ja Deckung gewährt werden.

b) Nach der Klageschrift vom 11.1.2005 wird der B1 und den weiteren Beklagten vorgeworfen, unter Verstoß gegen treuhänderische Verpflichtungen gegenüber Treugebern wie dem Kläger pflichtwidrig von den Treugebern zur Verfügung gestellte Gelder für die Produktion von Filmen freigegeben zu haben, ohne daß zuvor die im Treuhandvertrag vorgesehene Absicherung der Mittel durch die Versicherungspolice einer Versicherung oder die Garantie einer Bank bzw. eines "E" vorgelegen hätte. Wegen der Verpflichtung der A1, diese Absicherung vorzunehmen, wird die Seiten 12 und 15 des Prospekts A der A1 Bezug genommen. Hinsichtlich der Verantwortung der B1 wird auf § 4 des Treuhandvertrages (S. 43-45 des Prospekts B der A1 = Bl. 59-61 d.A.) abgestellt. Zu der für den Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalles relevanten Frage, wann die B1 und andere Verantwortliche Gelder der Treugeber ohne die im Treuhandvertrag vorgesehene Absicherung freigegeben haben soll, lassen sich dem diesbezüglichen Abschnitt VI. der Klageschrift ("Verstoß gegen die Verpflichtungen aus dem Mittelverwendungskontrollvertrag") auf dessen S. 52-67 (Bl. 170-185 d.A.) und auch dem Abschnitt VII ("Unberechtigte Mittelfreigabe im Einzelnen") auf S. 67-80 (Bl. 185-198 d.A.) sowie dem Abschnitt VIII ("Unberechtigte Mittelverwendung durch die Beklagten zu 3 bis 5") auf S. 81-83 (Bl. 199-201 d.A.) keine Daten entnehmen. Es werden Unterlagen (Protokolle von Gesellschafterversammlungen der A1, Berichte der Geschäftsführung der A1, Bilanzen pp.) in Bezug genommen und daraus hinsichtlich der Höhe der freigegebenen Mittel Schlüsse gezogen. Soweit eine Datierung vorgenommen wird, betrifft dies den Film "D", für den Mittel am 13.2.2001 freigegeben worden sein sollen (S. 57 der Klageschrift = Bl. 175 d.A.), d.h. nach dem Auslaufen des Versicherungsvertrags des Klägers bei der Beklagten. Die Beklagte hat ihre Deckungsverweigerung deshalb vorgerichtlich in dem Schreiben vom 26.1.2004 nachvollziehbar u.a. damit begründet, der Versicherungsfall sei nicht während des vertraglichen Deckungsbereichs eingetreten, sondern erst danach.

c) Andererseits wird die Klage aber auch auf Mängel des Prospekts gestützt, für die auch die B1 und andere Beklagte des Münchener Prozesses verantwortlich ein sollen (S. 88-96 der Klage = Bl. 206-213 d.A.). Deshalb kommt es für den Deckungsanspruch des Klägers nicht auf die Einzelheiten der Mittelverwendung an, zumal die Parteien im Prozeß übereinstimmend von einem Versicherungsfall im vertraglichen Deckungsbereich ausgehen und insbesondere die Beklagte in der Klageerwiderung ausdrücklich festgestellt hat, der Eintritt des streitgegenständlichen Versicherungsfalls im Juni 2000 sei unstreitig, woran sie bis heute festhält. Es genügt für die Entstehung des Versicherungsfalls, wenn die B1 und andere Beklagte des Münchener Prozesses eine Prospektverantwortlichkeit trifft. Deshalb kann an den Erwerb der A1-Beteiligung durch die "Beitrittsvereinbarung" vom 20.6.2000 angeknüpft werden.

2. Die Beklagte beruft sich jedoch entgegen der Ansicht des Landgerichts zu Recht auf den Ablauf der zweijährigen Ausschlußklausel des § 4 IV ARB 75 für die Meldung des Versicherungsfalles.

Der Senat tritt der vom LG vorgenommene Auslegung des Versicherungsscheins vom 10.10.2000, nach der auch für Versicherungsfälle, die vor dem Stichtag für die Geltung der Vertragsänderung - dem 2.10.2000 - bereits eingetretene die (neuen) ARB 2000 maßgeblich seien, nicht bei. Eine Auslegung nach den Grundsätzen der §§ 133, 157 BGB führt vielmehr zu dem Ergebnis, daß für solche Versicherungsfälle noch die alten ARB 75 maßgeblich bleiben sollen.

Das LG stellt für seine Ansicht zu Unrecht allein auf die in dem Versicherungsschein vom 10.10.2000 auf Seite 2 (Bl. 89 d.A.) unter der Überschrift "Zusätzliche Informationen" gegebenen Erläuterungen ab, wo u.a. folgendes erklärt wurde:

" Was geschieht mit dem alten Versicherungsschein? - Er wird durch den neuen vollständig ersetzt. "

" Was ist mit den alten Bedingungen? - Sie werden durch die beigefügten Bedingungen/Klauseln vollständig ersetzt. "

Diese Erläuterungen bedürfen der Auslegung unter Berücksichtigung des wirklichen Parteiwillens, von Treu und Glauben und der Verkehrssitte (§§ 133, 157 BGB). Das gilt auch dann, wenn es sich hierbei um Allgemeine Geschäftsbedingungen i.S. des vorliegend nach der Übergangsregelung des Art. 229 § 6 EGBGB noch anwendbaren § 1 AGBG a.F. (heute: § 305 I BGB) handelt, denn auch Allgemeine Geschäftsbedingungen unterliegen vorbehaltlich eines Eingreifens der Unklarheitenregel des § 5 AGBG a.F. (heute § 305c II BGB) grundsätzlich der - allerdings an objektiven Maßstäben orientierten - Auslegung nach §§ 133, 157 BGB (vgl. Palandt-Heinrichs, BGB, § 305c Rn. 16; BGH, NJW-RR 2004, 1347 [1348]; BGH, NJW-RR 2004, 1248 [1249], jeweils mit weiteren Nachweisen).

Nach Sinn und Systematik der Rechtsschutzversicherung als Schadensversicherung kommt es, wie die Beklagte zu Recht ausführt, generell auf den Zeitpunkt des Versicherungsfalles an. Daß das auch vorliegend für die Geltung des neuen Tarifs gewollt war, kommt in dem Versicherungsschein vom 10.10.2000 auf Seite 1 (Bl. 88 d.A.) unter der Überschrift "Vertragsdauer" durch die Formulierung "Änderungsbeginn 02.10.2000. " hinreichend deutlich zum Ausdruck. Dadurch ist insbesondere bestimmt, daß es für die Frage, ob ein bedingungsgemäß Versicherungsfall vorliegt, oder ob ein Ausschluß der Deckung vereinbart ist, auf den Zeitpunkt des Versicherungsfalls ankommen soll; keine der Vertragsparteien soll insofern rückwirkend begünstigt oder benachteiligt werden. Der Kläger sieht das dem Grunde nach selbst so, denn auch er stellt für die Frage, ob der von ihm auf den 20.6.2000 (Erwerb der A1-Beteiligung durch die "Beitrittsvereinbarung" von diesem Tag) datierte Versicherungsfall bedingungsgemäß gedeckt ist, konsequent auf die (alten) ARB 75 ab.

Lediglich für die Frage, ob auch die (alte) Ausschlußklausel des § 4 IV ARB 75 gilt, nach der für Versicherungsfälle, die dem Versicherer später als zwei Jahre nach Beendigung des Versicherungsvertrages für das betroffene Wagnis gemeldet werden, kein Versicherungsschutz besteht, vertritt er die Ansicht, sie sei durch die (neue) dreijährige Frist zur Geltendmachung nach § 4 III lit.b ARB 2000 ersetzt worden, wonach der Versicherungsschutz erst entfällt, wenn " der Anspruch auf Rechtsschutz erstmals später als drei Jahre nach Beendigung des Versicherungsschutzes für den betroffenen Gegenstand der Versicherung geltend gemacht wird. ".

Dem ist - entgegen der Ansicht des LG - nicht zu folgen.

Wenn das Fehlen einer Übergangsregelung im Text des Versicherungsscheins vom 10.10.2000, wie ausgeführt und unter den Parteien nicht umstritten ist, generell in dem Sinne zu verstehen war, ob er für die Geltung der alten oder der neuen Versicherungsbedingungen darauf ankommen sollte, ob der Versicherungsfall sich vor oder nach dem Stichtag für die Vertragsänderung ereignete, entspricht es einer unbefangenen und sowohl praktischen Bedürfnissen als auch der Rechtsklarheit Rechnung tragenden Betrachtung, daß diese Anknüpfung umfassend sein sollte, d.h., daß nicht für einzelne, in den Zeitraum nach der Vertragsänderung hineinreichende Verhaltenspflichten, selektiv neue Regeln gelten sollten. Ein von dieser Auslegung abweichendes Ergebnis läßt sich auch nicht mit einer Anwendung der Unklarheitenklausel des damaligen § 5 AGBG (heute § 305c II BGB) begründen, denn weder erscheint dem Senat die Regelung zweifelhaft, noch ist sicher, daß generell die vom Kläger als Alternative vorgeschlagene Auslegung tatsächlich "zu Lasten" der Beklagten als Verwenderin geht, d.h. daß sie generell für die betroffenen Versicherungsnehmer günstiger ist, als die vollständige Anknüpfung an die Vertragsänderung als Stichtag. Gegen diese Annahme spricht, daß zwar einerseits - zugunsten der Versicherungsnehmer - die Frist des § 4 IV ARB 75 durch die längere Frist des § 4 III lit.b ARB 2000 ersetzt worden ist, daß andererseits aber - zu Lasten der Versicherungsnehmer - nach der neuen Regelung innerhalb der Frist eine "Geltendmachung" des Anspruchs auf Rechtsschutz erforderlich ist, während nach § 4 IV ARB 75 eine "Meldung" des Versicherungsfalles ausreichend war.

Die Beklagte kann sich somit auf die Ausschlußklausel des § 4 IV ARB 75 berufen mit der Folge, daß für das Rechtsschutzbegehren des Klägers insgesamt kein Versicherungsschutz besteht. Aus die weiteren Streitfragen kommt es folglich nicht an.

Die Kostentscheidung beruht auf §§ 91, 97 I ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war zuzulassen, weil die Frage, ob im Fall einer mit einem Austausch von Versicherungsbedingungen verbundenen Änderung eines Versicherungsvertrags für in die Zeit nach der Vertragsänderung fallende Verhaltenspflichten die neuen Versicherungsbedingungen gelten, wenn der Versicherungsfall sich in die Zeit vor der Vertragsänderung ereignet hat, von grundsätzlicher Bedeutung und, soweit der Senat erkennen kann, bisher nicht höchstrichterlich geklärt ist (§ 543 II Nr. 1 ZPO).

Ende der Entscheidung

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