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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 20.10.2006
Aktenzeichen: 3 UF 67/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1629
Wechselt im Laufe des Rechtsstreits die Obhut des unterhaltsbegehrenden Kindes, verliert der bisherige Obhutsinhaber die Möglichkeit, den Kindesunterhalt in eigenem Namen weiter zu verfolgen; die dahingehende Klage wird unzulässig. Dies betrifft auch den Unterhaltsrückstand für die Dauer der Obhut.
Gründe:

Die Klägerin hat zunächst im Wege gesetzlicher Prozessstandschaft gemäß §§ 1629 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 BGB Kindesunterhalt für die beiden damals von ihr betreuten 3 Kinder der Parteien geltend gemacht, und zwar in Höhe des von ihr behaupteten höheren Bedarfs, soweit den vom Beklagten bereits titulierten Unterhalt übersteigend. Über letzteren hatte der Beklagte vollstreckbare Jugendamtsurkunden i.H.v. je 255,-- DM monatlich für A und B und von 216,-- DM für C errichtet. Nachdem die Kinder vereinbarungsgemäß in den Haushalt des Beklagten übergewechselt sind, hat die Klägerin den Rechtsstreit für die darauf folgende Zeit in der Hauptsache für erledigt erklärt und die bisherige Klageforderung, aufgelistet in einen Kapitalbetrag von 9.764,79 € nebst Zinsen, unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des familienrechtlichen Ausgleichsanspruchs im eigenen Namen weiter verfolgt.

Mit dem angefochtenen Urteil hat das Amtsgericht die Klage als unzulässig abgewiesen, da die Klageänderung, der der Beklagte widersprochen habe, nicht sachdienlich sei.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihr erstinstanzliches Klageziel weiter verfolgt. Sie bekämpft die Rechtsauffassung des Amtsgerichts hinsichtlich der Sachdienlichkeit der Klageänderung und führt dazu aus.

Die von ihr hierfür beantragte Prozesskostenhilfe kann ihr mangels hinreichender Erfolgsaussicht ihrer Rechtsverfolgung nicht bewilligt werden.

Allerdings scheitert die Erfolgsaussicht ihrer Berufung nicht schon an der fehlenden Sachdienlichkeit der Klageänderung. Wechselt im Laufe des Rechtsstreits - wie hier - die Obhut des unterhaltsbegehrenden Kindes, verliert der bisherige Obhutsinhaber die Möglichkeit, den Kindesunterhalt in eigenem Namen weiter zu verfolgen; die dahingehende Klage wird unzulässig. Dies betrifft auch den Unterhaltsrückstand für die Dauer der Obhut. In diesem Fall kann aber der bisherige Obhutsinhaber für die Zeit der Betreuung des Kindes durch ihn die von ihm erbrachten Aufwendungen (aus eigenen oder auf Kredit beschafften Mitteln) nachträglich in eine Leistung auf Unterhalt umwidmen. Damit wird nachträglich der bisherige Unterhaltsbedarf des Kindes in Höhe dieser Leistungen befriedigt mit der Folge, dass das Kind seinen bisherigen Unterhaltsanspruch insoweit durch Erfüllung verliert. Zugleich geht in dieser Höhe der Unterhaltsanspruch des Kindes auf den betreuenden Elternteil über und kann im Wege des sogenannten familienrechtlichen Ausgleichsanspruchs geltend gemacht werden. Eine solche Klageänderung ist in aller Regel sachdienlich, da der Unterhaltsanspruch mit dem originären Unterhaltsanspruch des Kindes wesensgleich ist. Er kann nur in der Höhe verlangt werden, wie er bisher dem Kind zustand, auch die Voraussetzungen des ursprünglichen Verzuges müssen vorliegen. Der bisherige Prozessstoff ist damit im Wesentlichen mit dem des nunmehr geltend gemachten Ausgleichsanspruchs deckungsgleich. Es kommt allerdings im Einzelfall als weiteres Element ein für den Ausgleichsanspruch erforderliches Tatbestandsmerkmal hinzu, dass nämlich der bisher betreuende Elternteil in der Lage war, den Unterhaltsbedarf aus (eigenen oder beschafften) Mitteln zu bestreiten, da nur in dieser Höhe ein Erstattungsanspruch entstehen kann. Diese Frage spielt aber nur eine Rolle, wenn der Bedarf den Mindestbedarf überschreitet, da bis dahin ein entsprechender Aufwand und die Fähigkeit, diesen zu befriedigen, unwiderlegbar vermutet wird. Dieser zusätzlich zu beurteilende Sachverhalt führt aber nicht dazu, dass deswegen dem Wechsel der Gläubigerstellung die Sachdienlichkeit fehlt, da nach wie vor der Schwerpunkt des Verfahrens in der Beurteilung des Bedarfs des Kindes und der Leistungsfähigkeit des Beklagten liegen wird. Ob etwas anderes gilt, wenn der originäre Bedarf des Kindes im Wesentlichen unstreitig ist und der Streit nur um die Frage geht, inwieweit der Ausgleichsgläubiger in der Lage war, den den Mindestbedarf des Kindes übersteigenden Bedarf aus eigenen Mittel zu befriedigen, kann dahinstehen, da ein solcher Fall hier jedenfalls nicht vorliegt.

Gleichwohl kann der Klage deshalb die erforderliche Erfolgsaussicht nicht beigemessen werden, da den Kindern kein den Berufungswert übersteigender höherer Unterhaltsanspruch zustand als vom Beklagten bereits tituliert und erfüllt.

Für den Beginn des Beurteilungszeitraums (Juni - September 2001) ist das unterhaltsrelevante Einkommen des Beklagten mit monatlich 3.172,34 DM unstreitig. Dem hat die Klägerin einen aus dem Vorjahr gezahlten Steuererstattungsbetrag von 123,64 DM umgerechnet monatlich hinzu gerechnet in der Annahme, dass ein Betrag gleicher Größenordnung bei gleichen Voraussetzungen auch in diesem und in den folgenden Jahren gezahlt worden sei. Dies hat der Beklagte zwar bestritten. Dieses Bestreiten ist jedoch unsubstantiiert, da er es unterlassen hat, die Höhe des tatsächlich erstatteten Steuerbetrages durch Vorlage der aktuellen Einkommenssteuerbescheide vorzutragen. Dies war ihm leicht, der Klägerin jedoch nicht möglich. Dass er - alternativ - mangels Steuererklärung in den Folgejahren überhaupt keine Steuerbescheide erhalten habe, behauptet er nicht.

Dieses Einkommen ist um Fahrtkosten zu bereinigen, die die Klägerin aus der ihr bekannten Entfernung mit monatlich 95,33 DM veranschlagt, während der Beklagte die nach den Leitlinien des Oberlandesgerichts vorgesehene Pauschale von 5 % seines Erwerbseinkommens in Anspruch nimmt. Hierzu ist festzuhalten, dass zwar grundsätzlich der in abhängiger Tätigkeit Beschäftigte die Pauschale in Anspruch nehmen kann, wenn er überhaupt Werbungskosten hat (von dem Grenzfall ganz geringer Kosten abgesehen); entsprechend der Rechtsnatur der Pauschale ist es dann nicht erforderlich, dies im Einzelnen darzulegen. Dies gilt aber nur, wenn nicht daneben noch konkrete Werbungskosten geltend gemacht werden, da die Pauschale nur anstelle, nicht zusätzlich zu solchen berufsbedingten Aufwendungen angesetzt werden kann. Letzteres ist hier der Fall, da der Beklagte - wie noch auszuführen ist, mit Recht - die Leasingrate für das Fahrzeug, mit dem er auch zur Arbeit fährt, einkommensmindernd absetzt.

Diese Leasingrate enthält und ersetzt den Kapitalaufwand zur Anschaffung des beruflich genutzten Fahrzeugs und kann deshalb nicht neben der Wegepauschale, in die die Anschaffungskosten eingerechnet sind, geltend gemacht werden. Entsprechendes gilt, wenn statt der berechneten Entfernungspauschale die allgemeine Pauschale geltend gemacht wird, in der die Fahrtkosten den einzigen konkret genannten Ausgabeposten bilden. In einem solchen Fall können für die Fahrt zur Arbeit nur die reinen Betriebskosten angesetzt werden, die in der Regel mit der Hälfte der Kilometerpauschale zu schätzen sind. Dies führt hier zu einem geschätzten Aufwand in Höhe der Hälfte des von der Klägerin zugestandenen Betrages, mithin rund 50,-- DM.

Damit ergibt sich bis dahin ein bereinigtes Nettoeinkommen des Beklagten von 3.246,-- DM. Hiervon sind die berücksichtigungsfähigen Kredite abzuziehen, nämlich zum einen 167,-- DM, Darlehen der D-Bank, wie unstreitig. Zum anderen sind aber auch die weiteren vom Beklagten aufgeführten Kreditbelastungen abzugsfähig, nämlich der Kredit zur Finanzierung eines PC mit 108,-- DM und der Kontoüberziehungskredit zum Ausgleich des bei Trennung überzogenen Kontos mit monatlich 300,-- DM, beide jeweils über die Laufzeit des hier streitigen Unterhaltszeitraums hinaus reichend. Entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin kommt es nicht entscheidend darauf an, ob diese Kredite notwendig waren oder bei einer vorher sparsameren Lebensführung hätten vermieden werden können. Entscheidend ist, dass es sich beides um Belastungen handelt, die während noch bestehender Ehe begründet worden sind und damit die Familie auch nach der Trennung insgesamt belasten. Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte diese Belastungen bereits mit Blick auf die bevorstehende Trennung eingegangen sein könnte, sind trotz der zeitlichen Nähe zur Trennung nicht dargetan noch sonst ersichtlich. Weiterhin abzugsfähig ist auch die Leasingrate für das vor der Trennung geleaste Fahrzeug. Jedenfalls bestand diese Belastung bei Trennung und konnte vom Beklagten nicht rückgängig gemacht werden. Da auch insoweit kein Anhaltspunkt dafür ersichtlich ist, dass dieser Betrag etwa im Vorgriff auf die Zeit nach der Trennung vom Beklagten veranlasst worden sein könnte, ist diese Belastung als Familienschicksal von allen davon Betroffenen gemeinsam zu tragen und kann nicht allein dem Beklagten aufgebürdet werden.

Nach Abzug dieser Belastungen von (167 + 108 + 586 =) 861,-- DM von dem eingangs errechneten Nettoeinkommen von 3.246,-- DM verbleiben als bereinigtes Einkommen noch 2.385,-- DM.

Bei diesem Einkommen liegt der Beklagte noch innerhalb der Einkommensgruppe 1 der Düsseldorfer Tabelle in der damaligen Fassung (1.7.1999), woraus sich für die beiden älteren Kinder ein Bedarfssatz von je 510,-- DM und für C ein Bedarfssatz von 431,-- DM errechnet. Entgegen der Rechtsauffassung der Parteien ist hiervon noch das staatliche Kindergeld hälftig in Abzug zu bringen. Zu diesem Zeitpunkt fand nämlich noch § 1612 b Abs. 5 BGB i.d.F. des Kindesunterhaltsgesetzes von 1998 Anwendung, wonach die Anrechnung von Kindergeld erst zu unterbleiben hatte, wenn der Unterhaltspflichtige nicht den Regelbetrag (entsprechend Stufe 1 der Düsseldorfer Tabelle) tragen konnte. Von den Bedarfssätzen ist demnach das Kindergeld (damals 270,-- DM für ein erstes und zweites Kind und 300,-- DM für ein drittes Kind) hälftig abzusetzen, wonach für A und B je 375,-- DM und für C (431 - 15O =) 281,-- DM verbleiben. Dies ergibt ein Gesamtbedarf für die drei Kinder von 1.031,-- DM monatlich. Tatsächlich verfügbar waren aber nur das über dem notwendigen Selbstbehalt von damals 1.500,-- DM verbleibende Einkommen von (2.385 - 1.500 =) 885,-- DM. Tituliert sind (255 + 255 + 216 =) 726,-- DM, womit der Klägerin unter dem genannten rechtlichen Gesichtspunkt des familienrechtlichen Ausgleichsanspruchs noch ein Betrag von 159,-- DM zusteht. Die Frage, inwieweit sie im Stande war, insoweit in Vorlage zu treten, als Voraussetzung eine Erstattungsanspruchs, stellt sich in dieser Fallgestaltung nicht, da der Betrag unter dem Mindestbedarf liegt, in welchem Bereich die Fähigkeit zur vorschüssigen Finanzierung des Unterhalts unwiderlegbar vermutet wird.

Ab Juli 2005, mit Inkrafttreten der neuen Tabelle, erhöhen sich die Bedarfssätze, was hier keiner rechnerischen Darstellung bedarf, da ohnehin die unveränderte Leistungsfähigkeit zu deren Befriedigung nicht ausreicht. Von Relevanz ist jedoch die Erhöhung des Selbstbehalts auf nunmehr monatlich 1.640,-- DM, weshalb für Unterhaltszwecke nurmehr (2.385 -1.640 =) 745,-- DM zur Verfügung stehen. Dies übersteigt den titulierten Unterhalt von 726,-- DM nur um 19,-- DM monatlich, für den gesamten Zeitraum bis September 2001 (x 3 =) 57,-- DM. Zusammen mit den vorstehenden errechneten 159,-- DM für Juni 2001 ergibt dies einen Betrag von insgesamt 216,-- DM entsprechend rund 110,-- €.

Für den Zeitraum von Oktober bis Dezember 2001 hat die Klägerin die bisher von ihr errechneten Beträge fortgeschrieben, da der Beklagte die daran anschließende Arbeitslosigkeit (im Ergebnis 1 Monat, Oktober 2001) und den geringeren Verdienst für den Anschlusszeitraum bis Dezember 2001 mutwillig herbei geführt habe.

Diese Auffassung teilt der Senat nicht. Der ursprüngliche Beschäftigungsvertrag war von vornherein befristet, weshalb es, ob falsch oder richtig, jedenfalls unterhalb der Schwelle der Mutwilligkeit lag, wenn sich der Beklagte zu Zeiten nach einem neuen Beschäftigungsverhältnis mit besseren Zukunftsaussichten bemüht hat. Dies ist ihm im Ergebnis auch gelungen, da er in dem daraufhin angetretenen Beschäftigungsverhältnis noch immer beschäftigt ist, er also die Probezeit überstanden hat. Damit ergibt sich für den Monat der Arbeitslosigkeit, Oktober 2001, jedenfalls kein höherer als von ihm freiwillig titulierten Unterhaltsbetrag.

Ab November 2001 ist der Beklagte bei dem jetzigen Beschäftigungsbetrieb mit der nunmehr hieraus erzielten Vergütung tätig.

Danach hat der Beklagte im Anschlusszeitraum (der Einfachheit halber auch für die Monate November und Dezember 2001 in Euro umgerechnet) durchschnittlich 1.723,-- € netto monatlich verdient. Dieser Betrag ergibt sich, wenn man nach dem der Aufstellung des Beklagten (S. 6/7 seines Schriftsatzes vom 28.10.2002, Bl. 134/135 d.A.) für die Monate November 2001 bis April 2002 und Juni 2002 errechneten Durchschnittswert von (Summe der aufgelaufenen Monatsbeträge von 11.394,23 : 7 =) 1.627,75 € den Differenzbetrag für den Monat Mai 2002 mit der Jahressonderzuwendung i.H.v. (2.765,87 - 1.627,75 =) 1.138,12, hiervon 1/12 = 94,84 € hinzurechnet. Dies entspricht auch der Schätzung der Klägerin. Nach Hinzurechnung (wieder) des Steuererstattungsbetrages und Abzug der Kreditbelastungen von 440,-- € und 150,-- € Überziehungskredit verbleiben 1.028,-- €. Hinsichtlich der Kredite ist neben den dargestellten Krediten von 85,-- und 55,-- € (umgerechnet) der D-Bank der Darlehensvertrag bei der E-Bank i.H.v. 300,-- € in Nachfolge der Leasingrate getreten. Auch insoweit gilt, dass es sich um eine Folge der in der Ehe getroffenen Disposition handelt, die, wie ausgeführt, alle Familienmitglieder anteilig mittragen müssen. Danach verbleibt ein bereinigtes Einkommen von 1.196,-- € und damit 356,-- € über dem notwendigen Selbstbehalt von 840,-- €. Dies übersteigt den bereits titulierten Unterhalt von 726,-- DM = 371,-- € monatlich nicht, sodass sich von da ab bis zur Beendigung des streitigen Unterhaltszeitraums kein höherer Anspruch der Kinder, der auf die Klägerin hätte übergehen können, ergibt.

Mit dem eingangs errechneten Betrag von 110,-- € wird jedoch die Berufungssumme nicht erreicht, sodass sich auf eine hierauf beschränkte Berufung mangels Zulässigkeit des Rechtsmittels eine Erfolgsaussicht nicht herleiten lässt.

Ende der Entscheidung

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