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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 06.02.2007
Aktenzeichen: 3 UF 67/05 (1)
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1601
BGB § 1602
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I.

Mit der zunächst in gesetzlicher Prozessstandschaft gem. § 1629 Abs. 2 Satz 2 Abs. 3 BGB erhobenen Klage hat die Klägerin Kindesunterhalt für die 3 damals von ihr betreuten gemeinsamen Kinder der Parteien, nämlich A, geb. ...1985, B, geb. ...1988 und C, geb. ...1990 geltend gemacht, gerichtet auf höhere als vom Beklagten zuvor durch vollstreckbare Jugendamtsurkunde (Nr. .../2001 vor dem Jugendamt des D vom ...2001) anerkannte Beträge. Tituliert waren danach 216,00 DM für C und je 255,00 DM monatlich für B und A.

Im Oktober 2002 wechselten zunächst B in den Haushalt des Beklagten, im Dezember 2003 die beiden anderen Kinder, jeweils mit Zustimmung der Klägerin.

Die Klägerin hat daraufhin die Klage auf Ersatz ihrer Aufwendungen unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des familienrechtlichen Ausgleichsanspruchs in eigenem Recht geändert und diesen auf (insgesamt) 9.763,79 € nebst Zinsen beziffert.

Mit dem angefochtenen Urteil hat das Amtsgericht die geänderte Klage (als unzulässig) abgewiesen. Die Klageänderung sie nicht sachdienlich.

Hiergegen hat die Klägerin form- und fristgerecht Berufung eingelegt und das Rechtsmittel zugleich begründet. Sie tritt der Rechtsauffassung des Amtsgerichts entgegen und führt hierzu aus.

Sie beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils den Beklagten zu verurteilen, an sie 9.763,79 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus 2.332,57 € ab 01.11.2002 und aus 7.431,22 € ab 01.01.2004 sowie 781,63 € rückständige Zinsen zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt die Rechtsauffassung des Amtsgerichts; hilfsweise hält er die Klageforderung auch unter dem Gesichtspunkt des zunächst verlangten Kindesunterhalts für unbegründet. Höheren als von ihm titulierten Kindesunterhalt habe er den Kindern aufgrund seines Einkommens für die Dauer ihrer Betreuung durch die Klägerin nicht geschuldet.

II.

Die Berufung ist zulässig.

In der Sache hat sie nur teilweise in dem aus dem Urteilstenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

Soweit das Amtsgericht die Sachdienlichkeit der Klageänderung verneint hat, ist dies rechtsirrig. Wechselt während der Dauer des auf Kindesunterhalt gerichteten Rechtsstreits die tatsächliche Obhut des Kindes auf den bisherigen Beklagten, verliert der bisherige betreuende Elternteil, hier die Klägerin, die Befugnis, den Kindesunterhalt weiter zu verfolgen, und zwar auch hinsichtlich des zurückliegenden Zeitraums. In diesem Fall kann der bisherige Obhutinhaber für die Zeit der Betreuung des Kindes die von ihm erbrachten Aufwendungen (aus eigenen, von dritter Seite zugewendeten oder auf Kredit beschafften Mitteln) nachträglich in eine Leistung auf Unterhalt umwidmen. Durch diese nachträgliche Leistungsbestimmung erlischt der bisherige Unterhaltsanspruch des Kindes durch Erfüllung und geht auf den bisherigen Obhutsinhaber als sogenannter familienrechtlicher Ausgleichsanspruch über. Die damit gebotene Klageänderung ist in aller Regel und auch hier sachdienlich. Der bisherige Streitstoff (Grund und Höhe des Unterhaltsbedarfs des Kindes und Verzugsbeginn) ist auch Gegenstand des Erstattungsanspruchs. Es kommt nur als neues Tatbestandsmerkmal hinzu die Frage, inwieweit der bisherige Obhutsinhaber in der Lage war, den Bedarf des Kindes vorschüssig zu bestreiten. Diese Frage stellt sich aber nur, soweit der einkommensbezogen errechnete Unterhalt aus höheren Gruppen der Düsseldorfer Tabelle verlangt wird. Denn in Höhe des Mindestbedarfs (100 % des Regelbetrages, wobei die Zahlbeträge durch den Mechanismus der Kindergeldanrechnung weitgehend mit der Gruppe 6 = 135 % des Regelbetrages abzüglich Kindergeldanteil deckungsgleich sind) spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass der bisherige Obhutsinhaber diese Mittel aufbringen konnte, so dass dies keines weiteren Nachweises bedarf. Zur weiteren Begründung wird auf den Senatsbeschluss vom 20.10.2006 betreffend Prozesskostenhilfe für die Klägerin verwiesen.

Gleichwohl gereicht dies der Berufung nur zu einem Teilerfolg. Denn den Kindern stand während des Streitzeitraumes (Juni 2001 - Oktober 2002 für alle drei Kinder und danach bis Dezember 2003 für B und C) kein höherer als zugesprochener Anspruch auf Kindesunterhalt über die titulierten Beträge hinaus zu, der auf die Klägerin hätte übergehen können.

Nach Abzug der berücksichtigungsfähigen Werbungskosten und Kreditbelastungen schuldete der Beklagte den Kindern für den Zeitraum bis einschließlich Juni 2002 über die titulierten Beträge hinaus nicht mehr als insgesamt 110,00 €. Wegen der Berechnung im Einzelnen wird auf den genannten Senatsbeschluss Bezug genommen.

Soweit die Klägerin für diesen Zeitraum mit ihrer "Gegenvorstellung" mit Schriftsatz vom 17.11.2006 Einwände erhebt, greifen sie nicht durch.

Das Vorbringen zur Zulässigkeit der Berufung ist gegenstandslos, da diese nicht bezweifelt und auch nicht zweifelhaft ist. Die Ausführungen zu dem Berufungswert in dem genannten Senatsbeschluss wegen Prozesskostenbewilligung betreffen die Frage, inwieweit Prozesskostenhilfe für eine Klage bewilligt werden kann, die nur insoweit Erfolg versprechend ist, dass der Berufungswert damit nicht erreicht würde. Dies betrifft nur die PKH-Bewilligung, worüber gesondert durch zugleich ergangenen Beschluss entschieden wird.

Auch die Beanstandungen hinsichtlich der Berücksichtigungsfähigkeit von Werbungskosten und Kreditbelastungen führen nicht zu einer günstigeren Beurteilung gegenüber der Berechnung in dem PKH-Beschluss.

Der Senat hat die geltend gemachten Fahrtkosten, berechnet nach den Sätzen der Kilometerpauschale für das selbst genutzte Fahrzeug, nur zur Hälfte (monatlich 50,00 DM) in seine Berechnung eingestellt, da die volle Pauschale auch die Kosten des Erwerbs oder der Finanzierung des Fahrzeugs mit umfasst, die hier gesondert geltend gemacht worden sind. Daneben kann dann nur der (hier geschätzte) reine Betriebskostenanteil abgesetzt werden. Zusätzlich sind die vollen Kosten des Leasings für das Fahrzeug, später abgelöst durch die Kreditfinanzierung des Fahrzeugs zum Restwert, berücksichtigt worden. An dieser Bewertung ist gegen die Kritik der Klägerin festzuhalten. Ob der vor der Trennung abgeschlossene Leasingvertrag wirtschaftlich vernünftig war oder es günstigere Alternativen gegeben hätte, ist nicht zu beurteilen, da dieser Vorgang vor der Trennung der Parteien lag und damit gemeinsames Eheschicksal ist. Die wechselseitigen Obliegenheiten einerseits des Unterhaltsgläubigers, sich nach Kräften um die Sicherstellung des eigenen Lebensbedarfs zu bemühen, andererseits des Unterhaltsschuldners, den danach nicht ausreichenden Betrag im Maßstab der ehelichen Lebensverhältnisse und den Grenzen der eigenen Leistungsfähigkeit sicherzustellen, beginnen erst mit der Trennung. Die bis dahin begründeten Verpflichtungen können jetzt nicht mehr rückgängig gemacht werden und sind in dem tatsächlich bestehenden Ausmaß von beiden Eheleuten im Geiste wechselseitiger Solidarität mitzutragen. Inwieweit die Parteien bis zur Trennung unwirtschaftlich und unvernünftig gewirtschaftet haben, unterliegt damit grundsätzlich nicht der nachträglichen Bewertung durch das mit der Unterhaltsbestimmung zuständige Gericht. Eine Ausnahme gilt für den Fall (soweit festgestellt oder aus den Umständen zu schließen), dass ein Ehegatte bereits im Vorgriff auf die bevorstehende Trennung wirtschaftlich nachteilige Dispositionen getroffen hat, etwa einen Kredit aufgenommen hat. Dergleichen deutet die Klägerin zwar an, jedoch ist dies nicht durch nachvollziehbare Tatsachen erhärtet.

Die in Fortsetzung des ausgelaufenen Leasingvertrages auf Kredit finanzierte Übernahme des Fahrzeugs zum Restwert stellt eine sinnvolle Maßnahme zur Beschaffung eines für die Fahrten zur Arbeit benötigten PKWs dar und ist mit den damit verbundenen Belastungen berücksichtigungsfähig.

Hinsichtlich der Finanzierungsraten zur Abdeckung des zum Trennungszeitpunkt bestehenden Negativsaldos auf dem früheren Gemeinschaftskonto bestreitet die Klägerin das Bestehen dieses Negativsaldos substantiiert nicht, meint jedoch, der Beklagte habe das Zustandekommen nicht hinreichend erklärt. Dessen bedurfte es auch nicht. Anhaltspunkte, dass der Beklagte im Vorgriff auf die Trennung diesen Negativsaldo ganz oder teilweise herbeigeführt habe, haben sich auch aufgrund der Erörterung in der mündlichen Verhandlung nicht ergeben.

Danach verbleibt es bei der Berechnung in dem genannten PKH-Beschluss, wonach die Klägerin für Juni 2001 noch (weitere) 159,00 DM und nach Änderung der Tabellensätze ab Juli 2001 (soweit auf Seite 6 unten in dem PKH-Beschluss die Zahl 2005 steht, handelt es sich um ein Schreibversehen, richtig ist 2001) noch weitere 57,00 DM bis September 2001, insgesamt bis dahin 216,00 DM = rund 110,00 € verlangen kann. Für den Anschlusszeitraum bis einschließlich Juni 2002 war der Beklagte mit seinen tatsächlich erzielten Einkünften über den titulierten Kindesunterhalt hinaus nicht leistungsfähig.

Eine Änderung ergibt sich für die Zeit ab Juli 2002. Insoweit hat die Klägerin, was in dieser Berechnung nicht berücksichtigt worden ist, unwidersprochen darauf hingewiesen, dass der Kredit bei der E (Kinderzimmermöbel) mit monatlichen Raten in Höhe von 167,06 DM entsprechend rund 85,00 € mit diesem Zeitpunkt ausgelaufen ist. Hieraus folgt für diesen Zeitabschnitt folgende geänderte Unterhaltsberechnung:

Das weiterhin als maßgebend festgestellte Einkommen von monatlich 1.196,00 € erhöht sich mit Auslaufen des Kredits um 85,00 € auf 1.281,00 €. Der tabellarische Mindestbedarf der Kinder betrug (Tabelle ab Juli 2001, 2 Kinder der dritten, ein Kind der zweiten Altersstufe) insgesamt (269 + 269 + 228 =) 766,00 €. Dies überstieg die Leistungsfähigkeit des Beklagten, dem nach Abzug des ihm verbleibenden Selbstbehalts von (damals) 840,00 € nur 441,00 € für Unterhaltszwecke zur Verfügung blieben. Tituliert sind (umgerechnet) 371,00 €, so dass der Beklagte monatlich weitere 70,00 €, für den Zeitraum von Juli bis Oktober 2002 insgesamt (x 4 =) 280,00 €, weiteren Kindesunterhalt zu zahlen hat, der auf die Klägerin übergegangen ist.

Ab November 2002 ändert sich die Berechnung zum einen dadurch, dass C in diesem Monat ihr 12. Lebensjahr vollendet hat, so dass der Einsatzbetrag nach der Tabelle nunmehr auch für sie monatlich 269,00 € beträgt, was zu einem Gesamtbedarf (Mindestbedarf) von (3 x 269,00 =) 807,00 € monatlich führt. Zugleich ist A in den Haushalt des Beklagten übergewechselt. Dies kann allerdings nicht, wie in der Berechnung der Klägerin auf Seite 18 ihres Schriftsatzes vom 19.11.2006 darstellt, dazu führen, dass nunmehr der Barbedarf für A aus der Unterhaltsberechnung völlig fortfällt. Durch den nunmehr vom Beklagten zusätzlich geleisteten Betreuungsbedarf wird der Barunterhaltsbedarf des Kindes nicht erfüllt. Da die Klägerin mangels Leistungsfähigkeit den an sich ihr obliegenden Barunterhalt nicht befriedigen konnte und befriedigt hat, war dieser weiterhin vom Beklagten zu leisten, nunmehr allerdings nicht mehr durch Zahlung an die betreuende Klägerin, sondern unmittelbar durch Deckung des Barbedarfs des Kindes an dieses selbst. Da jedoch das Einkommen des Beklagten nicht ausreicht, den Barbedarf aller drei Kinder zu befriedigen, ist nunmehr in der Mangelbedarfsberechnung auch der entsprechende Bedarf von A anteilig zu kürzen, was insoweit zu folgender Unterhaltsberechnung führt:

Barbedarf aller 3 Kinder wie dargestellt 807 €.

Zur Unterhaltsdeckung zur Verfügung stehen, wie vorstehend errechnet, monatlich 441,00 €. Dies ergibt eine Mangelquote (Q) von (441 : 807 =) 0,5465.

Multipliziert mit den Einsatzbeträgen der beiden von der Klägerin noch betreuten Kinder ergibt dies (269 + 269 x Q =) 294,00 €. Tituliert sind für diese beiden Kinder (216,00 DM für C und 255,00 DM für B = 471 DM entsprechend) 241 €, wonach diesen und damit als Erstattungsanspruch der Klägerin monatlich weitere 53 € Unterhalt zustehen. Dies ergibt für den Zeitraum bis einschließlich Februar 2003 zusammen ( x 4 =) 212 €.

Eine weitere Änderung folgt im März 2003, mit welchem Zeitpunkt, wie ebenfalls von der Klägerin unwidersprochen vorgetragen, ein weiterer Kredit, nämlich bei der E (betreffend den PC) in Höhe von rund 55 € monatlich getilgt ist und sich damit das Einkommen um diesen Betrag erhöht. Dem Beklagten standen nunmehr ab diesem Zeitpunkt monatlich (1.281 + 55 =) 1.336 € zur Verfügung, wovon nach Abzug des Selbstbehalts von 840 € monatlich 496 € zur Bedienung des Kindesunterhalts verfügbar waren.

Die auch für diesen Zeitraum anzustellende Mangelbedarfsberechnung ergibt eine Mangelquote (Q) von (496 : 807 =) 0,6146 und damit für die beiden Kinder einen gekürzten Bedarf von (269 + 269 x Q =) 331 € monatlich. Nach Abzug des bereits titulierten Betrages von, wie vorstehend errechnet, 241 €, verbleiben weitere 90 € monatlich und damit für den Zeitraum bis einschließlich Juni 2003 (x 4 =) 360 €.

Eine weitere Änderung folgt aus der mit Juli 2003 in Kraft getretenen neuen Tabelle mit entsprechend geänderten Tabellensätzen. Dem unveränderten Einkommen von 1.336 € monatlich ist nunmehr ein Selbstbehalt von 890 € gegenüberzustellen, wonach für Kindesunterhalt monatlich 446 € verfügbar bleiben. Die geänderten Tabellensätze für die 3 Kinder (3. Altersstufe, 1. Einkommensgruppe) betragen nunmehr (284 x 3 =) 852 €, was zu einer Mangelquote von (446 : 852 =) 0,5235 führt. Hieraus errechnet sich ein gekürzter Unterhalt der beiden Kinder in Höhe von (284 + 284 x Q =) 297 €, wovon die titulierten 241 € abzuziehen sind. Danach verbleiben monatlich 56 € weiterer Unterhalt und danach für den Gesamtzeitraum bis Dezember 2003 (x 6 =) 336 €.

Die Summe der vorstehend errechneten Beträge für die einzelnen Gesamtzeiträume beträgt insgesamt (110+280+212+360+336 =) 1.298 €.

In dieser Höhe hat die geänderte Klage und damit die Berufung Erfolg.

Hinzu kommen die gesetzlichen Zinsen. Den aufgelaufenen Zinsanspruch für den zurückliegenden Zeitraum hat der Senat für den angegebenen Betrag geschätzt.

Das Verhältnis des zugesprochenen Betrages zu dem in beiden Instanzen verlangten Betrag von (zusammen) 9.764 €, mit dem die Klägerin im Übrigen unterlegen ist, ergibt die zuerkannte Kostenquote.

Ende der Entscheidung

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