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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 12.06.2008
Aktenzeichen: 3 UF 7/08
Rechtsgebiete: BGB, FGG, GG


Vorschriften:

BGB § 1600 b
BGB § 1600 d
BGB § 1600 e
FGG § 55 b
GG Art. 1 Abs. 1
GG Art. 2 Abs. 1
GG Art. 6 Abs. 5
GG Art. 14 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I.

Der Antragsteller wurde am ....1959 als Sohn der Beteiligten zu 3) geboren. Er galt zunächst als ehelich. Erst mit rechtskräftigem Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Königstein/Ts. vom 30.10.2006 wurde auf Antrag des Ehemanns der Beteiligten zu 3) festgestellt, dass der Ehemann nicht der Vater des Antragstellers ist. Mit seinem am 14.11.2006 beim Amtsgericht eingegangenen Antrag begehrt der Antragsteller nun die Feststellung der Vaterschaft des am ...2006 verstorbenen ehelichen Vaters der Beschwerdeführerin. Dieser hat acht weitere eheliche und nichteheliche Kinder, die Beteiligten zu 4) - 11).

Das Amtsgericht hat dem Antrag auf Vaterschaftsfeststellung nach Einholung eines Sachverständigengutachtens und Anhörung der Beteiligten mit Beschluss vom 6.12.2007, der Bevollmächtigten der Beschwerdeführerin zugestellt am 11.12.2007, stattgegeben.

Hiergegen richtet sich die am 10.1.2008 hier eingegangene befristete Beschwerde, mit welcher die Beschwerdeführerin die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses begehrt. Auch die Beschwerdeführerin zweifelt nicht an, dass ihr Vater der leibliche Vater des Antragstellers ist. Sie ist jedoch der Auffassung, dem Antrag des Antragstellers fehle es am erforderlichen Feststellungsinteresse. Sie behauptet, der Antragsteller und sein Scheinvater hätten im Rahmen des Ehelichkeitsanfechtungsverfahrens in verschwörerischer Absicht einen unzutreffenden Sachverhalt vorgetragen, um dem Antragsteller so einen Anspruch auf Teilhabe am Erbe des vermögenden Vaters der Beschwerdeführerin zu sichern. Tatsächlich seien die Anfechtungsfristen des § 1600 b BGB im Zeitpunkt der Erhebung der Anfechtungsklage längst abgelaufen gewesen. Jedenfalls könne der Antragsteller, nachdem er bereits durch ein von ihm eingeholtes Sachverständigengutachten vom 18.3.1998 Kenntnis von der Vaterschaft des zwischenzeitlich verstorbenen Vaters der Beschwerdeführerin erlangt habe, nun nicht mehr die Feststellung der Vaterschaft begehren. Er müsse sich an seiner einmal getroffenen Entscheidung festhalten lassen, die Anfechtungsfrist des § 1600 b BGB zugunsten des familiären Friedens verstreichen zu lassen. Nach Ablauf der Frist habe die Statusklarheit Vorrang vor der Statuswahrheit. Auf den so entstandenen Rechtsfrieden müsse sich in verfassungs-rechtlich gebotener Weise auch der biologische Vater verlassen können.

Der Antragsteller ist der Beschwerde entgegengetreten. Er verteidigt die angefochtene Entscheidung und ist der Auffassung, das Interesse des nach erfolgter Anfechtung vaterlosen Antragstellers an der Klärung seiner Abstammung überwiege etwaige Interessen des leiblichen Vaters und seiner Erben an einer Verhinderung dieser Klärung.

II.

Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg.

Die befristete Beschwerde ist zwar statthaft (§ 621 e Abs. 1 ZPO i.V.m. § 1600 e Abs. 2 BGB) und form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 621 e Abs. 3, 517, 520 ZPO). Die Beschwerdeführerin ist auch beschwerdeberechtigt (§ 55 b Abs. 1 und 3 FGG).

Die Beschwerde ist jedoch in der Sache aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung unbegründet und daher zurückzuweisen. Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine abweichende Entscheidung.

Der Antrag des Antragstellers auf Feststellung der Vaterschaft des verstorbenen Vaters der Beschwerdeführerin ist zulässig (§§ 1600 e Abs. 1 und 2, 1600 d Abs. 1 BGB).

Ihm fehlt es insbesondere nicht am erforderlichen Feststellungsinteresse. Für das Bestehen eines berechtigten Interesses an der begehrten Vaterschaftsfeststellung reicht es nämlich aus, dass keine Vaterschaft nach §§ 1592 Nr. 1 und 2, 1593 BGB besteht. Das ist hier infolge der erfolgreichen Vaterschaftsanfechtung durch den Ehemann der Mutter des Antragstellers der Fall. Das diesbezügliche Urteil vom 30.10.2006 wirkt gemäß § 640 h Abs. 1 S. 1 ZPO auch für und gegen die Beschwerdeführerin und ihren verstorbenen Vater.

Das Interesse des Antragstellers an der gerichtlichen Feststellung seines leiblichen Vaters entfällt auch nicht deshalb, weil er das Familiengericht - nach dem Vortrag der Beschwerdeführerin - im Ehelichkeitsanfechtungsprozess über den Nichtablauf der Anfechtungsfristen des § 1600 b BGB getäuscht hat oder weil er mit seinem Antrag in erster Linie wirtschaftliche Interessen verfolgt.

Die für das Ehelichkeitsanfechtungsverfahren geltenden Ausschlussfristen des § 1600 b BGB dienen ausschließlich dem Schutz des Familienfriedens in der sozialen Herkunftsfamilie des Abkömmlings. Sie dienen nicht dem Schutz des leiblichen Vaters vor der Feststellung seiner Vaterschaft oder dem Schutz seiner Erben vor dem Hinzutreten eines weiteren Erben (ständige Rechtsprechung des BGH, zuletzt BGH, FamRZ 2007, 36 m.w.N.; vgl. auch OLG Thüringen, FamRZ 2006, 1602). Der Grundsatz der Statusklarheit tritt nur im Verhältnis der anfechtungsberechtigten Mitglieder der sozialen Herkunftsfamilie des Abkömmlings ausnahmsweise hinter dem Grundsatz der Statuswahrheit zurück. Zugunsten des leiblichen Vaters oder einer Erben sieht das Gesetz einen solchen Rechtsfrieden hingegen nicht vor.

Er ist auch nicht verfassungsrechtlich geboten.

Soweit die Beschwerdeführerin eine Verletzung des in Artikel 3 Abs. 1 GG verankerten Gleichbehandlungsgrundsatzes rügt, ist schon nicht ersichtlich, worin die Ungleichbehandlung des leiblichen Vaters oder seiner Erben liegen soll. Selbst wenn man eine Ungleichbehandlung darin erblicken wollte, dass der leibliche Vater oder seine Erben sich nicht auf das Verstreichen der Ausschlussfristen des § 1600 b BGB berufen können, wäre diese sachlich gerechtfertigt, denn die Ausschlussfristen des § 1600 b BGB dienen - wie dargestellt - ausschließlich dem Schutz des sozialen Familiengefüges des Abkömmlings und nicht dem Schutz des leiblichen Vaters. Vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlich durch Artikel 2 Abs. 1, 1 Abs. 1, 6 Abs. 5 GG geschützten Interesses des Abkömmlings an der gerichtlichen Klärung seiner Abstammung (und der sich daraus ergebenen Erbansprüche) wäre es daher allenfalls verfassungsrechtlich bedenklich, wenn sich der leibliche Vater im Vaterschaftsfeststellungsprozess trotz rechtskräftiger Vaterschaftsanfechtung auf die für den Ehelichkeitsanfechtungsprozess geltenden Ausschlussfristen berufen könnte.

Eine Verletzung des durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Erbrechts der übrigen Abkömmlinge ist ebenfalls nicht ersichtlich. Die Ausgestaltung des verfassungsrechtlich geschützten Erbanspruchs obliegt nämlich gemäß Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG den gesetzlichen Inhalts- und Schrankenbestimmungen. Diese sehen das Hinzutreten weiterer Erben nach dem Tod des Erblassers sowohl in § 1600 e Abs. 2 BGB (Feststellung der Vaterschaft des Verstorbenen) als auch in § 1923 Abs. 2 BGB (Geburt eines im Zeitpunkt des Erbfalls noch nicht lebenden, aber bereits gezeugten Erben) vor. Der verfassungsrechtlich geschützte Kernbereich des Erbrechts wird hierdurch nicht verletzt. Vielmehr hat der Gesetzgeber eine Abwägung zugunsten des ebenfalls verfassungsrechtlich geschützten Erbrechts des nichtehelichen Kindes getroffen, welches die Feststellung der Vaterschaft des Erblassers begehrt. Die Wertung des Gesetzgebers, wonach das Interesse des Abkömmlings an der Klärung seiner Abstammung und der sich daraus ergebenden wirtschaftlichen Folgen das wirtschaftliche Interesse der Erben an der Verhinderung des Hinzutretens eines weiteren Erben überwiegt, begegnet dabei keinen rechtlichen Bedenken. Im Hinblick auf die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts zum verfassungsrechtlichen Rang des Rechtes auf Kenntnis und Klärung der eigenen Abstammung (BVerfG, NJW 1997, 1769), erscheint sie sogar geboten.

Der leibliche Vater und seine Erben können sich damit unter keinem denkbaren Umstand auf das Verstreichen der Ausschlussfristen des § 1600b BGB berufen. Die Frage, ob die Fristen im vorliegenden Fall im Zeitpunkt der Erhebung der Anfechtungsklage durch den rechtlichen Vater des Antragstellers verstrichen waren, bedarf daher keiner Klärung.

Da ausweislich des im ersten Rechtszug eingeholten Sachverständigengutachtens keine vernünftigen Zweifel an der Vaterschaft des verstorbenen Vaters der Beschwerdeführerin bestehen und auch von der Beschwerdeführerin nicht gehegt werden, war die vom Antragsteller begehrte Vaterschaftsfeststellung auszusprechen.

Die Kostenfolge für das Beschwerdeverfahren ergibt sich aus §§ 131 Abs. 1 Nr. 1 KostO, 13 a Abs. 1 S. 2 FGG. Die außergerichtlichen Kosten der weiteren Beteiligten sind der Beschwerdeführerin nur insoweit aufzuerlegen, als diese sich am Beschwerdeverfahren beteiligt haben. Sie trägt daher lediglich die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers.

Die Festsetzung des Geschäftswerts folgt aus §§ 31 Abs. 1, 131 Abs. 2, 30 Abs. 2 KostO.

Ende der Entscheidung

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