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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 30.01.2007
Aktenzeichen: 3 WF 232/06
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 567
Zur Frage der Zulässigkeit einer Untätigkeitsbeschwerde (hier im Sorgerechtsstreit).
Gründe:

Unter dem 4.12.2003 begehrte das Jugendamt des ...-Kreises die Einleitung eines Verfahrens nach § 1666 BGB zur Klärung der Frage, ob wegen der seit Jahren laufenden Konflikte der Eltern zum Sorge- und Umgangsrecht bezüglich der Kinder ... und ... A ein Eingriff in das Sorgerecht der Eltern erforderlich ist.

Das Amtsgericht - Familiengericht - Hanau hat am 29.12.2003 die Einholung eines Sachverständigengutachtens angeordnet. Die hiergegen eingelegte Beschwerde des Beteiligten zu 3) wies der Senat mit Beschluss vom 24.3.2004 zurück (Az 3 WF 57/04). Nach Rückkehr der Akte leitete das Amtsgericht - Familiengericht - Hanau diese am 3.5.2004 dem Sachverständigen zu. Auf das am 13.3.2005 eingegangene Gutachten schloss sich die Antragstellerin zu 2) unter dem 3.5.2005 dem Antrag des Jugendamtes mit einem eigenen Antrag zur Regelung des Aufenthaltsbestimmungsrechts an.

Am 19.5.2005 bestimmte das Amtsgericht einen Anhörungstermin auf den 4.7.2005. In diesem Termin lehnte der Beteiligte zu 3) den Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Nach dem Termin erfolgte ein weiteres Befangenheitsgesuch gegen die zuständige Richterin durch den Beteiligten zu 3). Hierauf wurde die Beschwerdeführerin auf ihre Nachfrage vom 29.9.2005 am 6.10.2005 hingewiesen. Auf eine am 8.11.2005 erfolgte Dienstaufsichtsbeschwerde der Beschwerdeführerin forderte das Landgericht Hanau die Akte am 15.11.2005 an, die am 8.12.2005 von dort zurückkehrte.

Nach abschließender Entscheidung über das Befangenheitsgesuch gegen die erkennende Richterin wurde unter dem 14.2.2006 für die Kinder eine Verfahrenspflegschaft angeordnet und wegen des Zeitablaufs ein neuer Anhörungstermin angekündigt. Die Beschwerde des Beteiligten zu 3) vom 9.3.2006 gegen diesen Beschluss vom 14.2.2006 wies der Senat mit Beschluss vom 23.5.2006 zurück (Az 3 UF 135/06). Unter dem 11.7.2006 musste die Akte nach Rückkehr vom OLG Frankfurt am Main auf Anforderung vom 14.6.2006 erneut an das LG Hanau übersandt werden.

Unter dem 11.8.2006 ging beim Senat ein als Untätigkeitsklage bezeichneter Schriftsatz der Beschwerdeführerin ein, der zunächst dem Amtsgericht zur Entscheidung über eine Abhilfe übersandt wurde. Unter dem 4.9.2006 lehnte das Amtsgericht eine Abhilfe ab und teilte mit, dass die Akte noch beim LG Hanau sei. Am 14.12.2006 leitete das Amtsgericht die Akte an den Senat weiter.

Die als Untätigkeitsbeschwerde auszulegende sogenannte Untätigkeitsklage hat, worauf der Senat die Antragstellerin zu 2) bereits unter dem 14.9.2006 mit dem Hinweis auf eine durch die noch nicht erfolgte Aktenübersendung entstehende weitere Verzögerung hinwies, keinen Erfolg.

Ob eine Untätigkeitsbeschwerde statthaft ist, ist streitig. Die Rechtsmittelsysteme der ZPO und des FGG gehen davon aus, dass ein Rechtsmittel den Erlass einer Entscheidung voraussetzt, die angefochten und deren Richtigkeit überprüft werden soll. Demgemäß entsprach es der bisherigen überwiegenden Meinung, dass bei Verweigerung oder Verzögerung der Rechtsgewährung nicht der Rechtsmittelweg eröffnet, sondern die Dienstaufsicht anzurufen ist (vgl. hierzu Zöller/Gummer, ZPO, 24. Aufl., § 567 Rdnr. 21 m. w. Nachw.). Im Hinblick auf die neuere Rechtsprechung des BVerfG ( FamRZ 2001, 753; NJW 2003, 2672) und des EuGMR (NJW 2001, 2694) und, dem folgend, einer in Vorbereitung befindlichen Ergänzung des GVG, durch die das Rechtsinstitut einer Untätigkeitsbeschwerde für den Fall kodifiziert werden soll, dass ein gerichtliches Verfahren ohne zureichenden Grund nicht in angemessener Frist vom Gericht gefördert wird, scheint allerdings fraglich, ob diese Auffassung noch uneingeschränkt aufrecht zu erhalten ist. Während dies teilweise bejaht wird (vgl. BVerwG, Beschl. vom 5.12.2006, Az. 10 B 68/06; LSG Berlin, Beschl. vom 9.11.2006, Az. L 10 B 934/06), hat der Senat unter anderem mit Beschluss vom 31.1.2006 (Az 3 WF 295/05) die Möglichkeit der Zulässigkeit einer Untätigkeitsbeschwerde dann gesehen, wenn besondere Umstände vorliegen, insbesondere Anlass zu der Annahme besteht, dass ein Fall völlig unzumutbarer und auf Rechtsverweigerung hinauslaufender Verzögerung vorliegt ( so wohl auch Baumbach/Hartmann, ZPO, 64. Aufl., § 127 Rz. 34 f m. w. N.; Zöller/Philippi, ZPO, 25. Aufl., § 127 Rdnr. 11 m. w. N.; Schneider, MDR 1968, 254; 1998, 1368; OLG Zweibrücken, NJW-RR 2003, 1653). Versteht man es demgemäß als ein Gebot der Rechtsstaatlichkeit , in derartigen Fällen die Beschwerde zu eröffnen, so kann es aber keinesfalls als zulässig erachtet werden, wenn die Untätigkeitsbeschwerde darauf gerichtet wird, das Familiengericht aufzufordern, eine inhaltlich bestimmte Entscheidung zu treffen. Ein solches Rechtsschutzziel liegt eindeutig außerhalb des Bereichs statthafter Einflussnahme des Beschwerdegerichts auf den Fortgang des erstinstanzlichen Rechtsstreits ( vgl. OLG Frankfurt am Main, Beschl. vom 26.07.2006, Az 19 W 47/06). Ziel der Beschwerde kann nur sein, die Vorinstanz anzuweisen, dem Verfahren Fortgang zu geben, wobei zu beachten sein wird, dass durch die Zulässigkeit der Untätigkeitsbeschwerde das Verfahren nicht insgesamt weiter verzögert wird (vgl. hierzu Zöller/Gummer, ZPO, 24. Aufl., § 567 Rdnr. 21a ).

Soweit man in der auf eine bestimmte Einflussnahme zielenden Untätigkeitsbeschwerde der Antragstellerin zu 2) als minus einen Antrag auf eine dahingehende Anweisung sehen kann, verhilft aber auch dies der Beschwerde nicht zum Erfolg. Das Verfahren vor dem Amtsgericht - Familiengericht - Hanau gibt keine Veranlassung zu der Annahme, es liege eine sachlich nicht zu rechtfertigende Untätigkeit des Familiengerichts vor, die zu einem der Rechtsverweigerung gleichkommenden Stillstand des Verfahrens geführt habe.

Der Verfahrensgang belegt, dass das Amtsgericht jederzeit, wenn es nicht durch Rechtsmittel, Befangenheitsanträge oder Dienstaufsichtsbeschwerden an einer Sachbearbeitung gehindert wurde, bemüht war, die notwendigen Ermittlungen anzustellen und das Verfahren einer Endentscheidung zuzuführen. Hätte die wiederholt notwendige Versendung der Akte an das LG Hanau und das OLG Frankfurt am Main nicht erfolgen müssen, kann davon ausgegangen werden, dass das Verfahren bereits zum Abschluss gekommen wäre. Eine unzumutbare Verzögerung durch das Amtsgericht, die eine Anweisung in dem genannten Sinne rechtfertigen könnte, vermag der Senat deshalb nicht festzustellen.

Ende der Entscheidung

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