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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 09.12.2004
Aktenzeichen: 3 Ws 1056/04 (StVollz)
Rechtsgebiete: StVollzG


Vorschriften:

StVollzG § 37 II
StVollzG § 102
StVollzG § 103 I Nr. 7
1. Die Verhängung einer Disziplinarmaßnahme setzt zweifelsfreie Feststellung eines schuldhaften Verstoßes des Gefangenen gegen ihm obliegende Pflichten voraus. Ein bloßer Verdacht, selbst wenn er sich durch bestimmte Anhaltspunkte erhärtet haben mag, reicht nicht aus.

2. Eine zeitweise Ablösung des Gefangenen wegen Drogenmissbrauchs im Wege der Disziplinarmaßnahme (§103 I Nr. 7 StVollzG) kann nicht auf eine bloße immunolgische Untersuchung (Immunassay) - auch wenn diese durch einen zweiten Immunassay bestätigt wird - gestützt werde. Vielmehr muss im Falle eines positiven Befundes und dagegen erhobener Einwendungen des Gefangenen die Urinprobe in einem aufwendigeren Verfahren (etwa Gaschromatographie) ein zweites Mal untersucht oder aber eine Haaranalyse durchgeführt werden.

3. Die dauerhafte Entfernung eines Gefangenen von seinem ihm zuvor rechtmäßig zugewiesenen Arbeitsplatz wegen nunmehr fehlender Eignung auf Grund Drogenmissbrauchs kann nur unter den Voraussetzungen des entsprechend anwendbaren § 49 II VwVfG erfolgen. Als Grundlage für den dafür zumindest erforderlichen schwerwiegenden Verdacht des Betäubungsmittelabusus reicht auch hier eine bloße - auch wiederholte - immunchemische Urinuntersuchung nicht aus.


OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN BESCHLUSS

3 Ws 1055/04 (StVollz) 3 Ws 1056/04 (StVollz) 3 Ws 1057/04 (StVollz) 3 Ws 1058/04 (StVollz)

In der Strafvollzugssache

wegen Ablösung von der Arbeit

hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die Rechtsbeschwerde des Leiters der Justizvollzugsanstalt O 1 gegen den Beschluß der 2. Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Gießen vom 19.08.2004

am 09.12.2004 beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluß wird unter Aufrechterhaltung der Aufhebung der Disziplinarverfügung der Antragsgegnerin vom 13.05.2004 und der Festsetzung des Gegenstandswertes aufgehoben

1. soweit die Antragsgegnerin verpflichtet worden ist, den Antragsteller wieder als Krankenrevierhelfer in ihrem Bezirkskrankenhaus einzusetzen und ihm den durch die Ablösung von diesem Arbeitsplatz entgangenen Arbeitslohn zu ersetzen;

2. hinsichtlich der Kostenentscheidung. Der Antrag des Antragstellers, ihm den seit der Ablösung entgangenen Arbeitslohn zu ersetzen, wird als unzulässig verworfen.

Im übrigen wird die Rechtsbeschwerde als unbegründet verworfen.

Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, den Antrag des Antragstellers, ihn wieder an seinem früheren Arbeitsplatz als Krankenrevierhelfer einzusetzen, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu bescheiden.

Von den Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen des Antragstellers haben dieser ein Drittel und die Staatskasse zwei Drittel zu tragen.

Die Kosten des ersten Rechtszugs einschließlich der insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Antragstellers werden diesem zu 2/5 und der Staatskasse zu 3/5 auferlegt.

Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 500 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Durch Verfügung der Antragsgegnerin vom 26.04.2004 wurde der Antragsteller (vorläufig) von seiner bis dahin ausgeübten Arbeit als Krankenrevierhelfer im Bezirkskrankenhaus der Justizvollzugsanstalt abgelöst. Zuvor hatte eine durch die Gemeinschaftspraxis Dr. med. A, O 2, durchgeführte immunchemische Untersuchung einer dem Antragsteller am 21.04.2004 anläßlich einer Verdachtskontrolle abgenommenen Urinprobe einen positiven Befund im Hinblick auf "Haschisch/Cannabin" ergeben.

Gegen diese Verfügung und weitere aufgrund des Testbefunds angeordnete Maßnahmen (Verlegung auf eine andere Station und Anordnung von Trennscheibenbesuch), die nicht Gegenstand des Rechtsbeschwerdeverfahrens sind, hat der Antragsteller mit Schreiben vom 29.04.2004 auf gerichtlich Entscheidung angetragen und die Verpflichtung der Anstalt begehrt, ihn wieder an seinem bisherigen Arbeitsplatz einzusetzen und ihm den seit der Ablösung entgangenen Arbeitslohn zu ersetzen. Eine am 06.05.2004 auf Wunsch des Antragstellers abgenommene zweite Urinprobe ergab - unter Verwendung des gleichen immunologischen Testverfahrens - wiederum einen positiven Befund. Daraufhin ordnete der Anstaltsleiter durch Disziplinarverfügung vom 13.05.2004 - nach Anhörung des Antragstellers und Durchführung der Disziplinarkonferenz - die Ablösung des Antragstellers von seiner Arbeit im Krankenhaus für die Dauer von vier Wochen an.

Mit dem angefochtenen Beschluß hob die Strafvollstreckungskammer unter anderem diese Disziplinarverfügung auf und sprach die Verpflichtung aus, den - nach der Ablösung zunächst in einem Unternehmerbetrieb der Anstalt und seit dem 01.06.2004 (mit einer höheren Vergütungsstufe) in seinem erlernten Beruf als Maler eingesetzten - Antragsteller wieder als Krankenrevierhelfer im Bezirkskrankenhaus einzusetzen sowie ihm den durch die Ablösung von diesem Arbeitsplatz entgangenen Arbeitslohn zu ersetzen.

II.

Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht erhobene und in gleicher Weise mit der Sachrüge begründete Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin, die auch im übrigen zulässig ist (§ 116 Abs. 1 StVollzG). Die Nachprüfung des angefochtenen Beschlusses ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten.

Die Rechtsbeschwerde hat mit der erhobenen Sachrüge zum Teil Erfolg.

1. Die Aufhebung der Disziplinarverfügung der Antragsgegnerin vom 13.05.2004 erweist sich als rechtsfehlerfrei.

Der Ausgangspunkt des Landgerichts, wonach auch der zweifache positive Befund der Urinuntersuchungen mittels eines immunchemischen Verfahrens, eines sogenannten Immunassays, nicht ausreicht, um den für die Ablösung eines Gefangenen von dem ihm zugewiesenen Arbeitsplatz wegen Betäubungsmittelkonsums erforderlichen Nachweis mit der erforderlichen Sicherheit zu führen, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

Nach der Rechtsprechung des Senats kann die (dauerhafte) Entfernung eines Gefangenen von einem ihm zuvor rechtmäßig zugewiesenen Arbeitsplatz nur unter den Voraussetzungen erfolgen, unter denen ein rechtmäßiger Verwaltungsakt nach § 49 Abs. 2 VwVfG widerrufen werden kann (Senatsbeschluß vom 24.07.1997 - 3 Ws 333/97 - NStZ-RR 1998, 31 mit weiteren Nachweisen; ebenso Calliess/Müller-Dietz, StVollzG, 10. Auflage, § 41, Rdnr. 2). Grundvoraussetzung für eine solche Entscheidung ist - wie dies für sämtliche den Gefangenen belastenden Maßnahmen zu fordern ist - zunächst ein vollständig und zutreffend ermittelter Sachverhalt (Senat, a.a.O.). Letzteres gilt nicht nur für den Fall einer dauerhaften Entfernung des Gefangenen von seinem Arbeitsplatz, sondern auch bei einem - wie hier - als Disziplinarmaßnahme verhängten zeitlich befristeten Entzug der Arbeit. Denn die Verhängung einer Disziplinarmaßnahme setzt einen durch Tatsachen belegbaren Verstoß gegen die dem Gefangenen obliegenden Pflichten voraus (vgl. zu den an die Verhängung einer Disziplinarmaßnahmen zu stellenden Anforderungen: BVerfG NStZ-RR 2004, 220, 221).

Daß der Gefangene - wie im Rahmen der Rechtsbeschwerdebegründung hervorgehoben wird - keinen Anspruch auf Zuweisung einer bestimmten Arbeit, sondern nur einen solchen auf fehlerfreien Ermessensgebrauch der Vollzugsbehörde bei der Ausübung ihres Beurteilungsermessens hat (vgl. Calliess/Müller-Dietz, StVollzG, 10. Auflage, § 37, Rdnr. 3 und § 41, Rdnr. 1), ändert hieran nichts. Denn eine rechtsfehlerfreie Ermessensausübung setzt voraus, daß die Vollzugsbehörde von einer ausreichenden und zutreffenden Tatsachengrundlage ausgegangen ist.

Als eine solche Grundlage kommt jedenfalls dann, wenn es um die Ablösung von der zugewiesenen Arbeit aufgrund einer Disziplinarverfügung geht, der bloße Verdacht einer Pflichtverletzung, auch wenn sich dieser durch bestimmte Anhaltspunkte - hier eine zweifache toxikologische Untersuchung - erhärtet haben mag, nicht in Betracht. Dies gilt auch im Falle des Einsatzes eines Gefangenen in besonderen Vertrauensstellungen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts stellt die Verhängung einer Disziplinarmaßnahme auf der Grundlage eines bloßen Verdachts einen Verstoß gegen den aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG und dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) abgeleiteten Schuldgrundsatz dar, mit der Folge, daß Disziplinarmaßnahmen nur angeordnet werden dürfen, wenn zweifelsfrei geklärt ist, ob ein schuldhafter Pflichtverstoß überhaupt vorliegt (BVerfG NStZ-RR 2004, 220, 221).

An einer solchen zweifelsfreien Klärung fehlt es hier.

Die Frage, ob ein durch bestimmte Anhaltspunkte - hier die zweifache immunchemische Urinuntersuchung - erhärteter Verdacht als Grundlage zwar nicht für einen disziplinarrechtlichen Entzug der zugewiesenen Arbeit, aber für eine Abberufung nach Widerrufsgrundsätzen (§§ 37 Abs. 2 StVollzG, 49 Abs. 2 VwVfG) ausreichen kann, bedarf keiner abschließenden Entscheidung, da die Ablösung von der Arbeit hier mittels einer Disziplinarverfügung vorgenommen wurde. Ein solcher Verdacht müßte von seiner Intensität her jedoch demjenigen vergleichbar sein, der im Arbeitsrecht auch ohne den sicheren Nachweis eines Fehlverhaltens eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu rechtfertigen vermag. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Verdachtskündigung ist hierfür ein schwerwiegender Verdacht erforderlich, dessen starke Verdachtsmomente sich auf objektive Tatsachen gründen und bei dem der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen hat (BAG, Urteil vom 06.11.2003, NZA 2004, 919).

Im vorliegenden Fall sind die vorhandenen Möglichkeiten einer Aufklärung des Sachverhalts nicht in hinreichendem Maße ausgeschöpft worden. Die Strafvollstreckungskammer hat in dem angefochtenen Beschluß ausführlich dargelegt, warum trotz der für sich genommen hohen Nachweissicherheit der hier angewandten Methode der immunologischen Untersuchung der Urinprobe durch ein Immunassay ein die Ablösung des Antragsstellers von der ihm zugewiesenen Arbeit rechtfertigender Nachweis des Konsums von Betäubungsmitteln nicht mit ausreichender Sicherheit erbracht ist. Diesen Ausführungen tritt der Senat bei.

Der Senat hat bereits in seinem Beschluß vom 07.03.2003 (3 Ws 74/03) ausgeführt, es sei aufgrund seiner ständigen Befassung mit gleichgelagerten Sachverhalten gerichtsbekannt, daß bei den in Justizvollzugsanstalten üblicherweise durchgeführten Drogenscreenings im Falle eines positiven Ergebnisses und dagegen erhobenen Einwendungen seitens des Gefangenen die betreffende Urinprobe zwecks Erhärtung oder Widerlegung des festgestellten Ergebnisses in einem Labor außerhalb der Justizvollzugsanstalt in einem aufwendigeren Verfahren (etwa Gaschromatographie) ein zweites Mal untersucht werde. Hieran wird festgehalten. Die aufgezeigte Verfahrensweise entspricht - anders als eine bloß einmalige immunchemische Untersuchung oder eine wiederholte Untersuchung mittels des gleichen immunchemischen Testverfahrens - den Erkenntnissen der forensischen Medizin und der Toxikologie. Sie stellt sicher, daß ein Gefangener nicht aufgrund eines bei der Verwendung von Immunassays zwar selten auftretenden, aber doch möglichen (vgl. im einzelnen Schütz/Weiler, Risiken nicht bestätigter Drogenanalysen, StV 1999, 452, 453) falschen positiven Befunds mit einer ihn belastenden Maßnahme überzogen wird.

Seit einigen Jahren werden in der Praxis in zunehmendem Maße immunologische Untersuchungen durch sogenannte Immunassays zur Feststellung des Konsums von Betäubungsmitteln vorgenommen. Der Vorteil dieser Untersuchungsmethode liegt darin, in sehr kurzer Zeit und kostengünstig (ohne die Durchführung der kostenintensiveren Analysen mit chromatographischen Methoden) einen ersten Hinweis auf eine mögliche Betäubungsmitteleinnahme - einschließlich der Substanzklasse - oder auf deren Ausschluß zu erhalten. In der forensisch-toxikologischen Fachliteratur wird indes darauf hingewiesen, daß grundsätzlich zu beachten sei, daß Immunassays lediglich als hinweisgebende Analysen, mithin als Vortests zur Erlangung einer Aussage über das Vorliegen oder Nichtvorliegen einer Betäubungsmittelaufnahme zu verwenden seien. Deshalb sei es erforderlich, daß positive Resultate hinweisgebender Verfahren durch eine zweite unabhängige und spezifische Methode, nicht aber - wie dies im vorliegenden Fall erfolgt ist - durch einen zweiten Immunassay, bestätigt würden (Musshoff, Die chemisch-toxikologische Analyse, in: Madea, Praxis Rechtsmedizin, S. 355, 359/360; ebenso Schütz/Weiler, Risiken nicht bestätigter Drogenanalysen, StV 1999, 452, 453 und 454). Aus diesem Grund weisen auch die Hersteller von Immunassays regelmäßig auf die Notwendigkeit valider Bestätigungsanalysen hin (Schütz/Weiler, a.a.O., S. 454). Einen entsprechenden Hinweis enthalten im vorliegenden Fall beide Untersuchungsbefunde der Gemeinschaftspraxis Dr. med. A.

Da die hier vorgenommene Untersuchung bereits aus den genannten Gründen nicht ausreicht, um die Maßnahme der Ablösung des Antragstellers von der ihm zugewiesenen Arbeit zu tragen, kommt es auf die Frage, ob in dem immunchemischen Untersuchungsbefund der sogenannte Cut-off-Wert (Wert, bei dessen Überschreitung von einem positiven Befund hinsichtlich der jeweiligen Substanz auszugehen ist) zu nennen ist - die vorliegenden Untersuchungsbefunde beinhalten nur den Cut-off-Wert des für den hinsichtlich der Frage einer möglichen Manipulation an der Urinprobe bedeutsamen Kreatinins (Harnsäure) - nicht entscheidend an (für eine solche Präzisierung: OLG Hamm ZfStrVo 1989, 314).

Der Aufhebung der Disziplinarverfügung stand nicht entgegen, daß deren auf vier Wochen festgesetzte Dauer zum Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung bereits verstrichen war. Denn durch die Vollziehung einer Disziplinarmaßnahme tritt - vornehmlich wegen der trotz Beendigung der Maßnahme möglichen fortwirkenden nachteiligen vollzugsrechtlichen Auswirkungen - in der Regel nicht deren Erledigung ein (OLG Hamm NStZ 1991, 509, 510; Calliess/Müller-Dietz, StVollzG, 10. Auflage, § 115, Rdnr. 15), so daß das Landgericht nicht auf eine Feststellung der Rechtswidrigkeit der Disziplinarverfügung beschränkt war und deshalb auch nicht aus Fürsorgegründen auf eine entsprechende Umstellung des Antrags auf gerichtliche Entscheidung hinzuwirken hatte.

2. Anders als bezüglich der zu Recht erfolgten Aufhebung der Disziplinarverfügung vom 13.05.2004 erweist sich die angefochtene Entscheidung des Landgerichts, obwohl sie von einer zutreffenden rechtlichen Bewertung der hier vorgenommenen Drogentests ausgeht, als rechtsfehlerhaft, soweit die Verpflichtung der Anstalt ausgesprochen wurde, den Antragsteller wieder als Krankenrevierhelfer einzusetzen.

Die disziplinarrechtliche Ablösung des Antragstellers von seiner Arbeit im Krankenrevier war zum Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung - wovon auch die Strafvollstreckungskammer ausgegangen ist - durch Ablauf der vierwöchigen Frist bereits vollzogen. Ein Rückgängigmachen des Vollzugs der Disziplinarverfügung im Wege der Folgenbeseitigung (§ 115 Abs. 2 Satz 2 StVollzG) kam hier jedoch nicht in Betracht. Eine solche Entscheidung würde zum einen voraussetzen, daß das Wiedereinsetzen des Antragstellers in die ihm entzogene Arbeit rechtlich und tatsächlich möglich wäre (Senatsbeschluß vom 24.07.1997 - 3 Ws 333/97 -, NStZ-RR 1998, 31, 32), was zumindest zweifelhaft erscheint, wenn - wozu sich die angefochtene Entscheidung nicht verhält - seine Stelle - wie der Rechtsbeschwerdebegründung zu entnehmen ist - inzwischen anderweitig besetzt und eine andere Stelle im Krankenrevier nicht frei ist.

Zum anderen hätte Spruchreife vorliegen müssen, was hier nicht der Fall war. Es ist nicht auszuschließen, daß die Justizvollzugsanstalt aufgrund neuer Ermittlungen eine tragfähige Begründung für die Ablösungsentscheidung - wenn auch nicht als Disziplinarmaßnahme, sondern als Widerruf wegen fehlender Eignung - zu liefern vermag (vgl. Senat, a.a.O.). Da der Antragsteller vorträgt, keine Drogen zu nehmen, und er zur Untermauerung dieses Vorbringens ausdrücklich eine zweite Urinprobe mit anschließender Untersuchung gewünscht hat, besteht die Möglichkeit, daß er zu weiteren Untersuchungen - gegebenenfalls auch zu der Untersuchung einer Haarprobe - ebenfalls bereit ist.

Die Vollzugsbehörde ist gehalten, die aufgezeigten weiteren Ermittlungen anzustellen und nach deren Abschluß den Antrag des Antragstellers, ihn wieder im Krankenrevier der Anstalt einzusetzen, unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung des Senats zu bescheiden.

3. Auf die Sachrüge hin aufzuheben war auch die in der angefochtenen Entscheidung ausgesprochene Verpflichtung der Antragsgegnerin auf Ersatz des dem Antragsteller durch die Ablösung entgangenen Arbeitslohns. Denn es fehlt insoweit bereits an der sachlichen Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer und damit an der Zulässigkeit dieses Teils des Antrags auf gerichtliche Entscheidung.

Der Antragsteller stützt sein Begehren darauf, daß seine Ablösung von der Arbeit rechtswidrig gewesen sei. Dieser Anspruch richtet sich nicht etwa unmittelbar auf die Zahlung von Arbeitsentgelt, da ein solcher Anspruch voraussetzt, daß der Gefangene eine ihm zugewiesene Arbeit tatsächlich ausübt (§ 43 Abs. Satz1 StVollzG), was hier bis zu dem Zeitpunkt der Zuweisung einer anderen Arbeit nicht der Fall war. Der Sache nach fordert der Antragsteller Ersatz des Schadens, der ihm durch seine Ablösung von der Arbeit entstanden ist, wobei der geltend gemachte Schaden darin besteht, daß er infolge seiner Ablösung nicht das Arbeitsentgelt erhalten hat, das ihm ohne das schädigende Ereignis zu zahlen gewesen wäre. Gegenstand seines Begehrens ist also ein Schadensersatzanspruch, der sich auf die - behauptete - Verletzung von Amtspflichten gründet und sich nach dem zugrundeliegenden Sachverhalt als (möglicher) Amtshaftungsanspruch darstellt (Art. 34 Satz 1 GG, § 839 BGB; vgl. Senatsbeschluß vom 12.11.1979 - 3 Ws 877/79 -).

Für die Entscheidung über Amtshaftungsansprüche sind aber nicht die Strafvollstreckungskammern, sondern die Zivilgerichte, und zwar die Zivilkammer des Landgerichts zuständig (Art. 34 Satz 3 GG, §§ 13, 71 Abs. 2 Nr. 2 GVG). Dies ist in Rechtsprechung und Lehre allgemein anerkannt (Senatsbeschluß vom 12.11.1979 - 3 Ws 877/79 -; OLG Celle, Beschluß vom 27.07.1984 - 3 Ws 274/84 -; Calliess/Müller-Dietz, StVollzG, 10. Auflage, § 109, Rdnr. 7 - jeweils mit weiteren Nachweisen). Ein anderes Ergebnis läßt sich auch nicht dadurch begründen, daß der Schadensersatzanspruch in das Gewand eines Folgenbeseitigungsanspruchs nach § 115 Abs. 2 Satz 2 StVollzG gekleidet wird. Denn Schadensersatz kann mit dem Folgenbeseitigungsanspruch nicht verlangt werden (Senatsbeschluß vom 12.11.1979 - 3 Ws 877/79 -).

Es erschien im vorliegenden Fall nicht angezeigt, von der - mangels einer Vorabentscheidung gemäß § 17 a Abs. 3 GVG nicht durch § 17 Abs. 5 GVG ausgeschlossenen (vgl. BGH NJW 1998, 2745 und BGH NJW 1999, 651) - Möglichkeit einer formlosen Abgabe (vgl. hierzu Senatsbeschluß vom 22.07.2003 - 3 Ws 533/03 -) des auf Schadensersatz gerichteten Teils des Begehrens des Antragstellers an die Zivilgerichte Gebrauch zu machen. Der Antragsteller begehrt ersichtlich eine Entscheidung in dem hier beschrittenen Rechtsweg. Sein Antrag auf Schadensersatz ist mithin als unzulässig anzusehen.

Es bleibt dem Antragsteller unbenommen, den Rechtsweg zu den Zivilgerichten wegen eines möglichen Schadensersatzanspruchs zu beschreiten. Ebenso bleibt es der Antragsgegnerin unbenommen, über eine mögliche Verpflichtung zur Zahlung von Schadensersatz im Rahmen der von ihr ohnehin vorzunehmenden Neubescheidung zu befinden.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 121 Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 StVollzG, die Festsetzung des Gegenstandwertes folgt aus § 60 GKG.

Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens waren zwischen den Verfahrensbeteiligten im Verhältnis von einem Drittel zu zwei Dritteln zu verteilen. Die Rechtsbeschwerde hat lediglich hinsichtlich der vom Landgericht ausgesprochenen Verpflichtung zum Ersatz entgangenen Arbeitslohns Erfolg. Hinsichtlich der Aufhebung der Disziplinarverfügung vom 13.05.2004 ist sie dagegen ohne Erfolg geblieben und hat auch bezüglich der Verpflichtung zum Einsatz des Antragstellers an seinem früheren Arbeitsplatz ihr Ziel nicht erreicht, da der Antragsteller insoweit zu bescheiden sein wird.

Mit den Kosten des ersten Rechtszugs war der Antragsteller in stärkerem Maße als von dem Landgericht ausgesprochen zu belasten, weil unter Zugrundelegung der oben aufgezeigten rechtlichen Beurteilung des Senats von einem Unterliegen des Antragstellers nicht nur hinsichtlich der begehrten Rückverlegung auf die ursprüngliche Station, sondern auch bezüglich des Ersatzes des entgangenen Arbeitslohns auszugehen ist. Dieses zusätzliche Unterliegen bemißt der Senat entsprechend dem von der Strafvollstreckungskammer gewählten Quotelungsmaßstab mit ebenfalls einem Fünftel.

Da der Beschluß der Strafvollstreckungskammer nicht in vollem Umfang mit der Rechtsbeschwerde angegriffen wurde, war der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens entsprechend geringer anzusetzen als derjenige des ersten Rechtszugs.

Ende der Entscheidung

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