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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 18.01.2005
Aktenzeichen: 3 Ws 1095/04
Rechtsgebiete: StPO, ZPO


Vorschriften:

StPO § 111
StPO § 111 d
StPO § 111 e
ZPO § 847
1. Ein Pfändungsbeschluss muss die gepfändete Forderung und ihren Rechtsgrund so genau bezeichnen, dass bei verständiger Würdigung unzweifelhaft feststeht, welche Forderungen Gegenstand der Zwangsvollstreckung sein sollen, d. h., dass die gepfändete Forderung eindeutig von jedem Dritten identifiziert und von anderen Forderungen unterschieden werden kann.

2. Befinden sich die Pfändungsobjekte bereits im Besitz der Staatsanwaltschaft, so ist nicht der Herausgabeanspruch des Angeklagten in entsprechender Anwendung des § 847 ZPO, sondern es sind die Gegenstände selbst zu pfänden.

3. Bei dennoch erfolgter Pfändung des Herausgabeanspruches bedarf es keiner erneuten Pfändung der bei der Staatsanwaltschaft asservierten Gegenstände; vielmehr setzt sich das durch die Anspruchspfändung begründete Pfandrecht an den Gegenständen fort.


Gründe:

I.

Der Angeklagte ist am 27.7.2004 - nicht rechtskräftig - unter anderem wegen Fälschung von Zahlungskarten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren neun Monaten, zu einer Gesamtgeldstrafe in Höhe von neunzig Tagessätzen und zur Übernahme der Verfahrenskosten verurteilt worden.

Im Rahmen des Ermittlungsverfahrens waren zahlreiche Gegenstände bei dem Angeklagten sichergestellt worden, die unter der LÜ-Nr 6120/03 bei der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Frankfurt asserviert sind, soweit nicht mittlerweile eine Freigabe erfolgt ist.

Nach einer Zusammenstellung der ermittelnden Polizeibehörde sind in dem Verfahren allein bei der Polizei Verfahrenskosten in Höhe von 48.877,31 € für Telefongesellschaften, Dolmetscherkosten und sonstige Kosten angefallen.

Durch den angefochtenen Beschluss hat die Strafkammer wegen eines Anspruchs der Staatskasse auf Erstattung dieser Verfahrenskosten in Höhe von 48.877,31 € den dinglichen Arrest in das Vermögen des Angeklagten gemäß §§ 111 d I 1; 111 e I StPO angeordnet. In Vollzug dieses Arrestes hat das Gericht sodann die angebliche Forderung des Angeklagten auf Herausgabe der unter LÜ-Nr 6120/03 bei der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Frankfurt am Main sichergestellten Gegenstände in Höhe von 48.877,31 € gepfändet und bestimmt, dass durch Hinterlegung von 48.877,31 € die Vollziehung des Arrestes gehemmt werde und der Angeklagte berechtigt sei, die Aufhebung des vollzogenen Arrestes zu verlangen.

Wegen der Begründung wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf den angefochtenen Beschluss Bezug genommen.

Mit der Beschwerde wendet sich der Angeklagte gegen diesen Arrest- und Pfändungsbeschluss.

II.

Die Beschwerde ist gemäß § 304 StPO statthaft, jedoch teilweise unzulässig und teilweise mit der aus dem Tenor ersichtlichen Maßgabe unbegründet.

Soweit der Angeklagte beanstandet, dass der Beschluss möglicherweise auch Gegenstände umfasse, die seiner Ehefrau gehören, rügt er keine eigene Rechtsverletzung, so dass eine hierauf gestützte Beschwerde mangels Beschwerdebefugnis unzulässig ist.

Soweit der Angeklagte sich im übrigen gegen den Arrest- und Pfändungsbeschluss vom 9.9.2004 wendet, ist die Beschwerde zulässig. Sie bleibt jedoch unter Neufassung des Pfändungsbeschlusses nach Maßgabe des Beschlusstenors ohne Erfolg.

Die Anordnung des dinglichen Arrestes in das Vermögen des Angeklagten ist zu Recht erfolgt. Die Voraussetzungen der §§ 111 d, e StPO liegen vor.

Die Kammer war für die Anordnung nach § 111 e I 1 StPO als das Gericht der Hauptsache zuständig (Meyer-Goßner StPO 47. Auflage § 111 e Rn 1 unter Verweis auf § 98 Rn 4; KMR StPO § 111 e Rn 1). Dies gilt unabhängig davon, dass der dingliche Arrest erst am 9.9.2004 und damit nach Abschluss der Hauptverhandlung am 27.7.2004 und Einlegung der Revision erlassen worden ist. Abgesehen davon, dass die Kammer noch mit der Abfassung des Urteils befasst war, würde selbst bei Durchführung der Revision die Zuständigkeit der Kammer fortwirken. Im Revisionsverfahren verbleibt es bei der Zuständigkeit des Gerichts, dessen Entscheidung angefochten ist (KMR a.a.O.)

Auch die formellen Voraussetzungen für die Anordnung des dinglichen Arrestes, wie sie sich aus § 111 d I StPO ergeben, liegen vor.

Hiernach kann u.a. auch wegen der voraussichtlich entstehenden Kosten des Strafverfahrens der dingliche Arrest angeordnet werden, wenn gegen den Beschuldigten ein auf Strafe lautendes Urteil ergangen ist und nicht lediglich Vollstreckungskosten oder geringfügige Beträge gesichert werden sollen (§ 111 d I StPO). Dies ist hier der Fall.

Der Begriff "ein auf Strafe lautendes Urteil" ist aus dem früheren § 10 der Justizbeitreibungsordnung entnommen und wie dort als strafrechtliches Erkenntnis im Sinne des § 465 StPO zu verstehen (Meyer-Goßner, a.a.O. § 111 d Rn 6), durch das dem Angeklagten ganz oder teilweise die Verfahrenskosten auferlegt worden sind (KMR § 111 d Rn 9).

Der dingliche Arrest wurde erst nach Ergehen eines auf Strafe lautenden Urteils, durch das dem Angeklagten auch die Kosten des Verfahrens auferlegt worden sind, gegen diesen wegen im Verfahren entstandener -nicht lediglich geringfügiger- Kosten angeordnet (§ 111 d I StPO).

Die Kammer hat auch zu Recht das Vorliegen eines Arrestgrundes im Sinne der § 111 d II StPO i.V.m. § 917 ZPO bejaht, da die Besorgnis besteht, dass ohne die Anordnung die künftige Vollstreckung vereitelt oder wesentlich erschwert würde.

Diese Gefahr besteht z.B. dann, wenn der Täter seine Vermögensverhältnisse verschleiert, ist jedoch nach § 917 II ZPO auch dann zu bejahen, wenn die zu sichernde Geldforderung im Ausland vollstreckt werden müsste. Beides ist hier zu bejahen.

Selbst in der Hauptverhandlung konnte letztlich nicht geklärt werden, woher der Angeklagte ... Herkunft, der ebenso wie seine Ehefrau jedenfalls in den letzten Jahren weder einer geregelten Tätigkeit in Deutschland nachgegangen ist noch hier Einkommenssteuererklärungen abgegeben hat, seine -offensichtlich beträchtlichen- Einnahmen bezieht.

Nach den Urteilsfeststellungen verfügt er über Einkünfte, die er insbesondere aus dem Verkauf eines Hauses in X für rund drei Millionen DM erzielt hat.

Wo und in welcher Form dieses Geld angelegt worden ist und wie der Angeklagte seine erheblichen laufenden Kosten deckt, ist jedoch nach wie vor unklar. Insoweit liegt die Vermutung nahe, dass sich nach wie vor erhebliche Vermögensteile im Ausland befinden, zumal Unterlagen über Vermögensgegenstände im Ausland -allerdings teilweise lautend auf Dritte- bei dem Angeklagten im Ermittlungsverfahren sichergestellt worden sind und er selbst früher behauptet hat, von "Verwandten" unterstützt zu werden.

Soweit die Kammer in Vollzug des Arrestes die angebliche Forderung des Angeklagten auf Herausgabe der unter LÜ-Nr 6120/03 bei der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Frankfurt am Main sichergestellten Gegenstände in Höhe von 48.877,31 € gepfändet hat, bedurfte es allerdings der weiteren Konkretisierung.

Ein Pfändungsbeschluss muss die gepfändete Forderung und ihren Rechtsgrund so genau bezeichnen, dass bei verständiger Würdigung unzweifelhaft feststeht, welche Forderung Gegenstand der Zwangsvollstreckung sein soll, das heißt, dass die gepfändete Forderung eindeutig identifiziert und von anderen unterschieden werden kann (BGH NJW-RR 1991, 1197 (1198) m.w.N.).

Zwar ist der Herausgabeanspruch insoweit individualisiert, als feststeht, gegen wen er sich richtet und dass er sämtliche unter der genannten LÜ-Nr. asservierten Gegenstände betrifft. Die Kammer ist auch zu Recht davon ausgegangen, dass für die unmittelbar Beteiligten jedenfalls anhand der vorhandenen Sicherstellungsliste ohne weiteres festgestellt werden kann, bezüglich welcher konkreten Gegenstände der Anspruch auf Herausgabe gepfändet werden sollte.

Sie hat allerdings übersehen, dass auch für andere Personen, insbesondere für weitere Gläubiger, die möglicherweise pfänden wollen, ohne Rückgriff auf andere Unterlagen bereits aus dem Pfändungsbeschluss selbst erkennbar sein muss, welche Forderung gepfändet worden ist (BGH a.a.O.). Welche Sachen letztlich von dem gepfändeten Herausgabeanspruch umfasst sind, erschließt sich jedoch erst anhand der LÜ-Liste.

Der Senat hat die somit erforderlichen Ergänzungen vorgenommen.

Hieran war er als Beschwerdegericht nicht gehindert, da er im Rahmen der Beschwerde grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden hat (§ 309 II StPO), wobei eine Bindung an die Anträge nicht besteht (KMR Vor § 304 Rn 4). Hierbei ist auch eine Schlechterstellung des Beschwerdeführers durch die Beschwerdeentscheidung grundsätzlich nicht verboten (Meyer-Goßner, a.a.O. Vor § 304 Rn 5 m.w.N.; Pfeiffer in Karlsruher Kommentar StPO, 4. Auflage Einleitung Rn 143; KMR, a.a.O. Rn 5 n.w.N. ), denn das Gesetz enthält entsprechende Regelungen lediglich für Berufung, Revision und Wiederaufnahme (§§ 331; 358 und 373 StPO).

Soweit von dieser Regel Ausnahmen bei Beschlüssen gemacht werden, die Rechtsfolgen wie ein Urteil festlegen und der materiellen Rechtskraft fähig sind (KMR a.a.O.), liegt ein derartiger Ausnahmefall hier nicht vor.

Da sich die gepfändeten Gegenstände bereits im Besitz der Staatsanwaltschaft befinden, bedurfte es allerdings nicht -wie in der angefochtenen Entscheidung- der Pfändung des Herausgabeanspruchs des Angeklagten entsprechend § 847 ZPO, vielmehr waren die sichergestellten Gegenstände unmittelbar zu pfänden.

Die Pfändung des Herausgabeanspruchs bewirkt die Beschlagnahme des Anspruchs und begründet an ihm für den Gläubiger ein Pfändungspfandrecht. Nach Wirksamwerden der Pfändung darf der Drittschuldner nur noch an einen vom Gläubiger zu beauftragenden Gerichtsvollzieher herausgeben (§ 847 I ZPO).

Wird die Sache an diesen herausgegeben, wandelt sich das durch die Anspruchspfändung begründete Pfandrecht ohne weiteres in ein Pfandrecht an der geleisteten Sache, ohne dass es einer zusätzlichen Sachpfändung bedürfte (Zöller, ZPO § 847 Rn 5; BGHZ 67, 378 (383); BGHZ 72, 334 (336) m.w.N.).

Die Vollziehung des Arrestes kann hier jedoch durch die Staatsanwaltschaft, deren Hilfsbeamte oder die in § 2 der Justizbeitreibungsordnung bezeichnete Behörde (§ 111 f III 1 StPO) erfolgen, die insoweit an die Stelle des im Zivilverfahren nach § 847 ZPO mit der Herausgabevollstreckung befassten Gerichtsvollziehers tritt.

Da sich die gepfändeten Gegenstände hier bereits aufgrund der vorausgegangenen Sicherstellung in Gewahrsam der Staatsanwaltschaft befinden, bedurfte es zur Begründung des Pfandrechts keiner weiteren Ingewahrsamnahme durch eine der vorgenannten Stellen (vgl auch KMR § 111 c Rn 6), so dass der gepfändete Herausgabeanspruch sich ohne weiteres an der Sache fortgesetzt hat.

Dass ein Teil der Gegenstände (insbes. Handys, Computer, Kartenlesegerät) im Urteilsausspruch als Tatmittel gemäß § 74 StGB eingezogen worden ist, steht ihrer Pfändung ebenfalls nicht entgegen. Erst mit Rechtskraft der Entscheidung geht das Eigentum gemäß § 74 e I StGB auf den Staat über, so dass vor Rechtskraft die Gegenstände sich noch im Eigentum des Angeklagten befinden und insoweit als Sicherungsobjekt zur Verfügung stehen.

Ende der Entscheidung

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