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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 10.09.2007
Aktenzeichen: 3 Ws 1139/06 (Stvollz)
Rechtsgebiete: StVollzVergO, StVollzG, VwVfG, StPO


Vorschriften:

StVollzVergO § 2 Abs. 1
StVollzVergO § 2 Abs. 1 Nr. 3
StVollzVergO § 3 Abs. 4
StVollzG § 109
StVollzG § 121 Abs. 4
VwVfG § 48
StPO § 473 Abs. 1
StPO § 473 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
3 Ws 1138/06 (Stvollz) 3 Ws 1139/06 (Stvollz) 3 Ws 1140/06 (StVollz) 3 Ws 1141/06 (StVollz) 3 Ws 1142/06 (Stvollz)

Gründe:

I.

Der Antragsteller verbüßt eine Freiheitstrafe in der JVA ... (Antragsgegnerin).

Dort ist er seit dem 1. März 2002 in der Anstaltsküche beschäftigt und in Lohnstufe 5 eingruppiert, was derzeit einem Tagesgrundlohn von 13,23 ? entspricht. Soweit die Arbeitszeit des Antragstellers auf das Wochenende fiel, erhielt er hierfür bis einschließlich Juli 2006 eine Mehrarbeitszulage von 25 %. Für den Monat August 2006 erstellte die JVA die Lohnabrechnung mit einem neuen Computerprogramm ("Basis-Web"). Die Berechnung erfolgt anhand der geleisteten Arbeitsminuten (10452) und dem auf die Vergütungsstufe bezogenen Minutensatz (3,291 ct), der sich aus dem Tagesgrundlohn und der Tagesarbeitszeit (402 Minuten) ergibt. Zudem sind dort verschiedene Zulagen, unter anderem die Mehrarbeitszulage mit nunmehr 10% gesondert ausgewiesen, wobei der zulagenfähige Zeitraum ebenfalls in Minuten abgegeben ist. Dieser betrug im Abrechnungsmonat 2412 Minuten.

Außerdem gibt der Lohnabrechnungsschein an, wie sich die Gesamtnettobezüge auf Hausgeld, Eigengeld und Überbrückungsgeld verteilen.

Danach hat die Antragsgegnerin die von ihr auf 449,98 ? berechneten Gesamtnettobezüge in Höhe von 193,48 ? auf das Hausgeld und in Höhe von 256,50 ? auf das bereits vorher voll angesparte Überbrückungsgeld verbucht.

Schließlich enthält der Lohnschein Angaben zu den Kontoständen von Hausgeld, Eigengeld, Überbrückungsgeld und Sparguthaben.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Lohnschein für den Monat August 2006 (Bl. 7 d.A.) Bezug genommen.

Soweit die Mehrarbeitszulage nur noch in Höhe von 10% gewährt wurde, verweist die Antragsgegnerin dazu auf die Vorschrift des § 3 Abs. 4 der Hessischen Richtlinien zur Strafvollzugsvergütungsordnung (Runderlass des MdJ vom 27.9.2002 - JMBl. 2002 S. 561), die eine Staffelung zwischen 5% und 25 % vorsieht. Eine Umsetzung dieser Staffelung war mit dem bisher zur Erstellung der Abrechnung eingesetzten Computerprogramm nicht möglich.

Der Antragsteller hat die mangelnde Nachvollziehbarkeit der Abrechnung beanstandet. Zudem beansprucht er weiterhin eine Mehrarbeitszulage in Höhe von 25%.

Auf den Antrag des Beschwerdeführeres auf gerichtliche Entscheidung nach § 109 StVollzG hat das Landgericht die Antragsgegnerin verpflichtet, den Gefangnenen unter Beachtung der Auffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Dagegen wendet sich die Antragsgegnerin mit der Rechtsbeschwerde, die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützt ist.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist zulässig. Die Nachprüfung der Entscheidung ist zur Fortbildung des Rechts geboten (§ 116 Abs. 1 StVollzG).

A. Die Aufklärungsrüge ist jedoch nicht in zulässiger Weise erhoben (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Es fehlt die Angabe der Beweismittel sowie der Tatsachen, die die vermißte Beweiserhebung ergeben hätten (vgl. BGHSt 2, 168; BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 Aufklärungsrüge 6).

B. Zu der gleichfalls erhobenen Sachrüge ist Folgendes auszuführen:

1. Der Gefangene hat Anspruch auf schriftliche Bekanntgabe seines Arbeitsentgelts (§ 43 Abs. 5 StVollzG). Die Beschäftigungs- und Arbeitsentgeltnachweise müssen verständlich und nachvollziehbar sein (vgl. Däubler/Spaniol in: Feest, StVollzG 5. Aufl. § 43 Rn. 13). Diesen Anforderungen genügt der von der JVA ausgestellte Lohnschein nicht.

a. Allerdings widerspricht die Berechnung des Arbeitsentgelts anhand der geleisteten Arbeitsminuten entgegen der Ansicht des Landgerichts nicht der gesetzlichen Regelung (§ 43 Abs. 2 Satz 3 StVollzG). Insoweit hat die Rechtsbeschwerde Erfolg.

Grundlage der Berechnung der Antragsgegnerin sind hier der Tagesgrundlohn, der 13,23 ? beträgt, und die täglichen Sollarbeitsminuten (402). Bei kürzerer Arbeitszeit hat ein Gefangener lediglich Anspruch auf ein anteilig gekürztes Arbeitsentgelt. Die Praxis der JVA, den Tagessatz durch die Sollarbeitsminuten zu teilen und den Gefangenen entsprechend der tatsächlich geleisteten Arbeitszeit zu vergüten, ist nicht zu beanstanden. Diese Art der Berechnung entspricht den Verhältnissen des Arbeitsalltags in Freiheit (vgl. OLG Dresden NStZ 2000, 465). Dies gilt auch für die Berechnung der Zulagen.

b. Im übrigen ist der Lohnschein in mehrfacher Hinsicht rechnerisch nicht nachvollziehbar und teilweise auch falsch, insoweit bleibt der Rechtsbeschwerde der Erfolg versagt und ist der Strafgefangene hinsichtlich der Vergütung für den Monat August 2006 durch die JVA neu zu bescheiden.

aa. Dies gilt zunächst für die Angabe der Gesamtbezüge (462,68 ?), die sich bei verständiger Sichtweise aus den Summen der Grundvergütung und den Zulagen zusammensetzen müßte. Die Grundvergütung (10452 min x 0,03291 ? = 343,98 ?) ist in dem Lohnschein indessen nicht gesondert ausgewiesen. Rechnet man diesem Betrag die Zulagen hinzu (103,22 ? + 7,92 ? + 3,96 ?) ergäbe sich die Summe von 459,08 ?. Wo die Differenz zu dem angegebenen Gesamtbetrag (3,60 ?) herrührt, erschließt sich nicht.

bb. Die Berechnung der Zulagen weist ebenfalls nicht nachvollziehbare Rechen- bzw. Rundungsfehler auf:

Leistungszulage: 30% X 10452 X 0,03291 ? = 103,19 ? (angegeben: 103,22 ?)

Mehrarbeitszulage: 10% X 2412 X 0,03291 ? = 7,94 ? (angegeben: 7,92 ?)

Zulage wegen ung. Arbeitszeit: 5% X 2412 X 0,03291 ? = 3,97 ? (angegeben: 3,96 ?) Die sich so ergebenden Differenzen führen zwar nach beiden Berechungen dazu, dass die Summe der Zulagen hier 115,10 ? beträgt. Dies ändert aber nicht an der fehlenden rechnerischen Nachvollziehbarkeit.

cc. Nicht nachvollziehbar ist schließlich die Berechnung der Mehrarbeitszulage.

(1) Der Strafgefangene hat an insgesamt sechs Tagen zulagenfähige Mehrarbeit im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 3 StVollzVergO geleistet. Diesem Zeitraum entspricht die von der JVA angegebene Arbeitsminutenzahl (402 x 6 = 2412). Insofern ist nicht verständlich, weshalb die JVA ihrer Berechnung unter Anwendung des Runderlasses (dort § 3 Abs. 4) nur den Zulagensatz für an bis zu vier Tagen geleistete Mehrarbeit (10%) zugrundegelegt hat.

Soweit die JVA im Zusammenhang mit der nicht in zulässiger Weise erhobenen Verfahrensrüge ausgeführt hat, drei der sechs Mehrarbeitstage seien durch Freizeit ausgeglichen worden, findet sich dies zwar in der Abrechnung insoweit wieder, als dort angegeben ist: "Freizeitausgleich/ 21, 23, 28".

Unverständlich bleibt aber, weshalb die JVA bei der Berechnung der Zulage den Zulagensatz ohne Anrechnung des Freizeitausgleichs auf den vollen Mehrarbeitszeitraum von sechs Tagen (2412) angewendet hat.

(2) Soweit dem Strafgefangenen die geleistete Mehrarbeit bislang mit einer Zulage von 25% vergütet worden ist, hat die Strafvollstreckungskammer zu Recht darauf hingewiesen, dass diese Zulage nicht ohne weiteres auf 10% gekürzt werden durfte.

Bei der Gewährung einer Mehrarbeitszulage handelt es sich um einen begünstigenden Verwaltungsakt mit Dauerwirkung (vgl. Arloth/Lückemann, StVollzG § 43 Rn. 16-17). Insoweit liegt die Sache anders, als bei der einzelfallbezogenen Leistungszulage, die jeweils nach neuer Leistungsbewertung festgesetzt wird (vgl. dazu: KG ZfStrVo 1982, 315; NStZ 2002, 336; HansOLG Hamburg, Beschluss vom 11. Februar 2002 - 3 Vollz (Ws) 6/02 - zit. nach juris).

Die Mehrarbeitszulage durfte daher nur unter den Voraussetzungen von § 48 VwVfG gekürzt werden. Die Gewährung der nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 StVollzVergO höchstmöglichen Zulage von 25% war hier rechtswidrig, weil ermessensfehlerhaft. Nach § 2 Abs. 1 StVollzVergO "kann" die Zulage bis zu 25% des Grundlohnes betragen. Von dem ihr sonach eingeräumten Ermessen hat die JVA indessen keinen Gebrauch gemacht (vgl. dazu Kopp/Ramsauer, VwVfG 9. Aufl. § 40 Rn. 59), weil das von ihr verwendete Computerprogramm die in der Richtlinie vorgesehene Staffelung nicht umzusetzen vermochte. Zudem hat sich die JVA dadurch nicht an die aufgrund des Erlasses eingetretene Selbstbindung gehalten (vgl. Kopp/Ramsauer aaO Rn. 26).

Nach alledem wird die JVA bei der Neubescheidung des Strafgefangenen hinsichtlich der Mehrarbeitszulage § 48 VwVfG zu prüfen und beachten haben.

2. Hinsichtlich der Verbuchung der Bezüge ist die Abrechnung insoweit nicht nachvollziehbar, als dies die Angaben zum Überbrückungsgeld betrifft. Zwischen den Parteien ist außer Streit, dass der Antragsteller das Überbrückungsgeld bereits voll angespart hat. Dies ist aus den Angaben zum Kontostand jedoch nicht ersichtlich. Im Gegenteil weist der Lohnschein dazu einen Kontostand von "0" und ein "Überbrückungsgeld-Soll" von 2.208,-- ? aus. Damit entsteht der Eindruck, als sei das auf 2.208,-- ? festgesetzte Überbrückungsgeld noch in voller Höhe einzuzahlen.

Zudem erschließt sich nicht, weshalb 256,50 ? der Gesamtnettobezüge auf das Überbrückungsgeld verbucht wurden ("davon Überbrückungsgeld"), obwohl dieses unstreitig bereits voll angespart war. Soweit die Antragsgegnerin in ihrer Stellungnahme vom 24. Oktober 2006 darauf hingeweisen hat, das überschüssige Überbrückungsgeld sei tatsächlich dem Eigengeld zugebucht worden, bleibt unverständlich, weshalb dies aus dem Lohnschein, der hierfür sogar eine Rubrik vorsieht ("davon Eigengeld") nicht hervorgeht. Der auf das Eigengeld verbuchte Anteil der Gesamtnettobezüge ist dort vielmehr - unverständlich angesichts der Ausführungen der Antragsgegnerin - mit "0" angegeben.

Die Antragsgegnerin wird dafür zu sorgen haben, dass der Lohnschein selbst die tatsächliche Verbuchung der Nettobezüge und auch die Kontostände zutreffend wiedergibt.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 121 Abs. 4 StVollzG i.V.m. § 473 Abs. 1 und Abs 4 StPO. Wegen des nur geringfügigen Teilerfolges hat die Beschwerdeführerin die gesamten Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Ende der Entscheidung

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