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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 21.02.2002
Aktenzeichen: 3 Ws 1239/01
Rechtsgebiete: StVollzG


Vorschriften:

StVollzG §§ 109 ff.
Eine Untätigkeitsbeschwerde ist in Strafvollzugssachen nur dann zulässig, wenn die Untätigkeit des Gerichts eine Ablehnung der gestellten Anträge auf gerichtliche Entscheidung gleichzustellen sind.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN BESCHLUSS

3 Ws 1239/01 (StVollz) (früher 3 VAs 35/01) 3 Ws 79-92/02 (StVollz) 3 Ws 231/02 (StVollz)

In der Strafvollstreckungssache

hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die Beschwerde des Strafgefangenen gegen das Unterlassen der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Gießen, über die in den genannten Strafvollzugssachen gestellten Anträge zu entscheiden,

am 21.2.2002 beschlossen:

Tenor:

Die genannten Verfahren werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.

Die Beschwerden werden als unzulässig verworfen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.

Gründe:

In den genannten Verfahren hat der Strafgefangene bei der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Gießen nach §§ 109 ff. StVollzG Anträge auf gerichtliche Entscheidung, die unterschiedliche Bereiche aus dem Strafvollzug betreffen gestellt, über die das Gericht bisher noch nicht entschieden hat. Der Antragsteller sieht darin eine unzumutbare und vermeidbare Verzögerung der Verfahren, wodurch gegen seinen Anspruch auf effektiven Rechtsschutz verstoßen werde, zumal er bereits am 28.3.2002 nach voller Verbüßung aus der Strafhaft entlassen werde. Der Antragsteller erhebt deshalb Untätigkeitsbeschwerden - als solche sind seine Klagen bzw. Anträge auf einstweilige Anordnung auszulegen - mit dem Antrag, die Strafvollstreckungskammer bei dem Landgericht Gießen zu verpflichten, seine Anträge auf gerichtliche Entscheidung zu bescheiden. Richter am Landgericht..., zuständiger Richter der Strafvollstreckungskammer, hat hierzu mit Vermerk vom 29.1.2002 u.a. erwidert: Der Antragsteller habe selbst an erster Stelle durch seine einer zügigen Erledigung entgegenstehenden Anträge, und zwar u.a. Befangenheitsgesuche, eine zeitnahe Erledigung der Verfahren blockiert bzw. verzögert. Im übrigen sei er, Richter am LG ..., seit September 2001 durch zusätzliche Belastung in der 4. kleinen Strafkammer und im Schwurgericht nicht in der Lage gewesen, die Verfahren in der StVK mit der wünschenswerten Geschwindigkeit zu bearbeiten. Richter am LG ... hat außerdem auf Nachfrage des Senats am 12.2.2002 sinngemäß erklärt, daß die noch ausstehenden Sachentscheidungen so schnell wie möglich getroffen werden sollen. Der Antragsteller hat zur Stellungnahme des Richters am LG ... u.a. ausgeführt: Dessen Sachvortrag müsse als "Schutzbehauptung" gewertet werden. Verschiedene Verfahren seien teilweise seit über zwei Jahren anhängig und hätten sich durch "Zeitablauf" erledigt. Der Befangenheitsantrag sei bereits am 10.7.2001 eingereicht und - nicht nachvollziehbar - erst im November 2001 beschieden worden. Er werde am 28.3.2002 ohne Entlassungsvorbereitungen (Entlassungsurlaub), Wohnung und Arbeit aus der Strafhaft entlassen.

Die Beschwerden - auch über die jüngste vom 11.2.2002 (1 StVK-Vollz-96/01 = 3 Ws 231/02 (StVollz)) konnte mitentschieden werden - waren wegen Sachzusammenhangs zur gemeinsamen Entscheidung zu verbinden.

Die Untätigkeitsbeschwerden sind unzulässig.

Der Strafprozeßordnung, deren Vorschriften auch für das gerichtliche Verfahren in Strafvollzugssachen entsprechend anwendbar sind (§ 120 Abs. 1 StVollzG), ist eine reine Untätigkeitsbeschwerde fremd (BGH NJW 1993, 1279,1280 m.w.N.; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 45. Aufl., § 304 Rn. 3), weil in der bloßen Untätigkeit keine sachliche Entscheidung liegt, nur eine solche aber Gegenstand der Überprüfung durch das Beschwerdegericht sein kann (vgl. dazu Senatsbeschl. v. 29.10.2001 - 3 Ws 987/01 NJW 2002, 453.

Zwar ist damit nicht jede gerichtliche Untätigkeit einer Anfechtung entzogen. Denn die Haftentlassung einer von Amts wegen oder auf Antrag zu treffenden Entscheidung ist dann - ausnahmsweise - anfechtbar, wenn die unterlassene Entscheidung selbst bzw. deren Ablehnung anfechtbar ist und der Unterlassung die Bedeutung einer endgültigen Ablehnung und nicht einer bloßen Verzögerung der zu treffenden Entscheidung zukommt (vgl. BGH NJW 1993,1279,1280 m.w.N.). Deshalb hat der Senat im Anschluß an Entscheidung des Bundesgerichtshofs (aaO) Untätigkeitsbeschwerden der Staatsanwaltschaft wegen unterbliebener Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens für zulässig und beendet erklärt, weil durch die Untätigkeit der Strafkammer der Eintritt der Verjährung der angeklagten Straftaten drohte, weil damit der Unterlassung der Entscheidung die Bedeutung einer endgültigen Ablehnung der Eröffnung des Hauptverfahrens und nicht einer bloßen Verzögerung der zu treffenden Entscheidung zukam (vgl. Senatsbeschlüsse v. 17.9.2001 - 3 Ws 905/01 und v. 29.10.2001 - 3 Ws 987/01 = NJW 2002, 453 u. 454). So verhält es sich in den vorliegenden Fällen jedoch nicht. Durch die vom Antragsteiler beanstandete Untätigkeit des Gerichts in den Strafvollzugssachen tritt keine Verfahrenslage ein, die einer Ablehnung der gestellten Anträge auf gerichtliche Entscheidung gleichzustellen ist. Vielmehr kann auch jetzt noch über Zulässigkeit und Begründetheit der Anträge entschieden werden, ohne daß ein negatives Ergebnis zu Lasten des Antragstellers bereits feststeht. Die eingetretene Verzögerung kann allerdings zur Folge haben, daß sich die angefochtene bzw. begehrte Maßnahme erledigt hat. Das Strafvollzugsgesetz hat aber den Eintritt einer solchen Verfahrenslage akzeptiert und daran bestimmte Folgerungen geknüpft, z.B. nach § 115 Abs. 3 unter den dort genannten Voraussetzungen die Zulässigkeit eines Feststellungsantrages Und nach § 121 Abs. 2 S. 2 der Einfluß des erledigenden Ereignisses auf die Kosten- und Auslagenentscheidung. Damit bringt das Gesetz zum Ausdruck, daß auch nach Eintritt eines erledigenden Ereignisses noch Raum für eine Sachentscheidung bleibt, wenn auch in geänderter Form. Im übrigen ist in diesem Zusammenhang festzustellen, daß gerade in Strafvollstreckungssachen vor einer Entscheidung über einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung häufig erledigende Ereignisse eintreten werden, vor allem die Entlassung aus der Strafhaft nach teilweise oder vollständiger Verbüßung der Strafe. Die Anerkennung einer abschließenden Entscheidung auf der Grundlage eines erledigenden Ereignisses muß auch dazu führen, daß sich der Antragsteller zur Rechtfertigung der Zulässigkeit seiner Untätigkeitsbeschwerden nicht auf eine Rechtsschutzverweigerung berufen kann. Jedenfalls kann er eingetretene bzw. drohende Rechtsschutzbeeinträchtigungen nicht über den Weg einer Untätigkeitsbeschwerde abwenden bzw. mildern.

Die Untätigkeitsbeschwerden waren somit als unzulässig zu verwerfen, ohne da der Senat zu klären hatte, worauf die Verzögerung der Sachentscheidungen im einzelnen beruhen.

Die Beschwerden ergehen gerichtsgebührenfrei, weil eine gesonderte Gebühr für die Verwerfung einer Beschwerde in Strafvollzugssachen nicht vorgesehen ist.

Ende der Entscheidung

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