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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 04.01.2005
Aktenzeichen: 3 Ws 1278/04
Rechtsgebiete: GG, GVG, StGB, StPO


Vorschriften:

GG Art. 100
GVG § 74
StGB § 55
StGB § 66 b
StPO § 275 a V
StPO § 462 a III 2
1. Werden mehrere Strafen unterschiedlicher Tatgerichte im Anschluss vollstreckt, so kann dasjenige Tatgericht, dessen erkannte Strafe zum Zeitpunkt des Eingangs des Antrags der Staatsanwaltschaft auf nachträgliche Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung bereits vollständig vollstreckt war, zum Erlass des Unterbringungsbefehls nicht berufen sein, selbst wenn es auf die höchste aller verhängten Strafen erkannt hat.

2. Die Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung (§ 66 I, II StGB) kommt nur in Betracht, wenn neue, also nach der Verurteilung entstandene oder bekannt gewordene Umstände vorliegen, welche die Gefährlichkeit des Verurteilten gegenüber dem verurteilenden Erkenntnis deutlich erhöhen. Solche Tatsachen können sich auch aus einem zur Frage einer bedingten Entlassung eingeholten Prognosegutachten ergeben.

3. Ob eine Tatsache neu im vorgenannten Sinne ist, bemisst sich im Falle der Anschlussvollstreckung mehrerer Strafen nach dem Zeitpunkt, des letzten Urteils, in dem der Tatrichter eine Entscheidung über die primäre Anordnung der Sicherungsverwahrung hätte treffen können.

4. Eine Anwendung des § 66 b I und II StGB scheidet aus, wenn die Sachlage gegenüber dem Zeitpunkt des Ausgangsurteils unverändert ist und sich lediglich in der Bewertung der prognoserelevanten Tatsachen eine Abweichung ergeben hat. Ebenso kommt § 66 b I StGB nicht zum Tragen, wenn feststeht, dass das erkennende Gericht auch bei Kenntnis und unter Berücksichtigung der neuen Tatsachen nicht zu einer Anordnung der Sicherungsverwahrung gelangt wäre, wie etwa im Falle einer fehlerhaften Verneinung nur der formellen Voraussetzungen der Sicherungsverwahrung, aber Bejahung der Gefährlichkeit i. S. des § 66 I Nr. 3 StGB.

5. Das für die Anordnung der primären Sicherungsverwahrung erforderliche Merkmal des Hangs ist auch Voraussetzung einer nachträglichen Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nach §§ 66 b I und II StGB.

6. Eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gem. Art 100 I GG zur Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit des § 66 b I StGB ist im Verfahren nach § 275 a StPO, in dem es lediglich um die Rechtmäßigkeit der vorläufigen Unterbringung des Betroffenen geht, nicht angezeigt.


OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN BESCHLUSS

3 Ws 1278/04

In dem Verfahren über die nachträgliche Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung

wegen Vergewaltigung

hier: Nachträgliche Unterbringung in der Sicherungsverwahrung

hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die Beschwerde des Betroffenen gegen den Unterbringungsbefehl der 25. Großen Strafkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 20.09.2004

am 04.01.2005 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde wird verworfen.

Gründe:

I.

1. Der seit dem Jahre 1985 in der Bundesrepublik Deutschland lebende, in Y geborene, mittlerweile staatenlose und mit einem bis zum Jahre 2038 befristeten Aufenthaltsverbot in seinem Heimatland belegte Betroffene wurde durch das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 21.01.1987, Aktenzeichen 1 KLs 76 Js 29778/86, wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 5 Jahren verurteilt.

a. Nach den dort getroffenen Feststellungen hatte er in O 1 am 06.10.1986 nachts einer ihm zuvor nicht bekannten Studentin angeboten, sie mit dem PKW von einem Lokal, in dem sich beide als Gäste aufgehalten hatten, nach Hause zu fahren. Die Studentin nahm dieses Angebot an. Als sie in der Nähe ihrer Wohnung aus dem Fahrzeug des Betroffenen aussteigen wollte, fragte dieser sie, ob er mit in ihre Wohnung kommen könne. Als die Geschädigte dies verneinte, hielt er sie plötzlich am Hals fest und zog sie an den Haaren zu sich herüber. Dabei würgte er sie, bis sie keine Luft mehr bekam und momentweise das Bewußtsein verlor. Sodann stieß er die Geschädigte quer über die Vordersitze - den Kopf zur Fahrerseite. Mit der einen Hand hielt er sie am Hals fest, mit der anderen zog er ihr die Strumpfhose, die Unterhose und den BH aus. Ferner streifte er ihr Kleid bis zum Hals hoch. Als die Studentin versuchte, sich zu wehren, drückte ihr der Betroffene den Hals zu, so daß sie begann, Todesangst zu empfinden, und drohte ihr, sie könne tun, was sie wolle, er werde sie doch umbringen. Zudem gab er ihr zwei feste Ohrfeigen, wovon sie noch mehrere Tage Schmerzen hatte. Dann zog der Betroffene, der das Opfer mit der einen Hand weiterhin festhielt, sich selbst Hose und Unterhose herunter und verlangte von dem Opfer, ihn mit der Hand sexuell zu befriedigen. Da die Geschädigte dies energisch ablehnte, rieb er sein Glied selbst. Dann führte er sein erigiertes Glied in ihre Scheide ein und übte den Geschlechtsverkehr bis zum Samenerguß aus. Danach gelang es der Geschädigten, sich aus dem Auto zu befreien und zu entkommen. Sie hatte in der Folgezeit aufgrund der erlittenen Mißhandlungen Blutergüsse am Oberkörper, dem Hals und den Armen, litt etwa einen Monat unter Depressionen sowie noch zur Zeit des Urteils teilweise unter Magenschmerzen und Schlafstörungen.

In der Hauptverhandlung hatte der Betroffene die Tat im wesentlichen eingestanden und lediglich behauptet, das Opfer habe vor dem Aussteigen mit ihm geschmust und ihm einen Abschiedskuß gegeben.

Ausweislich der von der Strafkammer getroffenen Feststellungen ist er Betroffene vor seiner Einreise in die Bundesrepublik Deutschland in der Zeit zwischen 1972 und 1984 je zweimal wegen Nötigung zum Beischlaf, Raubes, Verstoßes gegen das Waffengesetz und je einmal wegen Hehlerei, unbefugten Gebrauchs von Kraftfahrzeugen, Fälschung besonders geschützter Urkunden und schweren Betruges zu Freiheitsstrafen von insgesamt sechs Jahren und sieben Monaten verurteilt worden.

b. Der Betroffene saß in der dem Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 21.01.1987 zugrunde liegenden Sache ab dem Tattag (06.10.1986) bis zum 11.10.1988 zunächst in Untersuchungs-, dann in Strafhaft. Nach einer kurzen Haftunterbrechung befand er sich sodann weiter in Strafhaft vom 25.10.1988 bis zum Zweidrittelzeitpunkt am 19.02.1990. Die Reststrafe wurde ihm durch Beschluß des Landgerichts Kassel - Strafvollstreckungskammer - vom 08.02.1990 auf drei Jahre (mithin bis zum 18.02.1993) zur Bewährung ausgesetzt.

Während der Haft heiratete der Betroffene und nahm den Namen seiner Ehefrau an. Im Jahre 1989 wurde eine gemeinsame Tochter geboren.

2. Noch innerhalb der laufenden Bewährungszeit beging der Betroffene am 21.07.1992 zwei weitere Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung.

a. Nach einer Auseinandersetzung mit seiner Ehefrau fuhr er mit einer Blutalkoholkonzentration zwischen 1,6 und 1,8 Promille nachts in das ... Bahnhofsviertel und ließ eine Prostituierte zum Zwecke des Geschlechtsverkehrs, für den eine Zahlung von 50 DM vereinbart worden war, in seinen Wagen einsteigen. Nachdem er mit ihr auf einen Parkplatz gefahren war, hielt er ihr ein Messer an den Hals und forderte sie auf, sich zu entkleiden. Mit den Worten: "Was wäre, wenn ich nicht bezahlte?" drückte er das Messer so an den Hals der Geschädigten, daß diese es spürte. Aus Angst kam sie den Aufforderungen des Betroffenen nach. Nachdem sie sich nackt ausgezogen hatte, befahl dieser ihr, seine Hose zu öffnen und den Mundverkehr auszuüben, wobei er sie weiterhin ständig mit dem Messer bedrohte. Anschließend mußte sich die Geschädigte auf den Schoß des Betroffenen setzen, wo er sein Glied in ihre Scheide einführte. Nachdem er es wieder herausgezogen hatte, onanierte er, riß kurz vor dem Orgasmus den Kopf des Opfers über seinen Penis und ejakulierte in ihr Gesicht. Danach forderte er die Geschädigte auf, das Fahrzeug sofort zu verlassen, was diese auch tat.

Weniger als einer Stunde nach dieser Tat fuhr der Betroffene - nunmehr mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,4 bis 1,6 Promille - erneut in das ... Bahnhofsviertel, um mit einer anderen Prostituierten, der er wiederum 50 DM versprach, den Geschlechtsverkehr auszuüben. Nachdem er mit dieser Geschädigten zu diesem Zweck zum Universitätsgelände gefahren war und sie dort ihren Lohn forderte, zog er ein Messer, richtete dessen Spitze auf ihren Hals, drückte es an diesen und forderte sie auf, sich auszuziehen. Als er das Messer, um eine besseres Ausziehen der Kleidung zu ermöglichen, etwas von dem Hals des Opfers entfernt hatte, nutzte dieses die Gelegenheit und floh aus dem Auto. Der Betroffene konnte kurz darauf aufgrund der Angaben der Geschädigten festgenommen werden.

Er wurde wegen der beiden vorgenannten Taten von dem Landgericht Frankfurt am Main durch Urteil vom 03.03.1993 wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit sexueller Nötigung sowie wegen versuchter Vergewaltigung, jeweils in Tateinheit mit Trunkenheit im Verkehr und Fahren ohne Fahrerlaubnis, begangen in beiden Fällen im Zustand der (nicht ausschließbaren) erheblich eingeschränkten Steuerungsfähigkeit (§ 21 StGB) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Die Einzelstrafen betrugen drei Jahre und drei Monate sowie ein Jahr und zehn Monate.

In der Hauptverhandlung hatte der Betroffene beide Taten gestanden.

In der Strafzumessung führte die Kammer unter anderem aus, da der A nunmehr das vierte Mal wegen eines Sexualdelikts bestraft worden sei, sei seine psychiatrische und psychologische Behandlung während der Haftzeit zur Vermeidung künftiger einschlägiger Taten unbedingt erforderlich.

b.

Der Betroffene saß in dieser Sache ab dem Tattag (21.07.1992) bis zum 20.03.1995, dem Zweidrittelzeitpunkt, zunächst in Untersuchungs-, dann in Strafhaft, wobei er sich ab dem 14.11.1994 im offenen Vollzug befand. Ab dem 20.03.1995 verbüßte er - nach Bewährungswiderruf - bis zum 16.11.1996 die Reststrafe aus der Verurteilung vom 21.01.1987 und ab dem 16.11.1996 bis zum 22.05.1997 einen Teil des Strafrests aus der Verurteilung vom 03.03.1997.

Das Landgericht Frankfurt am Main - Strafvollstreckungskammer - hatte durch Beschluß vom 20.05.1997 die Vollstreckung des Rests der Freiheitsstrafe aus dem letztgenannten Urteil für die Dauer von drei Jahren zur Bewährung ausgesetzt.

Zur Vorbereitung dieser Entscheidung hatte die Strafvollstreckungskammer zunächst ein Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen Dr. med. B und sodann ein weitere Gutachten der Diplompsychologin C und des Psychiaters D eingeholt. Gemäß dem an den Sachverständigen Dr. med. B gerichteten Gutachtenauftrag sollte der Betroffene im Hinblick auf eine möglicherweise noch fortbestehende Gefährlichkeit im Bereich der Sexualdelinquenz begutachtet werden.

aa. In seinem Gutachten vom 01.01.1997 gelangte Dr. B zu folgendem Ergebnis: Der Betroffene mache in psychopathologischer Hinsicht einen unauffälligen Eindruck, Hinweise für gestörte Persönlichkeitsradikale im Bereich des Antriebs, der Affekte, der Aggressivität, der Begabung, des Charakters, des Denkens und der Denkweisen, des Einfühlungsvermögens, der Emotionalität und der Empfindlichkeit sowie des Gemüts hätten sich nicht ergeben. Auch im Bereich von Temperament, Wille und Stimmung sowie von Sexualität sei keine Pathologie angegeben worden.

Da diese Situation in gleicher Weise vor Begehung der Taten aus dem Urteil vom 03.03.1993 bestanden habe, sei ein Kontrast zwischen normkonformen Verhaltensmöglichkeiten des Betroffenen innerhalb strafender Institutionen des Rechts und seinen zum Teil hochaggressiven Straftaten unter Freiheitsbedingungen zu verzeichnen. Völlig zu Recht habe daher die Sozialtherapeuthische Anstalt der Justizvollzugsanstalt ... im Jahre 1988 ausgeführt, die Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung seien bei dem Betroffenen eingebettet in eine insgesamt kriminelle Entwicklung und nicht auf dem Hintergrund einer umschriebenen sexuellen Problematik oder Deviation zu sehen.

Bei dem Betroffenen sei aus psychiatrischer Sicht eine dissoziale Persönlichkeit und eine Haltschwäche zu diagnostizieren, wobei im Vordergrund der Strukturverbiegung seines Charakters die Haltschwäche mit der Behinderung stehe, Strebungen und Triebe in vollem Umfang eigenverantwortlich und normkonform zu organisieren und auszurichten, wobei der Betroffene beim Durchbruch dissozialer Impulse eine hochaggressive Entschluß- und Durchsetzungsfähigkeit zeigen könne.

Im Hinblick auf die Frage nach der möglicherweise noch fortbestehende Gefährlichkeit im Bereich der Sexualdelinquenz gelangte der Sachverständige zu dem Ergebnis, der Betroffene sei ein Problemfall, da bei ihm sich im Charakterologischen liegende ungünstige Prognosekriterien mit im allgemeinen günstigen Gesichtspunkten wie Familie und Arbeit durchflechten würden, wobei die Familienkonstellation ihn allerdings auch in der Vergangenheit nicht vor schweren Rückfällen bewahrt habe. Das vorhandene Geflecht prognostisch günstiger und ungünstiger Faktoren lasse es nicht zu, die Möglichkeit noch fortdauernder Gefährlichkeit (auch) im Bereich der Sexualdelinquenz zu verneinen. Die Bejahung der Möglichkeit noch fortdauernder Gefährlichkeit im Bereich der Sexualdelinquenz meine hier merklich mehr als nur den abstrakten Begriff der Möglichkeit. Der vorgegebene Begriff der Möglichkeit entspreche praktisch dem des beurteilungsrelevanten "Risikos" oder der - nach Auffassung des Sachverständigen - konkret fortbestehenden "Gefährlichkeit" im Bereich der Sexualdelinquenz.

bb. Gegenüber den von der Strafvollstreckungskammer zusätzlich bestellten Gutachtern C und D gab der Betroffene unter anderem an, bei den Vergewaltigungen sei es ihm darum gegangen, seine Mutter dafür zu bestrafen, daß sie die von ihm gewünschte intakte Familie nicht geboten habe. In diesem Zusammenhang sei es ihm auch um Erniedrigung der vergewaltigten Frauen gegangen, und zwar als eine "Umkehrung der Hilflosigkeit, weniger aus Spaß", sondern in der Art: "Dir ist es nicht möglich, mich wegzuschicken, weil Du bist die brutal Unterlegene".

In ihrem Gutachten vom 04.04.1997 gelangten die Sachverständigen C und D zu folgendem Ergebnis: Die durchgeführten testpsychologischen Untersuchungen hätten unter anderem ergeben, daß der Betroffene mit einen Intelligenzquotienten von 130 über eine sehr hohe allgemeine Intelligenz verfüge. Hirnorganische Störungen lägen bei ihm nicht vor.

Der psychiatrische Befund ergebe jedoch eine narzistische Störung auf Borderline- Niveau. Die vorliegenden Informationen und Untersuchungsergebnisse wiesen aber auch darauf hin, daß der Betroffene hinsichtlich wesentlicher Persönlichkeitsbereiche einen positiven Entwicklungsprozeß vollzogen habe. Es könne nach derzeitigem Kenntnisstand nicht mehr von einer haltschwachen Persönlichkeit gesprochen werden. Die aktuelle Zustandsdiagnose lasse durchaus eine günstige Prognose zu. Nicht nur die Sozialprognose - einschließlich der glaubhaften nunmehrigen Alkoholabstinenz - stelle sich als günstig dar. Vielmehr sei auch die kriminologische Prognose aufgrund der Entwicklungsfortschritte des Betroffenen überwiegend positiv.

Die Möglichkeit, daß der Betroffene weitere einschlägige Straftaten begehe, könne sicherlich nicht mit Gewißheit verneint werden. Bei Berücksichtigung aller vorliegenden Informationen und Untersuchungsbefunde sei aber davon auszugehen, daß ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für die Begehung erheblicher strafbarer Handlungen nicht gegeben sei. Eine bedingte Entlassung des Betroffenen könne daher verantwortet werden, wobei diese von bestimmten psychosozialen Rahmenbedingungen - unter anderem der Auflage einer ambulanten psychotherapeutischen Behandlung - begleitet sein solle.

cc. Die Strafvollstreckungskammer gelangte in dem bereits erwähnten Beschluß vom 20.05.1997 aufgrund der von ihr - wegen des unterschiedlichen Ergebnisses der beauftragten Sachverständigen - herangezogenen von Rasch entwickelten Kriterien der klinischen Prognose kriminellen Verhaltens zu dem Ergebnis, eine erneute vergleichbare Straffälligkeit des Betroffenen sei wenig wahrscheinlich, so daß seine Entlassung - in Übereinstimmung mit der Auffassung der Staatsanwaltschaft und der Justizvollzugsanstalt - verantwortet werden könne. Sie setzte daher den Strafrest unter anderem mit der Weisung der Aufnahme einer ambulanten psychotherapeutischen Behandlung für die Dauer von drei Jahren zur Bewährung aus.

3. Innerhalb dieser Bewährungszeit beging der Betroffene, der sich Mitte des Jahres 1997 von seiner Ehefrau getrennt hatte, erneut eine einschlägige Straftat.

a. Er hatte am 14.01.1999 eine Gelegenheitsprostituierte unter dem Vorwand in seine Wohnung in O 2 gelockt, dort mit ihr gegen Entgelt den Geschlechtsverkehr durchführen zu wollen. Als die Geschädigte ihn aufgesucht hatte, bedrohte er sie mit einem etwa 30 Zentimeter langen Schlachtermesser, legte einen Arm um ihren Hals und würgte sie. Sodann führte er sie in das Schlafzimmer und zwang sie dort unter weiterer Drohung mit dem Messer, den Oral- und Vaginalverkehr mit ihm zu vollziehen.

Für diese Tat, die er in der Hauptverhandlung eingestanden hatte, wurde der Betroffene von dem Landgericht Hannover durch Urteil vom 15.03.1999 wegen Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Das Urteil wurde noch am gleichen Tag rechtskräftig.

Zu dem Hintergrund der Tat enthält das Urteil des Landgerichts Hannover folgende Feststellungen: Der Betroffene leidet an einer Herzmuskelschwäche und steht auf der Liste für eine Herztransplantation an 16. Stelle. Er kam deshalb im Juni 1998 nach O 2 und wurde in der ... (gemeint: Medizinische ...) und anderen Kliniken stationär behandelt. Ohne eine Herztransplantation hat er eine Lebenserwartung von noch etwa zwei Jahren, mit neuem Herz eine solche von 15 bis 18 Jahren. Im November 1998 wurde der Betroffene aus der Klinik entlassen, weil zu erkennen war, daß für die in Aussicht genommene Herztransplantation keine Krankenversicherung zur Bezahlung der Operationskosten bestehen würde. Der Betroffene war über seine Ehefrau als Familienmitglied bei deren Krankenkasse mitversichert, wobei die Mitgliedschaft jedoch mit der bevorstehenden - am 22.01.1999 auch tatsächlich erfolgten - Scheidung endete. Da er von einem Arzt erfahren hatte, daß das Land für Strafgefangene die Kosten der erforderlichen medizinischen Behandlungen und Operation trage, beschloß er - so die ohne Einschränkung getroffenen Feststellungen des Landgerichts -, eine Straftat zu begehen, um für längere Zeit in Haft zu gelangen und dann während der Haftverbüßung die erforderliche Herztransplantation auf Kosten des Landes durchführen zu lassen.

b. Wegen dieser Verurteilung saß der Betroffene in der Zeit vom 14.01.1999, dem Tattag, bis zum 14.01.2004 zunächst in Untersuchungs- und dann in Strafhaft.

c. Im Zusammenhang mit der geplanten Herztransplantation beauftragte die Justizvollzugsanstalt ... die Diplompsychologin E mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens zu der im Vorfeld der möglichen Operation zu klärenden Frage, ob der Betroffene die erforderliche Zuverlässigkeit für die mit der Operation verbundene langwierige und umfangreiche Nachbehandlung besitze. Die Sachverständige gelangte in ihrem Gutachten vom 24.11.1999 zu dem Ergebnis, im Rahmen des 16- Persönlichkeitsfaktorentests nach Cattell und des Freiburger Persönlichkeitsinventars entstehe ein weitgehend unauffälliges Persönlichkeitsprofil. Allerdings sei - auch ohne daß ein umfassendes Persönlichkeitsbild entworfen werde - ersichtlich, daß bei dem Betroffenen Aggression und Sexualität eine Koppelung erfahren hätten und unter Alkohol nicht ausreichend gehemmt worden seien, was zu aggressiven Sexualdelikten geführt habe. Der Betroffene verfüge, wie in der psychologischen Untersuchung angeklungen sei, über eher wenig Empathievermögen und schwinge mit anderen Personen eher wenig affektiv mit. Für die Frage nach einem zuverlässigen Nachsorgeverhalten im Anschluß an eine Herztransplantation seien diese Persönlichkeitseigenarten jedoch irrelevant. Von seinem kognitiven Profil her sei der intelligente Betroffene gut in der Lage, die an ihn nach einer Operation gestellten Anforderungen logisch zu durchdringen und diese sinnvoll und zuverlässig zu erfüllen.

d. Im Rahmen der Prüfung der Möglichkeit einer bedingten Entlassung zum Zweidrittelzeitpunkt beauftragte das Landgericht Lüneburg die Sachverständige Dr. med. F, Fachärztin für Psychiatrie, ... ...krankenhaus ..., mit der psychiatrischen Begutachtung des Betroffenen, wobei insbesondere die Frage geklärt werden sollte, ob bei dem Betroffenen keine Gefahr des Fortbestehens der durch die Tat zutage getretenen Gefährlichkeit mehr vorliege.

Die Sachverständige gelangte in ihrem Gutachten vom 20.07.2002 nach mehreren ausführlichen Explorationen des Betroffenen zu folgendem Ergebnis: Der Betroffene leide an einer mittelgradigen Herzinsuffizienz bei dilativer Kardiomyopathie, die unter medikamentöser Behandlung so weit habe verbessert werden können, daß er kardial kompensiert und stabil sei, so daß derzeit keine Notwendigkeit einer Herztransplantation bestehe.

Von dem psychischen Befund her bestünden bei dem Betroffenen keine Hinweise auf wahnhafte Denkinhalte oder Ich-Störungen. Er erscheine intelligent, zeige sich redegewandt und habe sich bereitwillig und ausführlich auf die Untersuchungsgespräche eingelassen. Auf konkrete Nachfragen zu problematischen Themen reagiere er jedoch mitunter widerwillig und erscheine hochgradig kränkbar, wenn das makellose Bild, das er von sich entwickelt habe, angekratzt werde. In Bezug auf seine zahlreichen Vorstrafen bestehe teilweise die Tendenz, diese zu verharmlosen oder auch zu bestreiten im Sinne davon, selbst ein Opfer der Justiz oder anderer Machenschaften zu sein. Empathie mit den Opfern im Sinne von emotionaler Beteiligung oder Betroffenheit sei bei dem Betroffenen kaum spürbar.

Hinsichtlich der zur Verurteilung vom 21.01.1987 führenden Tat habe der Betroffene angegeben, es sei ein lustiger, geselliger Abend gewesen, in dessen weiteren Verlauf er und die Geschädigte vor deren Haus im gegenseitigen Einverständnis in seinem PKW miteinander geschlafen hätten. Das Geständnis in der Hauptverhandlung habe er nur aus taktischen Gründen abgegeben. Gleiches gelte für seine späteren geständigen Angaben gegenüber den Sachverständigen Dr. B, C und D. Zu den Beweggründen der beiden Taten der Verurteilung vom 03.03.1993 habe der Betroffene erklärt, aus heutiger Sicht habe er sich gegebenenfalls für die erste Fehlverurteilung rächen wollen; möglicherweise sei es jedoch auch der unbewußte Wunsch gewesen, wieder in Haft zu gehen, um aus seinen privaten Problemen herauszukommen. Zu der letzten Tat vom 14.01.1999 habe der Betroffene angegeben, er habe sich, um für längere Zeit in Haft zu kommen, vermutlich deshalb für eine Vergewaltigung entschieden, weil er deren Ablauf aus den Vortaten gekannt habe.

Weiter hat die Sachverständige Dr. F ausgeführt, vom psychiatrischen Befund her bestehe bei dem Betroffenen vermutlich eine narzistische und dissoziale Persönlichkeitsstörung. Zur Frage der Krankheits- und Kriminalprognose ist Frau Dr. F unter Heranziehung der "Vorhersage der Gewalt mit dem HCR 20" in der modifizierten und adaptierten Übersetzung der kanadischen Übersetzung der Originalversion 2 von Webster, Douglas, Eaves und Hart (1997) zu folgenden Ergebnissen gelangt:

Eine psychotische oder hirnorganische Erkrankung bestehe nicht. Es liege jedoch eine Persönlichkeitsstörung im Sinne des ICD - 10 oder des DSM - IV vor. Im Rahmen des PCL-R (Psychopath Checklist Revised), welcher bei einem hohen Wert stärkster einzelner Prädiktor für zukünftige Gewalttätigkeiten sei, weise der Betroffene einen hohen, im Bereich "Psychopath" liegenden Wert auf.

Bei der Bewertung der gegenwärtigen Situation des Betroffenen sei festzustellen, daß dieser keine Einsicht in seine Persönlichkeitsproblematik habe; sein Aggressions- und Gefährlichkeitspotential sei ihm nicht bewußt. Seine Einstellung gegenüber "Recht und Ordnung" sei negativ geprägt, die Einstellung gegenüber den früheren Gewalttaten zeige einen Mangel an Reue und Empathie. Vor dem Hintergrund der bisherigen Therapiemaßnahmen (zweimalig Sozialtherapie sowie darüber hinaus Einzeltherapie) habe kein positiver Behandlungserfolg erreicht werden können.

Für die Bewertung der Zukunft des Betroffenen sei ein Instrument zur Vorhersage sexueller Gewalttaten, der SVR-20, in deutscher Übersetzung zur Anwendung gekommen. Hierbei hätten sich bei dem Betroffenen in 16 von 20 Unterpunkten auffällige Ergebnisse gefunden, die entweder eindeutig das Vorliegen des jeweiligen Risikomerkmals bejaht oder das Vorliegen wahrscheinlich gemacht hätten.

So gebe es Anhaltspunkte für das Bestehen einer sexuellen Deviation im Sinne eines sexuellen Sadismus (sexuelle Erregung durch das physische oder psychische Leiden anderer).

Zusammenfassend ergebe sich aus den angewandten Prognoseinstrumenten in der Gesamtschau der Risikofaktoren bzw. prognostischen Merkmale trotz der schweren Herzerkrankung des Betroffenen ein hohes Rückfallrisiko. Die durch die Straftat zutage getretene Gefährlichkeit bestehe unvermindert fort. Es bestehe indes aufgrund des beanstandungsfreien Verlaufs früherer Vollzugslockerungen kein Anhalt dafür, daß der Betroffene zukünftig Vollzugslockerungen mißbrauchen werde und währenddessen eine Straftat zu erwarten sei.

Auf der Grundlage dieses Gutachtens wurde eine Aussetzung des Strafrests durch das Landgericht Lüneburg abgelehnt.

e. Nach vollständiger Verbüßung der Strafe aus dem Urteil des Landgerichts Hannover vom 15.03.1999 verbüßte der Betroffene in der Zeit vom 14.01.2004 bis zum 10.11.2004 die Reststrafe aus dem Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 03.03.1993. Das Landgericht Frankfurt am Main - Strafvollstreckungskammer - hatte durch Beschluß vom 18.06.1999 insoweit die am 20.05.1997 gewährte Aussetzung des Strafrests widerrufen.

f. Am 09.08.2004 erstellte der Psychotherapeut Dipl.-Psych. Dr. G einen Bericht über den Verlauf der bei dem Betroffenen in der Zeit zwischen April 2003 und Februar 2004 in 37 Sitzungen durchgeführten Psychotherapie. In diesem Bericht wird mitgeteilt, der Betroffene habe sich in der Therapie offen und bemüht gezeigt, die Hintergründe der zu den Verurteilungen führenden Taten zu ergründen. Auffällig in der Lebensgeschichte des Betroffenen sei, daß er immer wieder das Erreichte zerstört habe. Das Bild von Frauen sei bei ihm sehr belastet, einerseits durch die asoziale Mutter, andererseits durch die völlig schwache und hilflose Stiefmutter. In der Kindheit habe er, da Widerspruch nicht geduldet worden sei, nie gelernt, Konflikte auszutragen. Seine Straftaten seien daher auch eine Flucht aus seinem Gefühl der Machtlosigkeit gewesen.

Zusammenfassend führte Dr. G aus, die Frage einer Wiederholungsgefahr lasse sich nie mit Sicherheit beantworten. Der Betroffene scheine sich nun aber zum ersten Mal konkret Gedanken über die Abläufe zu machen und habe wahrscheinlich erst jetzt mit der Bearbeitung seiner Probleme wirklich begonnen. Die Gefahr eines Rückfalls werde deshalb dieses Mal geringer bewertet.

4. Seit dem 10.11.2004 befindet sich der Betroffene in Haft aufgrund des mit der Beschwerde angefochtenen Unterbringungsbefehls vom 20.09.2004.

Durch Beschluß vom 12.11.2004 hat die Strafkammer - entsprechend dem Vorschlag der Verteidigerin des Betroffenen - die Sachverständigen Prof. Dr. med. H und Dr. med. I mit der gemäß § 275 a Abs. 4 Satz 2 StPO vorgesehenen psychiatrischen Begutachtung des Betroffenen beauftragt.

II.

Die Beschwerde ist zulässig (§ 304 StPO), bleibt in der Sache jedoch ohne Erfolg.

Der angefochtene Unterbringungsbefehl weist zwar eine für die Anordnung einer freiheitsentziehenden Maßnahme sehr stark verkürzte Begründung auf, ist in der Sache jedoch zu Recht ergangen.

1. Das Landgericht Frankfurt am Main war für den Erlaß des Unterbringungsbefehls sachlich und örtlich zuständig, obwohl der Betroffene zuletzt von dem Landgericht Hannover wegen einer Katalogtat verurteilt worden ist. Zuständig für die Entscheidung über die nachträgliche Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung ist gemäß § 74 f Abs. 1 GVG im Falle eines landgerichtlichen Ausgangsurteils grundsätzlich die Kammer, die als Tatgericht entschieden hat. Dies wäre hier das Landgericht Hannover. Gemäß § 74 f Abs. 3 GVG gelten allerdings in den Fällen des § 66 b StGB die Regelungen über die Zuständigkeit für die nachträgliche Gesamtstrafenbildung (§ 462 a Abs. 3 Satz 2 und 3 StPO) entsprechend. Bei verschiedenen Urteilen verschiedener Gerichte richtet sich die Zuständigkeit demnach zunächst nach der schwersten Strafart, dann nach der höchsten Strafe und schließlich - wenn ansonsten kein Unterschied bei den vorherigen Kriterien besteht - nach dem zuletzt ergangenen Urteil. Auch hieraus würde sich zunächst, da das Landgericht Hannover eine höhere Freiheitsstrafe als das Landgericht Frankfurt am Main in dem zuletzt vollstreckten Urteil vom 03.03.1993 ausgesprochen hat, die Zuständigkeit des erstgenannten Gerichts ergeben. Durch die gesetzlich vorgesehene entsprechende Anwendung der Zuständigkeit für die nachträgliche Gesamtstrafenbildung sind jedoch auch die in § 55 StGB geregelten grundsätzlichen Voraussetzungen für die Bildung einer Gesamtstrafe zu berücksichtigen. Gemäß § 55 StGB aber scheidet eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung mit einer bereits vollständig vollstreckten Strafe aus. Da das Strafende der von dem Landgericht Hannover verhängten Freiheitsstrafe bereits am 14.01.2004 erreicht war, im Anschluß hieran die Restfreiheitsstrafe aus dem Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 03.03.1993 vollstreckt wurde und der Antrag der Staatsanwaltschaft auf nachträgliche Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung erst während des letztgenannten Zeitraums (am 09.09.2004) erfolgte, ist die Zuständigkeit des Landgerichts Frankfurt am Main gegeben.

Hieran ändert nichts, daß - wie noch auszuführen sein wird - im vorliegenden Fall bei der Frage, ob vor dem Ende des Vollzugs Tatsachen im Sinne des § 66 b Abs. 1 StGB erkennbar geworden sind, an dem Zeitpunkt des Erlasses des Urteils des Landgerichts Hannover anzuknüpfen ist. Denn der Gesetzgeber hat sich bei der Bestimmung der Zuständigkeit für die Anordnung der Maßregel des § 66 b StGB dafür entschieden, die für die nachträgliche Gesamtstrafenentscheidung geltenden Zuständigkeitsregelungen entsprechend anzuwenden und die Entscheidung nicht etwa ohne Rücksicht auf die Höhe der Strafe oder den Stand der Strafvollstreckung dem Gericht zu übertragen, dessen Urteil zuletzt ergangen ist. Es kann dahingestellt bleiben, ob die in § 74 f Abs. 3 GVG enthaltene Zuständigkeitsregelung auch bei einer willkürlichen Veränderung der Vollstreckungsreihenfolge zum Tragen kommen kann. Denn ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Die vollständige Vollstreckung der Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Landgerichts Hannover - ohne Unterbrechung zum Zweidrittelzeitpunkt - vor einer Vollstreckung des nach § 57 StGB ausgesetzten Rests der Strafe aus dem Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 03.03.1993 entspricht zwar nicht der in § 43 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 3 StVollstrO enthaltenen Regelung, läßt jedoch im Hinblick auf das gemäß § 43 Abs. 4 StVollstrO bestehende Ermessen keine Willkür erkennen.

2. Auch die sachlichen Voraussetzungen für den Erlaß eines Unterbringungsbefehls nach § 275 a Abs. 5 Satz 1 StPO liegen vor. Das Landgericht ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, daß dringende Gründe für die Annahme vorhanden sind, daß gegen den Betroffenen die nachträgliche Sicherungsverwahrung angeordnet werden wird.

a. Vom Gesetzeswortlaut her kommt hier sowohl eine nachträgliche Anordnung der Unterbringung des Betroffenen in der Sicherungsverwahrung nach § 66 b Abs. 1 StGB als auch - wegen der zuletzt erfolgten Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren - eine solche nach § 66 b Abs. 2 StGB in Betracht. Eines Rückgriffs auf die letztgenannte Vorschrift, die erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken ausgesetzt ist (vgl. Ullenbruch in Münchener Kommentar zum StGB, § 66 b, Rdnr. 48; Kinzig NStZ 2004, 655, 658), weil durch sie die nachträgliche Sicherungsverwahrung bereits beim Vorliegen nur einer einzigen Katalogtat ermöglicht wird, obwohl dem Gericht des Ausgangsverfahrens wegen Fehlens der Voraussetzungen des § 66 StGB eine Anordnung der Sicherungsverwahrung nicht möglich gewesen wäre (und eine primäre Sicherungsverwahrung bei dieser Sachlage bis heute nicht möglich ist), bedarf es hier jedoch nicht, da dringende Gründe bereits für die Anordnung der Maßregel nach § 66 b Abs. 1 StGB sprechen.

Ausgangspunkt des § 66 b Abs. 1 StGB ist das Vorliegen von Tatsachen, die auf eine erhebliche Gefährlichkeit des Verurteilten für die Allgemeinheit hinweisen. Hierbei muß es sich, wie bereits dem Gesetzeswortlaut zu entnehmen ist, um neue Tatsachen handeln, das heißt um solche, die erst nach einer Verurteilung wegen einer der in § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB genannten Katalogtaten und vor dem Ende des Vollzugs der Freiheitsstrafe bekannt geworden sind; diese Tatsachen müssen zudem von erheblicher Art sein (vgl. Ullenbruch in Münchener Kommentar zum StGB, § 66 b, Rdnr. 66-72). Dies entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers. Nach der Begründung des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung stellt die Neuregelung in § 66 b Abs. 1 StGB zunächst auf Tatsachen ab, die im Vollzug der Freiheitsstrafe bekannt werden und von einer gewissen Erheblichkeit sein bzw. jenseits einer gewissen Erheblichkeitsschwelle liegen müssen (Bundestagsdrucksache 15/2887, S. 10 und 12).

Demgemäß setzt eine nachträgliche Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung voraus, daß während des Strafvollzugs Tatsachen zutage treten, die geeignet sind, die Persönlichkeit des Verurteilten und damit das Rückfallrisiko in einem neuen Licht erscheinen zu lassen. Tatsachen, die bis zum Schluß der tatrichterlichen Hauptverhandlung bekannt oder für das Gericht erkennbar waren - wie etwa die kriminelle Entwicklung des Verurteilten - scheiden daher aus (OLG Koblenz StV 2004, 665, 667). Denn der mit der nachträglichen Anordnung der Maßregel verbundene Eingriff in die Rechtskraft des Ausgangsurteils zuungunsten des Verurteilten, bei dem es sich der Sache nach um eine Wiederaufnahme des Verfahrens zu Lasten des Verurteilten und um die Schaffung eines (bisher) gesetzlich nicht geregelten Wiederaufnahmegrundes handelt (vgl. hierzu Hanack in Festschrift für Rieß, S. 709, 719 f.; Müller-Metz, Vorbehaltene und nachträgliche Sicherungsverwahrung, in: Kriminologie und Praxis, Band 42 (2003), S. 225, 252 ff.), bedarf einer besonderen Rechtfertigung, die allenfalls dann mit rechtsstaatlichen Grundsätzen vereinbar sein kann, wenn sie an Umstände anknüpft, die nach der Rechtskraft entstehen oder bekannt werden und geeignet sind, die Gefährlichkeit des Verurteilten in einem deutlich anderen Licht als zum Zeitpunkt des Ausgangsurteils erscheinen zu lassen (OLG Koblenz StV 2004, 665, 668).

Diese Grundsätze stehen im Einklang mit der Begründung des Gesetzesentwurfs. Dort wird ausgeführt, die durch § 66 b StGB eröffnete Möglichkeit der nachträglichen Anordnung der Sicherungsverwahrung solle den Gerichten ausschließlich eine Reaktionsmöglichkeit auf die vermutlich seltenen Fälle bieten, in denen sich die fortdauernde Gefährlichkeit eines Verurteilten erst im Strafvollzug ergebe (Bundestagsdrucksache 15/2887, S. 12).

Dabei ist es allerdings - wie erwähnt - nicht zwingend erforderlich, daß die Tatsachen erst während des Strafvollzugs neu eingetreten sind. Es reicht, wie eine Auslegung der Vorschrift anhand des Normzwecks ergibt, vielmehr aus, daß die Tatsachen erst während der Inhaftierung bekannt geworden sind (ebenso OLG Koblenz StV 2004, 665, 667/668; Ullenbruch in Münchener Kommentar zum StGB, § 66 b, Rdnr. 72; Begründung des Gesetzesentwurfs, Bundestagsdrucksache 15/2887, S. 12). Zu diesen erst während der Inhaftierung bekannt gewordenen Tatsachen können unter bestimmten Voraussetzungen auch solche zählen, die sich aus einem gemäß § 454 Abs. 2 StPO eingeholten Prognosegutachten ergeben (vgl. OLG Koblenz StV 2004, 665, dort an einer Stelle offengelassen - S. 667 -, an anderer Stelle - S. 668 - zumindest im Grundsatz bejaht). Voraussetzung hierfür ist, daß es sich bei den im Rahmen eines solchen Gutachtens gewonnen Anhaltspunkten für eine erhöhte Gefährlichkeit nicht um das bloße Ergebnis einer Gesamtwürdigung bereits bekannter Tatsachen unter zusätzlicher Berücksichtigung des Vollzugsverhaltens handelt (vgl. OLG Koblenz, a.a.O., S. 667).

b. Ausgehend von diesen Grundsätzen sind im vorliegenden Fall neue und erhebliche Tatsachen gegeben.

Dabei ist hinsichtlich des Zeitpunkts für die Beurteilung der Neuheit nicht auf den Erlaß des Urteils des Landgerichts Frankfurt am Main vom 03.03.1993, sondern auf den Zeitpunkt des Urteils des Landgerichts Hannover und damit auf den 15.03.1999 abzustellen. Zwar verbüßte der Betroffene zuletzt die Reststrafe aus dem erstgenannten Urteil. Dies führt jedoch nicht dazu, daß hinsichtlich der möglichen neuen Tatsachen auf den Zeitpunkt dieses Urteils abzustellen ist. Maßgeblich sind vielmehr die zuletzt begangenen Straftaten und damit der Zeitpunkt des letzten Urteils, in dem der Tatrichter eine Entscheidung über die primäre Anordnung der Sicherungsverwahrung hätte treffen können (vgl. Ullenbruch in Münchener Kommentar zum StGB, § 66 b, Rdnr. 38). Anderenfalls könnte bereits durch eine Umstellung der Vollstreckungsreihenfolge der für den mit § 66 b StGB verbundenen Grundrechtseingriff bedeutsame Anknüpfungszeitpunkt verschoben werden. Diese grundsätzliche Problematik hat der Gesetzgeber erkannt und in der Begründung des Gesetzesentwurfs in anderem Zusammenhang ausgeführt, es reiche für das Tatbestandsmerkmal "vor Ende des Vollzugs der Freiheitsstrafe" aus, daß sich der Betroffene zwar nicht im Vollzug der Strafe aus dem Ausgangsurteil, wohl aber im Vollzug einer anderen Freiheitsstrafe befinde, da es bei ansonsten gleichbleibenden Voraussetzungen nicht sachgerecht wäre, wenn die Möglichkeit der nachträglichen Anordnung der Sicherungsverwahrung von Zufälligkeiten der Vollstreckungsreihenfolge abhinge (Bundestagsdrucksache 15/2887, S. 12). Letzteres hat auch für die Bestimmung des Anknüpfungszeitpunkts der neuen Tatsachen zu gelten.

Neue Tatsachen gegenüber dem Erkenntnisstand zur Zeit des Urteils des Landgerichts Hannover sind in dem oben unter Ziffer I. 3. d. genannten Gutachten der Sachverständigen Dr. med. F vom 20.07.2002 enthalten. Es handelt sich hierbei vornehmlich um das Ergebnis der von der Sachverständigen zur Vorhersage sexueller Gewalttaten vorgenommenen Untersuchung mittels des SVR-20, die ergeben hat, daß bei dem Betroffenen in 16 von 20 Unterpunkten auffällige Ergebnisse vorliegen, die entweder eindeutig das Vorliegen des jeweiligen Risikomerkmals bejahen oder das Vorliegen wahrscheinlich machen. Die Untersuchung hat auch Anhaltspunkte dafür ergeben, daß bei dem Betroffenen eine sexuelle Deviation im Sinne eines sexuellen Sadismus vorliegt.

Diese Erkenntnis ist für die Beurteilung der Gefährlichkeit eines Sexualtäters von erheblicher Bedeutung, da mit einer auf sadistischen Beweggründen beruhenden und in entsprechender Art und Weise begangenen Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung sowohl in körperlicher als auch in seelischer Hinsicht deutlich höhere Risiken für das Opfer verbunden sind als mit einem ohne solchen Hintergrund begangenen Sexualdelikt. Die genannte Deviation des sexuellen Sadismus war dem Landgericht Hannover bei Erlaß des Urteils nicht bekannt. Sie ergab sich noch nicht einmal im Ansatz aus den zu diesem Zeitpunkt über den Betroffenen vorliegenden, unter Ziffer I. dargestellten Sachverständigengutachten.

Neu gegenüber dem Erkenntnisstand zum Zeitpunkt des Urteils vom 15.03.1999 und ebenfalls für die Gefährlichkeitsbeurteilung erheblich ist auch das Ergebnis des von Frau Dr. F durchgeführten PCL-R - Testverfahrens (Psychopath Checklist Revised), bei dem ein - wie im Falle des Betroffenen - im Bereich "Psychopath" liegender hoher Wert nach Auffassung der Sachverständigen als der stärkste einzelne Prädiktor für zukünftige Gewalttätigkeiten zu bewerten ist.

Neu ist schließlich auch - zumindest in dieser Bestimmtheit - die Einschätzung der Sachverständigen Dr. F, daß bei dem Betroffenen, der ihr gegenüber auch erstmals (entgegen seinen früheren Angaben in den Hauptverhandlungen und bei den anderen Sachverständigen) die Begehung der Tat vom 06.10.1986 bestritten hat, ein hohes Rückfallrisiko bestehe. Der in der Beschwerdebegründung hervorgehobene Umstand, daß die Sachverständige im Zusammenhang mit dieser Einschätzung auch ausgeführt habe, die durch die Straftat zutage getretene Gefährlichkeit bestehe unvermindert fort, ändert hieran nichts.

Daß der Betroffene (auch) im Bereich der Sexualdelinquenz gefährlich sei, hatte zwar bereits Jahre zuvor der Sachverständige Dr. B festgestellt. Dieser sah die Straf- taten gegen die sexuelle Selbstbestimmung bei dem Betroffenen allerdings noch eingebettet in eine insgesamt kriminelle Entwicklung und nicht auf dem Hintergrund einer umschriebenen sexuellen Problematik oder Deviation. Mithin ging Dr. B damals "nur" von einer konkret fortbestehende Gefährlichkeit und damit von dem konkreten Risiko eines Rückfalls, nicht aber von einem sogar hohen Rückfallrisiko und damit auch nicht von einer hohen Gefährlichkeit des Betroffenen aus. Die Erkenntnis hoher Gefährlichkeit ergab sich - worauf noch näher einzugehen sein wird - angesichts der damals bestehenden besonderen Lebens- und Gesundheitssituation des Betroffenen auch nicht zwingend aus dem Umstand, daß von diesem am 14.01.1999 erneut eine Vergewaltigung begangen wurde.

c. Der Bewertung der aufgezeigten Erkenntnisse aus dem Gutachten der Sachverständigen Dr. F als neue Tatsachen in dem oben genannten Sinne steht angesichts der im vorliegenden Fall gegebenen besonderen Umstände ausnahmsweise nicht entgegen, daß das Landgericht Hannover von einer Erörterung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 StGB abgesehen und auch keinen psychiatrischen Sachverständigen hinzugezogen hat, obwohl das Vorleben des Betroffenen hierzu Anlaß geboten hätte.

Zum Zeitpunkt der Verurteilung durch das Landgericht Hannover lagen die formellen Voraussetzungen für die Anordnung der Sicherungsverwahrung sowohl nach § 66 Abs. 1 Nr. 1 und 2 StGB als auch nach § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB vor. Auch bestanden greifbare Anhaltspunkte für eine mögliche Bejahung der Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB.

In der Begründung des Entwurfs des Gesetzes zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung wird zu diesem Problemkreis ausgeführt, es sei bewußt darauf verzichtet worden, die Möglichkeit der nachträglichen Anordnung der Sicherungsverwahrung etwa für den Fall auszuschließen, daß zuvor in demselben Verfahren eine Anordnung abgelehnt worden sei. Dies wird damit begründet, es sei inkonsequent, einerseits die Notwendigkeit der Möglichkeit einer nachträglichen Anordnung anzuerkennen, das Gericht andererseits aber an einer - auf die Zukunft gerichteten - Prognoseentscheidung festzuhalten, die sich nach Auffassung des Gerichts selbst aufgrund später bekannt gewordener Tatsachen als objektiv unzutreffend erweise. Die Möglichkeit einer nachträglichen Anordnung bestehe demnach sogar dann, wenn das Gericht die Anordnung einer ursprünglich vorbehaltenen Anordnung abgelehnt habe (Bundestagsdrucksache 15/2887, S. 12).

Dies kann angesichts der Tragweite des mit der Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung verbundenen Eingriffs in die Rechtskraft des Ausgangsurteils jedoch nicht bedeuten, daß auch in den Fällen, in denen schon zum Zeitpunkt der Entscheidung des erkennenden Gerichts alles dafür sprach, auf die Anordnung der Sicherungsverwahrung zu erkennen, das bloße Vorliegen neuer Tatsachen nachträglich die Möglichkeit der Anordnung dieser Maßregel eröffnet. Denn die nachträgliche Sicherungsverwahrung dient nicht dazu, Rechtsfehler nachträglich zu korrigieren. Dies ist vielmehr die Aufgabe des Rechtsmittels der Revision; dementsprechend sieht auch das Recht der Wiederaufnahme eine Korrektur von Rechtsfehlern zu Lasten des Verurteilten nicht vor (vgl. Senatsbeschluß vom 22.10.2002 - 3 Ws 557/02).

Dies führt dazu, daß eine Anwendung des § 66 b Abs. 1 StGB jedenfalls dann ausscheidet, wenn die Sachlage gegenüber dem Zeitpunkt des Ausgangsurteils unverändert ist und sich lediglich in der Bewertung der prognoserelevanten Tatsachen eine Abweichung ergeben hat. Ebenso kommt § 66 b Abs. 1 StGB nicht zum Tragen, wenn ausgeschlossen werden kann, daß das erkennende Gericht des Ausgangsurteils auch bei Kenntnis und unter Berücksichtigung der neuen Tatsachen zu einer Anordnung der Sicherungsverwahrung gelangt wäre, wie etwa im Falle einer fehlerhaften Verneinung der formellen Voraussetzungen der Sicherungsverwahrung.

Es kann dahingestellt bleiben, ob aus den genannten Grundsätzen auch folgen muß, daß § 66 b StGB nur dann zur Anwendung kommen kann, wenn nach dem rechtskräftigen Urteil des erkennenden Gerichts die Sicherungsverwahrung nicht zu den Rechtsfolgen der Tat gehörte, die rechtlich zulässig und im konkreten Fall geboten waren (so OLG Koblenz StV 2004, 665, 668, dort jedoch nicht entscheidungserheblich). Denn die Voraussetzungen dieser Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 66 b StGB liegen, selbst wenn dem Oberlandesgericht Koblenz zu folgen wäre, hier nicht vor.

Der vorliegende Fall weist Besonderheiten auf, die nicht besorgen lassen, daß der Antrag der Staatsanwaltschaft auf nachträgliche Verhängung der Sicherungsverwahrung im Ergebnis auf eine bloße Korrektur von Rechtsfehlern des Landgerichts Hannover und der dortigen Staatsanwaltschaft hinausläuft. Aus welchem Grund das Landgericht Hannover von der Anordnung der Sicherungsverwahrung abgesehen hat, läßt sich den Urteilsgründen nicht entnehmen. Die dortige Staatsanwaltschaft hatte in der Anklageschrift keinen Antrag nach § 66 StGB gestellt. Eine Antragstellung ist offenbar auch in der Hauptverhandlung nicht erfolgt, wie sich aus dem Umstand ergibt, daß das Urteil noch am Tag seiner Verkündung rechtskräftig geworden ist und die eintägige Hauptverhandlung, wie den Angaben des Betroffenen gegenüber der Sachverständiger Dr. med. F zu entnehmen ist, ohne Zeugen und Sachverständige durchgeführt wurde.

Trotz dieser Verfahrensweise des Landgerichts Hannover bleibt die Möglichkeit einer Anwendung des § 66 b StGB hier eröffnet. Zwar gehörte die Sicherungsverwahrung bei Erlaß des Urteils vom 15.03.1999 zu den Rechtsfolgen der Tat, die rechtlich zulässig waren; es kann indes nicht festgestellt werden, daß die Verhängung der Maßregel im konkreten Fall aus der Sicht des im Ausgangsverfahren erkennenden Gerichts auch geboten war (vgl. zu diesen Gesichtspunkten OLG Koblenz StV 2004, 665, 668).

Dem Landgericht Hannover mußte sich weder ein Hang des Betroffenen im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB noch eine sexuelle Deviation im Sinne eines sexuellen Sadismus als bekannt aufdrängen. Damals stellte sich, wie durch das Gutachten der Sachverständigen Dr. F bestätigt wird, die Situation so dar, daß aus medizinischer Sicht die Lebenserwartung des Betroffenen ohne die Durchführung einer Herztransplantation auf etwa zwei Jahre begrenzt war. Vor diesem Hintergrund war die Strafkammer zu der Überzeugung gelangt, die Einlassung des Betroffenen, er habe die erneute Vergewaltigung gewissermaßen zur Rettung seines eigenen Lebens verübt, sei glaubhaft, wobei die Überzeugung der Kammer so weit ging, daß sie ohne Erwähnung des Zweifelssatzes in den Feststellungen der Einlassung des Betroffenen folgte. Bei objektiver Betrachtung wären schon damals Zweifel an der Richtigkeit der Einlassung des Betroffenen angezeigt gewesen. Es war jedoch angesichts des seinerzeitigen Krankheitsbildes des Betroffenen, der sich - wie dem Gutachten der Sachverständigen Dr. F zu entnehmen ist - im Strafvollzug noch Jahre später zum Zwecke der Sicherstellung der medizinischen Versorgung mit Medikamenten, Sauerstoff und hydraulisch verstellbarem Bett dauerhaft im Lazarett der Justizvollzugsanstalt befand, noch vertretbar und im Rahmen des tatrichterlichen Beurteilungsspielraums, von der Annahme einer Gefährlichkeit des Betroffenen für die Allgemeinheit (§ 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB) und von einer Anordnung der Sicherungsverwahrung abzusehen.

Die Entscheidung des Landgerichts Hannover ist vor diesem Hintergrund betrachtet auch nicht dahingehend zu verstehen, daß sich die Strafkammer etwa wegen rechtsirrig angenommenen Fehlens der Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 Nr. 1 und 2 StGB nicht zur Verhängung der Sicherungsverwahrung in der Lage gesehen hätte. Es ist vielmehr davon auszugehen, daß die Kammer glaubte, die besondere Gefährlichkeit des Betroffenen (§ 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB) wegen dessen sehr angespannter gesundheitlicher Situation und der für glaubhaft erachteten Beweggründe der Tat verneinen zu können. Hierin liegt unter Berücksichtigung der damals vorliegenden Erkenntnisse jedenfalls kein so schwerwiegender Fehler, daß die Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung auf eine unzulässige Rechtsfehlerkorrektur hinausliefe.

d. Nach Aktenlage ergibt die gemäß § 66 b Abs. 1 StGB vorzunehmende Gesamtwürdigung des Verurteilten, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung während des Strafvollzugs, daß er mit hoher Wahrscheinlichkeit Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer körperlich oder seelisch schwer geschädigt werden. Es liegen daher auch insoweit dringende Gründe für die Annahme der nachträglichen Anordnung der Sicherungsverwahrung vor.

Im Rahmen der Gesamtwürdigung sprechen deutlich für das Bestehen einer hohen Wahrscheinlichkeit der Begehung weiterer Vergewaltigungen, daß der Betroffene bereits sechs Taten dieser Art begangen hat. Hierbei hat ihn auch seine im Jahre 1998 erstmals diagnostizierte Herzerkrankung nicht von der Begehung der letzten Tat am 14.01.1999 abgehalten, obwohl es ihm damals schlechter ging als heute. In Bezug auf die Persönlichkeit des Betroffenen kommt hinzu, daß diese nach dem oben auszugsweise wiedergegebenen Gutachten der Sachverständigen Dr. F, welches der Senat nachvollzogen hat und nach Aktenlage für überzeugend erachtet, Besonderheiten aufweist, die ein hohes Rückfallrisiko begründen.

Andererseits ist im Rahmen der Gesamtwürdigung zu berücksichtigen, daß der Betroffene im Vollzug ein im wesentlichen vorbildliches Verhalten gezeigt hat und ihm von der Sachverständigen E in deren Gutachten vom 24.11.1999 ein weitgehend unauffälliges Persönlichkeitsprofil sowie Zuverlässigkeit bescheinigt wurde. Auch ist zu bedenken, daß der Psychotherapeut Dr. G in seinem Therapieverlaufsbericht vom 09.08.2004 zu dem Ergebnis gelangt ist, die Gefahr eines Rückfalls werde nunmehr geringer bewertet als früher.

Diese Gesichtspunkte sind indes auch in einer Gesamtschau nicht geeignet, die durch die eingangs erwähnten Umstände begründete Rückfallwahrscheinlichkeit unter die Schwelle der von § 66 b Abs. 1 StGB vorausgesetzten hohen Wahrscheinlichkeit zurückzuführen. Das Gutachten der Sachverständigen E hat nicht eine Gefährlichkeitsprognose zum Gegenstand, sondern beschränkt sich auf die Frage der Zuverlässigkeit im Bereich der medizinischen Nachsorge, für die die Persönlichkeitseigenarten des Betroffenen nach Einschätzung von Frau E ohne Bedeutung sind. Hinzu kommt, daß in dem Gutachten ausdrücklich erwähnt wird, es sei kein umfassendes Persönlichkeitsbild entworfen worden. Bei dem Bericht des Dr. G handelt es sich, wie dieser in seinem Anschreiben an die Justizvollzugsanstalt ... vom 09.08.2004 ausdrücklich betont, nicht um ein Gutachten. Zudem wird die von Herrn Dr. G vorgenommene Einschätzung des Rückfallrisikos dadurch relativiert, daß er zugleich mitteilt, der Betroffene scheine sich nun erstmals konkret Gedanken über die Abläufe zu machen und habe wahrscheinlich erst jetzt mit der Bearbeitung seiner Probleme wirklich begonnen. Dies zeigt, daß tatsächlich gegenüber der zwei Jahre zuvor erstellten Diagnose der Sachverständigen Dr. F keine nennenswerte Veränderung eingetreten ist.

e. Auch die weiteren Voraussetzungen des § 66 b Abs. 1 StGB sind erfüllt. Daß es sich bei den von dem Betroffenen mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwartenden weiteren Vergewaltigungen um solche Straftaten handelt, bei denen die Opfer zumindest seelisch schwer geschädigt werden, steht außer Frage (vgl. Tröndle/Fischer, 52. Auflage, § 66 StGB, Rdnr. 20).

Die übrigen Voraussetzungen des § 66 StGB sind, wie oben bereits erwähnt (Ziffer II. 2. c.), ebenfalls erfüllt. Es liegen auch dringende Gründe für die Annahme vor, daß bei dem Betroffenen ein Hang im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB zur Begehung erheblicher Straftaten besteht.

Das für die Anordnung der primären Sicherungsverwahrung erforderliche Merkmal des Hangs ist auch Voraussetzung einer nachträglichen Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung. Zwar läßt sich der Begründung des Gesetzentwurfs entnehmen, daß im Rahmen des § 66 b StGB auf das Merkmal des Hangs verzichtet worden sei, weil der Regelung die Überlegung zugrunde liege, daß der Strafvollzug angesichts der künstlichen, stark kontrollierenden und reglementierenden Bedingungen nicht geeignet sei, zum Zeitpunkt des Vorbehalts der Sicherungsverwahrung bestehende Unsicherheiten hinsichtlich des Merkmals des Hangs zu beseitigen, was erst recht gelten müsse, wenn gerade das Vollzugsverhalten - unter Umständen erstmals - Anlaß gebe, sich mit der Gefährlichkeit des Täters auseinanderzusetzen (Bundestagsdrucksache 15/2887, S. 13). Im Wortlaut des Gesetzes hat diese Zielsetzung des Gesetzgebers allerdings keinen Niederschlag gefunden, da § 66 b Abs. 1 StGB, ohne § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB auszunehmen, von den "übrigen Voraussetzungen des § 66 StGB" spricht, die für die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung erfüllt sein müssen. Es ist auch kein sachlicher Grund erkennbar, warum der mit § 66 b Abs. 1 StGB ohnehin verbundene Eingriff in die Rechtskraft des Ausgangsurteils zum Nachteil des Betroffenen so weit gehen soll, daß an die nachträgliche Anordnung der Maßregel geringere Anforderungen gestellt werden als an die Anwendung des § 66 StGB im Ausgangsverfahren (vgl. Müller- Metz, Vorbehaltene und nachträgliche Sicherungsverwahrung, in: Kriminologie und Praxis, Band 42 (2003), S. 225, 234). Ein Verzicht auf das Merkmal des Hangs bei der nachträglichen Anordnung der Sicherungsverwahrung würde eine Auflösung der notwendigen Verknüpfung dieser Maßregel mit dem materiellen Strafrecht bedeuten und damit gegen das strafrechtliche Schuldprinzip verstoßen (vgl. Tröndle/Fischer, 52. Auflage, § 66 a StGB, Rdnr. 5 b). Überdies wäre die mit einem Verzicht auf das Merkmal des Hangs verbundene zusätzliche Ausweitung des Anwendungsbereichs des § 66 b Abs. 1 StGB gegenüber § 66 StGB mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht zu vereinbaren (Ullenbruch in Münchener Kommentar zum StGB, § 66 b, Rdnr. 95).

Die Auffassung, daß ein Hang im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB Voraussetzung für die nachträgliche Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung ist, steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Dieser hat im Urteil vom 22.10.2004 (Aktenzeichen 2 StR 140/04) zu der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung gemäß § 66 a StGB ausgeführt, diese komme nur in Betracht, wenn zum einen ein Hang im Sinne von § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB festgestellt sei und wenn zum anderen eine erhebliche, naheliegende Wahrscheinlichkeit dafür bestehe, daß der Täter für die Allgemeinheit im Sinne von § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB gefährlich sei und dies auch zum Zeitpunkt einer möglichen Entlassung aus dem Strafvollzug sein werde.

Ist aber schon für die Anwendung des § 66 a StGB die Feststellung eines Hangs erforderlich, so hat dies erst recht für die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung gemäß § 66 b StGB zu gelten.

Ein Hang setzt nach ständiger Rechtsprechung einen eingeschliffenen inneren Zustand des Täters voraus, der ihn immer neue Straftaten begehen läßt. Hangtäter ist derjenige, der dauerhaft zu Straftaten entschlossen ist oder aufgrund einer fest eingewurzelten Neigung immer wieder straffällig wird, wenn sich die Gelegenheit bietet; ebenso aber auch derjenige, der willensschwach ist und aus innerer Haltlosigkeit Tatanreizen nicht zu widerstehen vermag. Entscheidend für § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB ist das Bestehen eine solchen Hanges, nicht dessen Ursache (BGH NStZ-RR 2004, 202, 203; Tröndle/Fischer, 52. Auflage, § 66 StGB, Rdnr. 18; Müller-Metz StV 2003, 42, 43).

Bei dem Betroffenen wurden bereits durch den Sachverständigen Dr. B in dessen Gutachten vom 01.01.1997 ein eingeschliffenes, sexualdelinquentes Verhaltensmuster und darüber hinaus eine Haltschwäche festgestellt. Ein solches eingeschliffenes Verhaltensmuster hat auch die Sachverständige Dr. F in ihrem Gutachten vom 20.07.2002 diagnostiziert und darüber hinaus hervorgehoben, daß der Betroffene in der Vergangenheit in Konfliktsituationen in stereotyper Weise mit delinquentem Verhalten reagiert habe. Wie stark das sexualdelinquente Verhalten bei ihm eingeschliffen ist, zeigt sich daran, daß der Betroffene Anfang des Jahres 1999 selbst in damals schwerkrankem Zustand auf die Konfliktsituation der nicht vorhandenen Kostendeckung für eine Herztransplantation nicht etwa "nur" mit der Begehung einer Straftat reagiert hat, die keine oder nur geringe körperliche oder seelische Beeinträchtigungen des Opfers mit sich bringt, sondern wiederum zu massiver sexueller Gewalt gegriffen hat.

3. Damit sind sämtliche Voraussetzungen für den Erlaß eines Unterbringungsbefehls nach § 275 a Abs. 5 Satz 1 StPO erfüllt.

Zu einer Aussetzung des Verfahrens und einer Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 GG in Bezug auf § 66 b Abs. 1 StGB, auf dessen Gültigkeit es für die Entscheidung ankommt, sah sich der Senat trotz der im Schrifttum und auch durch einzelne Mitglieder des 2. Senats des Bundesverfassungsgerichts im Rahmen des die nachträgliche Unterbringung von Straftätern betreffenden Urteils vom 10.02.2004 (Aktenzeichen 2 BvR 834/02 und 1588/02) in Form einer abweichenden Meinung geäußerten Bedenken nicht veranlaßt.

Von Teilen der Literatur wird die Auffassung vertreten, die nachträgliche Sicherungsverwahrung gemäß § 66 b StGB - und damit auch der hier entscheidungserhebliche § 66 b Abs. 1 StGB - sei ungeachtet der in § 275 a StPO enthaltenen, der primären Anordnung der Sicherungsverwahrung entsprechenden Verfahrensgarantien verfassungswidrig und verstoße überdies gegen Art. 5 Abs. 1 Satz 2 EMRK (Ullenbruch in Münchener Kommentar zum StGB, § 66 b, Rdnr. 35 ff., insbesondere Rdnr. 47 und 43; Kinzig NStZ 2004, 655, 660).

Beanstandet wird insbesondere, mit dem Institut der nachträglichen Sicherungsverwahrung werde ohne zwingenden Grund in die Rechtskraft des Ausgangsurteils und in das Vertrauen des Verurteilten in dessen unveränderten Bestand eingegriffen sowie gegen das allgemeine Rückwirkungsverbot (Art. 2 Abs. 1, 20 Abs. 3 GG) verstoßen. Der Sache nach handele es sich bei der nachträglichen Sicherungsverwahrung - woran deren gesetzliche Regelung außerhalb der StPO nichts ändere - um eine Wiederaufnahme des Verfahrens zu Lasten des Verurteilten und um die Schaffung eines gesetzlich nicht geregelten Wiederaufnahmegrundes. Zwar sei letzteres durch Art. 103 Abs. 3 GG ("ne bis in idem") nicht gänzlich ausgeschlossen, setze jedoch voraus, daß ein Festhalten an der Rechtskraft zu schlechthin unerträglichen Ergebnissen führen würde, an denen es hier fehle.

In diese Richtung weisende Bedenken haben bereits vor dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung drei der Richter des 2. Senats des Bundesverfassungsgerichts im Rahmen ihres Minderheitsvotums zu dem bereits erwähnten Urteil vom 10.02.2004 erhoben (BVerfG NJW 2004, 750, 759). Im Rahmen dieser abweichenden Meinung wird ausgeführt, die aus der fehlenden Gesetzgebungskompetenz der Länder folgende Unvereinbarkeit der Straftäterunterbringungsgesetze der Bundesländer Bayern und Sachsen-Anhalt - deren Verfassungsmäßigkeit mit zwei Verfassungsbeschwerden angegriffen wurde - mit dem Grundgesetz hätte, anders als von der Senatsmehrheit vertreten, nicht bloß zu einer Unvereinbarkeitserklärung, verbunden mit der Anordnung einer befristeten Fortgeltung, sondern zur Erklärung ihrer Nichtigkeit führen müssen. Die engen Voraussetzungen einer Weitergeltungsanordnung seien nicht erfüllt. Weder sei die Weitergeltung der verfassungswidrigen Straftäterunterbringungsgesetze zwingend geboten - die Nichtigkeit stelle vielmehr lediglich die vor dem Erlaß der Gesetze bestehende Risikolage wieder her - noch sei das Bundesverfassungsgericht zu ihrer Anordnung überhaupt berechtigt.

Die Weitergeltungsanordnung lasse sich zudem - unter anderem - mit dem allgemeinen Rückwirkungsverbot (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit 20 Abs. 3 GG) nicht vereinbaren. Das Institut der nachträglichen Sicherungsverwahrung knüpfe notwendig an eine konkrete Anlaßtat an. Diese sei sowohl Legitimationsgrundlage der Unterbringung, entfalte zugleich aber auch eine limitierende Wirkung. Habe der Betroffene seine Freiheitsstrafe verbüßt und sei auch eine etwaige freiheitsentziehende Maßregel erledigt, so sei der durch die Anlaßtat gesetzte Sachverhalt abgeschlossen und könne allenfalls unter den engen Voraussetzungen der Wiederaufnahme des Verfahrens zuungunsten des Angeklagten (§ 362 StPO) nochmals Gegenstand einer Anknüpfung von Rechtsfolgen sein. Daran vermöge auch die Erkenntnis der fortdauernden Gefährlichkeit des Betroffenen nichts zu ändern. Die Straftäterunterbringungsgesetze der Länder hätten deshalb nachträglich ändernd in bereits abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingegriffen. Die in diesem Eingriff liegende Rückwirkung sei durch das Rechtsstaatsprinzip grundsätzlich verboten. Ein Ausnahmetatbestand, der eine Durchbrechung dieses Verbots rechtfertigen könnte, sei nicht ersichtlich. Es lägen dafür weder zwingende Gründe des gemeinen Wohls vor noch fehle es den Betroffenen an einem schutzbedürftigen und schutzwürdigen Vertrauen in den Fortbestand der Rechtslage. Den sich aus dem Rechtsstaatsgebot des Grundgesetzes ergebenden Anforderungen genüge es nicht, daß die Gefährlichkeit der Betroffenen entweder bereits im Zeitpunkt der Aburteilung positiv bekannt gewesen sei, gleichwohl aber nicht zur Verhängung einer entsprechenden Strafe oder zur Anordnung freiheitsentziehender Maßregeln geführt habe oder aus Rechtsgründen nicht habe führen dürfen, oder sie aufgrund der im Zusammenhang mit der Tat deutlich gewordenen Begleitumstände bei Anwendung pflichtgemäßer Sorgfalt hätte erkannt werden können, ohne daß hieraus die entsprechenden Folgerungen in dem dafür vorgesehenen Strafverfahren gezogen worden seien. Die grundsätzlich im Strafurteil vorgenommene Begrenzung der Freiheitsentziehung enthalte für die verurteilten Straftäter die verbindliche Verheißung, nach Strafverbüßung und Erledigung einer freiheitsentziehenden Maßregel wieder ein Leben in Freiheit führen zu können. Die Schutzwürdigkeit des so begründeten Vertrauens könne nicht mit verfassungsrechtlich - aufgrund des Vorliegens weitreichender Möglichkeiten effektiver Gefahrenabwehr (etwa in Form der Führungsaufsicht und der Maßnahmen nach allgemeinem Sicherheits- und Polizeirecht) - nicht zwingend gebotenen Anliegen des Schutzes der Bevölkerung vor gravierenden Straftaten in Frage gestellt werden (BVerfG NJW 2004, 750, 761).

Das Bundesverfassungsgericht hatte bisher über die Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 66 b StGB noch nicht zu entscheiden. Gegenstand des bereits erwähnten Urteils vom 10.02.2004 waren die Straftäterunterbringungsgesetze zweier Bundesländer. Das Bundesverfassungsgericht hat in dieser Entscheidung ausgeführt, die unbefristete oder beliebig oft verlängerbare Unterbringung nach voller Verbüßung der Schuldstrafe stelle einen besonders schwerwiegenden Eingriff in die Freiheit des betroffenen Straftäters dar (BVerfG NJW 2004, 750, 754). Die bisherige Erfahrung mit den landesrechtlichen Straftäterunterbringungsgesetzen habe jedoch gezeigt, daß es tatsächlich einige wenige Verurteilte gebe, gegen die zum Urteilszeitpunkt aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen keine Sicherungsverwahrung angeordnet worden sei, die sich aber gleichwohl zum Entlassungszeitraum als hochgefährlich darstellten. Der Schutz vor solchen Verurteilten, von denen auch nach Verbüßung ihrer Freiheitsstrafen schwere Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung anderer mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten seien, stelle ein überragendes Gemeinwohlinteresse dar. Diesen Schutz durch geeignete Mittel zu gewährleisten, sei Aufgabe des Staates. Wie der Gesetzgeber diese Aufgabe wahrnehme, unterliege seinem weiten Gestaltungsspielraum. Die Verfassung gebe den Schutz als Ziel vor, nicht aber seine Ausgestaltung im Einzelnen. Auch angesichts des hohen Wertes des Freiheitsrechts erscheine ein verfassungsgemäßer Ausgleich der kollidierenden Grundrechtspositionen in besonderen Ausnahmefällen möglich, wenn die Voraussetzungen und die Ausgestaltung der Freiheitsentziehung durch eine enge Bindung an den zu erfüllenden Schutzzweck streng begrenzt würden (BVerfG, a.a.O., S. 757).

Weiter führte das Bundesverfassungsgericht in dem Urteil vom 10.02.2004 aus, es sei von ihm in dem dort vorliegenden Verfahren zwar nicht darüber zu befinden, ob der von den Ländern gewählte Weg [der nachträglichen Unterbringung] inhaltlich und verfahrensrechtlich mit den materiellen Vorgaben der Verfassung übereinstimme. Jedenfalls stehe aber ein vom zuständigen Gesetzgeber entwickeltes Konzept nachträglicher Anordnung einer präventiven Verwahrung noch inhaftierter Straftäter bei entsprechend enger Fassung nicht von vornherein unter dem Verdikt der Verfassungswidrigkeit (BVerfG, a.a.O., S. 758).

Der Senat hat vor dem Hintergrund dieser Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts die oben erwähnten Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des hier entscheidungserheblichen § 66 b Abs. 1 StGB eingehend geprüft. Er ist zu dem Ergebnis gelangt, daß eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 GG hier schon im Hinblick auf die Art des vorliegenden Verfahrens, in welchem es nicht um eine endgültige Entscheidung über die nachträgliche Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung, sondern um die Rechtmäßigkeit der vorläufigen Inhaftierung des Betroffenen zur Sicherung des Verfahrens geht, nicht angezeigt ist.

Eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht ist zwar schon in frühen Verfahrensstadien zulässig. So hat das Bundesverfassungsgericht bereits im Jahre 1955 entschieden und hieran seitdem in ständiger Rechtsprechung festgehalten, daß es der Zulässigkeit einer Vorlage nicht entgegenstehe, wenn diese in einer Strafsache bereits vor der Eröffnung des Hauptverfahrens erfolge, da sich das erkennende Gericht bereits in diesem Abschnitt über die Gültigkeit der in Betracht kommenden Strafnormen schlüssig werden müsse (BVerfGE 4, 352; 47, 109; 54, 47). Ebenso kann eine Vorlage unter bestimmten Voraussetzungen schon in Bezug auf eine gerichtliche Zwischenentscheidung, durch die das gerichtliche Verfahren noch nicht im gegebenen Rechtszug abgeschlossen wird, - im konkreten Fall ging es um die Frage der von der Gültigkeit einer bestimmten Norm abhängigen verfahrensrechtlichen Handlungsfähigkeit einer Prozeßpartei - zulässig sein (BVerfGE 63, 1). Vorlagen in einer solchen Verfahrenslage sind angesichts des Grundgedankens der Subsidiarität der Verfassungsgerichtsbarkeit, welcher auch in Verfahren nach Art. 100 Abs. 1 GG zum Tragen kommt, aber nur in Grenzen zulässig. Die mit dem Normenkontrollverfahren verbundene Inanspruchnahme des Bundesverfassungsgerichts läßt sich nur rechtfertigen, wenn sie zur Entscheidung eines anhängigen gerichtlichen Verfahrens oder auch schon für eine Entscheidung in einem solchen Verfahren unerläßlich ist (BVerfGE 63, 1).

Dementsprechend sieht das Bundesverfassungsgericht im Bereich der Eilverfahren, in denen es um Entscheidungen über eine vorläufige Regelung geht, eine Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG nur in Ausnahmefällen als zulässig an; sie kommt nur dann in Betracht, wenn insbesondere in dem Verfahren eine abschließende Entscheidung ergeht oder wenn die vorläufige Regelung die endgültige Entscheidung weitgehend vorwegnehmen würde (BVerfG DAVorm 1997, 629; vgl. auch BVerfGE 46, 43; 63, 131).

Beides ist hier nicht der Fall. In dem vorliegenden Verfahren nach § 275 a Abs. 5 Satz 1 StPO, bei dem es sich nicht - wie im Falle des Eröffnungsverfahrens - um ein frühes Stadium des Hauptsacheverfahrens, sondern um ein eigenständiges vorläufiges Verfahren handelt, wird keine abschließende Entscheidung über die Frage der nachträglichen Anordnung der Sicherungsverwahrung getroffen. Dies bleibt vielmehr der erkennenden Strafkammer in dem Verfahren gemäß § 275 a Abs. 2 bis 4 StPO vorbehalten. Auch wird durch die mit der Beschwerde angegriffene Inhaftierung des Betroffenen die durch Urteil nach einer Hauptverhandlung zu treffende Entscheidung über die Anordnung der Maßregel nicht vorweggenommen. Die oben erwähnte Voraussetzung der Unerläßlichkeit einer Inanspruchnahme des Bundesverfassungsgerichts im Normenkontrollverfahren ist unter Berücksichtigung der im Urteil vom 10.02.2004 enthaltenen Ausführungen ebenfalls nicht gegeben.

4. Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht (vgl. OLG Frankfurt MDR 1982, 954; Hanseatisches OLG Hamburg NStZ 1991, 100 - mit weiteren Nachweisen).

Ende der Entscheidung

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