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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 15.03.2001
Aktenzeichen: 3 Ws 1308/00 (StVollz)
Rechtsgebiete: StVollzG


Vorschriften:

StVollzG § 32
StVollzG § 23
StVollzG § 109
StVollzG § 2
StVollzG § 24
StVollzG § 32 S. 1
StVollzG § 116 Abs. 1
Die Einschränkung der Möglichkeit für Strafgefangene, aus einer sozialtherapeutischen Anstalt Telefongespräche zu führen, setzt eine nachprüfbare Abwägung der maßgeblichen Gesichtspunkte voraus.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN BESCHLUSS

3 Ws 1308/00 (StVollz)

Verkündet am 15.03.2001

In der Strafvollzugssache

...

wegen Einschränkungen der Telefonregelung,

hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß der 1. Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Kassel vom 18. Oktober 2000 am 15. März 2001 beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluß wird mit Ausnahme des Gegenstandswertes aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Kassel zurückverwiesen. Der Gegenstandswert wird auch für das Rechtsbeschwerdeverfahren auf 500 DM festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller verbüßt in der JVA K.I (Sozialtherapeutische Anstalt) eine Freiheitsstrafe. Nach der in dieser Anstalt 10 Jahre geltenden Hausverfügung bestand die Möglichkeit, täglich in der Zeit von 6 Uhr bis 21.30 Uhr mit handelsüblichen Telefonkarten nach außen zu telefonieren und werktags von 19 Uhr bis 20 Uhr, samstags, sonntags und feiertags von 14.30 Uhr bis 15 Uhr von auswärts Telefongespräche entgegenzunehmen. Am 6. Oktober 1999 erließ das Hessische Ministerium der Justiz einen Runderlaß, wonach die Insassen der Justizvollzugsanstalten ab 1. Dezember 1999 nur noch 2 mal wöchentlich für jeweils 5 Minuten telefonieren dürfen, wobei die Telefonnummern vorher bekannt zu geben sind und der AVD bei den Gesprächen mithört. Außerdem können Telefonkarten nur noch über den Anstaltskaufmann erworben werden. Diesen Runderlaß setzte die Vollzugsbehörde im November 1999 durch eine wortgleiche Hausverfügung um. Gegen diese Verfügung hatte der Antragsteller Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt, weil die Neuregelung in unzulässiger Weise die ihm nach dem Strafvollzugsgesetz und dem Grundgesetz zustehenden Rechte beschränke. Er sei gehindert, seine sozialen Kontakte nach außen aufrecht zu erhalten. Außerdem stelle die neue Regelung einen Verstoß gegen die §§ 32 und 23 StVollzG dar, da die Mindestdauer für eine Besuchszeit von 1 Stunde auch für die Mindestdauer von Telefongesprächen gelten müsse. Ferner sei die ständige Überwachung der Telefongespräche rechtswidrig. Demgegenüber hatte die Vollzugsbehörde im gerichtlichen Verfahren geltend gemacht, daß ihre den Runderlaß des Hessischen Ministeriums der Justiz umsetzende Hausverfügung keine nach § 109 StVollzG angreifbare Einzelmaßnahme darstelle. Außerdem sei die Beschränkung der Entgegennahme von Telefonaten aus organisatorischen Gründen zulässig.

Mit dem angefochtenen Beschluß hat die Strafvollstreckungskammer das Begehren des Antragstellers, die Vollzugsanstalt zu verpflichten, ihm die Möglichkeit zu geben ­ wie bislang ­ Telefongespräche nach außen führen und entgegennehmen zu können, zurückgewiesen. Die das Telefonieren neu regelnde Hausverfügung der Vollzugsbehörde sei zwar nach § 109 StVollzG anfechtbar, weil sie auch ohne das Hinzutreten eines umsetzenden Einzelaktes verbindlich sei und damit eine unmittelbare rechtliche Wirkung entfalte. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung sei jedoch unbegründet, weil die angegriffene Hausverfügung keinen Ermessensfehler erkennen lasse. Sie ermögliche es dem Antragsteller, die zur Aufrechterhaltung seiner familiären Beziehungen notwendigen Telefonate zu führen und berücksichtige damit sowohl das Vollzugsziel des § 2 StVollzG als auch den durch Art. 6 GG gebotenen Schutz von Ehe und Familie. Innerhalb der seitens der Vollzugsanstalt vorgesehenen Telefonzeiten sei es möglich, die sozialen Kontakte nach außen aufrecht zu erhalten. Ein Verstoß gegen § 24 StVollzG, wonach eine Mindestbesuchszeit von 1 Stunde im Monat vorgesehen sei, liege nicht vor. Da nach § 32 S. 1 StVollzG kein Rechtsanspruch für den Gefangenen bestehe, Telefongespräche zu führen, bestehe auch keine Verpflichtung der Vollzugsanstalt, eine bestimmte Mindestdauer festzusetzen. Hinsichtlich der eine Allgemeinverfügung darstellenden ­ früheren und neu erlassenen ­ Hausordnung kämen die Vorschriften über die Rücknahme eines nur einen Einzelnen begünstigenden Verwaltungsaktes nicht zur Anwendung. Dem Antragsteller sei auch durch die 10jährige Geltung der vorhergehenden Hausordnung kein Rechtsanspruch infolge Gewohnheitsrecht auf die dort festgelegten Telefonzeiten erwachsen. Die bei den Telefongesprächen vorgesehenen Überwachungsmaßnahmen dienten der Sicherheit und Ordnung und seien damit sachlich gerechtfertigt.

Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte und ebenso begründete Rechtsbeschwerde des Antragstellers, der die Verletzung materiellen Rechts rügt. Der angefochtene Beschluß verstoße gegen § 32 StVollzG und gegen die Art. 2 u. 6 GG. Außerdem habe bereits die alte Hausordnung als Allgemeinverfügung einen auch einen Einzelnen begünstigenden Verwaltungsakt dargestellt, so daß für dessen Aufhebung die Regelungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes und der Verwaltungsgerichtsordnung zur Aufhebung eines begünstigenden Verwaltungsaktes anzuwenden seien. Allein schon aufgrund der Dauer der geltenden Hausordnung sei ein Vertrauenstatbestand des Antragstellers geschaffen worden. Insbesondere, da es sich vorliegend um eine sozialtherapeutische Anstalt mit besonderem Behandlungsziel handele, habe der Antragsteller davon ausgehen können, daß die im Rahmen der besonderen Zielsetzung der sozialtherapeutischen Anstalt durchgeführten Konzepte der therapeutischen Behandlung, insbesondere auch durch Einbindung des sozialen Umfeldes, erhalten bleiben würden.

II.

Die Rechtsbeschwerde erfüllt die besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 116 Abs. 1 StVollzG. Sie dient sowohl der Fortbildung des Rechts als auch der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung. Denn sie gibt Anlaß zur Klärung der Frage, unter welchen Voraussetzungen die in einer Hausordnung enthaltene Telefonregelung eingeschränkt werden kann.

Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg. Die Feststellungen der Strafvollstreckungskammer bieten keine ausreichende Grundlage zur Klärung der entscheidungserheblichen Rechtsfrage, ob die erheblichen Einschränkungen der Telefonregelung in der anstaltseigenen Hausordnung gegenüber der 10 Jahre geltenden früheren Hausordnung ermessensfehlerfrei erfolgt sind.

Zutreffend ist zunächst der Ausgangspunkt der Strafvollstreckungskammer, daß die gegenständliche ­ wie auch bereits die alte ­ Hausordnung gerichtlicher Überprüfung zugänglich ist, weil sie eine Allgemeinverfügung darstellt, die gegenüber dem Antragsteller auch ohne das Hinzutreten eines umsetzenden Einzelaktes verbindlich ist und die damit eine unmittelbare rechtliche Wirkung entfaltet (vgl. AK-StVollzG-Volckart, StVollzG, 4. Aufl., § 109 Rn. 24; Callies/Müller-Dietz, StVollzG 8. Aufl., § 109 Rn. 8; Schuler in Schwind-Böhm, StVollzG, 3. Aufl., § 109 Rn. 12; KG ZfStrVo 1980, 188; OLG Celle ZfStrVo1990, 307).

Die neue Hausverfügung der Vollzugsanstalt verliert auch nicht dadurch den Charakter einer nach § 109 StVollzG anfechtbaren Maßnahme, weil sie auf einer allgemeinen Anordnung der Aufsichtsbehörde beruht (vgl. Schuler, a.a.O., § 109 Rn. 12; Senat in ZfStrVo SH 1978, 28).

Richtig ist auch, daß § 32 StVollzG dem Gefangenen keinen Anspruch auf die Bewilligung von Telefongesprächen gibt, wohl aber einen Anspruch auf einen fehlerfreien Ermessensgebrauch der Vollzugsanstalt (vgl. Callies/Müller-Dietz, a.a.O., § 32 Rn. 1; Schwind in Schwind-Böhm, a.a.O., § 32 Rn. 2; Perlwein ZfStrVo 1996, 16 ff.; KG ZfStrVo 98, 607). Von diesem Ermessen hatte die Vollzugsanstalt in der 10 Jahre geltenden alten Hausordnung Gebrauch gemacht, die das ­ nach den Feststellungen offensichtlich nicht überwachte - Telefonieren mit handelsüblichen Telefonkarten täglich von 6 Uhr bis 21.30 Uhr (nach außen) sowie werktags 19.30 Uhr bis 20 Uhr, samstags, sonntags und feiertags von 14.30 Uhr bis 15 Uhr (von auswärts) erlaubte und die offenbar keine Einschränkungen hinsichtlich Zahl und Dauer der Telefonate pro Woche enthielt. Indem die Vollzugsbehörde diese als Allgemeinverfügung anfechtbare Hausordnung durch eine neue Allgemeinverfügung abgelöst hat, die im Vergleich zu der alten Regelung im Hinblick auf die vorgesehenen Überwachungsmaßnahmen sowie aber vor allem hinsichtlich der Zahl und Dauer der Telefongespräche und der Zeiten, zu denen telefoniert werden darf und Telefonanrufe entgegengenommen werden dürfen, drastische Einschränkungen enthält, stellt sich die Frage, ob und nach welchen Grundsätzen eine solche Maßnahme zulässig ist. Da die alte Hausordnung gegenüber der Neuregelung eine wesentlich günstigere Regelung für den Gefangenen enthielt, liegt in der neuen Allgemeinverfügung zugleich der Widerruf der früheren günstigeren Maßnahme. Das Strafvollzugsgesetz enthält keine allgemeinen Regelungen über den Widerruf oder die Einschränkung eines begünstigenden Verwaltungsaktes bzw. einer entsprechenden Allgemeinverfügung. Die für die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit von Behörden geltenden Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes (§§ 1, 49 Abs. 2 Nr. 1-5) über den Widerruf rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakte können auf Maßnahmen im Strafvollzug allenfalls entsprechend angewendet werden (vgl. Senatsbeschlüsse vom 20.2.1980 ­ 3 Ws 1308/00 (StVollz) 6 Ws 1125/79 (StVollz) ­ und vom 31.3.2000 ­ 3 Ws 36/00 (StVollz) -). Der Widerruf und die Einschränkung einer begünstigenden Allgemeinverfügung ist indes trotz fehlender allgemeiner Regelungen im Strafvollzugsgesetz gleichwohl nicht unzulässig. Er ist von Sinn und Zweck der jeweiligen Maßnahme abhängig. Dabei sind Sicherheitsbelange und allgemeine Vollzugsgrundsätze nach den §§ 2 u. 3 StVollzG zu berücksichtigen. Abzuwägen ist, ob der Bestandsschutz (Vertrauensschutz) gegenüber der Gefährdung von Sicherheit und Ordnung den Vorrang verdient (vgl. OLG Hamm, ZfStrVo 1985, 121; Senatsbeschluß vom 20.2.1980 ­ 3 Ws 1125/79 (StVollz) = ZfStrVo 1981, 247 ff.).

Bei dieser Abwägung ist zugunsten des Gefangenen zu berücksichtigen, daß nach dem Willen des Gesetzes (§ 2 S. 1 StVollzG) und von Verfassungs wegen das herausragende Ziel des Strafvollzuges die Resozialisierung des Gefangenen ist und Strafgefangene gerade angesichts der Vielzahl vollzugsbedingter Beschränkungen auf den Bestand einer ihnen von der Anstalt einmal eingeräumten Rechtsposition in besonderem Maße vertrauen, solange auch sie mit dem ihnen durch die Einräumung der Rechtsposition entgegengebrachten Vertrauen verantwortungsvoll umgegangen sind und in ihrer Person keine Ausschlußgründe verwirklicht haben. Dabei ist insbesondere zu bedenken, daß sowohl nach dem Angleichungsgrundsatz (§ 3 Abs. 1 StVollzG) als auch aus der Förderungspflicht der Anstalt (§ 23 S. 2 StVollzG) Telefonkontakte der Aufrechterhaltung und Pflege sozialer Beziehungen dienen und die damit gegebenen direkten Kontaktmöglichkeiten dem Gefangenen die Chance bieten, Beziehungen zu erhalten, sich trotz Inhaftierung einzubringen und am Leben der Angehörigen oder ähnlich nahestehender Personen teilnehmen zu können. Außerdem kann das Telefon vor allem in Krisensituationen ein wichtiges Element psychischer Entlastung sein (vgl. Joester/Wegner in AK-StVollzG, a.a.O., § 32 Rn. 1, 3). Gerade im Rahmen der Zielsetzung einer sozialtherapeutischen Anstalt kann die Möglichkeit des Telefonierens für den Strafgefangenen von besonderer Bedeutung sein.

Das aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Gebot des Vertrauensschutzes bedeutet allerdings nicht, daß jegliche einmal erworbene Rechtsposition ungeachtet der wirklichen Rechtslage Bestand haben muß; es nötigt aber zu der an den Kriterien der Verhältnismäßigkeit und der Zumutbarkeit ausgerichteten, auf den konkreten Fall bezogenen Abwägung der Interessen der Allgemeinheit gegen das Interesse des Strafgefangenen am Fortbestand der ihn begünstigenden Rechtslage im Rahmen der zu treffenden Ermessensentscheidung (vgl. BVerfG ZfStrVo 1995, 50; Paul Kühling/Thomas Ullenbruck in Schwind-Böhm, a.a.O., § 14 Rn. 11). Die gleichen Grundsätze müssen nach Auffassung des Senats aber auch dann Anwendung finden, wenn sich hinsichtlich der den Strafgefangenen begünstigenden Maßnahme neue Erkenntnisse im Hinblick auf eine Mißbrauchsgefahr beim Telefonieren im Strafvollzug unter Benutzung von Kartentelefonen oder bspw. erhebliche Veränderungen bei der Belegungszahl der Anstalt ergeben haben, so daß aus Gründen der Sicherheit und Ordnung und unter Berücksichtigung der zur Verfügung stehenden Kapazitäten Überwachungsmaßnahmen und zeitliche Beschränkungen unumgänglich werden können (vgl. KG ZfStrVo 1998, 307). Aus der durch das 4. Strafvollzugsänderungsgesetz vom 26. August 1998 (BGBl. 1998 I 2461 ff.) geänderten Fassung des § 32 StVollzG mit seiner Verweisung in S. 2 auf die entsprechende Geltung der Vorschriften über den Besuch läßt sich demgegenüber aus § 24 Abs. 1 S. 2 StVollzG, wonach die Gesamtdauer der Besuche eines Gefangenen im Monat mindestens 1 Stunde beträgt, keine zeitliche Mindestdauer der nach § 32 StVollzG monatlich in Betracht kommenden Telefongespräche ableiten. Denn diese Verweisung hat lediglich Bedeutung für die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Überwachung der Telefonate zulässig ist (vgl. Schwind in Schwind-Böhm, a.a.O., § 32 Rn. 3; Joester/Wegner in AK-StVollzG, a.a.O., § 32 Rn. 13).

Ebenso kann sich hiernach die Notwendigkeit ergeben, in Haftanstalten mit hohem Sicherheitsgrad die Erlaubnis zum Führen von Telefongesprächen für alle Gefangenen von der Erfüllung besonderer Auflagen abhängig zu machen, da gerade der unkontrollierte Fernsprechverkehr wegen der Möglichkeit von Bedrohungen und Absprachen von Straftaten etc. besonders gefahrenträchtig ist (vgl. OLG Koblenz NStZ 1993, 558 ff.). Einschränkungen einer großzügigeren früheren Regelung aus Sicherheitsgründen können vor allem bei der Benutzung von Telefonkarten erforderlich werden, sofern diese etwa als Zahlungsmittel für unerlaubte Geschäfte verwendet, sonst unkontrolliert an andere Gefangene abgegeben wurden oder mit ihnen durch Manipulationen anderweitig Mißbrauch getrieben wurde. Wegen der damit verbundenen generellen Gefährdung der Sicherheit der Anstalt bei einem unkontrollierten Fernsprechverkehr mit handelsüblichen Telefonkarten kann deshalb die gebotene Abwägung dazu führen, daß die Gesichtspunkte der Gefährdung der Sicherheit und Ordnung gegenüber dem Vertrauensschutz des Antragstellers vorrangig sind, auch wenn dieser in seiner Person keinen Anlaß für die einschränkende Telefonregelung gegeben hat.

Die Feststellungen der Strafvollstreckungskammer über die Neuregelung des Telefonverkehrs in der Anstalt lassen nicht erkennen, ob die Vollzugsbehörde bei ihrer Ermessensentscheidung die erforderliche Abwägung unter Beachtung der aufgezeigten maßgebenden Gesichtspunkte getroffen hat. So geben die Feststellungen keine Auskunft darüber, welche Gründe dafür bestimmend waren, daß ­ offensichtlich anders als früher ­ seit dem 1. Dezember 1999 sämtliche Telefongespräche vom AVD mitgehört werden, wobei die Telefonnummern vorher bekannt zu geben sind und Telefonkarten nur noch über den Anstaltskaufmann erworben werden können. Diese Gründe liegen angesichts der fast 10jährigen anderweitigen Praxis in einer Vollzugsanstalt mit sozialtherapeutischem Behandlungskonzept auch keineswegs auf der Hand. Soweit die Strafvollstreckungskammer die vorgesehenen Überwachungsmaßnahmen als sachlich gerechtfertigt angesehen hat, ist dies unzulässig, weil sie ihr Ermessen nicht an die Stelle der Justizvollzugsanstalt setzen kann (vgl. Callies/Müller-Dietz, a.a.O., § 115 Rn. 14).

Vor allem aber fehlt es an jeglichen Feststellungen, welche Gründe zu der drastischen Einschränkung der Telefonate hinsichtlich Anzahl und Dauer von max. 2 mal wöchentlich 5 Minuten geführt haben. Soweit sich die Vollzugsanstalt nach den Beschlußgründen im gerichtlichen Verfahren darauf berufen hat, die Beschränkung der Entgegennahme von Telefonaten sei aus organisatorischen Gründen zulässig", bezieht sich dies zum einen nur auf die Möglichkeit, Anrufe von außen entgegenzunehmen, nicht jedoch Telefongespräche aus der Anstalt heraus führen zu können. Außerdem werden die genannten organisatorischen Gründe nicht nachvollziehbar und nachprüfbar mitgeteilt. Die getroffenen Feststellungen verhalten sich schließlich auch nicht dazu, ob und welche Ausnahmen im Einzelfall nach der neuen Telefonregelung etwa bei Vorliegen besonderer Gründe z.B. bei Gefangenen ohne Besuchsmöglichkeiten etc. zugelassen sind. Die Feststellungen der Strafvollstreckungskammer bieten deshalb nach allem keine genügende Grundlage, um dem Rechtsbeschwerdegericht die Überprüfung der entscheidungserheblichen Rechtsfrage zu ermöglichen (vgl. OLG Dresden NStZ 1998, 159).

Der angefochtene Beschluß war deshalb mit Ausnahme der Festsetzung des Gegenstandswertes aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde ­ an die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Kassel zurückzuverweisen.

Der Festsetzung des Gegenstandswertes durch die Kammer stehen rechtliche Bedenken nicht entgegen, so daß er auch für das Rechtsbeschwerdeverfahren mit 500 DM zu bemessen war.

Ende der Entscheidung

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