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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 10.03.2008
Aktenzeichen: 3 Ws 252/08
Rechtsgebiete: StGB, StPO


Vorschriften:

StGB § 67 c
StGB § 67 d Abs. 2
StPO § 454 Abs. 2
StPO § 463 Abs. 2 S. 1
Bei der Überprüfung, ob der Zweck der Maßregel (hier: Sicherungsverwahrung) die Unterbringungen noch erfordert, ist die Einholung eines Sachverständigengutachtens nur obligatorisch, wenn die Vollstreckung der Maßregeln ausgesetzt bzw. deren Aussetzung erwogen wird oder zumindest Veranlassung besteht, die Aussetzung zu erwägen.
Gründe:

Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine andere Beurteilung. Der Senat vertritt - in Übereinstimmung mit der herrschenden Meinung (vgl. BGH, NStZ 2000, 69; OLG Nürnberg, NStZ-RR 2003, 283; OLG Hamm, StV 2004, 273; OLG Celle, NStZ-RR 1999, 179; Meyer-Goßner, StPO, 50. Aufl., § 463 Rn 6a mzwN auch zur abweichenden Meinung) - in ständiger Rechtsprechung (vgl. z. Beschl. v. 10.11.2005 - 3 Ws 945/05 und v. 13.02.2007 - 3 Ws 165-166/07 mwN) die Auffassung, dass für eine Entscheidung nach § 67 c I StGB ein Sachverständiger zwingend nur dann heranzuziehen ist, wenn das Vollstreckungsgericht die Aussetzung der Sicherungsverwahrung erwägt oder zu erwägen Veranlassung haben müsste. Diese Auslegung deckt sich mit dem Wortlaut des § 454 II StPO, auf den § 463 III 4 StPO verweist. Der systematische Zusammenhang mit § 463 III 4 StPO, der nur bezogen auf die Beschlüsse nach § 67 d III StGB und daran anschließender Folgeentscheidungen die Einholung eines Sachverständigengutachtens ausdrücklich als zwingend vorschreibt, spricht ebenfalls für diese Auffassung. Sie wird ferner bestätigt durch den neu eingeführten Abs. 4 des § 463 StPO, der im Rahmen der Überprüfungen nach § 67e StGB nur im Falle der Unterbringung in einem psychiatrisches Krankenhaus bestimmte Fristen für die Einholung externer Gutachten vorschreibt, sowie die Gesetzesmaterialien (vgl. BT-Dr. 13/9062, S. 15).

Auch Art. 2 II 2 GG gebietet keine andere Auslegung. Vielmehr bleibt die Gefährlichkeitsprognose des erkennenden Gerichts so lange maßgeblich, bis die Strafvollstreckungskammer im Rahmen der Entscheidung nach § 67c I StGB unter Berücksichtigung der Entwicklung des Verurteilten im Vollzug darüber entscheidet, ob sie weiter aufrecht zu erhalten ist (vgl. BVerfGE 42, 1, 8). Demgemäß kann sich das Strafvollstreckungsgericht für das Fortwirken der Gefährlichkeitsprognose auf das vom erkennenden Gericht eingeholte Sachverständigengutachten beziehen und so auch die Frage entscheiden, ob die Zeit im Vollzug der Freiheitsstrafe mit den beim Verurteilten eingetretenen Entwicklungen noch zum Vollzug der Sicherungsverwahrung zwingt oder ob vor einer solchen Entscheidung die Einholung eines neuen Gutachtens erforderlich erscheint (BVerfG, NStZ-RR 2003,251).

Zu Recht ist die Kammer davon ausgegangen, dass derzeit keine Veranlassung besteht, die Aussetzung der Maßregel auch nur zu erwägen. Nach dem im erkennenden Verfahren eingeholten Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. SV1 liegt bei dem Verurteilten eine dissoziale Persönlichkeit vor, die bereits in jungen Jahren in eine kriminelle Karriere kulminiert ist. Ferner liegt eine sexuelle Devianz in Form eines ritualisierten, fetischistischen, sexuellen Sadismus, gepaart mit einer kannibalistischen Attitüde als überdauernde Störung vor. Mit Blick darauf, dass die im Rahmen einer früheren Strafvollstreckung durchführte 100-stündige Therapie erfolglos blieb (der Verurteilte hat kurze Zeit nach seiner bedingten Entlassung im Jahre 1998 das im vorliegenden Verfahren abgeurteilte Sexualdelikt begangen) und im Rahmen der derzeitigen Strafvollstreckung eine therapeutische Aufarbeitung der den Straftaten zu Grunde liegenden Persönlichkeitsstörung nicht stattgefunden hat, bzw. mangels Leidensdruck und Therapiemotivation des Verurteilten auch nicht stattfinden konnte, hat die Einschätzung des Sachverständigen und des erkennenden Gerichts, der auf der Paraphilie und der dissozialen Persönlichkeitsstörung beruhende Hang könne bei einer Entlassung des Verurteilten in Freiheit jederzeit in neue (Sexual)-Gewaltkriminalität einmünden, nach wie Bestand. Das Vorliegen einer günstigen Sozialprognose kann also - auch ohne Einholung sachverständiger Hilfe - von vorneherein ausgeschlossen werden, da von einer nicht wesentlich veränderten Persönlichkeitsstruktur und damit von einem Fortbestehen der aus der Verurteilung zu Grunde liegende Tat hervorgetretenen Gefährlichkeit des Verurteilten auszugehen ist.

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