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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 21.08.2002
Aktenzeichen: 3 Ws 882/02
Rechtsgebiete: StPO, StGB


Vorschriften:

StPO § 268 a
StGB § 56 e
StGB § 56 b
Die Auflage zur Schadenswiedergutmachung durch Geldzahlung kann gegen den Primaten des Opferschutzes nur unter engen Voraussetzungen in eine andere Auflage (Zahlung an eine gemeinnützige Einrichtung) abgeändert werden.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN BESCHLUSS

3 Ws 882/02 6 Js 13330.3/97 StA Hanau

Verkündet am 21. August 2002

In der Strafvollstreckungssache gegen

wegen Betruges bzw. Begünstigung hier: Abänderung der Bewährungsauflage,

hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die einfache Beschwerden der Verurteilten gegen den Beschluss der 5. Strafkammer -Wirtschaftsstrafkammer- des Landgerichts Hanau vom 24.6.2002 i.d.F. des Nichtabhilfebeschlusses vom 15.7.2002

am 21. August 2002

beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die etwaigen insoweit entstandenen notwendigen Auslagen der Verurteilten fallen der Staatskasse zur Last.

Gründe:

I.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat die Strafkammer die der Verurteilten .... im Beschluss nach § 268a StPO vom 16.1.2002 erteilte, (von ihr ausweislich BI.30 d.A. zwischenzeitlich voll erfüllte) Auflage, zur Schadenswiedergutmachung 127.500,- DM bei der Gerichtskasse zur Weiterleitung an die Geschädigten durch die Kammer einzuzahlen, dahingehend abgeändert, dass der gezahlte Betrag (=65.189, 71 €) (nur) in Höhe von 34.714, 44 € zur Schadenswiedergutmachung verwendet wird und der Restbetrag gemeinnützigen Einrichtungen zugute kommen soll.

Hiergegen richten sich die Beschwerden der beiden Verurteilten.

II.

Auch die Beschwerde des Verurteilten ist gem. § 304 II StPO zulässig. Da er neben den Verurteilten den aus den abgeurteilten Straftaten Geschädigten gem. § 840 BGB gesamtschuldnerisch haftet, wird durch Schadensersatzleistungen der Mit haftenden, also auch der Verteilten , zugleich der gegen ihn gerichtete Ersatzanspruch reduziert (§ 421 I 1 BGB). Er ist deshalb durch die Abänderung der Auflage in eigenen Rechten (unmittelbar) betroffen (vgl. hierzu Senat, NStZ-RR 1996, 251; Engelhardt, in: KK-StPO, 4. Aufl., § 304 Rn 28; weitergehend: Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 45. Aufl. § 304 Rn 6).

III.

Die Beschwerde erweist sich auch als begründet. Zwar ist die getroffene Abänderung vom Senat lediglich darauf zu überprüfen, ob sie sich als gesetzeswidrig erweist (§ 453 II 2 StPO). Dies ist indes der Fall.

Auflagen dürfen nach § 56 e StGB allerdings auch zu Ungunsten eines Verurteilten abgeändert werden, da das Verschlechterungsverbot des § 331 StPO insoweit nicht gilt (Senat, Beschl. v. 27.2.1996-3 Ws 159/96). Die Änderungsbefugnis des Gerichts ist vielmehr nur durch die Schranken begrenzt, die im Rahmen der §§ 56b bis 56d StGB allgemein gezogen sind (Senat a.a.O.; Tröndle/Fischer, StGB, 50. Aufl., § 56e Rn 1 -jew. mzwN). Da die Erteilung von Auflagen und damit auch deren Abänderung gem. § 56 e StGB im Ermessen des (erkennenden) Gerichts steht (Stree, in: Schönke/Schröder, StGB, 26. Aufl. § 56 b Rn 17 mwN) führt auch ein Ermessensmissbrauch oder -fehlgebrauch durch dieses Gerichts zur Gesetzeswidrigkeit. Ein solcher liegt vor, wenn in die Abwägung, ob und in welchem Umfange Auflagen welcher Art erforderlich sind, um Genugtuung für das begangene Unrecht zu leisten, Gesichtspunkte nicht eingestellt werden, die nach der gesetzgeberischen Wertung in sie hätten einbezogen werden müssen. So liegt die Sache hier.

Ausweislich der Urteilfeststellungen ist der Verurteilten und ihrem Ehemann von dem Gesamtschaden von 331.793, 63 DM ein Betrag von 127.500.- DM zugeflossen und sollte die ursprünglich erteilte Auflage ersichtlich dazu dienen, den entstandenen Schaden in Höhe dieses Teilbetrages auszugleichen. Aus der Begründung des angefochtenen Beschlusses und des Nichtabhilfebeschlusses ist ferner zu entnehmen, dass es der Kammer darauf ankam, dass der gesamte den Eheleuten zugeflossene Betrag von diesen wieder ausgekehrt wird, der Verurteilten mithin kein "Vorteil", also auch kein steuerlicher verbleibt. Diese Erwägung wäre als solche nicht zu beanstanden, weil zum Ausgleich des durch die Straftat begangenen Unrechts (Genugtuung i.w.S.) auch dienen kann, dass der Täter sämtlicher aus der Tat gezogener Vorteile verlustig geht. Sie hätte indes allenfalls dazu führen können, einen etwaigen Steuervorteil durch eine zusätzliche Geldauflage gem. §56 b II Nr. 2 StGB "abzuschöpfen".

Statt dessen hat die Kammer jedoch die ursprüngliche erteilte Auflage, den Schaden in Höhe des zugeflossenen Vorteils (172.500.- DM) wiedergutzumachen (§ 56 b II Nr. 1 StGB) (teilweise) in eine Auflage, Geldbeträge an gemeinnützige Institutionen zu erbringen (§ 56b II Nr. 2 StGB) umgewandelt. Hierbei hat sie dem nach der gesetzlichen Neufassung des § 56b II StGB durch das Verbrechenbekämpfungsgesetz v. 28.10.1994 (BGBl I 3186) zum Ausdruck gekommenen Primat des Opferschutzes bei der Genugtuung durch Erteilung von Auflagen nicht Rechnung getragen. Der Gesetzgeber hat nämlich eindeutig der Auflage, den Schaden wiedergutzumachen, den Vorrang vor den übrigen Auflagen eingeräumt (vgl. Stree, § 56b Rn 9; Tröndle/Fischer, § 56b Rn 6). Auch die Auflage, Geldzahlungen zugunsten gemeinnütziger Organisationen zu erbringen, kann demnach grundsätzlich nur subsidiär zur Schadenswiedergutmachungsauflage und zum Ausgleich eines weitergehenden, über den beim Opfer angerichteten Schaden hinausgehenden Tatunrechts angeordnet werden (vgl. Stree, § 56b Rn 11). Die Argumentation der Kammer, wegen eines angeblichen - überdies weder dem Grunde noch gar der Höhe nach feststehenden - Steuervorteils von der ursprünglich erteilten und überdies erteilten Auflage zur Schadenwiedergutmachung (teilweise) abzusehen, verkehrt diese gesetzgeberische Wertung geradezu in ihr Gegenteil. Für eine nachträgliche Reduzierung des im Urteil festgestellten Gesamtschadens auf den für den Schadensausgleich nach der Abänderung verbleibenden Betrag von 34.714, 44 € , die eine derartige Abänderung gerechtfertigt hätte (vgl. Stree, § 56b Rn 9, 56e Rn 3; OLG Hamburg MDR 1980, 246; 1982, 340) gibt der Akteninhalt, namentlich auch das Anhörungsschreiben der Kammer vom 23.4.2002 hingegen keinen ausreichenden Anhalt. Dort ist nur von Schwierigkeiten, die Geschädigten und den jeweiligen Schadenbetrag genau zu ermitteln die Rede, was in die Ermessensentscheidung zudem nicht eingeflossen ist.

Nach alledem war die angefochtene Entscheidung mit der sich aus einer entsprechenden Anwendung der §§ 467 l, 473 III StPO ergebenden Kostenfolge aufzuheben.

Ende der Entscheidung

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