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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 26.10.2007
Aktenzeichen: 3 Ws 905/07 (StVollz)
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 44
1. Auch inhaftierte Rechtsmittelführer dürfen eine gesetzliche Frist bis zu ihrer Grenze ausnutzen.

2. Die anstaltsbedingten Verzögerungen müssen indes mitberücksichtigt werden, so dass die Abgabe des Rechtsmittelsschreibens an Bedienstete der Vollzugsanstalt am vorletzten Tag der Rechtsmittelfrist vor 18 Uhr und unter Hinweis auf den drohenden Fristablauf erfolgen muss.

3. Gefangene haben keinen Anspruch auf Übermittlung eines Rechtsmittelschreibens per Fax sondern nur darauf, dass ein Antrag auf Benutzung des anstaltseigenen Telefaxgerätes ermessensfehlerfrei beschieden wird.

4. Die Anstalt ist nur gehalten, in Fällen unabdingbarer Notwendigkeit dem Gefangenen ihr Faxgerät zur Verfügung zu stellen.

5. Ein solcher Fall liegt bei begehrter Übermittlung eines Rechtsmittels in Strafvollzugssachen vor, wenn weder der Gefangene noch sein Verteidiger das Verstreichen der Rechtsmittelfrist bis auf den letzten Tage zu vertreten haben.


Gründe:

Mit Bescheid vom 01.03.2007 lehnte die JVA ein Begehren des Gefangenen betreffend einen Paketversand ab. Der schriftliche Bescheid ging ihm am selben Tage zu. Mit Schreiben vom 15.03.2007 stellte er hiergegen Antrag auf gerichtliche Entscheidung. Mit Schreiben vom 17.03.2007 begehrte er ferner Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Antrags auf gerichtliche Entscheidung. Beide Schreiben gingen am 22.3.2007 bei der zuständigen StVK Gießen ein.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat die StVK den Antrag auf Widereinsetzung in den vorigen Stand und den Antrag auf gerichtliche Entscheidung verworfen. Der Beschluss wurde dem Gefangenen am 10.08.2007 zugestellt. Hiergegen richten sich seine am 27.08.2007 zu Protokoll der Geschäftsstelle beim Amtgericht Friedberg erklärte sofortige Beschwerde, verbunden mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Einlegungsfrist und die in gleicher Weise eingelegte und begründete Rechtsbeschwerde des Gefangenen.

Beide Rechtsmittel haben keinen Erfolg.

1.

Die sofortige Beschwerde ist verfristet, weil sie nicht innerhalb der einwöchigen Frist (§§ 120 I StVollzG, 46 III, 311 II StPO) zu Protokoll des Amtsgerichts des Verwahrungsortes erklärt wurde (§§ 120I StVollzG, 299 StPO). Es kann dahinstehen, ob dem Gefangenen insoweit Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist. Denn er kann mit seinem Rechtsmittel jedenfalls in der Sache nicht durchdringen.

Sein Antrag auf Wiedereinsetzung in die mit Ablauf des 15.03.2007 verstrichene und damit (Eingang 22.03.2007) versäumte zweiwöchige Frist (§ 112 StVollzG) für den Antrag auf gerichtliche Entscheidung war bereits unzulässig. Denn der Gefangene hat innerhalb der zweiwöchigen Frist (§ 112 III 1 StVollzG) zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrags keinen Sachverhalt vorgetragen, der jedes eigene oder ihm zuzurechnende Verschulden an der Fristversäumung ausschließt (vgl. zu diesem Erfordernis Senat, Beschl. v. 28.08.2007 - 3 Ws 825/07 und v. 10.04.2007 - 3 Ws 352/07 - st. Rspr.; KG, NZV 2002,47; OLG Düsseldorf, NStZ-RR 1996, 4, 169; OLG Karlsruhe, NStZ-RR 1997 157; Meyer-Goßner, StPO, 50. Aufl., § 45 Rn 5 - jew. mwN).

Er macht geltend, er habe den schriftlichen Bescheid nach seinem Erhalt seinem Verteidiger geschickt (wohl zur Überprüfung der Erfolgsaussichten des hiergegen beabsichtigten Rechtsmittels). Dieser habe den Bescheid zurückgesandt, er sei am 15.03.2007 wieder bei ihm, Antragsteller, eingegangen. Er habe die Antragsschrift am selben Tage gefertigt und die Anstalt am Abend des 15.03.2007 um deren Übermittlung per Fax ersucht. Dieses Begehren sei ihm abgelehnt worden, obwohl die JVA in der Vergangenheit für zumindest 2 Mitgefangene fristgebundene Anträge per Telfax weitergeleitet habe. In der Beschwerde hat der Antragsteller letztgenanntes Vorbringen dahin konkretisiert, die Anstalt habe am 12.02.2007 eine Verfassungsbeschwerde des Mitgefangenen ... "aus Gründen der Fristwahrung" per Fax übermittelt. Dieser Vortrag reicht nicht aus, um eigenes oder ihm zuzurechnendes Verschulden auszuschließen.

Zwar dürfen auch inhaftierte Rechtsmittelführer berechtigter Weise eine gesetzliche Frist, hier die diejenige des § 112 StVollzG, bis zu ihrer Grenze ausnutzen (vgl. BVerfG [3. Kammer des Zweiten Senats], Beschl. v. 9.8.1990 - 2 BvR 641/90 - Juris mwN), so dass die Abgabe des Rechtsmittelschreibens an Bedienstete der Vollzugsanstalt auch noch am vorletzten Tag der Rechtsmittelfrist (vgl. KG, NStZ 1992, 455 mwN; Maul, in: KK-StPO, 5. Aufl., § 44 Rn 29; Wendisch, in. Löwe/Rosenberg, StPO, 25. Aufl., § 44 Rn 47 -jew. mwN], wenn sie vor 18 Uhr und unter Hinweis auf den drohenden Fristablauf erfolgt (vgl. BGH, NStZ-RR 2001, 259; Senat, Beschl. v. 05.04.2007 - 3 Ws 287/07 -st. Rspr.; KG a. a. O.), als ausreichend und damit unverschuldet anzusehen ist. Hingegen haben Gefangene keinen Anspruch auf Übermittlung des Rechtsmittelschreibens per Fax (OLG Nürnberg, NStZ-RR 1997, 254, NStZ-RR 2004, 318; OLG Dresden, NStZ-RR 1994, 208; Arloth/Lückemann, StVollzG § 32 Rn 1, Calliess/Müller-Dietz, StVollzG, 190. Aufl., § 32 Rn 1), sondern nur darauf, dass ihr Antrag auf Benutzung des anstaltseigenen Telefaxgerätes ermessenfehlerfrei beschieden wird (OLG Dresden aaO). Eine ermessenfehlerhafte Ablehnung seines Antrags auf Faxübermittlung hat der Antragsteller aber nicht vorgetragen.

Die Anstalt ist nur gehalten, in Fällen unabdingbarer Notwendigkeit dem Gefangenen das Fax zur Verfügung zu stellen (OLG Dresden, Arloth/Lückemann - jew. aaO). Dieses Erfordernis muss ihr bei Antragstellung vom Gefangenen dargelegt werden (OLG Dresden aaO). Da ein Gefangener nach der obigen Abklärung gehalten ist, für eine rechtzeitige Übermittlung seiner Rechtsmittel per Post Sorge zu tragen und sich in Strafvollzugzugssachen auch das Verschulden seines Verteidigers zurechnen lassen muss (Senat, NStZ 1981, 408; Arloth/Lückemann, § 112 Rn 5 mwRsprN), liegt ein solcher Fall nur vor, wenn weder er noch sein Verteidiger das Verstreichen der Frist bis zum letzten Tage zu vertreten haben. Dies hat der Antragsteller der Anstalt indes nicht dargelegt.

Er hat in seinem an die Anstalt gerichteten Begehren vom 15.03.2007 lediglich geltend gemacht, er bedürfe der Übermittlung seines Antrages per Fax, weil er von seinem Verteidiger den Bescheid erst am heutigen Tage zurückerhalten habe. Da sein Verteidiger indes gehalten war, im Falle der Nichtübernahme des Mandats die Unterlagen so rechtzeitig zurückzusenden, dass der Gefangene selbst fristwahrend Antrag auf gerichtliche Entscheidung stellen konnte, und ihm auch bekannt sein musste, dass dieser sich hierzu grundsätzlich des Postweges bedienen muss, lag nach dieser Begründung zumindest ein dem Antragsteller zuzurechnendes Verteidigerverschulden vor. Hierauf hat die Anstalt unter anderem mit der Wendung, sie könne für Verteidigerverschulden "nicht haftbar gemacht" werden, also im Falle seines Vorliegens nicht zur Bereitstellung ihres Faxes verpflichtet sein, die Ablehnung der Übermittlung auch gestützt.

Eine Selbstbindung des Anstaltsermessen dahingehend, dass die JVA die Benutzung des Faxes bereits dann gestattet, wenn - aus welchen Gründen auch immer - eine Rechtsmittelfrist nur unter seiner Verwendung gewahrt werden kann, hat der Antragsteller ebenfalls nicht substantiiert dargelegt. Für eine Selbstbindung ist ein einziger Fall - weitere sind nicht konkretisiert - einer entsprechenden Ermessensausübung in der Vergangenheit ohnehin nicht ausreichend. Es müsste vielmehr eine ständige und gleichmäßige Übung vorliegen (vgl. BVerwGE 31, 212 ff.; OVG Münster, OVGE 25, 141 ff.; VGH Kassel, NJW 1993, 2331; Stern, Staatsrecht III/1, S. 1331, 1358; Stelkens/Bonk/Sachs, VwVG, 6. Aufl. § 40 Rn 150 - jew. mwN). Vor allem aber lässt das Vorbringen des Antragstellers nicht erkennen, ob und auf welche Gründe der Mitgefangene sein Begehren auf Übermittlung seiner Verfassungsbeschwerde gestützt hat, namentlich nicht, ob und gegebenenfalls welche Gründe er dafür vorgetragen hat, dass er die Verfassungsbeschwerde nicht auf dem Postwege versandt hat.

2.

Die Rechtsbeschwerde war als unzulässig zu verwerfen, da eine Nachprüfung des angefochtenen Beschlusses weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten ist (§ 116 StVollzG).

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 120 I StVollzG, 473 I StPO.

Ende der Entscheidung

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