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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 30.11.2006
Aktenzeichen: 4 U 140/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 765
Zum Streit um die Berechtigung der Inanspruchnahme aus einer Gewährleistungsbürgschaft.
Gründe:

I.

Die Parteien streiten über die Berechtigung der Inanspruchnahme einer von der Beklagten gegebenen Gewährleistungsbürgschaft.

Die Klägerin, die jetzt als A mbH firmiert, fungierte als Bauunternehmerin und schloss am 14.10.1998 als Bauherrin einen GUV mit der B GmbH hinsichtlich des Bauvorhabens X in O1 ab. Soweit der Bauvertrag keine besonderen oder abweichenden Regelungen enthielt, galt zunächst die VOB/B (§ 3 GUV).

Zur Sicherung der Gewährleistungsansprüche der Klägerin gegen die Vertragspartnerin "für bereits fertig gestellte und ohne Beanstandungen und Auflagen abgenommene Arbeiten" reichte die Beklagte die Bürgschaft vom 12.07.1999 über 78.050 DM (= 39.906,33 €) aus. Die Bürgschaft nimmt auf den Werkvertrag vom 14.10.1998 Bezug. § 13 GUV lautet auszugsweise:

"(1) Alle Abnahmen haben in dem Fall förmlich nach § 12 Nr. 4 VOB/B stattzufinden. Der GU hat den AG schriftlich zur Abnahme aufzufordern.

(2) § 12 Nr. 5 VOB/B wird hinsichtlich beider dort genannten Alternativen uneingeschränkt ausgeschlossen.

(3) Bei der Abnahme festgestellte geringfügige, die Abnahme nicht ausschließende Mängel, sind im Abnahmeprotokoll festzuhalten ...

..."

Die Beklagte zahlte auf die Bürgschaft insgesamt einen Betrag von 414,05 € in zwei Teilbeträgen am 02.08.und 29.09.2000.

Wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird weiter auf den Tatbestand des Urteils des Landgerichts Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, da mangels förmlicher Abnahme der Bürgschaftsfall nicht eingetreten sei.

Die Bürgschaftsverpflichtung vom 12.07.1999 sei an die nach § 13 des GUV vom 14.10.1998 vorgesehene förmliche Abnahme nach § 12 Nr. 4 VOB/B geknüpft, die die Klägerin jedoch mangels Vorlage eines förmlichen Abnahmeprotokolls nicht habe beweisen können.

Nach Abgabe der Bürgschaftserklärung könne die förmliche Abnahme zwischen den Werkvertragsparteien nicht abbedungen werden.

Eine andere Beurteilung folge auch nicht aus den einwendungslos geleisteten Zahlungen der Beklagten. Sie stellten weder ein konstitutives noch ein deklaratorisches Anerkenntnis hinsichtlich des Grundes der Bürgschaftsverpflichtung dar.

Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin mit der sie ihren erstinstanzlichen Zahlungsantrag weiter verfolgt.

(1) Das Landgericht habe ihre Ausführungen im nachgelassenen Schriftsatz vom 13.01.2006 nicht berücksichtigt, danach habe ihr Bauleiter C den Geschäftsführer B mit Telefonat vom 11.08.1999 zur förmlichen Abnahme am 20.08.1999 aufgefordert.

Der Geschäftsführer habe die Teilnahme abgelehnt, da wegen der Mängelbeseitigungskontrolle am 03.08.1999 eine förmliche Abnahme nicht mehr nötig sei. Der Bauleiter habe das Objekt allein begangen und dem Geschäftsführer am 23.08.1999 das Ergebnis telefonisch mitgeteilt. Im übrigen sei der Abnahmebefund per Schlussrechnungskorrektur vom 17.09.1999 schriftlich mitgeteilt.

Damit sei eine förmliche Abnahme nach § 12 Nr. 4 Abs. 2 VOB/B erfolgt, die den Anforderungen der Bürgschaft i.V.m. dem Werkvertrag entspreche.

(2) Aber ein schriftliches Abnahmeprotokoll sei auch generell entbehrlich, da die Bürgschaftsurkunde keinen zwingenden Bezug zum Bauvertrag herstelle, selbst das Erfordernis nicht enthalte, keine konkrete Risikoerhöhung für die Inanspruchnahme als Bürge bei Fehlen herbeigeführt werde und ein schützenswertes Interesse dann nicht vorliege, wenn eine mangelfreie Abnahme anderweitig nachgewiesen werden könne.

(3) Die vorbehaltlosen Zahlungen in Höhe von 414,05 € auf die Bürgschaft seien als deklaratorisches Schuldanerkenntnis im Hinblick auf die Bürgschaftsinanspruchnahme dem Grunde nach und als einwendungsausschließender Tatbestand für künftige Bürgschaftsinanspruchnahmen zu werten.

Die Beklagte und der Streithelfer verteidigen die angefochtene Entscheidung.

(1) Telefonate am 11.08.1999 und 23.08.1999 zwischen dem Bauleiter der Klägerin und dem Geschäftsführer der in Insolvenz geratenen Vertragspartnerin hätten nicht stattgefunden.

Jedenfalls sei in § 13 Abs. 3 GUV ein Abnahmeprotokolll vereinbart und von diesem Erfordernis auch für den Fall des § 12 Nr. 4 Abs. 2 S. 2 VOB/B keine Ausnahme gemacht.

(2) Das schriftliche Abnahmeprotokoll sei auch nicht generell entbehrlich. Die Beklagte habe nur eine "eingeschränkte" Gewährleistungsbürgschaft für bereits fertiggestellte und ohne Beanstandungen und Auflagen abgenommene Arbeiten übernommen. Dies betreffe die Abgrenzung Vertragserfüllungs- und Gewährleistungsbürgschaft, die nur eindeutig vorzunehmen sei, wenn der Zeitpunkt und der Inhalt der Abnahme jedem Zweifel entzogen seien.

II.

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 517, 519, 520 ZPO); in der Sache führt sie aber nicht zum Erfolg.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung auf Grund der Bürgschaft vom 12.07.1999 gegen die Beklagte (§ 765 Abs. 1 BGB).

(1)

Der Vortrag der Klägerin im Schriftsatz vom 13.01.2006, der zu berücksichtigen ist, da er im nachgelassenen Schriftsatz innerhalb der Frist erfolgt ist, führt mangels schriftlicher Mitteilung des Ergebnisses der Abnahme i. S. d. § 12 Nr. 4 Abs. 2 S. 2 VOB/B gleichfalls nicht zur Bürgenhaftung (§ 765 Abs. 1 i. V. m. § 767 Abs. 1 BGB).

Zunächst fällt auf, dass die Klägerin widersprüchlich vorträgt. Zuerst hat sie in ihrer Klageschrift behauptet, dass die förmliche Abnahme am 12.10.1999 stattgefunden habe (Schreiben vom 18.10.1999, K2). In ihrem weiteren Prozessvortrag präzisierte die Klägerin ihren Sachvortrag zur Abnahme weiter, nahm aber keinen Abstand von der Behauptung, dass am 12.10.1999 eine förmliche Abnahme stattgefunden habe. Erst im nachgelassenen Schriftsatz vom 13.01.2006 behauptet sie jetzt, dass die förmliche Abnahme am 20.08.1999 in Abwesenheit der Auftragnehmerin stattgefunden habe. Diesen Widerspruch damit zu erklären, dass sich die Abnahme vom 12.10.1999 nur auf das Gemeinschaftseigentum beziehe, ist wenig überzeugend. Denn dies geht deutlich aus dem mit Klageerhebung eingereichten Schreiben vom 18.10.1999 (K2) hervor.

Selbst unterstellt die Telefonate vom 11.08.1999 und 23.08.1999 haben stattgefunden, können diese zwar grundsätzlich eine förmliche Abnahme nach § 12 Nr. 4 Abs. 2 VOB/B begründen, aber nicht im vorliegenden Fall. Denn nach der Bürgschaftsverpflichtung in Verbindung mit dem Werkvertrag ist jedenfalls für die Mitteilung des Ergebnisses der Abnahme i. S. d. Satzes 2 § 12 Nr. 4 Abs. 2 VOB/B die Schriftform und damit die Anfertigung einer Niederschrift der Abnahme vorgeschrieben. Die unterstellte Erklärung vom 23.08.1999 hinsichtlich des Ergebnisses der Abnahme vom 20.08.1999 erfolgte aber nur telefonisch. Zwar finden sich diese Voraussetzungen der Bürgeninanspruchnahme nicht in der Bürgschaftsurkunde vom 12.07.1999 selbst, doch nimmt diese auf den der Bürgschaft zugrundeliegenden Werkvertrag vom 14.10.1998 und damit auf die in diesem Vertrag geregelte förmliche Abnahme Bezug. Dies ist ausreichend.

Nach § 13 Abs. 1 Generalunternehmervertrag haben alle Abnahmen förmlich nach § 12 Nr. 4 VOB/B stattzufinden, während die fiktive Abnahme im Sinne des § 12 Nr. 5 VOB/B hinsichtlich beider dort genannten Alternativen nach § 13 Abs. 2 Generalunternehmervertrag ausgeschlossen wird. Dies ist den Vertragspartnern unbenommen (Ingenstau/Korbion, 14. A., § 12 Rn. 167). Die förmliche Abnahme nach § 13 Abs. 1 GUV bezieht sich auf die i. S. d. Absatzes 1 des § 12 Nr. 4 VOB/B als auch auf die i. S. d. Absatzes 2 § 12 Nr. 4 VOB/B, denn es erfolgt keine Differenzierung bzw. kein weiterer Ausschluss. Ist aber die förmliche Abnahme umfassend nach § 12 Nr. 4 VOB/B zu verstehen, so gilt dies auch für das bei Abnahme nach § 13 Abs. 3 S. 1 GUV vorgeschriebene Abnahmeprotokoll. Zwar ist nach § 12 Nr. 4 Abs. 2 S. 2 VOB/B dem Auftragnehmer lediglich das Ergebnis der Abnahme mitzuteilen, doch haben die Werkvertragsparteien diese Regelung mit § 13 Abs. 3 S. 1 GUV in zulässiger Weise modifiziert. Eine Betrachtung der Reihenfolge, wie sie in § 3 GUV entsprechend § 1 Nr. 2 VOB/B vorgeschrieben ist, zeigt, dass die besonderen Vereinbarungen der Parteien Vorrang vor den allgemeinen Bestimmungen der VOB/B haben. Die Pflicht und damit das Recht der Klägerin zur Abnahme wird dadurch aber nicht eingeschränkt. Ihr wird lediglich zu Beweiszwecken aufgegeben, das Ergebnis der Abnahme schriftlich niederzulegen. Dies ist aber für beide Werkvertragsparteien interessengerecht.

Auch die Schlussrechnungskorrektur vom 17.09.1999 kann das schriftlich mitzuteilende Ergebnis der Abnahme nicht herstellen. Sie erfolgte schon nicht "alsbald" im Sinne des § 12 Nr. 4 Abs. 2 S. 2 VOB/B, nämlich nicht innerhalb der äußersten Frist von 12 Werktagen nach unterstellter Abnahme vom 20.08.1999 (Ingenstau/Korbion, a. a. O., § 12 Rn. 136).

(2)

Ist aber die Schriftform hinsichtlich des Ergebnisses der Abnahme vertraglich vereinbart, so erübrigt sich die Frage, ob es grundsätzlich der Vorlage eines schriftlichen Abnahmeprotokolls nicht bedürfe, da dies die Interessenlage nicht erfordere. Diese Auffassung der Klägerin ist aber nicht zutreffend. Das Schriftformerfordernis hinsichtlich des Ergebnisses der Abnahme entspricht gerade der Interessenlage. Die Beklagte hat nur eine "eingeschränkte" Gewährleistungsbürgschaft für bereits festgestellte und ohne Beanstandungen und Auflagen abgenommene Arbeiten übernommen. Die Abgrenzung zwischen Vertragserfüllungs- und Gewährleistungsansprüchen ist aber nur dann eindeutig vorzunehmen, wenn der Zeitpunkt und der Inhalt der Abnahme jedem Zweifel entzogen sind.

Denn sofern der Auftraggeber im Zeitpunkt der Abnahme rügt, dass einzelne Leistungen noch nicht fertig gestellt sind und an einzelnen Leistungen bereits Mängel vorhanden sind, kann er das Werk gleichwohl insgesamt als vertragsgerecht akzeptieren. Die bei der Abnahme geltend gemachten Vorbehalte führen dann dazu, dass sich der bisherige Erfüllungsanspruch in einen Gewährleistungsanspruch umwandelt. Für solche Gewährleistungsansprüche will die Beklagte aber keine Besicherung bereit stellen.

Da die förmliche Abnahme nicht erfolgte und auch nicht mehr nachgeholt werden kann, führt dies faktisch zum Erlöschen der Haftung der Beklagten.

(3)

Eine andere Beurteilung folgt auch nicht aus den beiden einwendungslos geleisteten Zahlungen der Beklagten. Diese stellen weder ein konstitutives noch ein deklaratorisches Anerkenntnis hinsichtlich des Grundes der Bürgschaftsverpflichtung dar, sondern können im Zweifel nur als bestätigendes Schuldanerkenntnis der beglichenen Forderungen gewertet werden (OLG Frankfurt, Beschluss vom 30.11.2005, 19 U 151/05). Ein konstitutives Anerkenntnis im Sinne des § 781 BGB scheidet schon wegen Fehlens der Schriftform aus; ein deklaratorisches Anerkenntnis hinsichtlich des (abgeänderten) Grundes der Bürgschaftsverpflichtung kann in den Zahlungen nicht gesehen werden, weil diese Zahlungen nicht die Voraussetzungen einer vertragsmäßigen Einigung über einen abgeänderten Inhalt der Bürgschaftsverpflichtung erfüllen. Zum Zeitpunkt der Zahlung war die Frage der Haftung der Beklagten noch nicht in Streit, sodass den Zahlungsvorgängen auch keine diesbezügliche rechtsgeschäftliche Bedeutung beigemessen werden kann.

Allerdings könnte es sich bei den Zahlungen um ein einseitiges Anerkenntnis der Beklagten handeln, dem nur die Bedeutung eines Beweismittels zukommen würde (vgl. OLG Frankfurt a. a. O.). Dies aber ist vorliegend unerheblich, da es sich bei der streitgegenständlichen Frage der Bürgenhaftung um eine Rechtsfrage handelt. Ist aber den Zahlungen nur ein tatsächlicher Charakter beizumessen, so können sie auch nicht als einwendungsausschließender Tatbestand für künftige Bürgschaftsinanspruchnahmen zu werten sein.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 101 Abs. 1 ZPO; die über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, da eine individualvertragliche Regelung auszulegen ist, die über diesen Einzelfall hinaus ohne Relevanz ist. Auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern keine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Ende der Entscheidung

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