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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 06.03.2008
Aktenzeichen: 4 U 41/07
Rechtsgebiete: BGB, EGZPO, SchlichtG HE


Vorschriften:

BGB § 823
BGB § 910
EGZPO § 15 a Abs. 1 Nr. 2
SchlichtG HE Art. 1
1. Die in Art. 1 § 1 Ziff. 2 a SchlichtG HE landesrechtlich vorgeschriebene Schlichtung für Ansprüche wegen Überhang gemäß § 910 BGB gilt auch für Schadensersatzansprüche aus einer unerlaubten Handlung, die aus dieser Bestimmung erwachsen wird.

2. Die ohne die vorherige Durchführung der obligatorischen Schlichtungsverfahren erhobene Klage ist auch dann vom Berufungsgericht als unzulässig abzuwenden, wenn das erstinstanzliche Urteil keine Ausführungen zu der angenommenen Zulässigkeit der Klage enthält.


Gründe:

I.

Der Kläger nimmt die Beklagten nach einem Wassereinbruch im Keller seines Hauses infolge eines unwetterartigen Regens am 23.07.2004 auf Erstattung der Kosten für die Reinigung von Dachrinnen, Lichtschacht und Pflanzkästen sowie auf Schadensersatz für die infolge des Wassereinbruchs entstandenen Sachschäden am Haus und Inventar in Anspruch mit der Begrünung, die Überflutung des Kellers sei darauf zurückzuführen, dass durch die auf dem Grundstück der Beklagten stehenden weit in das klägerische Grundstück hineinragenden Bäume die Dachrinnen des Hauses des Klägers mit Laub und Nadeln verstopften und infolge dessen das Wasser über die Dachrinnen hinweg in die Lichtschächte hineingeschossen und von dort in den Keller hineingelaufen sei.

Wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes im Einzelnen wird Bezug genommen auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils des Landgerichts vom 25.01.2007, der dahin zu ergänzen ist, dass vor Klageerhebung ein Schlichtungsverfahren nach dem Hess. Schlichtungsgesetz nicht durchgeführt worden war.

Das Landgericht hat unter Abweisung der Klage im Übrigen die Beklagten zur Zahlung von 650 Euro nebst Zinsen verurteilt. Zur Begründung hat das Landgericht - ohne auf die Problematik des nicht durchgeführten Schlichtungsverfahrens einzugehen - ausgeführt, die Beklagten seien dem Kläger gemäß den §§ 1004 Abs. 1, 812 Abs. 1 BGB verpflichtet, die Kosten der erforderlichen Reinigung der Regenrinnen, zweier Fallrohre und der Blumenkästenabflüsse sowie der Beseitigung der dabei anfallenden Abfälle zu erstatten. Es stehe aufgrund der Angaben des Zeugen Z1 fest, dass der Dachrinnenüberlauf am 23.07.2004 durch die auf dem Grundstück der Beklagten grenznah stehenden und mit ihren Ästen weit in das klägerische Grundstück hineinragenden Bäume verursacht worden sei. Die Beklagten hätten pflichtwidrig einen rechtzeitigen Rückschnitt der Bäume unterlassen. Die notwendigen Aufwendungen für die erforderlichen Reinigungsarbeiten seien auf 650 Euro zu schätzen. Die vom Kläger vorgelegte Abrechnung der Firma A vom 09.08.2004 über 2.914,50 Euro sei deutlich überhöht.

Die darüber hinaus gehenden Schadensersatzansprüche seien jedoch zurückzuweisen, weil die notwendige Kausalität zwischen der Verstopfung der Regenrinnenabflüsse und dem Wassereinbruch in die Kellerräume des klägerischen Hauses nicht hinreichend sicher festgestellt werden könne. Das Regenwasser sei nicht nur aus den überlaufenden Regenrinnen in den Lichtschacht sondern auch direkt durch den Regen dort hineingelangt, weil der Dachüberstand nur einen Teil des Lichtschachtes abdecke. Auch wenn als weitere denkbare Ursache ein Kanalrückstau nicht in Betracht komme, sei nicht auszuschließen, dass der Kanal schon die erhebliche direkt in den Lichtschacht hineinregende Regenmenge - ohne das vom Dach herunterschießende Wasser - nicht mehr habe aufnehmen können.

Für einen verschuldensabhängigen Schadensersatzanspruch des Klägers fehle es zudem an der Vorhersehbarkeit des geltend gemachten Eigentumsschadens im Keller, weil in hiesigen Breitengraden mit unwetterartigen Regen keineswegs zu rechnen sei.

Schließlich fehle jeglicher Beweisantritt, dass die angeblich durch Feuchtigkeit in seinem Keller beschädigten Gegenstände sich seinerzeit tatsächlich im Keller befunden haben.

Gegen diese ihm am 01.02.2007 zugestellte Entscheidung wendet sich der Kläger mit der am 01.03.2007 eingelegten und am 02. April 2007 (Montag) begründeten Berufung, mit der er seinen ursprünglichen Klageantrag weiter verfolgt und die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung weiterer 60.036,15 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit hieraus beantragt.

Der Kläger macht geltend, das Landgericht habe bereits fehlerhaft die Kosten für die Reinigung der Dachrinne und der Abflüsse auf lediglich 650 Euro geschätzt, die jede nachvollziehbare Grundlage vermissen lasse. Es hätten vom Landgericht die angebotenen Beweise zur Erforderlichkeit der von der Firma A am 09.08.2004 abgerechneten Arbeiten erhoben werden müssen.

Weiter habe das Landgericht rechtsfehlerhaft die Kausalität zwischen der Verstopfung der Regenrinnenabflüsse und der am und im Keller entstandenen Schäden verneint. Immerhin habe der Zeuge Z1 bekundet, dass infolge der Verstopfung der Dachrinnen das Regenwasser unkontrolliert übergelaufen, in den darunter befindlichen Lichtschacht gelangt und von dort in den Keller des Hauses eingedrungen sei. Nach Reinigung der Dachrinnen, so der Zeuge, sei das Wasser wieder ordnungsgemäß abgelaufen.

Die vom Landgericht angenommene erhebliche Wassermenge, die durch direkten Regeneinfall in den Lichtschacht gelangt sei, beruhe auf einer unzutreffenden Annahme. Infolge des dichten Baumbewuchses und der bis an das Haus reichenden Äste habe der Lichtschacht unter einer geschlossenen Blätterdecke gelegen. Auch wäre entgegen der Annahme des Landgerichts die gegebenenfalls direkt in den Lichtschacht einregnende Wassermenge von einem Sachverständigen ohne weiteres zu ermitteln gewesen. Dass auch ohne die vom Dach aufgefangenen und über die Dachrinnen hinweg schießenden Wassermengen der Schaden an und im Keller entstanden wäre, sei durch nichts bewiesen.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts bestünden auch verschuldensabhängige Schadenersatzansprüche, weil der Eigentumsschaden durchaus vorhersehbar gewesen sei. Bei Anwendung gehöriger Sorgfalt hätten die Beklagten ohne weiteres erkennen können, dass der massive Baumüberhang die Dachrinnen verstopfen und dadurch bedingt das ablaufende Regenwasser nicht mehr ordnungsgemäß aufgenommen werden könne, vielmehr über die Dachrinne hinausschieße und in den darunter befindlichen Lichtschacht eindringe.

Unzutreffend sei weiterhin, dass die Wasserschäden auf vom Kläger bereits zuvor angezeigte Schadensfälle zurückzuführen sei. Die Zeugin Z2 habe bekundet, dass die vor dem Eigentumserwerb durch den Kläger aufgetretenen beiden Wasserschäden beseitigt worden seien. Auch der vom Kläger weiter angezeigte Vorfall, die Einleitung von Schwimmbadwasser, habe zu keinem Wasserschaden bei ihm geführt. Daher habe er auch diesbezüglich keinerlei Ansprüche gegen den Beklagten erhoben.

Dass die beschädigten Gegenstände zum Zeitpunkt des Wassereintritts sich in den Kellerräumen befunden haben, sei von ihm durch in Augenscheinnahme und Sachverständigengutachten ausreichend unter Beweis gestellt worden.

Die Beklagten habe unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens das landgerichtliche Urteil verteidigt und beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Ergänzend machen sie bereits die Unzulässigkeit der erhobenen Klage geltend, weil - unstreitig - das gemäß § 15 a EGZPO in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Nr. 2 des Hessischen Gesetzes zur Regelung der außergerichtlichen Streitschlichtung (nachfolgend abgekürzt: SchlichtG HE) vorgeschriebene Schlichtungsverfahren nicht durchgeführt worden sei.

Diesem Einwand ist der Kläger mit dem Argumenten aus der Entscheidung des LG Marburg, NJW 2005, 2866 entgegengetreten.

II.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. In der Sache bleibt die Berufung aber ohne Erfolg. Ungeachtet der vom Kläger gegen das landgerichtliche Urteil vorgebrachten materiellrechtlichen Einwendungen ist die Klage bereits unzulässig, weil sie ohne vorherige Durchführung des obligatorischen Schlichtungsverfahrens erhoben worden ist (§ 15 a EGZPO i. V. Art. 1 § 1 Abs. 1 Nr. 2 a SchlichtG HE).

Der vorliegende Rechtsstreit betrifft entgegen der Auffassung des Klägers "Ansprüche wegen Überwuchses nach § 910 BGB" im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 a SchlichtG HE. Zwar kommt für die vom Kläger verfolgten Ansprüche § 910 BGB als Anspruchsgrundlage nicht in Betracht. Vielmehr folgen dessen Ansprüche aus den § 1004, 812 BGB (Kostenerstattung für Dachrinnenreinigung etc.: BGH-NJW 2004, 603) sowie aus § 823 Abs. 1 BGB (Verletzung von Verkehrssicherungspflichten). Das Landgericht hat zwar verschuldensabhängige Schadensersatzansprüche in der angefochtenen Entscheidung vom 25.01.2007 zurückgewiesen. Diese Rechtsansicht des Landgerichts ist jedoch vom Kläger mit der Berufung explizit angegriffen und zur Überprüfung des Senats gestellt worden, der im Wesentlichen seine Haftungsansprüche auf von den Beklagten zu vertretende, schuldhafte Versäumnisse stützt.

Die streitgegenständlichen Schadensersatzansprüche unterfallen dem § 1 Abs. 1 Nr 2a SchlichtG HE. Bereits nach dem Wortlaut wird nicht nur der nachbarrechtliche primäre Abwehranspruch (Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch) gegen die Einwirkungen des Überhangs, sondern auch der sekundäre Schadensersatzanspruch von der genannten Regelung erfasst, wobei es nicht nur um den Schadensersatzanspruch des störenden Nachbarn, soweit Zweige oder Wurzeln unberechtigt abgeschnitten worden sind oder des gestörten Nachbarn auf Kostenerstattung für selbst vorgenommenen Beseitigungsmaßnahmen (AG Rosenheim NJW 2001, 2030, 2031; Bamberger/Roth, Beck Online Kommentar, BGB, § 910 Rn. 16) geht. Umfasst werden auch Ansprüche auf Ersatz des durch den Überwuchs ausgelösten Schadens (AG Nürnberg, MDR 2002 1189; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 66. Auflage 2008, § 15 a EG ZPO Rn. 5; a. M.: Zöller/Gummer, ZPO, 26. Auflage 2007, EG ZPO, § 15 a Rn. 5, der die Entscheidung AG Nürnberg als zu weitgehend - allerdings ohne Begründung - bezeichnet).

Die Formulierung "in Streitigkeiten über Ansprüche wegen Überwuchses nach § 910 des Bürgerlichen Gesetzbuches" lässt ohne weiteres ein Verständnis dahingehend zu, dass alle vermögensrechtlichen Ansprüche erfasst werden sollen, soweit sie der Bestimmung des § 910 erwachsen, d. h. in dieser Regelung ihre Grundlage haben (so auch Zöller/Gummer, a.a.O.). Die Beschränkung auf Ansprüche aus § 910 als Anspruchsgrundlage ist vom Wortsinn her nicht veranlasst.

Für die hierfür vertretende Auslegung der Vorschrift spricht jedoch ganz entscheidend der Sinn und Zweck des Streitschlichtungsgesetzes. In der Gesetzesbegründung zu § 15 a EG ZPO (BT - Drucks. 14/980 Seite 5) ist dazu ausgeführt, angesichts des ständig steigenden Geschäftsanfalls bei den Gerichten sei es notwenig, Institutionen zu fördern, die im Vorfeld der Gerichte Konflikte beilegen. Neben einer Entlastung der Justiz werde durch eine Inanspruchnahme von Schlichtungsstellen erreicht, dass Konflikte rascher und kostengünstiger bereinigt werden könnten. Wesentliche Aspekte des Schlichtungsverfahrens sind nach der Gesetzesbegründung auch, dass in nachbarrechtlichen Konflikten eine gerichtliche Entscheidung, die sich ausschließlich an einem in der Vergangenheit liegenden Sachverhalt orientieren muss, häufig keine angemessene Lösung bietet und dass bei der Beilegung nachbarrechtlicher Streitigkeiten die Wiederherstellung und Erhaltung der Sozialbeziehungen der Parteien im Vordergrund stehen muss, was eher durch eine einvernehmlich getroffene zukunftsorientierte Regelung erreicht werden kann als durch eine gerichtliche Entscheidung. Schließlich können in einem Schlichtungsverfahren Tatsachen berücksichtigt werden, die für die Lösung des Konflikts der Parteien von wesentlicher oder ausschlaggebender Bedeutung, rechtlich jedoch irrelevant sind (BT - Drucks. 1999, 14/980, S. 5 und 6).

Diese Zielsetzung der Erhaltung bzw. Wiederherstellung der Sozialbeziehung zwischen Nachbarn würde - wie der vorliegende Fall eindrucksvoll belegt - konterkariert, müsste der Kläger bezüglich des Beseitigungsverlangens bzw. Ersatz der Aufwendungen für die selbst vorgenommene Beseitigung der aufgetretenen Beeinträchtigungen (z. B. Säuberung der Dachrinne) das Schlichtungsverfahren vorrangig durchführen, wegen der infolge des nachbarschaftswidrigen Überwuchses verursachten Eigentumsschäden an seinem Haus und Inventar jedoch gleich die Klage vor einem Zivilgericht anstrengen dürfen. Das gerichtliche Streitverfahren würde jedem außergerichtlichen Schlichtungsversuch die Basis entziehen und die Schlichtung zu einer bloßen Förmelei degradieren. Die außergerichtliche Schlichtung kann nur dann zu der vom Gesetzgeber beabsichtigten Befriedung der Nachbarn und der Entlassung der Justiz führen, wenn alle Ansprüche, die im engen Zusammenhang mit der Vorschrift des § 910 BGB stehen, dem Anwendungsbereich des § 1 Ziff. 2 b unterstellt werden.

Die vom Kläger vorgenommene Differenzierung zwischen den vom SchlichtG HE erfassten unmittelbaren, auf der Verletzung der nachbarschützenden Norm beruhenden Schäden und weiteren, nicht mehr dem SchlichtG HE unterfallenden Folgeschäden an anderen Rechtsgütern löst ebenfalls den aufgezeigten Widersinn nicht auf.

Soweit die Verbindung schlichtungspflichtiger mit nicht schlichtungspflichtigen Anträgen im Wege der Klageerweiterung für zulässig erachtet wird, begründet dies die erhebliche Gefahr einer Umgehung des gesetzliche vorgeschriebenen Schlichtungsverfahrens (vgl. zu dieser Problematik Bitter NJW 2005, 1235, 1237 f mit weiteren Nachweisen zur Rechtssprechung).

Das obligatorische Schlichtungsverfahren hat der Klageerhebung zwingend vorauszugehen. Die Klage ist aus diesem Grund auch noch im Berufungsverfahren als unzulässig abzuweisen, wenn die erstinstanzliche Entscheidung - zu Unrecht - von der Zulässigkeit des Verfahrens ausgegangen ist. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist diese Vorgehensweise keineswegs eine bloße Förmelei und widerspricht auch nicht jeglicher Prozessökonomie. Der Senat folgt damit der vom OLG Saarbrücken, NJW 2007, 1292 ff vertretenen Auffassung.

Es ist zunächst davon auszugehen, dass der Gesetzgeber die Frage der Beachtlichkeit eines unterbliebenen Schlichtungsverfahrens einer Überprüfung in der Rechtsmittelinstanz nicht hat entziehen wollen. Zwar ist zutreffend, dass eine entsprechende ausdrückliche Regelung fehlt, weil der Bundesgesetzgeber, der § 15 a EG ZPO als Experimentierklausel betrachtet hat, angesichts der Ungewissheit der Umsetzung dieser Bestimmung in den einzelnen Bundesländern überhaupt keinen Anlass gehabt hatte, die Folgen der Nichtbeachtung einer in die Hände der Bundesländer gegebenen Prozessvoraussetzung bereits mit der Schaffung von § 15 a EG ZPO zu normieren (so Bausch, JR 2007, 444, 445). Damit die oben vom Gesetzgeber mit dem Schlichtungsverfahren erfolgten Ziele jedoch auch erreicht werden können, ist es wichtig, dass sich die obligatorische Streitschlichtung institutionell etabliert. Dies wiederum erfordert die Überprüfung der Anwendung des § 15 a EG ZPO und der entsprechenden landesrechtlichen Vorschriften durch die Berufungsgerichte. Denn nur wenn § 15 a EG ZPO in der Berufungsinstanz umfassend zu überprüfen ist, also auch dann, wenn die erste Instanz dessen Voraussetzungen verneint, werden die erstinstanzlichen Gerichte zu einer sorgfältigen Prüfung des § 15 a EG ZPO angehalten, um nicht Gefahr zu laufen, dass ihr Urteil vom Berufungsgericht aufgehoben wird. Auch die Parteien und deren Anwälte werden die Gefahr vermeiden wollen, noch in der Berufungsinstanz über § 15 a EG ZPO zu stolpern und sicherheitshalber in Zweifelsfällen zur obligatorischen Streitschlichtung vor der Klageerhebung greifen (Rimmelspacher/Arnold, NJW 2006, 17, 18). Dementsprechend hat der Bundesgerichtshof auch in seiner Entscheidung in BGH Z 161, 145 ff erkannt, dass die mit dem § 15 a EGZPO verfolgten Ziele nur erreicht werden könnten, wenn die Verfahrensvorschrift des § 15 a EG ZPO konsequent derart ausgelegt wird, dass die Rechtssuchenden und die Anwaltschaft in denen durch Landesgesetz vorgegebenen Fällen vor Anrufung der Gerichte auch tatsächlich den Weg zu den Schlichtungsstellen beschreiten müssen.

Die widersprechende Argumentation des Landgerichts Marburg NJW 2005, 2866, dass eine Abweisung der Klage noch im Berufungsverfahren als unzulässig wegen Nichtdurchführung der obligatorischen Streitschlichtung dazu führen würde, dass die vom erstinstanzlichen Gericht geleistete Sacharbeit aus einem formalen Gesichtspunkt hinfällig werden würde, verkennt, dass die geleistete Sacharbeit durchaus im durchzuführenden Schlichtungsverfahren Berücksichtigung finden kann.

Dem Landgericht Marburg wird zwar darin zuzustimmen sein, dass regelmäßig - wie auch hier - die im anhängigen Verfahren anstehende Problematik durch eine Zurückverweisung in das Schlichtungsverfahren weder rascher noch kostengünstiger gelöst werden wird. Dieses Argument verkennt jedoch die Zukunftsgerichtetheit des Schlichtungsverfahrens. So können bei dessen erfolgreicher Durchführung möglicherweise viele künftige Konflikte der Nachbarn vermieden und auf diese Weise die Gerichte entlastet und Verfahrenskosten gespart werden. Gerade der vorliegende Fall ist hierfür ein anschauliches Beispiel, hat doch der Kläger in dem zweitinstanzlichen Schriftsatz vom 16.10.2007 (Bl. 484 d. A.) neben den streitbefangenen Ansprüchen weitere nachbarrechtliche Ansprüche geltend gemacht, die aus prozessualen Gründen im vorliegenden Verfahren nicht mehr berücksichtigt werden können und daher aller Voraussicht nach zu einem neuen Gerichtsverfahren führen werden. Nach Zurückweisung der Berufung wegen Unzulässigkeit der Klage haben die Parteien nunmehr die Möglichkeit im Rahmen des Schlichtungsverfahrens sämtliche nachbarrechtliche Ansprüche einvernehmlich zu regeln und eine nachhaltige Lösung zur Meidung künftiger Konflikte zu finden.

Die Kostenentscheidung erfolgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf den § 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Die hier streitige Frage der vorrangigen Durchführung eines Schlichtungsverfahrens betrifft die Anwendung Hessischer Landesgesetze, die vom Bundesgerichtshof im Rahmen der Berufung gemäß § 545 Abs. 1 ZPO nicht zu überprüfen ist.

Auch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Bundesgerichtshofs (§ 543 ZPO).

Ende der Entscheidung

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