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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 21.09.2007
Aktenzeichen: 4 W 34/07
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 91 a
Hebt ein Beklagter, der auf Feststellung in Anspruch genommen wird, dass ein von ihm abgeschlossener Grundstückskaufvertrag nur zum Schein abgeschlossen wurde, den Vertrag eine Woche nach Zustellung der Klage im Einverständnis mit dem Erwerber auf, ohne dass dafür nachvollziehbare Gründe ersichtlich sind, so kann das Gericht dies bei der im Rahmen des § 91 a ZPO zu treffenden Beurteilung über den voraussichtlichen Ausgang des Rechtsstreits als wesentliches Indiz dafür werten, dass der Kläger die Voraussetzungen für ein Scheingeschäft hätte darlegen und beweisen können.
Gründe:

I.

Der Kläger wendet sich mit der sofortigen Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts, durch denen dieses nach übereinstimmender Erledigungserklärung der Parteien die Kosten des Rechtsstreits nach § 91 a ZPO gegeneinander aufgehoben hat.

Der Kläger und der Beklagte zu 1) sind Brüder. Sie sind neben ihrer Mutter, die Eigentümerin zu 1/2 ist, zu je 1/4-Anteil Miteigentümer eines Wohn- und Geschäftshauses in .... An dem Miteigentumsanteil des Beklagten zu 1) steht dem Kläger ein Vorkaufsrecht zu. Der Beklagte zu 1) schloss am 15.09.2006 mit der Beklagten zu 2), einer ... Grundstücksgesellschaft, einen Kaufvertrag über die Veräußerung seines 1/4-Miteigentumsanteiles zu einem Kaufpreis von 460.000 Euro.

Mit der den Beklagten am 09.11.2006 zugestellten Klage hat der Kläger die Feststellung beantragt, dass der vorgenannte Grundstückskaufvertrag unwirksam sei. Er hat die Auffassung vertreten, dass es sich bei dem Kaufvertrag um ein Scheingeschäft zu seinen Lasten handele, dass den Zweck habe, die Ausübung seines Vorkaufsrechtes zu vereiteln oder zu erschweren. Er hat dies damit begründet, dass der Miteigentumsanteil einen erheblich niedrigeren Verkehrswert habe als der vereinbarte Kaufpreis und weitere Umstände als Indizien vorgetragen.

Die Beklagten haben mit der Klageerwiderung einen privatschriftlichen Vertrag vom 17.11.2006 vorgelegt, in dem der Kaufvertrag zwischen den Beklagten in allen Teilen aufgehoben worden ist. Sie haben gleichzeitig den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Der Kläger hat sich dieser Erledigungserklärung angeschlossen.

Mit Beschluss vom 16.04.2007 hat das Landgericht die Kosten des Rechtsstreits gegeneinander aufgehoben, da offen geblieben sei, ob der abgeschlossene notarielle Vertrag wegen bewussten Zusammenwirkens zum Nachteil des Klägers nichtig war. Die im Rahmen des § 91 a ZPO zu treffende summarische Prüfung diene nicht der Klärung komplexer Sachverhalte, insbesondere sei hier nicht mehr im Einzelnen zu entscheiden, ob die vorgetragenen Indizien die Annahme einer Nichtigkeit des Vertrages hinreichend stützten.

Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Klägers, mit der dieser erstrebt, dass die Kosten des Rechtsstreits den Beklagten auferlegt werden. Er rügt, das Landgericht habe nicht näher geprüft, wie der Prozess ohne die abgegebenen Erledigungserklärungen ausgegangen wäre. Es übergehe, dass der Kläger sich in erster Linie auf ein Scheingeschäft gestützt habe. Selbst nach dem Beklagtenvortrag habe der Wert des Grundstückes höchstens 980.000 Euro betragen. Die Zustimmung der Beklagten zur Vertragsaufhebung stelle ebenso ein Indiz dar wie die Finanzierungsklausel in Ziffer 6. des Vertrages. Jedenfalls liege eine Erfüllung des Klageanspruches und damit eine Unterwerfung unter diesen durch den Aufhebungsvertrag vor.

Das Landgericht hat dem Rechtsmittel nicht abgeholfen und insbesondere begründet, dass in der Aufhebung des Kaufvertrages keine konkludente Anerkennung des Klageanspruches liege.

II.

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde, ist in der Sache begründet.

Hat nach beiderseitiger Erledigungserklärung nach § 91 a ZPO das Gericht über die Kosten des Rechtsstreites nach billigem Ermessen zu entscheiden, so hat es in erster Linie zu untersuchen wie das Verfahren ohne die Abgabe der Erledigungserklärungen und ohne das erledigende Ereignis voraussichtlich ausgegangen wäre und wer dann die Kosten zu tragen gehabt hätte (vgl. Thomas/Putzo, ZPO, 28. Aufl., § 91 a Rz. 47; Zöller/Vollkommer, BGB, 26. Aufl., § 91 a Rz. 24). Tatsächliche Grundlage für diese Beurteilung ist der Sach- und Streitstand wie er sich bei Abgabe der Erledigungserklärungen der Parteien darstellt, wobei eine Klärung streitiger und beweisbedürftiger Tatsachen durch Beweisaufnahme nicht mehr stattfindet.

Nach dem Sach- und Streitstand wie er sich bei der Zustimmung zur Erledigungserklärung der Beklagten durch den Kläger unter Berücksichtigung der weiteren erläuternden Schriftsätze darstellt wäre der Feststellungsklage des Klägers auch ohne Beweisaufnahme über den genauen, zwischen den Parteien umstrittenen Verkehrswert des Miteigentumsanteils und des Hauses stattzugeben gewesen.

In diesem Falle hätten die Beklagten nach § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen gehabt, so dass es auch der Billigkeit entspricht, dass diese nach übereinstimmender Erledigungserklärung die Kosten zu tragen haben.

Aus den zwischen den Parteien unstreitigen Tatsachen ergibt sich nämlich bereits mit hineichender Sicherheit im Wege des Indizschlusses, dass die Beklagten zu 1) und zu 2) den Kaufvertrag vom 15.09.2006 zumindest hinsichtlich der darin ausgewiesenen Kaufpreishöhe von 460.000 Euro nur zum Schein abgegeben haben und der Vertrag deshalb nach § 117 Abs. 1 BGB nichtig ist. Sofern die beiden Beklagten insgeheim einen niedrigeren Kaufpreis tatsächlich gewollt haben wäre dieser Kaufvertrag wegen Nichteinhaltung der Form nach den § 117 Abs. 2 in Verbindung mit § 311 b BGB gleichfalls nichtig. Der Charakter eines Scheingeschäfts ergibt sich mit hinreichender Sicherheit aus den beiden nachfolgenden Umständen:

1. Die Beklagten haben nach ihrem eigenen Vortrag in dem Kaufvertrag einen Preis vereinbart, der jedenfalls erheblich über dem Verkehrswert des Miteigentumsanteils (1/4 des Verkehrswertes des Hauses) liegt. Die Beklagten gestehen zu, dass in dem Haus im Jahre 2005 ein Nettomietzins von 75.472,70 Euro - ohne die Wohnung auf die sich das Wohnrecht der Mutter bezieht - erzielt wurde. Sie vertreten die Auffassung, dass wegen der hervorragenden Lage des Hauses in der ... Innenstadt für die Bemessung des Ertragswertes der 20fache Jahresnettoertrag zugrunde zulegen ist. Da bei gehen sie mit Recht davon aus, dass für die Bemessung des Verkehrswertes hier, da es sich um ein großes vermietetes Wohn- und Geschäftshauses handelt, der Ertragswert heranzuziehen ist. Der 20fache Jahresnettomietertrag beträgt 1.509.944 Euro. Von diesem Betrag ist zutreffend, jedenfalls auch nach Auffassung der Beklagten, lediglich die valutierende Belastung in Höhe von 175.000 Euro abzuziehen. Es ergibt sich damit ein Verkehrswert des Hauses von 1.334.440 Euro. Hiervon beträgt 1/4 333.610 Euro. Die Beklagten haben demgegenüber einen auffällig hohen Kaufpreis von 460.000 Euro vereinbart. Dieser um rund 126.000 Euro überteuerte Kaufpreis ist besonders auch deshalb auffällig, da es sich bei der Beklagten zu 2) um eine professionelle Grundstücksgesellschaft handelt und für solche in der Regel kein Interesse besteht, sich mit einem bloßen Miteigentumsanteil in eine zerstrittene Miteigentumsgemeinschaft einzukaufen. Eher wäre hier ein weiterer Abschlag vom Verkehrswert ausgehandelt worden.

2. Dass dieser hohe Kaufpreis von dem Beklagten zu 1) nicht aufgrund großen kaufmännischen Geschickes mit der Beklagten zu 2) am Markt ausgehandelt worden sein kann, sondern nur zum Schein abgegeben wurde, ergibt sich aus dem zweiten wesentlichen Indiz-Umstand. Als solcher ist zu bewerten, dass der Beklagte zu 1) und die Beklagte zu 2) den notariellen Kaufvertrag bereits eine Woche nach Zustellung der hiesigen Klage aufgehoben haben, ohne dass dies in wirtschaftlicher Hinsicht plausibel erklärt ist. Im Rahmen der bei § 91 a ZPO vorzunehmenden Beurteilung des Sach- und Streitstandes und des voraussichtlichen Ausganges des Rechtsstreites stellt es ein wesentliches Indiz dar, ob eine der beiden Parteien das erledigende Ereignis willkürlich herbeigeführt hat und ob es für diese Herbeiführung plausible wirtschaftliche Motive gibt (vgl. Zöller/Vollkommer, o. a. O., Rz. 25 m. w. N.). Dies gilt insbesondere wenn der Beklagte nach Klageerhebung durch eine Erfüllungshandlung sich freiwillig in die Rolle des Unterlegenden begibt, ohne dass er darlegen kann, dass seinem Verhalten andere Motive als die Anerkennung der Forderung zugrunde liegen (vgl. OLG Frankfurt MDR 1996, 426; auch BGH MDR 2004, 698, sowie Bonifacio MDR 2004, 1094 ff.). Einen solchen Umstand stellt hier die Aufhebung des notariellen Vertrages durch die Beklagten dar, weil damit der Feststellungsantrag des Klägers gegenstandlos geworden ist.

Die Beklagten haben trotz des Hinweises der Klägerseite auf das fehlende ausreichende Motive für die Aufhebung keine plausible oder sonst nachvollziehbare Erklärung dafür gegeben, warum sich der Beklagte zu 1) mit der Aufhebung des für ihn wirtschaftlich äußerst günstigen Kaufvertrages einverstanden erklärt hat. Die Beklagten haben lediglich vorgetragen, die Aufhebung sei erfolgt, weil die Erwerberin - also die Beklagte zu 2) - wegen drohender langwieriger Auseinandersetzungen das Interesse an dem Miteigentumsanteil verloren habe. Daraus ergibt sich aber nicht, warum der Beklagte zu 1) freiwillig der Vertragsaufhebung einverstanden erklärt und damit auf den für ihn äußerst günstigen Kaufpreis verzichtet hat. Wenn es sich bei der in dem notariellen Vertrag vereinbarten Kaufpreishöhe von 460.000 Euro nicht um ein Scheingeschäft gehandelt hätte, hätte der Beklagte zu 1) gegenüber der Beklagten zu 2) auf der Erfüllung des Vertrages bestehen können. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Auseinandersetzung mit dem Kläger ein Motiv für die Aufgabe des Beklagten zu 1) sein könnte. Wenn nämlich der notarielle Kaufvertrag und der darin genannte Kaufpreis so zwischen den Beklagten ernstlich gewollt war, hätte der Beklagte zu 1) ohne weiteres den Geschäftsführer der Beklagten zu 2) als Zeugen dafür benennen können, dass diese ernstlich den Miteigentumsanteil zum Preis von 460.000 Euro erwerben will und diesen Kaufpreis finanzieren kann.

Die Beklagten hätten auch mit der tatsächlichen Durchführung des Kaufes dokumentieren können, dass es sich nicht um ein Scheingeschäft gehandelt habe. Da jegliche Darlegungen zu einem plausiblen Motiv des Beklagten zu 1) für die Aufhebung fehlten, war nach dem Sach- und Streitstand bei Abgabe der Erledigungserklärungen davon auszugehen, dass der notarielle Vertrag vom 15.09.2006 von den Beklagten so nicht durchgeführt werden sollte und deshalb von Anfang an nur zum Schein abgeschlossen worden war.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Eine Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 574 Abs. 3 ZPO war nicht geboten, weil Fragen von grundsätzlicher Bedeutung zur Kostenverteilung nach § 91 a ZPO für die Entscheidung im Ergebnis nicht von Bedeutung sind. Aus diesem Grund erfordern auch weder die Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).

Ende der Entscheidung

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