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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 10.11.2006
Aktenzeichen: 5 U 12/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 273
BGB § 305 c
BGB § 667
Zur vertraglichen Abbedingung der Herausgabepflicht aus § 667 BGB bei der Forderungseinziehung.
Gründe:

I.

Die Klägerin verlangt Auszahlung von Einnahmen, die die Beklagte aus der Einziehung von Forderungen der Klägerin gegen die Kreditkartenunternehmen A und B vom 29.8.2003 bis 5.11.2003 erzielte. Die Beklagte war von der Klägerin mit der Einziehung von auf Fernabsatzgeschäften beruhender Forderungen gemäß Vertrag vom 18.7./21.7.2003 beauftragt, auf den nebst der einbezogenen Geschäftsbedingungen verwiesen wird (Bl.68-74R d.A.). Die Fernabsatzgeschäfte fanden nicht im vertraglich vereinbarten Betätigungsfeld der Klägerin, also im Zusammenhang mit Immobiliengeschäften, statt, nach Beklagenbehauptung erfolgten sie teilweise im Erotikbereich. Nach Abzug von Provisionen und Rückbelastungen belaufen sich die der Beklagten durch die Kartenunternehmen für den Zeitraum erteilten Gutschriften auf den klagegegenständlichen Betrag, zu dem weitere Rückbelastungen durch die Kreditkartenunternehmen seit Februar 2004 nicht erfolgten.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 186.509,72 Euro nebst Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.11.2003 zu zahlen, und festzustellen, dass das Vertragsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche Kündigung der Klägerin am 5.11.2003 beendet wurde.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Ansicht vertreten, der Klägerin stehe aus dem Vertrag ein Auszahlungsanspruch nicht zu, weil die vertraglich vereinbarten Voraussetzungen nicht erfüllt seien.

Das Landgericht hat den Feststellungsantrag abgewiesen und dem Zahlungsantrag überwiegend stattgegeben, weil die Einschränkungen des Zahlungsanspruch in den Geschäftsbedingungen unangemessen und überraschend seien, so dass diesen die Wirksamkeit fehle. Zu den weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Parteivorbringens und der Entscheidungsgründe wird auf das Urteil Bezug genommen (Bl. 298-309 d.A.).

Die Berufung der Beklagten wendet ein, die Bedingungen seien wirksam. Es bestehe ein Rückzahlungsanspruch, wenn die Beklagte später von einer vertragswidrigen Übermittlung von Einziehungsdaten erfahre. Es bestehe die Gefahr, dass die Kreditkartenunternehmen auch ohne Vertragsgrundlage Rückbelastungen vornähmen, wenn sie von Einziehungen zu Geschäften aus dem Erotikbereich oder zu Spiel- und Wette erführen, denen sich die Beklagte aus wirtschaftlichen Erwägungen beugen müsse.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das Urteil.

II.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und gerechtfertigt worden. Das Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg, weil das angefochtene Urteil nicht auf einem Rechtsfehler beruht (§ 513 Abs.1 ZPO). Es ist nämlich im Ergebnis zutreffend.

Der Klägerin steht aus §§ 667 BGB iVm. § 675 BGB ein Anspruch auf Auszahlung der von den Kreditkartenunternehmen A und B in der ausgeurteilten Höhe vereinnahmen Beträge zu.

Der Vertrag vom 18.8./21.7.2003 war auf eine entgeltliche Geschäftsbesorgung durch die Beklagte gerichtet. Die Beklagte übernahm nach seiner Präambel "als Dienstleistung" die Verpflichtung, der Klägerin aus Kreditkarten entstandene Ansprüche bestimmter Art bei den Kreditkartenunternehmen einzuziehen. Der Dienstleistungscharakter kommt auch in Ziffer 9 des Vertrags zum Ausdruck, wo für die "erbrachten Dienstleistungen" eine "Servicegebühr" geregelt ist. Die in Ziffer 4.3 vorgesehene Abtretung der Forderungen des Vertragsunternehmens gegen das Kartenunternehmen legt die Annahme eines Forderungskauf nicht nahe, denn sie erfolgt ausdrücklich nur zur Sicherung der Beklagten. Auch die Parteien gehen übereinstimmend von einem Geschäftsbesorgungsverhältnis aus.

Die streitgegenständlichen und zur Höhe im Berufungsverfahren nicht in Frage gestellten Zahlbeträge sind im Sinn des § 667 BGB aus der Geschäftsbesorgung erlangt. Aus der Geschäftsbesorgung erlangt ist nämlich jeder Vorteil, den der Beauftragte im inneren Zusammenhang mit der Führung des Geschäfts erhält (BGH NJW-RR 2004, 1290; Palandt/Sprau, BGB, 65. Aufl. 2006, § 667 Rz.3). Die Übermittlung der Daten zu den betroffenen Fernabsatzgeschäften erfolgte durch die Klägerin unter Bezugnahme auf den geschlossenen Vertrag und wurde - zunächst - von der Beklagten wie sonstige, von der Klägerin hereingegebene Umsätze abgewickelt. Dies erfolgte nicht außerhalb vertraglicher Regelungen, wie sich aus Ziffer 4.2 ergibt. Danach durfte die Beklagte auch solche Forderungen einziehen, zu denen unter Ziffer 4.1 kein Zahlungsanspruch der Klägerin geregelt war. Dem entspricht es, dass die Beklagte für die Umsätze Abrechnungen erstellte und sich dort jeweils Provision auswies (Anlagen K 2 und K 3, Provisionen Bl.123 und 170R). Dass die Beklagte sich nach ihrer Behauptung über die Art der den einzuziehenden Forderungen zugrundeliegenden Geschäfte geirrt haben mag, ist für die Bestimmung des aus dem Auftrag Erlangten ohne Bedeutung. Im Eigeninteresse erfolgte die Einziehung durch die Beklagten auf der Hand liegend jedenfalls nicht.

Erlangt wurden aus dem Auftrag die von den Kartenunternehmen erteilten Gutschriften im Verrechnungsverkehr mit der Beklagten, deren Wert herauszugeben ist (BGH NZG 2003, 215; Palandt/Sprau, wie oben, § 667 Rz.7). Dass die Gutschriften auch nach Ablauf von sechs Monaten ab Belastung bei dem Kunden noch unter einem Rückforderungsvorbehalt der Kreditkartenunternehmen gegenüber der Beklagten standen, hat diese als wertmindernden Umstand nicht ausreichend geltend gemacht. Dazu hätte es der Vortrags der mit diesen getroffenen Vereinbarungen bedurft, der entgegen dem landgerichtlichen Hinweis vom 5.1.2005 (Bl. 270 d.A.) nicht erfolgt ist. Die Besorgnis der Beklagten, ihr könnten vertragswidrig durch die mit großem Markteinfluss ausgestatteten Kartenunternehmen Rückbelastungen aufgezwungen werden, entbehrt zum einen einer ausreichenden Tatsachengrundlage. Zum anderen kann ein aus Kulanz nachgiebiges Verhalten der Beklagten gegenüber ihren Vertragspartnern nicht der Klägerin angelastet werden.

Die Herausgabepflicht aus § 667 BGB ist nicht vertraglich abbedungen worden. Ziffer 4.1 der Bedingungen zu dem Vertrag (Bl. 70R) bestimmt zwar, unter welchen Voraussetzungen die Beklagte zur Zahlung an die Klägerin verpflichtet ist. Dies ist aber dahin auszulegen, dass damit eine Bevorschussungspflicht der Beklagten zugunsten der Klägerin geregelt werden sollte, nämlich dahin, dass die Klägerin den Gegenwert einer einzuziehenden Forderungen auch bereits vor einer Gutschrift des Kreditkartenunternehmens zugunsten der Beklagten erhalten sollte, wie sich aus der Unabhängigkeit von der Gutschrift durch das jeweilige Kartenunternehmen und der Vereinbarung eines Zahlungsziels von 60 Tagen erhellt (Anl. K 1, Bl. 68 d.A., Anl. K 2, Ziffer 8.3, Bl. 71R d.A.). Dass gesetzliche Ansprüche daneben ausgeschlossen sein sollten, ergibt sich auch an anderer Stelle des Vertrags nicht.

Dem Anspruch gemäß § 667 BGB steht eine Einwendung der Beklagten aus § 242 BGB nicht entgegen. Dies wäre allerdings der Fall, wenn der Anspruch der Klägerin auf eine Leistung bezogen wäre, die sofort wieder zurückzugewähren wäre (dolo- petit-Einwand). Das vereinbarte Recht zur Rückbelastung der Klägerin nach Ziffer 10.1 der Bedingungen ist bei der zu den Allgemeinen Geschäftsbedingungen gebotenen objektiven Auslegung dahin zu verstehen, dass es - nur - auf den Anspruch aus Ziffer 4.1 bezogen ist. Der Wortlaut der Ziffer 10.1 trifft zwar keine Unterscheidung zwischen Zahlungen auf Ansprüche aus Ziffer 4.1 und solchen auf gesetzliche Ansprüche. Die Vertragssystematik deutet aber auf eine Unterscheidungsnotwendigkeit hin. Denn in dem Vertrag sind nur Zahlungsansprüche gemäß Ziffer 4.1 geregelt. Dem entsprechend ist die Rückforderung auch an das Fehlen des Voraussetzungen der Ziffer 4.1 gebunden. Nachdem in Ziffer 4.2 der Beklagten freigestellt ist, die Leistung gemäß Ziffer 4.1 ohne Prüfung der dortigen Voraussetzungen zu erbringen, ist in solchen Fällen der Rückbelastungsvorbehalt sinnvoll. Dieses Verständnis entspricht der Interessenlage: Die Beklagte wird daran interessiert sein, sich davor zu schützen, dass sie für ihre Zahlungen nach Ziffer 4.1 keine Deckung durch die Kartenunternehmen erhält oder Rückbelastungen erfährt. Soweit aber keine Zahlung nach Ziffer 4.1 vorliegt, sondern eine sonstige Zahlung auf eine gesetzliche Anspruchsgrundlage, fehlt regelmäßig der Bevorschussungscharakter. Es gibt auch kein schützenswertes Interesse der Beklagten an einer Rückforderung dort, wo sie Ansprüchen der Kartenunternehmen nicht ausgesetzt ist.

Kommt man zu einem derartigen Verständnis von Ziffer 10.1, bedarf es einer Heranziehung der Unklarheitenregelung (§ 305c Abs.2 BGB) nicht, die über die Betrachtung der kundenfeindlichsten Auslegungsmöglichkeit zu einer Unwirksamkeit des Vorbehalts führen könnte.

Dass Rückbelastungsrechte nach Ziffer 10.2 des Vertrags bestehen, ist nicht vorgetragen, worauf das Landgericht bereits hingewiesen hat (Beschluss vom 5.1.2005, Bl. 270 d.A.).

Die Beklagte hat auch nicht die Voraussetzungen eines Zurückbehaltungsrechts nach § 273 Abs.1 BGB vorgetragen. Ein fälliger Anspruch gegen die Klägerin, etwa auf Sicherstellung vor Rückbelastungen der Kreditkartenunternehmen, die die Beklagte noch immer befürchtet, ergibt sich aus ihrem Vortrag nicht.

Die Zinsansprüche sind, abgesehen von dem Angriff gegen die Hauptforderung, im Berufungsverfahren nicht in Frage gestellt.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs.1, 708 Nr.10 und 711 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs.2 ZPO nicht gegeben sind.

Die nachgereichten Schriftsätze der Parteien vom 3.11.2006 und 7.11.2006 rechtfertigen keine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung (§ 156 Abs.1 und 2 ZPO).

Ende der Entscheidung

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