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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 10.07.2007
Aktenzeichen: 5 U 31/06
Rechtsgebiete: GmbHG


Vorschriften:

GmbHG § 43
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Klägerin verlangt von dem Beklagten als ihrem früheren Alleingeschäftsführer Schadensersatz für drei verschiedene Auszahlungen.

Gesellschafter der Klägerin waren zu 50 % A, zu 40 % dessen Sohn B und zu 10 % der Beklagte. Die Klägerin errichtete Textilfabrikationsanlagen im Ausland, nach einer Umstrukturierung durch Einsatz verschiedener Tochterunternehmen. Um den Absatz der Anlagen zu fördern, plante der Beklagte zusammen mit A, der von seinem Sohn Generalvollmacht hatte, Anlageninteressenten die Abnahme von Textilien aus deren neu aufzunehmenden Fabrikationen zu versprechen. Zu diesem Zweck wurde die CC GmbH (künftig nur: C) gegründet, bei der B 80 % und der Beklagte 20 % des Stammkapitals hielten und deren Geschäftsführer ebenfalls der Beklagte war.

Um mit einer vietnamesischen Unternehmung namens D ins Geschäft zu kommen, erwarb die C durch den Beklagten im Juni 2003 bei einem anderen vietnamesischen Unternehmen, genannt D, das eine Fabrikationsanlage durch die Klägerin hatte errichten lassen, Denimstoffe für - einschließlich Nebenkosten - 351.009,42 €, die sie in die Türkei weiter verkaufen wollte. Den dazu nötigen Geldbetrag entnahm der Beklagte bei der Klägerin. Der Mitgeschäftsführer in der C, E, hatte - nach Beklagtenbehauptung - den Stoff als mangelfrei und schon quasi verkauft bezeichnet.

Der Verkauf in der Türkei misslang, weshalb sich der Beklagte entschloss, mit der C selbst die Vermarktung durchzuführen. Zu diesem Zweck erwarb er, wie nun unstreitig ist, als Treuhänder für die C handelnd, im eigenen Namen 78,5 % der Anteile eines türkischen Textilunternehmens, der FF (künftig nur: F). Den hierzu ebenfalls bei der Klägerin entnommenen Betrag von 150.000,-- € überwies er mit der Angabe "kurzfristiges Darlehen" auf eines seiner Bankkonten und bezahlte daraus die Umschreibungskosten von 17.975,00 €, den Restbetrag, nach Beklagtenbehauptung nur als Vorzeigegeld gebraucht, verwandte er - nach Beklagtenbehauptung - für verschiedene andere Gesellschaften der Klägerin. Den Stoff verkaufte die C später an die F, die ihn in Besitz nahm, ohne hierfür Bezahlung zu leisten.

Außerdem schloss der Beklagte, für die C handelnd, mit der türkischen GG (künftig nur: G) einen Kaufvertrag über deren Anlagevermögen, zu dessen Bezahlung ein aus dem Vermögen der Klägerin entnommener Betrag von 300.000,-- € auf ein von dem vermittelnden Rechtsanwalt angegebenes Treuhandkonto eingezahlt wurde. Der Rechtsanwalt unterschlug dieses Geld und zahlte es weder an die Verkäuferin noch an die C aus.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an sie 801.900,42 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins seit Rechtshängigkeit (18.11.2004) zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme die Klage abgewiesen. Zu den Einzelheiten des erstinstanzlichen Parteivorbringens und der Entscheidungsgründe wird auf das Urteil und den Beschluss zur Zurückweisung eines Tatbestandsberichtigungsantrages vom 26.4.2006 verwiesen (Bl. 261-270 und Bl. 332-333 d.A.).

Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin den erstinstanzlichen Antrag weiter. Sie beruft sich zu dem Vietnamgeschäft im Wesentlichen darauf, dass die Darlehensvergabe an die C betraglich begrenzt gewesen sei, wie dies mit A vereinbart worden sei. Ohnehin sei das Geschäft zu beanstanden, weil die Mittel ohne Sicherheit ausgezahlt worden seien und ein Liquiditätsmangel bei der Klägerin vorgelegen habe. Das Geschäft sei auf unzureichender Informationsgrundlage ins Werk gesetzt worden. Zu der Finanzierung des Erwerbs der F-Anteile könne die Geldverwendung des Beklagten nicht nachvollzogen werden. Zu dem Erwerb der Firmengüter des Unternehmens G wird ausgeführt, dass es bei pflichtgemäßem Verhalten nicht zu einer Hinterlegung bei dem untreuen Anwalt gekommen wäre, so dass ein Schaden vermieden worden wäre.

Die Klägerin beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 801.900,42 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 19.11.2004 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil.

II. Die Berufung der Klägerin hat teilweise Erfolg, weil das angefochtene Urteil zur Entnahme von Mitteln für den Stoffankauf in Vietnam (351.009,42 €) und für den Ankauf der Anteile an der F (150.000,-- €) auf einer fehlerhaften Anwendung materiellen Rechts beruht (§ 513 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 546 ZPO), während die Klageabweisung hinsichtlich der Auszahlung der Finanzierungsmittel für den Einrichtungskauf bei dem Unternehmen G (300.000,-- €) nicht zu beanstanden ist. Der Berufungsantrag ist dabei dahin auszulegen, dass er sich lediglich auf die Zahlung eines Betrages von 801.009,42 € richtet, weil die Klägerin mit ihrem auf 801.900,42 € gerichteten Zahlungsantrag eine fehlerhafte Zahlenangabe im landgerichtlichen Urteil irrtümlich übernommen hat, wie aus der Aufstellung der Schadensersatzpositionen in der Klageschrift (S.13, Bl. 12 d.A.) ersichtlich ist.

1. Stoffankauf in Vietnam:

Der Klägerin steht ein Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten aus § 43 Abs. 2 und Abs. 1 GmbHG zu, weil der Beklagte seine Obliegenheiten als Geschäftsführer verletzt und dadurch der Klägerin einen Schaden zugefügt hat.

Ein Schaden der Klägerin ist auf die Veranlassung des Beklagten eingetreten, der C aus dem Vermögen der Klägerin einen entsprechenden Zahlungsbetrag zur Verfügung zu stellen. Das zur Auszahlung führende Verhalten des Beklagten hat das Landgericht - im Berufungsverfahren nicht angegriffen - festgestellt (LGU S. 2, Bl. 262 d.A.). Dass der dadurch bei der Klägerin eingetretenen Vermögensminderung ein ausgleichender Vorteil zu ihren Gunsten gegenüberstand, hat der Beklagte nicht ausreichend vorgetragen. Die Vortrags- und Beweislast für ausgleichende Vorteile und für die Voraussetzungen ihrer Berücksichtigungsfähigkeit hat grundsätzlich der Schädiger zu tragen (Palandt/Heinrichs, BGB, 66. Aufl., vor § 249 Rdz. 123 b).

Der Beklagte hat namentlich die Voraussetzungen eines werthaltigen Darlehensrückzahlungsanspruchs der Klägerin aus § 488 Abs. 1 S. 2 BGB gegen die C nicht behauptet. Der vom Verbot des Selbstkontrahierens befreite Beklagte nahm insoweit nämlich kein wirksames In-sich-Geschäft vor, weil sein Selbstkontrahieren nicht nach außen erkennbar wurde. Aus diesem Grund kommt auch eine wirksame Vorschussleistung gemäß § 669 BGB zur Abdeckung von Aufwendungen der C im Interesse der Klägerin nicht in Betracht. Der Beklagte hat darüber hinaus nicht vorgetragen, dass ein Rückzahlungsanspruch gegen die C überhaupt werthaltig wäre. Die in der Türkei liegenden Stoffe sind minderwertig, werden von einem Lagerhalter zurückgehalten und sind zusätzlich mit einer Beschlagnahme belegt. Sonstiges Vermögen steht der C nicht zur Verfügung.

Für den Schaden der Klägerin kommt es nicht darauf an, ob die Vermögensminderung Gesellschaftszwecken diente. Ein besonderer funktionaler Schadensbegriff ist in § 43 Abs. 2 GmbHG nicht geregelt und wäre auch nicht sinnvoll, weil die Zweckdienlichkeit einer Vermögensminderung mit dem Merkmal der Pflichtwidrigkeit des Handelns erfasst wird.

Der Beklagte hat nicht dargetan, dass er seinen Sorgfaltspflichten genügte oder dass der Schaden auch bei pflichtgemäßem Verhalten eingetreten wäre. Dies oblag ihm aber, weil die Auszahlung an die C durch ihn vorgenommen wurde, also ihre Beurteilung in seinem Pflichtenkreis lag, nach einer anderen oft angewandten Abgrenzungsformel, weil sie zwanglos als "möglicherweise pflichtwidrig" anzusehen war.

Allerdings unterlag der Beklagte dabei kooperationsrechtlichen Verhaltensbindungen nicht, denn Willensäußerungen des Mehrheitsgesellschafters A waren für ihn weder verbindlich noch freistellend und ein Gesellschafterbeschluss, auch in einer Ad-hoc-Versammlung, ist nicht vorgetragen.

Grundlage einer sachgerechten Ermessensausübung hat eine sorgfältige Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen zu sein. Kaufmännisch verantwortungsbewusstes Verhalten muss vom Verhalten eines Spielers abgrenzt werden, der ebenfalls Risiken zu übernehmen bereit ist. Fehlt es an einer ausreichenden Klärung der Entscheidungsgrundlagen, so liegt ein Ermessensfehlgebrauch, also ein innerer Ermessensfehler vor, auch wenn das Geschäft selbst sich durchaus in den äußeren Grenzen einer Ermessensausübung bewegt, also grundsätzlich möglich wäre.

Die Information zu den Aussichten des Weiterverkaufs war unzureichend, weil sie nicht dazu führte, dass der Beklagte die Aussichten des Verkaufs selbst beurteilen konnte. Die Erklärung des Mitgeschäftsführers in der C, die Stoffe seien quasi verkauft, durfte der Beklagte nicht genügen lassen, weil sich daraus ergab, dass eine verbindliche Einigung gerade noch nicht zustande gekommen war. Woraus sich eine Wahrscheinlichkeit eines Weiterverkaufs und mit welchem Erwartungsgrad ergab, ist von dem Beklagten nicht geklärt worden. Der Beklagte durfte den Erklärungen seines Mitgeschäftsführers in der C, E, nicht ungeprüft vertrauen, weil E als Geschäftsführer der C lediglich deren Interessen in den Blick zu nehmen hatte.

Es ist zum Nachteil des Beklagten auch ungeklärt geblieben, von welchen tatsächlichen Grundlagen seine Entscheidung überhaupt ausging, so dass eine Vertretbarkeit der Investition in das Vorzeigegeschäft nicht beurteilt werden kann. Der sich im Erfolgsfall ergebende Gewinn ist unbekannt. Er kann nicht gegen das übernommene Risiko abgewogen werden, das sich aus dem Vorzeigegeschäft ergab, wie auch der Einfluss des Vorzeigegeschäfts auf den Abschluss des Vertrags mit D mangels Mitteilung des dortigen Verhandlungsstandes dunkel ist. Auf diesen Vortragsmangel hat der Senat, versehentlich unprotokolliert, in der mündlichen Verhandlung hingewiesen, ohne dass eine Ergänzung des Beklagtenvertreters erfolgt wäre, der erklärt hat, ohne Kontakt zu dem Beklagten zu sein.

Der Beklagte hat nicht geltend gemacht, dass der Schaden ebenfalls bei pflichtgemäßem Verhalten, also bei Aufklärung der Verkaufsbemühungen E, eingetreten wäre oder dass sich auch ein betriebswirtschaftlich vertretbar übernommenes Risiko aus dem Vorzeigegeschäft erwartungswidrig doch verwirklicht hätte.

Ein Mitverschulden der Klägerin an der Schadensentstehung nach § 254 Abs. 2 BGB, wie es in dem nachgereichten Schriftsatz des Beklagten vom 7.6.2007 eingewandt ist, liegt nicht vor. Der Klägerin war es nicht zuzumuten, sich die Gesellschaftsanteile der F auf das Angebot der Beklagten in der Klageerwiderung abtreten zu lassen und mit einer weiteren Zahlung von 15.000,-- € die Herausgabe der Stoffe aus dem Zolllager in der Türkei zu versuchen, weil auch dann deren Verwertung zweifelhaft war. Denn die Stoffe waren zusätzlich von Gläubigern einer dem Firmenverbund der Klägerin zuzurechnenden türkischen Gesellschaft namens H beschlagnahmt worden.

Die Gesellschafter der Klägerin beschlossen die Geltendmachung des Ersatzanspruchs gegen den Beklagten am 6.10.2004 (§ 46 Nr.8 1.Alt. GmbHG).

2. Ankauf der Anteile an der F:

Der Klägerin steht ein Anspruch gegen den Beklagten aus § 488 Abs. 1 S. 2 BGB zu, ohne dass es auf eine Anspruchskonkurrenz zu § 43 Abs. 2 GmbHG ankäme. § 43 Abs. 2 GmbHG verdrängt nicht den vertraglichen Erfüllungsanspruch aus einem pflichtwidrig eingegangenen In-sich-Geschäft des Geschäftsführers.

Der Darlehensvertrag der Klägerin mit dem Beklagten wurde als wirksames In-sich-Geschäft geschlossen, denn er war mit der entsprechenden Kenntlichmachung auf dem Überweisungsbeleg ("kurzfristiges Darlehen", Anlage K 19, Bl. 40 d.A.) erkennbar. Der Beklagte war als Geschäftsführer von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit (Handelsregisterauszug, K 24).

Der Darlehensvertrag ist nicht als schriftformwidriger Verbraucherdarlehensvertrag gemäß § 494 Abs. 1 BGB unwirksam, auch wenn der Beklagte Verbraucher war (vgl. Palandt/Heinrichs, wie oben, § 13 Rdz. 3 am Ende). Denn der Beklagte hat die Darlehensvaluta erhalten und das Darlehen war mangels Vereinbarung zinslos (§ 494 Abs. 2 S. 1 und 2 BGB).

Die erforderliche Kündigung des Darlehens lag in der Geltendmachung des Rückzahlungsanspruchs mit der Klage.

Der Einwand des Beklagten, er habe mit dem Darlehen Ausgaben für die Klägerin getätigt, ist gegenüber dem Rückzahlungsanspruch unerheblich. Eine Aufrechnung mit Aufwendungsersatzansprüchen ist insoweit nicht erklärt, wie auch die Ausgaben, von der Klägerin im Wesentlichen bestritten, nicht nachvollziehbar vorgetragen sind. Die vorgelegte Liste (B 15) ersetzt einen solchen Vortrag nicht.

Der Zinsanspruch beruht für die unter 1.) und 2.) bezeichneten Ansprüche ab dem im Berufungsverfahren geltend gemachten Zeitpunkt auf § 286 Abs. 1 S. 2 BGB. Die Zinshöhe beläuft sich jedoch nur auf 5 Prozentpunkte über dem Basiszins. Zu dem Schadensersatzanspruch aus der Finanzierung der Stoffe fehlt es an einem rechtsgeschäftlichen Anspruch im Sinne des § 288 Abs. 2 BGB, zu dem Darlehen für die F-Anteile wird der Beklagte als Verbraucher in Anspruch genommen.

3. Finanzierungsmittel G:

Die Berufung ist insoweit unbegründet, denn der Schaden, der durch eine Veruntreuung des eingeschalteten Rechtsanwalts entstand, lag nicht im Schutzbereich von solchen Pflichten des Beklagten, die er im Hinblick auf die Geschäftsanbahnung verletzt haben könnte. Der Nachteil muss aus dem Bereich der Gefahren stammen, zu deren Abwendung die verletzte vertragliche Pflicht bestand (vgl. Palandt/Heinrichs, wie oben, Vorbem. vor § 249 Rdz. 62). Zwar ist der behauptete Pflichtenverstoß ursächlich, weil ohne die Auszahlung das Geld noch bei der Klägerin wäre. Es liegt auch nicht außerhalb der Lebenserfahrung, dass anvertrautes Geld unterschlagen wird. Die Pflicht des Beklagten, sachgerechte unternehmerische Entscheidungen zu treffen, sollte jedoch die Klägerin nicht vor Verlusten durch untreue Mittelsleute bewahren.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 10 und 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind. Der nachgereichte Schriftsatz des Beklagten vom 7.6.2007 rechtfertigt keine Wiedereröffnung der verfahrensfehlerfrei geschlossenen mündlichen Verhandlung, § 156 Abs. 1, Abs. 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

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