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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 14.01.2008
Aktenzeichen: 5 UF 206/00
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1671
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Die Beteiligten zu 1 und 2 sind Eltern der drei Kinder A, geboren am ....1994, B, geboren am ....1995 und C, geboren am ....1999. Sie lernten sich 1991 im Heimatland der Antragstellerin in O1 kennen und zogen im Juli 1993 in eine gemeinsame Wohnung nach O2. Im September 1998 trennten sich die Parteien erstmals und die Antragstellerin zog mit den beiden Söhnen in ihren Heimatort O3 in Spanien. Die Kinder besuchten dort den Kindergarten der deutschen Schule in O4. Im August 1999 versöhnten sich die Parteien wieder und die Antragstellerin zog mit den beiden Söhnen zurück nach O2. Am ....1999 kam die Tochter C zur Welt. Am 14.12.1999 fand die Hochzeit der Parteien statt. Die Kinder besitzen die deutsche und die spanische Staatsangehörigkeit, der Antragsgegner die deutsche und die Antragstellerin die spanische Staatsangehörigkeit. Bereits einige Monate nach der Eheschließung wollte die Antragstellerin sich erneut von dem Antragsgegner trennen und mit den Kindern nach O3 ziehen. Da der Antragsgegner einem Umzug der Kinder widersprach, stellte die Antragstellerin im März 2000 bei dem Amtsgericht Wiesbaden den Antrag, ihr das Sorgerecht für die drei gemeinsamen Kinder zu übertragen. Diesem Antrag entsprach das Amtsgericht mit dem angefochtenen Beschluss vom 17.8.2000, nachdem es die Parteien und die Kinder A und B persönlich angehört hatte. Es stützte seine Entscheidung für die Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge im Wesentlichen auf die mangelnde Kooperationsfähigkeit und eventuell auch fehlende Kooperationsbereitschaft der Kindeseltern und erachtete die Kindesmutter als besser geeignet, die elterliche Sorge zum Wohl der Kinder auszuüben. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.

Die hiergegen gerichtete befristete Beschwerde des Antragsgegners wurde mit Beschluss des Senats vom 22. 3. 2001 nach Anhörung der Kinder A und B und der Kindeseltern zurückgewiesen. Der Senat stützte die Entscheidung im Wesentlichen auf die Uneinigkeit der Eltern über den künftigen Lebensmittelpunkt der Kinder und die mangelnde Kooperationsfähigkeit der Eltern. Es wird im Übrigen auf die Gründe des Beschlusses vom 22.3.2001 Bezug genommen. Die hiergegen eingelegte Verfassungsbeschwerde des Antragsgegners führte zur Aufhebung des Senatsbeschlusses vom 22.3.2001 und Zurückverweisung des Verfahrens. Der Beschluss des Amtsgerichtes wurde nicht aufgehoben. Das Bundesverfassungsgericht, auf dessen Beschluss vom 1.3.2004 Bezug genommen wird, sah den Antragsgegner durch die Entscheidungen des Amtsgerichts und des Senats in seinem Grundrecht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG verletzt, da nicht hinreichend geprüft worden sei, ob es neben der strittigen Frage des Aufenthaltes der Kinder auch in anderen Fragen des Sorgerechtes an dem gebotenen Mindestmaß an Übereinstimmung und einer hinreichend tragfähigen sozialen Beziehung fehle.

Der Senat hat daraufhin die Kinder A und B und die Beteiligten zu 1 und 2 am 11.7.2005 erneut angehört und eine weitere Stellungnahme des Jugendamtes der Stadt O2 eingeholt. Es wird insoweit auf den Bericht des Jugendamtes vom 4.7.2005 und die Sitzungsniederschrift vom 11.7.2005 Bezug genommen.

Mit Beweisbeschluss vom 11.7.2005, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, wurde die Einholung eines psychologischen Sachverständigengutachtens zu der Frage der Sorgerechtsregelung angeordnet. Der zum Sachverständigen bestellte Diplom Psychologe Dr. SV1 und sein Praxiskollege Diplom Psychologe SV2 führten mit beiden Elternteilen und den drei Kindern Anamnese- und Explorationsgespräche, wegen deren Ergebnisse auf das Gutachten Bezug genommen wird. Der den Kindeseltern zur weiteren Diagnostik überreichte Persönlichkeitsfragebogen und Beschwerdelisten wurden von beiden nicht zurückgegeben. Der Inhalt des Gutachtens wurde mit den Parteien eingehend im erneuten Anhörungstermin vor dem Senat am 10.9.2007 erörtert. Die Kindeseltern legten im Rahmen ihrer Anhörung ihre unterschiedlichen Erziehungsvorstellungen und Konfliktpunkte dar. Wegen der Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift vom 10.9.2007 Bezug genommen.

Die Beschwerde ist zurückzuweisen, da das Amtsgericht zu Recht die gemeinsame elterliche Sorge für die drei Kinder aufgehoben und das Sorgerecht auf die Kindesmutter übertragen hat. Diese Regelung entspricht dem Kindeswohl, welches oberste Richtschnur für die Ausübung der Elternverantwortung ist, am besten. Die Regelung des § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB, die eine Ausgestaltung des beiden Elternteilen gleichermaßen zustehenden Elternrechts ist, bedeutet nicht, dass dem Fortbestand der gemeinsamen elterlichen Sorge ein Vorrang vor der alleinigen Sorge eines Elternteils einzuräumen ist. Ebenso wenig besteht eine gesetzliche Vermutung dafür, dass die gemeinsame Sorge im Zweifel die beste Form der Wahrnehmung der elterlichen Verantwortung ist (BVerfG vom 18.12.2003, abgedruckt in FamRZ 2004, 354; BGH FamRZ 1999, 1646; FamRZ 2005, 1167). Nach der Entscheidung des BVerfG im vorliegenden Verfahren (FamRZ 2004, 1015) gebietet es das jedem Elternteil gem. Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG zustehende Elternrecht jedoch, die gemeinsame elterliche Sorge nur dann aufzuheben und auf einen Elternteil zu übertragen, wenn auf andere Weise dem Kindeswohl nicht Rechnung getragen werden kann. Es ist stets zu prüfen, ob dem Kindeswohl nicht durch Übertragung von Teilbereichen der elterlichen Sorge auf einen Elternteil Genüge getan werden kann. Gleichzeitig führt das BVerfG seine bisherige Rechtsprechung fort, nach der die gemeinsame Ausübung der Elternverantwortung eine tragfähige soziale Beziehung zwischen den Eltern erfordert und ein am Kindeswohl ausgerichtetes Mindestmaß an Übereinstimmung.

Vorliegend besteht zwischen den Eltern zwar insoweit Übereinstimmung, dass beide auf Förderung und Unterstützung der Kinder bedacht sind und beide akzeptieren, dass der andere Elternteil als wichtige Bezugsperson erhalten bleiben muss, aber über die Ausgestaltung dieser Ziele herrscht fortwährender Streit, der sich belastend auf die Kinder auswirkt. Die Eltern haben sehr unterschiedliche Erziehungsansätze. Die Kindesmutter ist geneigt, großzügiger auf die Wünsche der Kinder einzugehen und auch dem Wunsch der Söhne, Fußball zu spielen, zu entsprechen. Hiermit ist der Kindesvater nur eingeschränkt einverstanden, da hierdurch auch sein Umgangsrecht tangiert wird. Er empfindet es als Kränkung, wenn ihm bei seinem Eintreffen in Spanien erklärt wird, die Söhne oder einer der Söhne seien gerade beim Fußballtraining. Der Kindesvater möchte die Kinder näher an Naturwissenschaften und Musik heranführen.

Die Kindeseltern sind nicht in der Lage in angemessener Weise lösungsorientiert im Interesse der Kinder miteinander zu kommunizieren. Auch in Fragen, in denen im Grundsatz Einigkeit besteht, etwa der Krankenversicherung der Kinder, kommt es bei der Umsetzung - etwa zur Abrechnungspraxis gegenüber der Krankenkasse - immer wieder zu aufreibenden Streitigkeiten, die nach dem Eindruck des Senats im Rahmen der persönlichen eingehenden Anhörung der Parteien auf einer langjährig eingeübten Art der Gesprächsführung miteinander beruhen. Beide Parteien haben gegenseitige feste Erwartungshaltungen, die sie daran hindern, unvoreingenommen sachorientiert miteinander zu kommunizieren. Der Eindruck des Senats wird durch die Feststellungen des Sachverständigen bestätigt. So führt dieser aus, dass zwischen den Parteien mittlerweile sozusagen reflexartig entsprechende Reiz-Reaktions-Muster ablaufen, die nicht nur eine erhebliche Kommunikationsstörung zwischen beiden zur Folge haben, sondern in einem ganz erheblichen Ausmaß mit bedingen, dass es zwischen den Kindeseltern schnell zu Streit und lautstarken Auseinandersetzungen kommt. Der Kindesvater ist es im Rahmen der Berufausübung als Pilot gewohnt, dass seinen Anordnungen Folge geleistet wird. Er ist zwar um eine rational-sachliche Gesprächsführung bemüht, wirkt dabei aber direktiv bestimmend, was bei der Kindesmutter auf Ablehnung stößt, da sie sich nicht akzeptiert und bevormundet fühlt. Dies führt zu den in der Sitzungsniederschrift dargelegten, vielfältigen Konflikten in nahezu sämtlichen, die Kindesbelange betreffenden Bereichen. Die Kinder haben im Rahmen ihrer Anhörung bestätigt, dass sich der Vater teilweise sehr aufrege, z.B. anlässlich Verspätungen der Kinder bei Besuchskontakten. B äußerte auf die Frage, was sich am Vater ändern solle, dass dieser sich nicht so aufregen solle, wenn sie z.B. zu spät zur Übergabe kämen, da könne ein Herzinfarkt passieren. Diese Äußerung macht deutlich, dass sich die Auseinandersetzungen zwischen den Eltern durchaus auch auf die Kinder auswirken. Die Kinder geraten in das Spannungsfeld zwischen den Eltern und werden hierdurch belastet. Da die Kindeseltern in Erziehungsfragen teilweise sehr unterschiedlicher Ansicht sind, wäre es im Interesse der Kinder notwendig, dass die Eltern unter Einbeziehung der Kinder in konstruktivem Gespräch gemeinsame Lösungen erarbeiten. Hierzu sind sie jedoch nach der Überzeugung des Senats in keinem Teilbereich der elterlichen Sorge aufgrund einer zementierten Kommunikations- und Streitkultur in der Lage. Der vorgeschlagene Lösungsversuch der Sachverständigen, dass die Parteien zunächst 10 Stunden Supervision in Anspruch nehmen und ggfs. dauerhaft ein Umgangskoordinator eingesetzt wird, um die Voraussetzungen für die Ausübung des gemeinsamen Sorgerechts zu schaffen, setzt voraus, dass beide Elternteile bereit sind, an der Supervision teilzunehmen. Die Kindesmutter ist hierzu aufgrund des bisherigen Verlaufs der Paarbeziehung nicht bereit. Die Folge dieser Weigerung kann nicht die von den Gutachtern vorgeschlagene Einsetzung eines "neutralen" Einzelvormundes oder die Anordnung des gemeinsamen Sorgerechtes mit der Auflage der Inanspruchnahme einer Supervision und eines Umgangskoordinators sein, da es hierfür keine Rechtsgrundlage gibt. Da das gemeinsame Sorgerecht mangels Kooperations - und Kommunikationsfähigkeit der Eltern nicht zum Wohle der Kinder ausgeübt werden kann, ist das Sorgerecht auf einen Elternteil zu übertragen. Die Kindesmutter übt seit Erlass der angefochtenen Entscheidung des Amtsgerichts die elterliche Sorge alleine aus. Sie lebt mit den Kindern in Spanien und hat dafür Sorge getragen, dass die Kinder einen möglichst umfangreichen Kontakt mit ihrem Vater haben und dieser als wichtige Bezugsperson erhalten bleibt. Die Kinder möchten weiterhin ihren Lebensmittelpunkt in Spanien haben. Der Kindesvater will dies nur eingeschränkt und mit der Auflage eines ein- bis zweijährigen Schulbesuches in Deutschland akzeptieren. Im Hinblick auf die Kontinuität der Erziehung, die Erziehungskompetenz und die Bindungstoleranz ist der Senat der Überzeugung, dass es dem Wohl der Kinder am besten entspricht, wenn die elterliche Sorge auf die Kindesmutter übertragen wird.

Die Kosten- und Auslagenentscheidung folgt aus §§ 131 Abs. 3 KostO; 13 a Abs. 1 S. 2 FGG.

Die Wertfestsetzung beruht auf § 30 Abs. 2 KostO.

Ende der Entscheidung

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