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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 14.12.2000
Aktenzeichen: 5 W 21/00
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 888
ZPO § 891 S. 1
ZPO § 888 Abs. 1
ZPO § 887 Abs. 1
ZPO § 892
ZPO § 308
ZPO § 788 Abs. 1
ZPO § 91 Abs. 1
Unvertretbarkeit einer im Ausland zu vollstreckenden Handlung (hier: Erteilung eines Buchauszugs).
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN BESCHLUSS

5 W 21/00

3/6 O 13/96 LG Frankfurt am Main

Entscheidung vom 14.12.2000

In der Zwangsvollstreckungssache ...

hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die sofortige Beschwerde der Gläubigerin gegen den Beschluß der 6. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt am Main vom 24. August 2000 durch die Richter ...

am 14. Dezember 2000 beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluß wird abgeändert.

Gegen die Schuldnerin wird zur Erzwingung der mit dem am 1. März 2000 verkündeten, rechtskräftigen Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main erfolgten Verurteilung, nämlich

dem Kläger einen Buchauszug zu erteilen a) für alle vom Kläger vermittelten Geschäfte, zu denen sie in der Zeit vom 1.1.1995 bis 15.6.1995 Rechnungen an ihre Kunden im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erteilt hat, b) für alle Geschäfte, zu denen sie Rechnungen in der Zeit vom 16. Juni 1995 bis 15. Juni 1998 an solche Kunden im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erteilt hat, die bereits bis 15.6.1995 aufgrund von Vermittlungen des Klägers ihre Kunden in diesem Gebiet waren, wobei ausgenommen von der Pflicht zur Erteilung des Buchauszuges sind die Kunden ...

ein Zwangsgeld von 8.000.-- DM verhängt.

Die Vollstreckung der Zwangsmittel entfällt, sobald die Schuldnerin der obigen Verpflichtung nachkommt.

Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens und des Beschwerdeverfahrens hat die Schuldnerin zu tragen.

Der Beschwerdewert wird auf die Gebührenstufe bis 16.000.-- DM festgesetzt.

Gründe

Der Gläubiger erstritt gegen die in Italien ansässige Schuldnerin ein Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main (5 13 198/98), das der Beklagten zugestellt wurde und rechtskräftig ist. Die Schuldnerin hat danach dem Gläubiger einen Buchauszug zu den im Tenor bezeichneten Geschäften zu erteilen. Mit Schreiben vom 15.3.2000 hat der Bevollmächtigte des Gläubigers der Schuldnerin eine Frist zur Vornahme der Handlung bis zum 15.4.2000 gesetzt. Deren Bevollmächtigter erklärte daraufhin telefonisch, er stelle anheim, die Vollstreckung in Italien zu betreiben. Darüber hinausgehende Erklä- rungen des Bevollmächtigten der Schuldnerin zur Dauer eines solchen Vorhabens sind umstritten.

Die Gläubigerin hat am 15.5.2000 beantragt, die Schuldnerin durch Zwangsgeld gemäß § 888 ZPO anzuhalten, "die Auskunft gemäß Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 1.3.2000 zu erteilen".

Durch Beschluß vom 24.8.2000 hat das Landgericht den Antrag zurückgewiesen, weil er nicht auf eine unvertretbare Handlung gerichtet sei.

Gegen diesen Beschluß richtet sich die am 31.8.2000 bei dem Landgericht eingegangene "Beschwerde" des Gläubigers, mit der geltend gemacht wird, die Handlung sei als unvertretbar zu behandeln, weil sie im Ausland vorzunehmen sei. Während des Beschwerdeverfahrens ist dem Gläubiger auf seinen Antrag durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Oberlandesgericht eine vollstreckbare Ausfertigung erteilt worden.

Die Schuldnerin wendet gegen die Beschwerde ein, die Notwendigkeit einer Erzwingung durch Durchführung der Ersatzvornahme in Italien stünde nicht fest.

Die Beschwerde ist als sofortige gemäß 793 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 891 S. 1 ZPO zulässig, insbesondere fristgerecht (§ 577 Abs. 2 S. 1 ZPO) eingelegt. Die Zustellung des angefochtenen Beschlusses ist zwar nicht ersichtlich, weil das verfügte und vorgefertigte Empfangsbekenntnis des Gläubigervertreters nicht zu den Akten gelangt ist. Die Beschwerdeschrift ist aber bereits am 31.8.2000 bei dem Landgericht eingegangen und hat damit die Notfrist von zwei Wochen unabhängig vom Zeitpunkt einer eventuellen Zustellung gewahrt.

Das Rechtsmittel hat Erfolg.

Ein ordnungsgemäßer Vollstreckungsantrag liegt vor. Soweit der Gläubiger als Ziel der Zwangsgeldfestsetzung "Auskunft" gemäß dem näher bezeichneten Urteil erstrebt, ist sein Antrag auslegungsbedürftig (§ 133 BGB analog), weil er unklar ist. Das Urteil tenoriert nämlich keine Auskunftsverpflichtung, sondern die Pflicht zur Erteilung eines Buchauszuges. Weil zugleich auf das Urteil verwiesen wird, ist ausreichend deutlich, daß der Gläubiger unabhängig von der rechtlichen Einordnung dessen Inhalt, also die Pflicht zur Erteilung des Buchauszuges, vollstrecken will. Nachdem das Landgericht in seinem angefochtenen Beschluß herausgestellt hatte, daß die Verurteilung auf Erteilung eines Buchauszuges gerichtet sei, ist der Gläubiger im übrigen auf die ursprüngliche Bezeichnung als Auskunft nicht mehr zurückgekommen.

Deutsche Gerichte sind zur Entscheidung über den Vollstreckungsantrag berufen, weil es sich um eine Inlandsvollstreckung handelt, über die das Prozeßgericht zu befinden hat. Bei der Vollstreckung nach § 888 Abs. 1 ZPO wird nämlich der Zwang im Inland ausgeübt, auch wenn die Handlung selbst im Ausland vorzunehmen ist (vgl. Baumbach/Hartmann, ZPO, 59. Aufl., § 888 Rz. 2; Thomas/Putzo, 22. Aufl., § 888 Rz. 9; Wieczorek/Storz, ZPO, 3. Aufl., 888 Rz. 12).

Die allgemeinen Zwangsvollstreckungsvoraussetzungen (§ 750 Abs. 1. ZPO) liegen vor. Während des Beschwerdeverfahrens hat der Gläubiger eine vollstreckbare Ausfertigung erteilt erhalten. Deren Vorlage war hier entbehrlich, weil die Erteilung durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des 5. Zivilsenats erfolgt ist, der auch für die Beschwerdeentscheidung zuständig ist, und aktenkundig vermerkt ist.

Die besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen des § 888 Abs. 1 ZPO sind ebenfalls gegeben. Nach dieser Bestimmung ist der Schuldner durch Zwangsgeld zur Vornahme einer Handlung anzuhalten, wenn die Handlung durch einen Dritten nicht vorgenommen werden kann und ausschließlich vom Willen des Schuldners abhängt. Diese Voraussetzungen liegen allerdings für die Erteilung eines Buchauszuges grundsätzlich nicht vor, denn die Zusammenstellung dessen, was in den Büchern des Schuldners hinsichtlich der betroffenen Geschäfte enthalten ist, stellt nicht auf unersetzbare Fähigkeiten des Schuldners ab. Daß die Erteilung eines Buchauszuges eine vertretbare Handlung darstellt, entspricht allgemeiner Auffassung (vgl. etwa MüKo/Schilken, ZPO, § 887 Rz. 7; Musielak, Lackmann, 2. Aufl., 9 887 Rz. 10; OLG Hamburg, MDR 1955, 43; OLG Hamburg, MDR 1968, 932; OLG Karlsruhe, OLGZ 1973, 373, 374).

Dies gilt jedoch nicht uneingeschränkt, wenn die Vollstreckung auf eine im Ausland vorzunehmende Handlung gerichtet ist. Denn die gegebenenfalls zur Duldung einer Ersatzvornahme gemäß § 887 Abs. 1 ZPO nötige Gerichtsvollzieherzuziehung gemäß § 892 ZPO kann durch den Gläubiger dort nicht erfolgen (vgl. OLG Stuttgart, ZZP 97 (1984), 487 m. Anm. Münzberg; Stein/Jonas/Brehm, ZPO, 21. Aufl., § 887 Rz. 29). Die Erstellung eines Buchauszuges durch Ersatzvornahme wäre ohne eine Duldung der Schuldnerin nicht möglich, weil diese in unmittelbarem oder mittelbarem Besitz ihrer Buchhaltungsunterlagen ist.

Entgegen der Ansicht der Schuldnerin ist nicht darüber hinaus zu verlangen, daß schon jetzt die Erforderlichkeit eines Duldungszwangs feststeht. Eine solche Feststellung wird sich nämlich für ein künftiges Verhalten nur schwer treffen lassen und wäre allenfalls auf der Grundlage derzeitigen Verhaltens der Schuldnerin möglich, dessen spätere Änderung nicht verhindert werden kann. Wollte man dem Verständnis der Schuldnerin folgen, müßte der Gläubiger mit hohem Kostenaufwand und Zeitverlust zunächst eine Ersatzvornahme im Ausland versuchen und auf Duldung durch die Schuldnerin hoffen. Dies liefe hier und im Regelfall darauf hinaus, daß vor einer Anwendung des § 888 Abs. 1 ZPO für die im Ausland vorzunehmende Handlung zunächst die Fruchtlosigkeit einer Ersatzvornahme gemäß § 887 Abs. 1 ZP0 verlangt würde. Solches sieht das Vollstreckungsrecht nicht vor (vgl. dazu auch Münzberg, ZZP 97 (1984) , 489, 491).

Ein Zwangsgeld in Höhe von 8.000.-- DM war zur Beugung des Schuldnerwillens erforderlich. Dabei waren das Vollstreckungsinteresse des Gläubigers, das Verhalten der Schuldnerin nach Rechtskraft der Verurteilung und die Möglichkeit wiederholter Festsetzung von Zwangsgeld zu berücksichtigen.

Eine Anordnung von Ersatzhaft ist nicht beantragt. Insoweit folgt der Senat der Auffassung von Stöber (Zöller/StÖber, wie oben, § 888 Rz. 4; gegen Baumbach/Hartmann, wie oben, § 888 Rz. 10; LAG DB 1993, 1288), der § 308 ZPO für maßgeblich hält. Damit kann dahinstehen, ob eine Ersatzhaftanordnung überhaupt erst nach Art. 8 Abs. 1 E8 StGB erfolgen kann, weil nämlich erst nach Feststellung des Beitreibungsausfalles der vom Freiheitsentzug betroffene gesetzliche Vertreter festgestellt werden kann.

Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich der Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens auf § 788 Abs. 1 ZPO, hinsichtlich der Kosten des Beschwerdeverfahrens auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Der Beschwerdewert richtet sich nach dem wirtschaftlichen Interesse des Gläubigers an der Durchführung der Zwangsvollstreckung. Dieses ist in der Regel mit dem Wert der Hauptsache anzusetzen (vgl. schon Senat 5 W 2/96 - nicht veröffentlicht). Der Wert der Verpflichtung zur Erteilung des Buchauszuges ist mit 1/5 dessen bemessen, was sich der Kläger ausweislich seiner Angaben in der Klageschrift als wirtschaftliches Ergebnis der Informationsbeschaffung erhofft.



Ende der Entscheidung

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